Wie Winterzeit-Befürworter die Sommerzeit mit Falschbehauptungen madig machen
Im Sommer dieses Jahres führte die EU-Kommission eine Konsultation zur Zeitumstellung durch, an der sich 4,6 Mio. Menschen (3 Mio. davon aus Deutschland) beteiligten. In 26 der 28 EU Länder sprachen sich die Bürgerinnen und Bürger mehrheitlich für die Abschaffung der Zeitumstellung aus. Insgesamt lehnen 84% der Teilnehmer die Zeitumstellung ab. Im Falle einer Abschaffung haben 92% der Teilnehmer aus Deutschland eine klare Präferenz, welche Zeit dann gelten soll. 58% von ihnen wünschen sich die dauerhafte Sommerzeit (MESZ) und lediglich 42% die dauerhafte Winterzeit (MEZ) [1]. Doch seitdem das Ergebnis bekannt ist, verunsichern fanatische Anhänger der Winterzeit die Bürgerinnen und Bürger mit einer regelrechten Desinformations-Kampagne, die mit Falschbehauptungen und glatten Lügen nur so gespickt ist.
Fake 1: Die Sommerzeit sei künstlich, die Winterzeit natürlich
Weder Pflanzen noch das Wetter noch sonst irgendetwas Natürliches richtet sich nach der Uhrzeit. Kein Tier schaut auf die Uhr, wann es aufstehen muss. Die Uhrzeit ist eine menschliche Erfindung und daher ist die Winterzeit genauso künstlich wie die Sommerzeit, auch wenn ein Schlafforscher in der Landesschau Rheinland-Pfalz das genaue Gegenteil behauptet [2].
Fake 2: Zeitumstellung wird der Sommerzeit angelastet
Wissenschaftlich belegt ist, dass die Zeitumstellung, also das vor und zurück im Frühjahr bzw. Herbst, negative Auswirkungen auf den Menschen hat. Manche Winterzeit-Befürworter lasten diese negativen Folgen nun aber unzulässiger Weise der Sommerzeit an, denn, so deren Argumentation, ohne Sommerzeit bräuchte es die Zeitumstellung ja nicht. Gerne werden dann zum Beleg für die Schädlichkeit der Sommerzeit ältere Artikel verlinkt, in denen die Verbindung von Sommerzeit und Zeitumstellung noch als fix angenommen wurde, weil es damals schlicht und ergreifend keine Diskussion über die Einführung einer dauerhaften Sommerzeit gab [3]. Dass die Zeitumstellung bei permanenter Sommerzeit natürlich genauso entfällt, ist allerdings so simpel, logisch und einleuchtend, dass man bei dieser Argumentation der Winterzeit-Anhänger von einer bewussten Täuschung der Öffentlichkeit sprechen muss.
Fake 3: Die Sommerzeit sei ungesund
Wenn Prof. Dr. Till Roenneberg behauptet, die Sommerzeit mache dick, dumm und grantig, ist das natürlich eine Superschlagzeile, die von recherchescheuen Journalisten gerne aufgenommen wird [4]. Über die dpa gelangte die Meldung in dutzende Medien, von Bild über Zeit bis zum Focus. Und wenn die Maschinerie einmal läuft, dann hilft es leider auch nichts mehr, wenn Schlafforscher der Uni Salzburg umgehend widersprechen und das als reine Panikmache bezeichnen [5] [6].
Letztlich muss man sich hier fragen, ob die Triebfedern für die Wortmeldung des Professors aus München nicht vor allem Profilierungssucht und Mediengeilheit waren, denn seine Behauptung entbehrt einfach jeglicher Logik. Die Uhrzeit selbst, egal ob nun Sommerzeit, Winterzeit oder auch eine globale Einheitszeit, hat nämlich überhaupt keine Auswirkungen auf irgendwas. Wenn, dann sind es Termine, Arbeits- oder Schulzeiten, die möglicherweise einen negativen Einfluss auf den menschlichen Biorhythmus haben. Hätte der Professor allerdings korrekterweise, so wie das viele andere machen, z.B. den frühen Schulbeginn kritisiert, wäre er damit natürlich nie so prominent in die Medien gekommen. So aber geistert nun eine Falschmeldung durch die Welt, die von der Minderheit der Winterzeit-Anhänger gerne als Argument gegen die Sommerzeit herangezogen wird.
Fake 4: Wegen der Sommerzeit müssen Kinder im Dunkeln zur Schule
Bei dieser Falschbehauptung findet derselbe Mechanismus Anwendung wie beim vorherigen Fake. Von den Winterzeit-Befürwortern wird einfach ein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang konstruiert, den es so überhaupt nicht gibt. Ob Schülerinnen und Schüler im Dunkeln zur Schule gehen müssen, hängt einzig und alleine davon ab, wann die Schule beginnt. Wer nicht möchte, dass unsere Kinder den Schulweg im Dunkeln meistern müssen, der muss den Schulbeginn auf einen Zeitpunkt legen, zu dem es hell ist. Und das ist völlig unabhängig davon, ob nun MEZ, MESZ, GZSZ oder die Sternzeit von Raumschiff Enterprise gilt.
Fake 5: Die EU-Konsultation war nicht repräsentativ
Konsultationen sind fester Bestandteil der EU-Gesetzgebung. Sie ermöglichen es interessierten Bürgerinnen und Bürgern, sich am Gesetzgebungsverfahren der EU zu beteiligen. So laufen aktuell ca. 400 – 500 Konsultationen und es ist überhaupt nicht das Ziel, dass sich daran stets jeder beteiligt. Im Übrigen gilt bei demokratischen Abstimmung und Wahlen grundsätzlich, dass das Ergebnis nicht repräsentativ sein muss. Bei der letzten Bundestagswahl haben im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung mehr Ältere als Jüngere ihre Stimme abgegeben. So what? Niemand käme deshalb auf die Idee, das Wahlergebnis als „nicht repräsentativ“ zu bezeichnen. Der einzige Grund, warum Winterzeit-Anhänger das bei der EU-Konsultation dennoch machen, ist der Versuch, das Verfahren an sich zu diskreditieren, weil ihnen das Ergebnis nicht passt.
Fake 6: Die Mehrheit der Deutschen sei gar nicht für die Sommerzeit
An der EU-Konsultation haben sich 3 Mio. Bürgerinnen und Bürger aus Deutschland beteiligt. Nachdem es dabei keinerlei Beschränkung gab, also Land- genauso wie Stadtbevölkerung, Nord- genauso wie Ost-, Süd- oder Westdeutsche, Junge genauso wie Alte, Frauen genauso wie Männer, Schwule genauso wie Heteros usw. teilnehmen konnten, ist aufgrund des Gesetzes der großen Zahlen davon auszugehen, dass das Abstimmungsergebnis ziemlich nah am Durchschnitt der Gesellschaft liegt. Und Überraschung, das tut es auch, wie die repräsentativen Umfragen von Emnid [7] oder Civey [8] aus dem Oktober 2018 belegen. Eine klare Mehrheit der Deutschen wünscht sich die dauerhafte Sommerzeit. Wer etwas anderes behauptet, der lügt.
Fake 7: Wunsch nach dauerhafter Sommerzeit sei ein deutsches Phänomen
Diese Behauptung ist ebenfalls schlicht falsch! In Polen gibt es schon länger Bestrebungen, die Sommerzeit dauerhaft einzuführen [9] genauso wie in Ungarn [10] oder Teilen Spaniens [11]. Auch in Österreich sprechen sich die Menschen nicht erst seit gestern für die Sommerzeit aus, die gerne auch dauerhaft beibehalten werden soll [12] [13].
Anmerkung:
Um es klar zu sagen, jeder hat alles Recht der Welt eine dauerhafte MEZ (Winterzeit) einer dauerhaften MESZ (Sommerzeit) vorzuziehen. Es ist aber nicht hinzunehmen, wenn eine Minderheit mit Falschbehauptungen die öffentliche Meinung zu ihren Gunsten beeinflussen will, wie das z.B. beim Brexit-Diskurs in Großbritannien geschehen ist. Und genauso inakzeptabel ist es, wenn Winterzeit-Fanatiker die Sommerzeit-Befürworter als dumm, ungebildet und uninformiert verunglimpfen.
Ähnliche Artikel:
Die Lüge vom Schutz der Kohlekumpels – Deutschland ist Nettoimporteur (www.mister-ede.de – 04.02.2017)
Spin-Doctors machen die Staatsschulden schön (www.mister-ede.de – 14.10.2014)
[1] Ergebnisse der EU-Konsultation zur Zeitumstellung (Link zur PDF auf eur-lex.europa.eu)
[2] Beitrag der Landesschau RP vom 26.10.2018 (Link zum Video auf www.ardmediathek.de)
[3] Artikel zur Zeitumstellung von Spiegel-Online vom 28.03.2013 (Link zum Artikel auf www.spiegel.de)
[4] Focus-Online-Artikel “Ewige Sommerzeit macht uns dicker, dümmer und grantiger” vom 12.09.2018 (Link zum Artikel auf www.focus.de)
[5] Artikel der Salzburger Nachrichten vom 24.09.2018 mit Klarstellung zur Sommerzeit (Link zum Artikel auf www.sn.at)
[6] Pressemeldung der Schlafforscher der Uni Salzburg vom 24.09.2018 (Link zur Pressemeldung auf uni-salzburg.at)
[7] Meldung von Focus-Online vom 20.10.2018 zur Emnid-Umfrage zur Sommerzeit (Link zur Meldung auf www.focus.de)
[8] Ergebnisse der Civey-Umfrage zur Sommerzeit vom 25.10.2018 (Link zu den Umfrage-Ergebnissen auf civey.com)
[9] MDR-Meldung zu Sommerzeit-Wünschen in Polen vom 23.03.2018 (Link zur Meldung auf www.mdr.de)
[10] HNA-Artikel zu Sommerzeit-Wünschen in Ungarn vom 16.11.2016 (Link zum Artikel auf www.hna.de)
[11] Stern-Meldung zu Sommerzeit-Wünschen auf Mallorca vom 28.10.2016 (Link zur Meldung auf www.stern.de)
[12] Artikel von Der Standard zu Sommerzeit-Vorstellungen in Österreich vom 27.03.2016 (Link zum Artikel auf derstandard.at)
[13] Meldung von Kleine Zeitung zu Sommerzeit-Wünschen in Österreich vom 29.10.2016 (Link zur Meldung auf www.kleinezeitung.at)
Sie sprechen mir aus der Seele!
Plötzlich der Mehrheit aller Deutschen zu unterstellen, sie würden ein unverantwortliches Verhalten an den Tag legen, weil sie plötzlich nicht mehr rechtzeitig ins Bett gingen oder noch schlimmer, dass Eltern ihre Kinder nicht mehr rechtzeitig ins Bett schicken würden “Dass sie abends eher ins Bett gehen, können Sie doch vergessen.” (Ingo Fietze im Tagesspiegel)
Sowas ist doch einfach nur Polemik!
Unser Haus besitzt dichte Rolladen und wenn ich die runtermache, dann ist es dunkel, egal, wie hell es draußen noch ist.
Und von wegen Gesundheit: Wann halten sich wohl mehr Familien bereitwillig im Freien auf: Morgens vor der Arbeit oder nach Feierabend? Da wird der dunkle Schulweg wohl durch die Zeit im Freien kompensiert (und die Vitamin D Aufnahme gefördert).
Vielen Dank Martina für Ihren Beitrag. Es tut gut, zu sehen, dass man mit der eigenen Perspektive nicht ganz alleine ist.
Beste Grüße,
Mister Ede
Zum Thema Sommerzeit: Ich bin der Meinung das für uns die MEZ gelten sollt. MEZ lautet: Milttel Europische Zeit. Die Sommerzeit will keiner schlecht machen, sie ist schon seit 1980. Wer zur Schule gegangen ist hat dort gelernt. Wo kommen die Krankheiten her, wie Alzheimer, Pakinson und andere, nur von der Zeitumstellung zweimal im Jahr. Die Politiker sind auch Nervenkrank, wohlen über das Wohlbefinden des Menschen entscheiden und deshalb bin ich für die Abschaffung der Sommerzeit.
Wenn ich den Artikel so lese, ist es also völlig egal, ob MESZ oder MEZ gilt. Wenn Arbeitszeiten, Schulzeiten und Schlafzeiten nicht mit der Uhrzeit zu tun hat, entfällt jegliche Begründung, die man für das eine oder das andere bringt.
Es ist echt schade, wie viele Artikel falsche Begrifflichkeiten nutzen. Natürliche Zeit und Schlafrhythmus haben nur indirekt etwas mit der Uhrzeit zu tun. Eigentlich sollte es doch auch Artikel geben, mit eindeutigen Erfahrungen aus Spanien oder Frankreich, die Quasie seit ca. 1940 dauerhaft in der Sommerzeit leben.
Leider fürchte ich, dass der indirekte Faktor sehr stark wirkt. Nur weil die Sommerzeit eingeführt wird, wird man nicht auf einen Schlag die Schulzeiten verlegen. Die Mühlen der Bürokratie arbeiten meistens zu langsam. So kann es schnell einige Jahre dauern. Und dann ist die Frage wie es mit den Eltern läuft, die vor der Schule, mit den Kindern Frühstücken wollen. Ich hoffe die Arbeitgeber sind flexibel genug, dass die Arbeitszeiten schnell angepasst werden. Bloß dann haben die Eltern leider nichts mehr, von dem gewünschten mehr Sonnenlicht nach der Arbeit.
Bei deinem Bezug auf teile Spaniens, finde ich etwas komisch, dass du nicht erwähnst welcher Teil Spaniens die Sommerzeit einführen will. In dem Artikel heißt es, dass die Inseln Mallorca und Menorca die Sommerzeit dauerhaft wollen, während das Festland die Sommerzeit abschaffen wollte.
Hätte man am Ende noch ein für und wieder eingeführt, hätte es ein sehr guter Artikel werden können. Im Sinne von:
Sommerzeit:
Wenn Arbeitszeiten beibehalten werden, hat man mehr Licht Abends.
In den Umfragen ist die Mehrheit für Sommerzeit.
Normalzeit:
Wenn Arbeitszeiten beibehalten werden, hat man mehr Licht Morgens.
Die Uhrzeit Orientiert sich an Sonnenstand.
Vielen Dank Andreas für den sachlichen Beitrag,
Ich stimme Ihnen voll zu, genau das ist meine Sichtweise! Im Grundsatz ist es völlig egal, welche Uhrzeit eingeführt wird – sofern die Zeitumstellung entfällt. Ich gehe auch davon aus, ganz Ihrem Argument (indirekte Effekte) folgend, dass sich Arbeits- und Geschäftsöffnungszeiten in beiden Fällen eher langsam anpassen werden. Was aber die Frage nach dem Schulbeginn anbelangt, erwarte ich einen anderen Effekt. Sofern künftig dauerhafte Winterzeit/Normalzeit gilt, wird diese Frage vermutlich genauso wenig diskutiert werden wie in den letzten Jahren. Kommt allerdings die dauerhafte Sommerzeit, dürfte die Frage nach einem sinnvollen Schulbeginn nach meiner Einschätzung recht stark in den öffentlichen Diskurs drängen. Dann aber kann hoffentlich auch ein wirklich sinnvoller Schulbeginn, z.B. um 9:30 diskutiert werden. Das wäre aus meiner Sicht sowohl verkehrsökonomisch (Entzerrung des morgendlichen Berufs- und Schulverkehrs) wie auch für den Bio- und Lernrhythmus von Schüler*innen sinnvoll. Kann das zu Komplikationen führen? Ja kann es, aber im Prinzip nur bei der eher kleinen Gruppe „Eletern von Kindern im Alter 6 – 12“. Muss man diese Frage dann dennoch ausführlicher diskutieren (z.B. Betreuungszeiten vor der Schule)? Klar, muss man.
In diesem Sinne plädiere ich für die dauerhafte Sommerzeit. Und gerne darf jemand anderes, andere persönliche Präferenzen haben. Deshalb hätte ich dazu auch keinen Artikel geschrieben, weil das rein subjektiv ist.
Der Grund für den Artikel ist ein anderer, ich schreib das ja auch direkt zu Beginn. Seit die EU-Konsultation rum ist, läuft eine regelrechte Kampagne der Minderheit der Winterzeit-Befürworter die mit falschen Behauptungen nur so gespickt ist, z.B. sinngemäß „Die EU-Konsultation war nicht repräsentativ. Die Mehrheit der Deutschen will die Normalzeit“. Daher erschien es mir sinnvoll, diese ganzen Behauptungen zu sammeln und zu widerlegen.
Mit dem Spanien-, Polen-, Österreich-Beispiel will ich einfach nur aufzeigen, dass über dauerhafte Sommerzeit im Ausland schon länger diskutiert wird, es also keine besondere deutsche Diskussion ist – nicht mehr, nicht weniger.
Beste Grüße,
Mister Ede
Seit Ihr alle nicht zu Schule gegangen?
Die MEZ ist leider die richtige Zeit und die Politik kann auch nicht entscheiden welche Zeit gute ist.
Ich wäre für eine Volksabstimmung in der EU am Tag der Europawahl.
Wie kommt es dann zu den Krankheiten wie Parkinson oder Demenz? Leider bin ich auch an Parkinson erkrannt.
Bin für die Winterzeit.