mister-ede.de » Gerichtsurteile https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Das Verfassungsgerichtsurteil zu Hartz-IV-Sanktionen ist ein Sieg des Sozialstaats https://www.mister-ede.de/politik/urteil-hartz-iv-sanktionen/8920 https://www.mister-ede.de/politik/urteil-hartz-iv-sanktionen/8920#comments Sat, 09 Nov 2019 17:52:26 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8920 Weiterlesen ]]> Dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist ein regelrechter Befreiungsschlag für einen Sozialstaat, der seit zig Jahren von einer laissez-faire-neoliberalen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik konsequent ausgehöhlt wurde und zwar bis weit über die Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen hinaus. Das wissen wir heute.

Und alle wussten es eigentlich auch schon immer. Denn das Bundesverfassungsgericht hat in den letzten Jahren immer wieder klargestellt, dass unser Staat als demokratischer und sozialer Bundesstaat grundsätzlich verpflichtet ist, Menschen in einer existenziellen Notlage zu helfen. Lediglich die Beantwortung der Frage, wie und in welchem Maße Hilfe gewährt werden muss, haben die Verfassungsrichter entsprechend der Gewaltenteilung stets so weit wie möglich der Politik in Form des Gesetzgebers überlassen.
Insofern muss man aber kein promovierter Sozial- oder Staatsrechtler sein, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass eine vollständige Kürzung aller Hilfen bei Personen, die sich nicht selbst aus ihrer Existenznot befreien können, niemals und nimmer nicht diesen Anforderung genügen kann. Und so hat man zwischen den Zeilen bei diversen Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts und seiner Vertreter in der Vergangenheit einen gewissen Hilfeschrei an die Politik vernehmen können, man solle doch bitte in Berlin endlich handeln, damit Karlsruhe sich in dieser Frage nicht zum Ersatzgesetzgeber machen muss.
Diesen Ruf haben aber insbesondere CDU und CSU ganz bewusst überhört, denn für die langjährige Regierungspartei und ihre Kanzlerin bietet die jetzige Situation nur Vorteile. Zum einen wird ein innerparteilicher Streit über die Lockerung der Sanktionen vermieden und man kann nun ganz bequem sagen, das Verfassungsgericht hat uns halt zum Handeln gezwungen. Zum anderen dürfte die Kritik an dem bisherigen, in weiten Teilen massiv verfassungswidrigen Hartz-IV-Sanktionsregime insbesondere die SPD treffen. Sie hatte Hartz-IV und die Sanktionen eingeführt und das Urteil verdeutlicht nun einmal wieder, wie sehr bei der Sozialpolitik der SPD Anspruch und Wirklichkeit auseinanderfallen.

Nun aber hat das Bundesverfassungsgericht sein Urteil gesprochen und damit erstmals ein Grenze festgelegt, die als absolutes Existenzminimum angesehen werden kann. 10 Euro am Tag, ein Dach über dem Kopf, Heizung und Krankenversicherung – darunter kommt der Staat nie mehr, bei niemandem der hierzulande in Existenznot ist. Und auch an diese absolut unterste Grenze kommt der Staat künftig nur noch in jenen Ausnahmefällen, in denen es absolut triftige Gründe für die Unterschreitung des vom Gesetzgeber festgelegten Existenzminimums gibt. Wenn aber eine 30% Sanktion das Maximum dessen ist, was im verfassungsrechtlichen Rahmen noch ausnahmsweise zulässig bleibt, wird man künftig bei einem ersten abgelehnten Jobangebot nicht gleich 30% sanktionieren. Das Urteil wird deshalb erhebliche Auswirkungen auf das bisherige Sanktionsregime insgesamt haben und auch die Debatte über eine Umstellung von Sanktionen auf Anreize dürfte wieder deutlich an Fahrt aufnehmen. Statt 10% Sanktionen für diejenigen, die Termine verpassen, sind ja auch 10% Bonus für all jene denkbar, die ihre Sachen mit dem Amt ordentlich regeln.

Möglich bleibt aber natürlich weiterhin, die Leistungen in den Fällen komplett zu streichen, in denen überhaupt keine Existenznot vorliegt, welche die Menschenwürde bedroht. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn und solange direkt verwertbare Rücklagen vorhanden sind, gegebenenfalls auch im Bereich des eigentlichen Schonvermögens, oder wenn und solange es zumutbare Arbeit gibt, z.B. durch ein staatliches Arbeitsprogramm, das eine jederzeitige Arbeitsaufnahme erlaubt. Gibt es solche Möglichkeiten, um direkt und unmittelbar für seine Existenzsicherung zu sorgen, so hat man durch das Nachrangprinzip auch weiterhin keinen Anspruch auf eine Hilfsleistung der Solidargemeinschaft. Zwar wird dies in einigen Veröffentlichungen zum Urteil als Hintertür bezeichnet, aber rechtsdogmatisch wie auch inhaltlich-logisch ist das konsistent und aus meiner Sicht war jetzt auch nicht zu erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht den lange entwickelten Nachranggrundsatz kippt.
Sobald in der nächsten Zeit die tatsächlichen Auswirkungen des Urteils sichtbar werden, z.B. durch die Aussetzung der Sanktionen auch für unter 25-Jährige, dürfte sich aber auch diese mancherorts noch vorhandene Skepsis gegenüber dem Urteil legen und noch viel deutlich werden, welchen Fortschritt der Richterspruch aus Karlsruhe für den Sozialstaat bedeutet.

Link zur Pressemeldung des BVerfG mit dem Urteil (www.bundeverfassungsgericht.de)


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Katalonien: Ein Gerichtsurteil wie eine Kriegserklärung https://www.mister-ede.de/politik/katalonien-separatisten-urteil/8912 https://www.mister-ede.de/politik/katalonien-separatisten-urteil/8912#comments Thu, 17 Oct 2019 09:10:34 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8912 Weiterlesen ]]> Nein, ich bin kein Freund des Separatismus, zumindest solange es sich dabei nicht um friedliche und einvernehmliche Prozesse handelt wie bei der Auflösung der Tschechoslowakei oder dem schottischen Unabhängigkeits-Referendums. Denn letztlich, so meine Sicht, ist das Gedankenmodell, auf dem der Separatismus fußt, dasselbe, das auch dem Nationalismus zugrunde liegt: Wir für uns und die anderen sind uns bestenfalls egal! Das ist eine Haltung, die man zwar haben darf, aber wahrlich nicht haben muss. Denn letztlich fördert sie nur ein argwöhnendes Gegeneinander und nicht – wie ich mir das wünsche – ein vertrauensvolles Miteinander.

Doch trotz meiner prinzipiellen Ablehnung des Separatismus empfinde selbst ich das am Montag gefällte Gerichtsurteil der spanischen Justiz gegen die katalanischen Unabhängigkeitsführer als absolut maßlos. Bis zu 13 Jahren Haft für die Initiatoren einer zumindest im Grundsatz ja erst einmal friedlichen Volksbefragung und dabei war der Anführer des „Aufruhrs“, Carles Puigdemont, noch nicht mal unter den Verurteilten. Wie viele Jahre Kerker drohen denn bitteschön dem? 20 Jahre? 25 Jahre? Das sprengt einfach so offensichtlich jeden Rahmen, dass man es nur als Demütigung verstehen kann. Und wie muss das alles erst auf jene wirken, die sich schon jetzt – egal ob zu Recht oder zu Unrecht – von der madrilenischen Zentralgewalt in die Enge getrieben fühlen? Das ist doch wie eine Kriegserklärung. Meine große Befürchtung ist deshalb, dass mit diesem Urteil eine Eskalationsspirale losgetreten wurde, die sich höchstens noch durch eine zeitnahe Revision des Urteils, im Zweifel gar einer Amnestie, wieder einfangen lässt.

Denn was werden die Konsequenzen sein, wenn dieses Urteil so fortbesteht? All jene, die sich bislang für eine einvernehmliche Verständigung zwischen Region und Gesamtstaat eingesetzt haben, reisen jetzt nicht mehr als Vertreter eines stolzen katalanischen Volkes nach Madrid. Sie kommen künftig als machtlose Bittsteller, die nicht mal die eigene Bevölkerung befragen dürfen, welche Vorstellung sie von der Zukunft Kataloniens haben. Selbst einem noch so fairen Ausgleich zwischen den beiden Landesteilen würde bei solchen Begleitumständen der Geruch einer Kapitulation anhaften.
Und was ist gar mit jenen, die sich für eine Loslösung von Spanien aussprechen? Bislang haben sie ihre Forderung im Rahmen der demokratischen Ordnung Kataloniens vorgetragen. Werden sie dies auch weiterhin tun, wenn sie wissen, dass auch darauf drakonische Strafen stehen? Oder greifen sie dann gleich zu anderen Mitteln? Ich halte das für eine hoch brisante Situation. Die vergangenen Tage lassen bereits nichts Gutes ahnen.

Aus meiner Sicht ist daher jetzt der Zeitpunkt zum Handeln gekommen. Das laute Schweigen der EU ist in der aktuellen Situation nicht mehr angemessen und muss schleunigst durch eine aktive Vermittlungsmission ersetzt werden. Beide Seiten sind umgehend aufzufordern, ihre nächsten Schritte im Interesse ihrer Kinder und Kindeskinder mit Bedacht zu machen. Noch gibt es eine Lage, die eine Umkehr erlaubt. Diese Chance muss genutzt werden – jetzt und von allen.


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Urteil im Bremer Fußballstreit um Polizeikosten: Warum das Bundesverfassungsgericht prüfen sollte https://www.mister-ede.de/gesellschaft/bremen-polizeikosten-fussball/8823 https://www.mister-ede.de/gesellschaft/bremen-polizeikosten-fussball/8823#comments Sat, 18 May 2019 12:18:32 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8823 Weiterlesen ]]> Ende März sprach das Bundesverwaltungsgericht im Bremer Fußballstreit ein Grundsatzurteil: Der Staat darf bei sogenannten Hochrisikospielen die Kosten für zusätzliche Polizeikräfte den Fußballvereinen in Rechnung stellen. Doch was im ersten Moment absolut klar und logisch klingt, schafft bei genauerem Hinsehen doch eher Unklarheit und Durcheinander.

Gesetz hat Logik-Schwächen:

Nun muss ein Gesetz nicht logisch sein, um mit unserer Verfassung in Einklang zu stehen. Aber man muss schon einmal klar ziehen, dass hier ein Bundesland, also die Allgemeinheit, für die Polizeikosten bei einem Hochrisikospiel entschädigt werden soll, während die konkret betroffenen Anwohner rund um das Stadion genau solche Unannehmlichkeiten von gesperrten Straßen über laute Fangesänge bis hin zu Randalen ganz selbstverständlich ohne Entschädigung hinnehmen müssen. Im Gegensatz zu Bund, Ländern und Kommunen profitieren diese Anwohner nicht einmal anteilig von den dadurch fließenden Steuereinnahmen.
Und auch ein Blick auf die Kostenentstehung macht deutlich, wie kurios diese Regelung ist. Stellt der Staat eine gute Verkehrsinfrastruktur bereit, z.B. ein Stadion mit direktem Bahn- und Autobahnanschluss, wird dies zu geringeren Kosten für polizeiliche Maßnahmen führen. Wenn hingegen, so wie in Bremen, die Auswärtsfans erst quer durch die Stadt vom Hauptbahnhof bis zum Weserstadion und wieder zurück geleitet werden müssen, ist der Polizeiaufwand natürlich deutlich größer. Insofern stellt sich schon die Frage, wieso nun gerade und ausschließlich die Polizeikosten auf Werder Bremen abgewälzt werden sollen. Dieses Herauspicken eines Einzelpostens führt letztlich zu dem widersinnigen Ergebnis, dass Fußballvereine mehr zahlen müssen, wenn der Staat eine schlechte Infrastruktur bereitstellt.

Der Staat ist für den öffentlichen Raum zuständig:

Eigentlich gilt in Deutschland der Grundsatz, dass der Staat für den öffentlichen Raum zuständig ist. Er ist beispielsweise für Bau und Erhalt von öffentlichen Wegen, Parks und anderer Infrastruktur verantwortlich, muss für Sicherheit und Sauberkeit sorgen oder auch auf die Einhaltung von Umweltgrenzwerten achten. Insofern ist es schon ärgerlich, wenn öffentliche Toiletten gebührenpflichtig sind oder Anwohner in unangemessener Höhe an den Sanierungskosten von Straßen beteiligt werden. Gleichwohl lässt sich dies – zumindest solange es in einem vertretbaren Rahmen bleibt – immerhin noch mit einem ganz konkreten und ausschließlichen Nutzen für einen einzelnen Bürger begründen. Und genauso lassen sich Gebühren natürlich mit einer ganz konkreten und unmittelbaren Verantwortung eines Einzelnen begründen, wie z.B. bei der polizeilichen Begleitung von Schwertransporten. Alleine die Entscheidung des Spediteurs, einen Schwertransport loszuschicken, macht den Einsatz der Polizei erforderlich.
Im Fußball-Fall ist allerdings weder das eine noch das andere gegeben. Die Ordnung im öffentlichen Raum dient nicht alleine dem Fußballverein Werder Bremen, sondern gleichermaßen allen, die den öffentlichen Raum in diesem Moment nutzen. Das gilt für andere Geschäftstreibende genauso wie für die Bürgerinnen und Bürger, egal ob sie nun in einen Park, ein Geschäft, ein Eiscafé oder eben auch ins Stadion gehen.
Und genauso wenig kann man die Verantwortung alleine bei den Fußballvereinen abladen. Was für ein Menschenbild ist das überhaupt? Ist wirklich Werder Bremen dafür verantwortlich, dass Zuschauer ins Stadion gehen, oder ist das nicht vielmehr die freie und eigenverantwortliche Entscheidung von 40.000 Menschen? Auf jeden Fall kann man das Verhalten der Zuschauer auf dem Weg zum Stadion, von Heim- wie von Gästefans, nicht einfach dem Fußballverein Werder Bremen zurechnen. Insofern ist der Unterschied zur Toiletten-Nutzung und zum Schwertransport, dass der Polizeieinsatz im öffentlich Raum eben kein ausschließlicher Nutzen für und keine unmittelbare Verantwortung von Werder Bremen ist.

Grenzziehung unmöglich:

Fängt man mit einer willkürlichen Grenzziehung an, wie viel öffentliche Daseinsvorsorge im „Grundtarif“ enthalten ist und welche öffentlichen Leistungen nur „Premium-Kunden“ gegen gesonderte Bezahlung erhalten, öffnet man die Büchse der Pandora. Warum soll künftig nicht auch die Verkehrslenkung bei großen Handelsmessen, Formel-1-Rennen oder Rock-Festivals – alles kommerziell – eine Premium-Leistung sein, für die die Veranstalter extra zahlen müssen? Oder wieso sind 250 Beamte für ein kommerzielles sportliches Großereignis, z.B. ein ganz normales Bundesligaspiel von Werder Bremen, noch völlig in Ordnung, 750 Beamte bei einem Derby hingegen nicht mehr? Und weshalb ist eigentlich nur die Polizei gesondert zu entlohnen und nicht auch die notwendige Straßenreinigung?
Mit gutem Grund hat der Staat deshalb bislang die Finger von solchen Gebührenerhebungen gelassen. Die Club-Besitzer auf St. Pauli oder die Wirte auf dem Oktoberfest müssen also nicht gesondert dafür zahlen, dass ihre angetrunkenen Partygäste ständig mit der Polizei in Konflikt geraten. Gleichwohl zahlen Club-Besitzer, Festwirte und Werder Bremen natürlich schon etwas, nämlich ihre Steuern, und zwar entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit für Umsatz und Gewinn. Und das ist ja fair und zielführend. Denn was wäre unsere Gesellschaft, wenn der öffentliche Raum nur noch jenen vorbehalten bliebe, die ihn sich leisten könnten? Gerade mit Blick auf den Fußball drängt sich diese Frage auf. Regionalligavereine wie Rot-Weiss Essen, Waldhof Mannheim, Kickers Offenbach oder Chemnitzer FC könnten sich niemals hunderttausende Euro für ein „Risikospiel“ leisten. Sollen solche Spiele künftig dann ohne Zuschauer stattfinden? Und auch in der Zweiten Liga ist nicht jeder Verein finanziell auf Rosen gebettet. 2017 musste beispielsweise der Zweitligist TSV 1860 München Insolvenz anmelden. Sollen Derbys und attraktive Fußballspiele also bald nur noch kapitalstarken Vereinen bzw. Investoren wie Red Bull oder VW vorbehalten bleiben? Das kann niemand wollen. Der öffentliche Raum sollte deshalb weiterhin als Teil der Daseinsvorsorge jedem, reich wie arm, gleichermaßen zur Verfügung stehen.

Öffentliches Leben braucht öffentlichen Raum:

Als Gesellschaft sollten wir doch froh darüber sein, dass wir so ein buntes öffentliches Leben mit vielen Veranstaltungen haben, die unzählige Menschen anziehen, und eben auch Fußballvereine, die tausende Zuschauer im Stadion begeistern. Letztlich ist ein angesagtes Bundesligaspiel nichts weiter als ein x-beliebiges anderes Ereignis, das eine große Masse an Menschen anzieht, wie der Berlin-Marathon oder die Frankfurter Buchmesse.
Und logischerweise kann ein solches öffentliches Leben gerade nicht ausschließlich im privaten Kämmerlein stattfinden. Es braucht dafür immer auch irgendwo den öffentlichen Raum, in dem sich die Bürgerinnen und Bürger frei und sicher aufhalten und bewegen können, mindestens für An- und Abreise. Insofern müssen wir als Gesellschaft schon damit leben, dass bei Ereignissen und Veranstaltungen, die eine größere Menschenmenge anziehen, auch selbstverständlich etwas mehr Polizei notwendig ist, um genau diese Ordnung zu gewährleisten.

Vor das Verfassungsgericht?

Sollte das Gesetz in ähnlicher Form auch in anderen Bundesländern eingeführt werden, kann es für DFB, DFL und die Vereine schnell um eine mittleren bis hohen zweistelligen Millionenbetrag gehen. Es wäre daher nicht allzu verwunderlich, wenn nach dem Urteil nun das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angerufen würde. Nachdem die Frage, wofür der Staat in Bezug auf den öffentlichen Raum originär zuständig ist, ganz zentral mit Hinblick auf unser Gemeinwesen und Zusammenleben ist, wäre es aber auch grundsätzlich wünschenswert, wenn dieses Urteil des Bundesverwaltungsgerichts noch einmal von Karlsruhe geprüft würde.


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Bundestagswahlrecht: Vom Verfassungsgericht bis zum Riesen-Parlament https://www.mister-ede.de/politik/bundestagswahlrecht-bverfg/8714 https://www.mister-ede.de/politik/bundestagswahlrecht-bverfg/8714#comments Fri, 10 Aug 2018 19:48:23 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8714 Weiterlesen ]]> Es ist schon eine peinliche Situation: Alle Parteien wissen, dass die Wahlrechtsreform von 2013, durch die es zu einer massiven Aufblähung des Bundestages kommen kann, ein echter Griff ins Klo war. Und trotzdem ist eine Lösung des Problems bis heute nicht in Sicht. Aber dafür gibt es Gründe:

Noch immer beharren viele Parlamentarier auf einer zum Teil mutwilligen Fehlinterpretation des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hatte am 25.7.2012 zwar geurteilt, dass das bis dahin geltende Bundestagswahlrecht verfassungswidrig sei [1]. Doch liest man sich das Urteil des Zweiten Senats durch, wird einem schnell klar, dass den Verfassungsrichtern die vorhandenen Zielkonflikte (Wahlrechts-Trilemma) sehr bewusst waren. Sie sehen und benennen diese und lassen dem Gesetzgeber deshalb auch einen angemessenen Spielraum, um bei der Gestaltung des Wahlrechts zwischen den verschiedenen Zielen abwägen zu können.
Die Richter geben den Klägern zwar insoweit Recht, als die Gleichheit der Wahl ein hohes Gut ist und deshalb eine korrekte Abbildung des Zweitstimmenergebnisses notwendig sei. Allerdings schränken sie diesen Grundsatz mit Hinblick auf die Zielkonflikte auch ein: Zum einen darf es, wenn es sich nicht vermeiden lässt, bis zu einem gewissen Maße Abweichungen von der korrekten Abbildung des Zweitstimmenergebnisses geben. Wenn damit andere wichtige Ziele verfolgt werden und die Maßnahmen wirksam sind, können solche Einschränkungen also zulässig sein. Zum anderen muss das Wahlgesetz die Einhaltung dieses Grundsatzes auch nur für solche Wahlergebnisse sicherstellen, die objektiv auch eine gewisse Eintrittswahrscheinlichkeit haben. Wenn es also bei einem Ausnahme-Wahlergebnis zu einer nicht ganz korrekten Abbildung des Zweitstimmenergebnisses käme, kann das durchaus vertretbar sein.

Damit haben die Verfassungsrichter ein sehr bedachtes Urteil gefällt. Und letztlich wäre es auch verwunderlich gewesen, wenn das Bundesverfassungsgericht auf der einen Seite eine 5%-Hürde tolerieren würde, durch die 2013 deutlich über 10% der Zweitstimmen gar keinen Einfluss auf die Sitzverteilung im Bundestag hatten, aber dann auf der anderen Seite für die restlichen 90% eine haargenaue Abbildung des Zweitstimmenergebnisses ohne irgendwelche Ausnahmen einfordern würde.
Gleichwohl, auf politischer Ebene hat sich bei zahlreichen Parlamentariern eine andere Lesart des Urteils etabliert. Die korrekte Abbildung des Zweitstimmenergebnisses hat für diese Abgeordneten nun höchste Priorität und folgerichtig sind andere Bestandteile des Wahlrechts, z.B. die garantierten Sitze für die Direktkandidaten, oder eben auch das Ziel einer Größenbeschränkung des Bundestages nachrangig. Und tatsächlich hat sich diese Haltung bei der Neugestaltung des Wahlrechts am Ende auch durchgesetzt. Das kurz vor der Bundestagswahl 2013 verabschiedete Wahlgesetz ist jetzt so gestaltet, dass das Zweitstimmenergebnis stets korrekt abgebildet wird, allerdings zum Preis, dass aktuell eben 709 statt 598 Abgeordnete im Parlament sitzen – und bei kommenden Wahlen könnten es auch noch deutlich mehr werden.

Entsprechend gibt es seit der Bundestagswahl 2013 Bestrebungen, das Wahlgesetz einer neuerlichen Reform zu unterziehen. So forderte beispielsweise der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert die Fraktionen bereits in der ersten Sitzung des letzten Bundestages auf, eine Lösung zu erarbeiten [2]. Doch seitdem ist es trotz zahlreicher Anläufe noch immer nicht gelungen, die Parlamentarier zu einem vernünftigen Kompromiss zu bringen. Und daran wird sich vermutlich auch nichts ändern, solange größere Teile des Parlaments weiter auf ihrer Fehlinterpretation des Verfassungsgerichtsurteils beharren und die korrekte Abbildung des Zweitstimmenergebnisses unter keinen Umständen aufgeben wollen. Es bleibt daher abzuwarten, ob der erneute Versuch, dieses Mal von Wolfgang Schäuble initiiert [3], endlich zu einem brauchbaren Ergebnis führt.


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[1] Urteil des Zweiten Senats des BVerfG zum Bundestagswahlrecht vom 25.7.2012 (Link zum Urteil auf www.bundesverfassungsgericht.de)

[2] Bericht des Bundestages zur konstituierenden Sitzung 2013 (Link zum Bericht auf www.bundestag.de)

[3] Artikel des Tagesspiegel vom 25.07.2018 zur geforderten Wahlrechtsreform (Link zum Artikel auf www.tagesspiegel.de)

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Das EuGH-Urteil zur Flüchtlingsverteilung – eine Einordnung https://www.mister-ede.de/politik/eugh-fluechtlingsverteilung/8498 https://www.mister-ede.de/politik/eugh-fluechtlingsverteilung/8498#comments Wed, 13 Sep 2017 19:47:57 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8498 Weiterlesen ]]> Vergangene Woche entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass sich Ungarn und die Slowakei an der Umverteilung von Flüchtlingen aus Griechenland und Italien beteiligen müssen. Ausnahmen gibt es damit weiterhin nur für Dänemark und Großbritannien, die sich im EU-Vertrag garantieren haben lassen, nicht an der EU-Flüchtlingspolitik teilnehmen zu müssen.

Das Urteil [1] einfach erklärt:

Am 14. September 2015 beschloss der Rat der EU auf Basis von Art. 78 III AEUV (Vertrag über die Arbeitsweisen der EU) mit qualifizierter Mehrheit eine Umverteilung von 120.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien in andere Teile der EU [2]. Gegen diesen Beschluss klagten die beiden EU-Länder Slowakei und Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Vergangene Woche urteilte nun der EuGH, dass der damalige Beschluss inhaltlich und formal korrekt war.
Im September 2015 bestand tatsächlich eine Notlage in Griechenland und Italien und deshalb durfte der Rat der EU nach Art. 78 III AEUV Maßnahmen zur Abhilfe beschließen. Diese Maßnahmen waren aus Sicht des EuGH nicht erkennbar ungeeignet, um Griechenland und Italien zu helfen, und verletzten auch kein sonstiges EU-Recht. Außerdem stellte der EuGH klar, dass für diesen Beschluss keine Einstimmigkeit der EU-Länder erforderlich war, sondern lediglich eine qualifizierte Mehrheit (siehe Art. 16 III und IV EU-Vertrag). Aus diesen Gründen war der Beschluss des Rates der EU rechtmäßig und der EuGH hat die entsprechenden Klagen der Slowakei und Ungarns zurückgewiesen.

Was das Urteil bedeutet:

Das Urteil des EuGH bedeutet zunächst, dass der Rat der EU in einer Notlage eine Umverteilung von Flüchtlingen beschließen darf und sich dann alle EU-Länder daran beteiligen müssen. Ungarn und die Slowakei müssen also ihren Teil der Flüchtlinge aus Italien und Griechenland übernehmen. Aber auch für Deutschland bedeutet das Urteil, dass sich die Bundesregierung rechtswidrig verhalten würde, wenn sie den Beschluss des Rates der EU nicht wie gefordert umsetzt. Bislang hat Deutschland allerdings erst 7.852 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien aufgenommen, obwohl es bis Herbst 2017 rund 30.000 Flüchtlinge übernehmen sollte [3]. Nachdem es aber auch Probleme in Italien und Griechenland gibt, geeignete Personen für eine solche Umverteilung zu identifizieren, dürfte das Urteil vorerst keine direkten Auswirkungen auf die Geschwindigkeit der Umverteilung haben.

Was das Urteil nicht bedeutet:

Das Urteil des EuGH bedeutet nicht, dass die EU künftig auch gegen den Willen eines EU-Landes eine dauerhafte Umverteilung von Flüchtlingen beschließen darf. Nur bei Notlagen kann auf die Einstimmigkeit verzichtet werden. Um für die Zukunft daran etwas zu ändern, müssten die EU-Verträge geändert werden, was jedoch ebenfalls zwingend jene Einstimmigkeit aller EU-Länder voraussetzt, die es zurzeit nicht gibt. Aber auch in einer Notlage getroffene Umverteilungs-Beschlüsse dürften wieder vor dem EuGH landen. Denn ob tatsächlich eine Notlage vorliegt, kann immer nur im konkreten Einzelfall geprüft werden.
Das Urteil bedeutet daher nicht, dass sich an der bisherigen EU-Flüchtlingspolitik etwas ändert oder gar dass diese solidarischer oder humaner wird.

Bewertungen des Urteils:

Wenn von einer Niederlage Ungarns und der Slowakei in Bezug auf die EU-Flüchtlingspolitik gesprochen wird, so ist das de facto falsch. Zwar haben Ungarn und die Slowakei den Rechtsstreit bezüglich dieses einen Beschlusses verloren, allerdings haben sie längst für eine Änderung der EU-Flüchtlingspolitik in ihrem Sinne gesorgt. Die EU schottet sich massiv ab und Ungarn und die Slowakei oder auch Polen müssen nur wenige Flüchtlinge aufnehmen. Überdies haben die beiden EU-Länder mit Hilfe der Klage klären können, dass der Rat der EU nicht einfach gegen ihren Willen eine dauerhafte Umverteilung beschließen und schon gar nicht die Aufnahme von Flüchtlingen aus Drittstaaten erzwingen kann. Insofern muss man konstatieren, dass sich die ungarische, die slowakische und die polnische Regierung mit ihrer Haltung zur Flüchtlingspolitik weitestgehend durchgesetzt haben.
Nachdem sich aber an der Blockade-Haltung der Visegrád-Staaten in nächster Zeit nichts ändern wird, bleibt für die Entwicklung hin zu einer echten gemeinsamen Asylpolitik in der EU nur der Weg über eine verstärkte Zusammenarbeit einiger EU-Länder.


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[1] Urteil des EuGH vom 06.09.2017 (Link zum Urteil auf curia.europa.eu)

[2] Beschluss des Rates der EU vom 22.09.2015 (Link zum Beschluss auf eur-lex.europa.eu)

[3] Mitteilung der EU-Kommission zum aktuellen Stand (06.09.2017) der Umverteilung abgerufen am 13.09.2017 (PDF mit aktualen Zahlen auf ec.europa.eu)

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Recht irrsinnig: Musterentscheid zu HRE-Schadensersatz https://www.mister-ede.de/wirtschaft/musterentscheid-zur-hre/3272 https://www.mister-ede.de/wirtschaft/musterentscheid-zur-hre/3272#comments Wed, 17 Dec 2014 17:55:01 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3272 Weiterlesen ]]> In seinem Musterentscheid hat das OLG München am Montag festgestellt, dass die HRE ehemaligen Aktionären Schadensersatz wegen falscher Informationen zur Situation der Bank im Zeitraum vor ihrem Zusammenbruch zahlen muss [1]. Ein solcher Richterspruch zeigt einmal mehr, wie irrsinnig Recht doch sein kann, denn so muss am Ende der Retter der Bank selber doppelt bluten. Nicht nur, dass der Staat auf den Milliardenkosten der damaligen HRE-Rettung sitzen bleibt, wird der Steuerzahler am Ende auch noch jenen Eigentümern der HRE, die zuvor für diesen Milliardenschaden mitverantwortlich waren, eine Entschädigung zahlen müssen.

Zwar gilt diese Entscheidung nur für jene, die HRE-Aktien zwischen dem Zeitpunkt der Falschinformation Mitte 2007 und der Richtigstellung Anfang 2008 erworben haben, aber hier stellt sich schon die Frage, ob der Verkäufer der Aktien in diesen Fällen die HRE war oder schlicht ein anderer Eigentümer. Hat Onkel Alfred seine HRE-Anteile im Jahr 2006 gekauft und gehalten, ist er nach dem Musterentscheid nicht schadensersatzberechtigt. Hat er die Anteile hingegen 2007 an Tante Berta verkauft, kann diese dann ihren Schaden geltend machen. Allerdings soll dann nicht Alfred, der als Miteigentümer zum Zeitpunkt des Verkaufs für die falsche Information mitverantwortlich ist und auch von ihr profitierte, den Schaden von Berta begleichen, sondern die HRE, die an diesem Verkauf gar nicht beteiligt war, bzw. der Steuerzahler als ihr jetziger Eigentümer. Ähnlich wäre es, eine Schrottimmobilie, die man zu einem zu hohen Preis gekauft hat, günstiger zu verkaufen und sich den Schaden, bzw. die Preisdifferenz, von diesem Käufer dann ersetzen zu lassen.

Daneben stellt sich die Frage, ob die Verstaatlichung nicht auch eine Insolvenz darstellt, bei der die Ansprüche der Eigentümer als letztes zu bedienen sind. Nachdem der Schaden der Aktionäre durch die Fehlinformationen bis 2008 entstand, und damit die Schadensersatzansprüche auf einen Zeitpunkt vor der Verstaatlichung fallen, müssten diese Ansprüche aus dem Aktienbesitz entsprechend der üblichen Haftungsreihenfolge eigentlich nachgeordnet werden. Erst wenn alle Forderungen der Fremdkapitalgeber erfüllt sind und der Staat seine Hilfsgelder vollständig zurückerhalten hat, kann das restliche Vermögen unter den Eigenkapitalgebern verteilt werden, sofern dann noch etwas vorhanden ist.

Außerdem hat ja auch nicht die Rettung des Bundes den Schaden bei den Aktionären versursacht, sondern umgekehrt hat der von der HRE verschwiegene Milliardenschaden, der durch Fehlspekulation entstand, die Hilfsmaßnahmen des Bundes erst notwendig gemacht. Durch einen Schadensersatz würden somit die Aktionäre jener Bank, die den Staat zur Abwehr von Schäden für die Fremdkapitalgeber zum Eingreifen zwang, noch zusätzlich für den Schaden bei sich als Eigenkapitalgeber entschädigt werden. Statt einer Eigentümerhaftung steht damit am Ende dieser irrsinnigen Rechtslage die Eigentümerentschädigung.

Die HRE wird nun vor dem BGH gegen diesen Musterentscheid vorgehen, aber sofern der Tatbestand der Fehlinformation bestätigt wird, dürften die HRE und damit der Steuerzahler als aktueller Eigentümer nicht um die Schadensersatzleistung herumkommen. Zu hoffen bleibt allerdings, dass die Höhe des Schadensersatzes auf den Teil des Schadens beschränkt bleibt, der nachweislich auf die Falschinformation zurückzuführen ist. Sowohl überhöhte Kaufpreise sind dem Käufer anzulasten, als auch Kursverluste die auf anderen Ursachen beruhen. Kauft jemand ungeschickterweise eine Aktie zu ihrem Höchststand, entsteht der Verlust ja nicht durch eine Fehlinformation, sondern durch den falschen Zeitpunkt des Erwerbs.

Des Weiteren sollte diese Musterentscheid aber auch zeigen, wie notwendig bei der aktuellen Rechtslage die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ist, damit jene, die vom Finanzmarkt oder von der auf das Eigenkapital begrenzten Haftung profitieren, zumindest auch an den gesellschaftlichen Folgekosten beteiligt werden, die solche Gestaltungsformen mit sich bringen.


Weiterführende Links zum HRE-Verfahren auf dejure.org


[1] Kurzmeldung bei C.H.Beck vom 15.12.2014 (Link zur Meldung bei beck-aktuell.beck.de)

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Fragen zur Abwägung persönlicher Freiheiten mit dem Öffentlichen Interesse https://www.mister-ede.de/gesellschaft/abwaegungsfrage-freiheit/2728 https://www.mister-ede.de/gesellschaft/abwaegungsfrage-freiheit/2728#comments Wed, 09 Jul 2014 16:36:58 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2728 Weiterlesen ]]> Nach den Artikeln von Maximilian Steinbeis und Anna von Notz, im Zusammenhang mit dem Urteil des EGMR zum Verschleierungsverbot in Frankreich und der Frage in wie weit Beschränkungen der persönlichen Freiheiten im öffentlichen Raum zulässig sind [1] [2], drängen sich aus meiner Sicht zwei Fragen auf.

Die erste Frage die sich stellt, bezieht sich auf vergleichbare Verbote. Wie ist das, wenn jemand nackt durch die Gegend läuft, von mir aus unter Berufung auf irgendeine Naturreligion, wenn der nächste bewaffnet durch die Gegend läuft, der Dritte eine Nazi-Flagge mit sich herumschleppt und daneben eine Burka-Trägerin steht? Welche Verhaltensweisen kann oder sollte oder muss ein Staat dann nach Meinung der Autoren untersagen und wie würde sich ein solches Verbot dann begründen lassen?

Die zweite Frage die sich aufdrängt, bezieht sich auf den Ort, an dem diese Abwägung getroffen wird. Sollten tatsächlich Gerichte diese Abwägung selbst vornehmen und den Spielraum des Gesetzgebers damit einschränken oder sollten Gerichte den Spielraum des Gesetzgebers, der vom Wähler gewählt wurde und wieder abgewählt werden kann, respektieren und nur bei einem offensichtlichen Missverhältnis bei der Abwägung des Gesetzgebers einschreiten?

Die beiden Autoren sind natürlich herzlich eingeladen die Fragen zu beantworten. Allerdings auch alle anderen sind aufgefordert mal zu überlegen, wie man das Problem kollidierender Grundrechte löst, was die Aufgabe von Gerichten ist und was Demokratie mit dem Ganzen tun hat.

Bewertung des EGMR-Urteils zum französischen Verschleierungsverbot (www.mister-ede.de – 07.07.2014)


[1] Beitrag von Maximilian Steinbeis im Verfassungsblog vom 07.07.2014 (Link zum Beitrag auf www.verfassungsblog.de)

[2] Beitrag von Anna von Notz im Verfassungsblog vom 08.07.2014 (Link zum Beitrag auf www.verfassungsblog.de)

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Bewertung des EGMR-Urteils zum französischen Verschleierungsverbot https://www.mister-ede.de/politik/urteil-verschleierungsverbot/2699 https://www.mister-ede.de/politik/urteil-verschleierungsverbot/2699#comments Mon, 07 Jul 2014 06:23:23 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2699 Weiterlesen ]]> Am 1. Juli hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geurteilt, dass das in Frankreich bestehende Verschleierungsverbot mit europäischem Recht vereinbar ist und keinen unrechtmäßigen Eingriff in die Grundrechte darstellt [1].
Bei meiner Bewertung des Urteils komme ich allerdings zu einer etwas anderen Einschätzung als Maximilian Steinbeis, der sich mit dem Urteil im Verfassungsblog auseinandergesetzt hat [2]. Obwohl ich eine ähnliche Auffassung zu dem zugrundeliegenden Gesetz habe wie er, halte ich das Urteil für absolut richtig.

Aus meiner Sicht ist schon die Überschrift von Steinbeis‘ Artikel nicht ganz passend gewählt und führt daher in die falsche Richtung, denn eigentlich geht es bei diesem Gesetz am Ende nicht um ein Burka-Verbot, sondern allgemein um die Verhüllung im öffentlichen Raum. Durch das französische Gesetz ist weder das Tragen der Burka im nicht-öffentlichen Raum verboten, noch darf man sich im öffentlichen Raum anderweitig verhüllen. Steinbeis stellt das in seinem Text zwar auch dar, kommt dann aber zum Schluss, „man macht sicher keinen Fehler, wenn man vermutet, dass es faktisch hier nur um eine ganz konkrete Bevölkerungsgruppe geht“. Dem stimme ich zwar zu, allerdings kann daraus aus meiner Sicht noch nicht auf eine Diskriminierung geschlossen werden. Das Rauchverbot trifft nur Raucher, die Anschnallpflicht nur Autofahrer und dennoch handelt es sich bei beidem um zulässige Eingriffe in Freiheiten und nicht um eine verbotene Diskriminierung.
Darüber hinaus halte ich Steinbeis‘ Einlassung auch in einem gewissen Maße für unkonventionell, da es juristisch sowieso irrelevant ist, wie viele andere Gruppen neben Burka-Trägerinnen noch von dem Verschleierungsverbot betroffen sind. Es wäre grotesk, wenn dies eine Rolle spielen würde, denn das hieße ja, das Verbot wäre rechtmäßig, solange nur eine andere Gruppe, z.B. eine Vereinigung verschleierter Landfrauen, von dem Verschleierungsverbot stärker betroffen wäre.

Das Gericht hat entsprechend weder zu berücksichtigen, welche Intentionen im Vorlauf des Gesetzes eine Rolle gespielt haben, noch zu beachten, welche weiteren Hintergedanken es womöglich gibt, sondern lediglich darüber zu entscheiden, ob die am Ende erlassene Regelung mit den europäischen Gesetzen vereinbar ist. Ein noch so gut gemeintes Gesetz kann z.B. verfassungswidrig sein, während ein noch so schlecht gemeintes Gesetz das eben nicht sein muss.
Die einzige Frage, die das Gericht deshalb zu prüfen hat, ist, ob dieses Verhüllungsverbot, so es denn Burkas betrifft, in das Grundrecht der Freiheit der Religionsausübung in unzulässiger Weise eingreift.
Dabei steht außer Zweifel, dass ein Staat Regelungen zum Verhalten in der Öffentlichkeit treffen darf, ob das nun das Verbot ist, sich zu verhüllen, Alkohol zu konsumieren oder nackt über den Marktplatz zu rennen. Fraglich ist dann allerdings immer, ob mit solchen Verboten irgendein Grundrecht eingeschränkt wird, ob nun die Versammlungsfreiheit oder eben in diesem Fall die Freiheit der Religionsausübung, und ob diese Einschränkung im konkreten Fall vertretbar ist. Der Eingriff in die freie Religionsausübung ist bei diesem Gesetz natürlich zweifellos gegeben, da das Tragen einer Burka in der Öffentlichkeit eben nicht mehr erlaubt ist. Es stellt sich daher lediglich die Frage, ob dieser Eingriff verhältnismäßig ist und damit zu rechtfertigen.

Das Gericht muss aus diesem Grund zum Beispiel prüfen, ob sich das politische Ziel, in diesem Fall also in der Öffentlichkeit das Gesicht zu zeigen, durch ein milderes Mittel erreichen lässt. Allerdings dürfte es hier schwierig sein, ein milderes Mittel als das Verbot der Verschleierung zu finden.
Daneben muss das Gericht auch prüfen, ob das Gesetzesziel legitim und wichtig genug ist, um die Einschränkung zu rechtfertigen, und ob sich das angestrebte Ziel überhaupt mit dem Gesetz erreichen lässt. Letzteres ist zu bejahen, denn durch das Verbot der Verschleierung wird natürlich das Ziel des offenen Gesichtes erreicht und zu ersterem kann man nun verschieden Auffassungen haben. Dies allerdings bedeutet vor allem, dass der Gesetzgeber, in diesem Fall der französische, einen weiten Spielraum bei seiner Einschätzung hat. Aus diesem Grund muss das Gericht die Abwägung des französischen Gesetzgebers respektieren, solange nicht ein offensichtliches Missverhältnis bei der Abwägung vorliegt.
Ich bin daher auch nicht der Meinung von Steinbeis, dass das Gericht hier den Grundrechtsschutz aufweicht, sondern teile die Auffassung des Gerichts, das sagt [3]: „The national authorities have direct democratic legitimation and are, as the Court has held on many occasions, in principle better placed than an international court to evaluate local needs and conditions.“ Für den einen mag eine solche Zurückhaltung des Gerichts wirken, als seien die Ergebnisse beliebig, aus meiner Sicht ist eine solche Zurückhaltung aber einfach Ausdruck der Gewaltenteilung.

Um es ganz klar zu sagen, ich hätte als französischer Gesetzgeber anders abgewogen und ich befürworte das Gesetz nicht, allerdings möchte ich eben auch keinesfalls, dass künftig die Gerichte politische Entscheidungen treffen und nicht mehr die demokratisch legitimierten Volksvertreter, die man im Zweifel auch abwählen kann. Der deutsche Gesetzgeber soll bitte weiterhin im öffentlichen Interesse verbieten können, nackt, bewaffnet oder mit einer Nazi-Fahne durch die Stadt zu ziehen und der französische soll die Möglichkeit haben die Verschleierung zu untersagen.
Und wenn man mit der Abwägung dann nicht einverstanden ist, muss man politischen Druck aufbauen, damit die verantwortlichen Politiker abgewählt werden, und nicht von den Gerichten erwarten, dass diese zum Ersatzgesetzgeber mutieren.

Aus meiner Sicht hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte daher eine gute Arbeit gemacht. Allerdings hoffe ich, dass sich irgendwann eine politische Mehrheit in Frankreich findet, die dieses Gesetz einfach wieder abschafft.

Ergänzung vom 12.09.2016: Europäisches Recht ist hier nicht EU-Recht, sondern die Europäische Menschenrechtskonvention des Europarats, dem 47 europäische Länder angehören und dessen Gericht der EGMR ist.

[1] Artikel auf sueddeutsche.de vom 01.07.2014 zum Urteil des EGMR (Link zum Artikel auf www.sueddeutsche.de)

[2] Beitrag von Maximilian Steinbeis vom 01.07.2014 auf Verfassungsblog.de (Link zum Artikel auf www.verfassungsblog.de)

[3] Urteil des EGMR (Link zum Urteil auf echr.coe.int)

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Die Gleichwertigkeit der Stimmen und das Verfassungsgerichtsurteil zur 3%-Hürde https://www.mister-ede.de/politik/bverfg-urteil-zur-sperrklausel/2386 https://www.mister-ede.de/politik/bverfg-urteil-zur-sperrklausel/2386#comments Fri, 28 Feb 2014 18:09:50 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2386 Weiterlesen ]]> Am Mittwoch urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die 3%-Hürde für Parteien bei der Europawahl unzulässig ist und entfallen muss. Als Begründung führte das Gericht an, dass die Sperrklausel „gegen die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der politischen Parteien“ [1] verstößt.
Dies ist juristisch sicherlich richtig, denn für die Beurteilung des Wahlverfahrens der deutschen Abgeordneten ist das deutsche Grundgesetz maßgeblich und deshalb muss eben auch die Gleichwertigkeit der Stimmen in besonderem Maße beachtet werden. Es stellt sich für das Gericht somit lediglich die Frage, ob es für eine solche Sperrklausel einen Rechtfertigungsgrund gibt und genau dies verneint das BVerfG zurzeit.
Kritisiert wird am BVerfG, dass es damit möglicherweise zu weit auf das Spielfeld der Politik vorgedrungen ist. Denn ob und wie weit eine Gefahr einer Zersplitterung droht, ist eine Frage der Einschätzung, und bei solchen Fragen darf das Bundesverfassungsgericht eigentlich nur dem Spielraum des Gesetzgebers verfassungsrechtliche Grenzen setzen.
Ich teile aber auch hier die Auffassung des Gerichts, denn nachdem es keine Anzeichen dafür gibt, dass bei einem Wegfall der 3%-Hürde die Funktionsfähigkeit des Parlaments in irgendeiner Form beeinträchtigt wird, entfällt meines Erachtens auch der Spielraum des Gesetzgebers, eine mögliche Gefährdung zu prognostizieren.

Doch obwohl ich das Urteil für juristisch völlig korrekt halte, ist es aus meiner Sicht ein glatter Witz – ein Schildbürgerstreich. So stellt das Urteil höchstrichterlich fest, dass bei einer Wahl, bei der von vorneherein keine Gleichwertigkeit der Stimmen gegeben ist, eine 3%-Hürde an genau diesem Gleichwertigkeitsgebot scheitert. Betrachtet man das Europäische Parlament, dann ist die Zusammensetzung des Parlaments nicht proportional zu der Einwohnerzahl. Während Luxemburg mit rund einer halben Million Einwohner sechs Abgeordnete nach Brüssel oder Straßburg schicken darf, entfallen auf die BRD mit der 150-fachen Anzahl an Einwohnern gerade mal 96 Sitze [2], also nur 16-mal so viele.
Nun kann man sich fragen, ob es, auf die Einwohnerzahl bezogen, leichter ist 90.000 Luxemburger oder 800.000 Deutsche zu überzeugen, aber von einer Gleichwertigkeit der Stimmen kann man hier nicht sprechen.
Würde man das Bundestagswahlrecht auf diese Weise ausgestalten, also z.B. proportional dem Saarland mehr Sitze im Bundestag zuteilen, würde man gegen das Grundgesetz verstoßen. Doch weil für das Europäische Parlament europäische Gesetze gelten, muss die Gleichwertigkeit der Stimmen eben nicht bei der Wahl des gesamten Parlaments sondern nur bei der Wahl des deutschen Kontingents beachtet werden. Dies führt zu diesem zwar juristisch korrekten aber dennoch recht sinnfreien Urteil.

Aber neben dieser Realsatire wirft das Urteil auch noch für einen anderen Bereich eine Frage auf. Sind heutzutage denn noch Sperrklauseln bei Bundestags- und Landtagswahlen zulässig und in welcher Höhe sind diese vertretbar? Welche Auswirkungen die 5%-Hürde auf die Zusammensetzung des Parlaments haben kann, hat die jüngste Bundestagswahl mit zwei Parteien, die kurz vor dieser Hürde scheiterten, gezeigt. Mehrere Millionen Stimmen sind nicht im Bundestag vertreten und auch die Miniopposition ist eine direkte Folge der hohen Hürde. Auf der anderen Seite kann eine niedrigere Hürde auch den Anreiz erhöhen, mit kleineren Nischenparteien den politischen Erfolg zu suchen, was möglicherweise dann tatsächlich auf Dauer zu Problemen bei der Regierungsbildung führt.
Aus meiner Sicht sind jetzt die Abgeordneten auf Bundes- und Landesebenen gefordert, die jeweiligen Sperrklauseln zumindest auf den Prüfstand zu stellen.


[1] Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2014 (Link zur Entscheidung auf www.bundesverfassungsgericht.de)

[2] Zusammensetzung des europäischen Parlaments laut Wikipedia (Link zum Artikel über das europäische Parlament auf de.wikipedia.org)

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Persilschein für Fußballvereine https://www.mister-ede.de/sport/persilschein-fur-vereine/971 https://www.mister-ede.de/sport/persilschein-fur-vereine/971#comments Tue, 22 May 2012 07:11:34 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=971 Weiterlesen ]]> Gestern hat das DFB-Sportgericht in erster Instanz über den Protest von Berlin gegen die Wertung des Relegationsspiels in Düsseldorf entschieden. Nach dem Willen des Gerichtes, soll das Spiel ganz normal gewertet werden, weil nach Auffassung des Richters das Spiel ordentlich durchgeführt wurde. Aus meiner Sicht ist dies ein Freifahrtsschein für die Vereine, weiterhin mit laschen Kontrollen und ohne wirksame Stadionverbote die Sicherheit in Stadien zu vernachlässigen.

Die Probleme mit Bengalos und ähnlichem traten nicht zum ersten Mal und treten auch nicht nur vereinzelt auf. Fast jedes Wochenende gibt es Ausschreitungen. Mal ist es Rostock gegen Pauli, mal ist es Leipzig gegen Dresden und mal ist es Frankfurt gegen Offenbach. Jetzt kann man den Vereinen wahrlich nicht vorwerfen, was Hooligans außerhalb des Stadions machen. Aber für die Sicherheit im Stadion müssen die Vereine schon sorgen. Und gerade hier ist festzustellen, dass mittlerweile bengalische Feuer nicht nur bei solchen „besonderen“ Spielen, sondern zunehmend allgemein, immer und überall eingesetzt werden.
Allerdings verstecken sich die Vereine hier immer hinter der Verantwortung jedes Einzelnen. Ich will ganz klar sagen, dass für die Verstöße zwar jeder Einzelne und nicht der Verein verantwortlich ist, aber der Vereine ist dafür verantwortlich, es denjenigen möglichst schwer zu machen gegen die Regeln zu verstoßen.

Wenn ich betrachte wie sich die Ordner in Düsseldorf vor dem Platzsturm verhalten haben, dann stellt sich die Frage was hier der Begriff “Ordner” bedeuten soll. Genauso muss die Frage gestellt werden, wie hunderte Bengalos, egal ob von Berlinern oder Düsseldorfern, dort ins Stadion kommen konnten. Es waren ja nicht nur zwei oder drei sondern eine Vielzahl.
Auch auf den Auswärtsblock bezogen, verstehe ich nicht, wieso der Heimverein hier weniger verantwortlich sein soll. Man bekommt bei solchen Fußballdiskussionen immer ein wenig das Gefühl, als sei der Auswärtsblock nicht Teil des Stadions. Auch hier muss sich ein Heimverein fragen lassen, wie er diesen Bereich sicher gestaltet.
Diese Kritik richtet sich aber nicht nur gegen Düsseldorf, sondern insgesamt gegen die Verantwortlichen der Profiligen. Wenn so große Menschenmengen in einem Stadion erwartet werden, dann muss der Gastgeber damit verantwortungsvoll umgehen.
Wenn es um Sicherheitsfragen geht, dann klingt für mich die Aussage „es ist ja noch mal gut gegangen“ genauso absurd, wie die Aussage „es wird schon gut gehen“. Werden Mängel und Probleme offensichtlich, dann müssen diese analysiert und behoben werden, und dürfen nicht einfach ausgeblendet werden.

Noch in einem weiteren Punkt werfe ich den Vereinen Versagen vor. Es wird immer von Stadionverboten gesprochen, aber alleine schon mein Wissen, dass es zu keiner Ausweiskontrolle kommt, zeigt mir, dass die Vereine gar nicht gewillt sind, in diesem Bereich etwas zu machen.
Meines Erachtens haben die Vereine und die jeweiligen Verantwortlichen in den Vereinen, keine Lust sich in diesem Punkte gegen Teile der eigenen Fan-Lager zu richten. Und wenn man betrachtet wie viele tausende Bengalos in der letzten Saison in den oberen 3 Ligen abgefackelt wurden, ist auch klar, dass hier selten Konsequenzen für die Akteure folgen. Von massiven Stadionverboten war zumindest nichts zu sehen, zu hören oder zu lesen.

Ich empfinde dieses Urteil daher als Persilschein für die Verantwortlichen der Stadien, also für die Heimvereine. Für die Probleme im Auswärtsblock ist der Heimverein nach dieser Darstellung sowieso nicht verantwortlich, und für die Probleme durch eigene Fans ist die Gesellschaft verantwortlich. Außerdem sehe ich das Urteil als Freifahrtschein für Vereine, die letztendliche Verantwortung an die Polizei abzugeben. Für die Sicherheit im Stadion sollte aber eigentlich der Verein selbst zuständig sein. Wenn Düsseldorf dieses wichtige Spiel wiederholen müsste, wäre dies ein deutlicher Hinweis an die Führungen der Vereine gewesen, endlich wieder Verantwortung für ihre Stadien zu übernehmen. Nur durch einen gewissen Druck auf die Vereine, wird sich die Sicherheit erhöhen, nicht aber nur durch das bloße Abweisen von Verantwortung durch Vereine oder durch den DFB.

Jetzt ist es falsch sich ein Urteil zu wünschen, wenn es die Rechtslage nicht hergibt. Aber wie leicht man das Recht beugen kann zeigt folgendes Beispiel. Es wäre zwar nicht sportlich, wohl aber geschickt gewesen, wenn Berlin einfach einen Spieler mit der Begründung ausgewechselt hätte, dass der Spieler Angst hat, nachdem er durch einen Fan auf dem Feld attackiert wurde. Dann hätte der Richter, bzw. der Schiedsrichter ganz anders agieren müssen.
Die Auffassung des Richters, der bei der Beurteilung des Spiels damit der Darstellung von Stark folgte teile ich nicht. Aus meiner Sicht kann man nämlich nicht mehr von einer ordentlichen Fußballpartie sprechen, wenn kurz zuvor tausende Fans auf den Rasen stürmten und das jederzeit nochmals passieren kann. Klar ist aus Sicht der Polizei ein Spielabbruch nicht wünschenswert, aber man kann nicht begründen, dass keine Sicherheitsbedenken bestanden, nur weil es für die Polizei immer noch sicherer war weiterzuspielen als abzubrechen. Auch die hypothetische Frage, „was bei einem Elfmeter für Berlin losgewesen wäre“ und die damit implizierte Befürchtung ist meines Erachtens nicht von der Hand zu weisen. Wenn wir davon ausgehen, dass Fußballer neben dem Spiel auch noch Pfiffe, Fangesänge und ähnliches wahrnehmen, dann darf man durchaus zweifeln, dass die Spieler völlig unbeeindruckt durch die Aktion waren.
Ich glaube ein anderes Urteil wäre bei einer unterschiedlichen Wertung der Aussagen möglich. Ein Wiederholungsspiel wäre aber ein klares Zeichen an die Vereine gewesen, die Sicherheit bei den eigenen Heimspielen zu erhöhen.

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