Recht irrsinnig: Musterentscheid zu HRE-Schadensersatz

In seinem Musterentscheid hat das OLG München am Montag festgestellt, dass die HRE ehemaligen Aktionären Schadensersatz wegen falscher Informationen zur Situation der Bank im Zeitraum vor ihrem Zusammenbruch zahlen muss [1]. Ein solcher Richterspruch zeigt einmal mehr, wie irrsinnig Recht doch sein kann, denn so muss am Ende der Retter der Bank selber doppelt bluten. Nicht nur, dass der Staat auf den Milliardenkosten der damaligen HRE-Rettung sitzen bleibt, wird der Steuerzahler am Ende auch noch jenen Eigentümern der HRE, die zuvor für diesen Milliardenschaden mitverantwortlich waren, eine Entschädigung zahlen müssen.

Zwar gilt diese Entscheidung nur für jene, die HRE-Aktien zwischen dem Zeitpunkt der Falschinformation Mitte 2007 und der Richtigstellung Anfang 2008 erworben haben, aber hier stellt sich schon die Frage, ob der Verkäufer der Aktien in diesen Fällen die HRE war oder schlicht ein anderer Eigentümer. Hat Onkel Alfred seine HRE-Anteile im Jahr 2006 gekauft und gehalten, ist er nach dem Musterentscheid nicht schadensersatzberechtigt. Hat er die Anteile hingegen 2007 an Tante Berta verkauft, kann diese dann ihren Schaden geltend machen. Allerdings soll dann nicht Alfred, der als Miteigentümer zum Zeitpunkt des Verkaufs für die falsche Information mitverantwortlich ist und auch von ihr profitierte, den Schaden von Berta begleichen, sondern die HRE, die an diesem Verkauf gar nicht beteiligt war, bzw. der Steuerzahler als ihr jetziger Eigentümer. Ähnlich wäre es, eine Schrottimmobilie, die man zu einem zu hohen Preis gekauft hat, günstiger zu verkaufen und sich den Schaden, bzw. die Preisdifferenz, von diesem Käufer dann ersetzen zu lassen.

Daneben stellt sich die Frage, ob die Verstaatlichung nicht auch eine Insolvenz darstellt, bei der die Ansprüche der Eigentümer als letztes zu bedienen sind. Nachdem der Schaden der Aktionäre durch die Fehlinformationen bis 2008 entstand, und damit die Schadensersatzansprüche auf einen Zeitpunkt vor der Verstaatlichung fallen, müssten diese Ansprüche aus dem Aktienbesitz entsprechend der üblichen Haftungsreihenfolge eigentlich nachgeordnet werden. Erst wenn alle Forderungen der Fremdkapitalgeber erfüllt sind und der Staat seine Hilfsgelder vollständig zurückerhalten hat, kann das restliche Vermögen unter den Eigenkapitalgebern verteilt werden, sofern dann noch etwas vorhanden ist.

Außerdem hat ja auch nicht die Rettung des Bundes den Schaden bei den Aktionären versursacht, sondern umgekehrt hat der von der HRE verschwiegene Milliardenschaden, der durch Fehlspekulation entstand, die Hilfsmaßnahmen des Bundes erst notwendig gemacht. Durch einen Schadensersatz würden somit die Aktionäre jener Bank, die den Staat zur Abwehr von Schäden für die Fremdkapitalgeber zum Eingreifen zwang, noch zusätzlich für den Schaden bei sich als Eigenkapitalgeber entschädigt werden. Statt einer Eigentümerhaftung steht damit am Ende dieser irrsinnigen Rechtslage die Eigentümerentschädigung.

Die HRE wird nun vor dem BGH gegen diesen Musterentscheid vorgehen, aber sofern der Tatbestand der Fehlinformation bestätigt wird, dürften die HRE und damit der Steuerzahler als aktueller Eigentümer nicht um die Schadensersatzleistung herumkommen. Zu hoffen bleibt allerdings, dass die Höhe des Schadensersatzes auf den Teil des Schadens beschränkt bleibt, der nachweislich auf die Falschinformation zurückzuführen ist. Sowohl überhöhte Kaufpreise sind dem Käufer anzulasten, als auch Kursverluste die auf anderen Ursachen beruhen. Kauft jemand ungeschickterweise eine Aktie zu ihrem Höchststand, entsteht der Verlust ja nicht durch eine Fehlinformation, sondern durch den falschen Zeitpunkt des Erwerbs.

Des Weiteren sollte diese Musterentscheid aber auch zeigen, wie notwendig bei der aktuellen Rechtslage die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ist, damit jene, die vom Finanzmarkt oder von der auf das Eigenkapital begrenzten Haftung profitieren, zumindest auch an den gesellschaftlichen Folgekosten beteiligt werden, die solche Gestaltungsformen mit sich bringen.


Weiterführende Links zum HRE-Verfahren auf dejure.org


[1] Kurzmeldung bei C.H.Beck vom 15.12.2014 (Link zur Meldung bei beck-aktuell.beck.de)

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