mister-ede.de » Dublin-Abkommen http://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 StandPUNKT: Deutschland muss humanitäre Kontingente einrichten! http://www.mister-ede.de/politik/humanitaere-kontingente/8562 http://www.mister-ede.de/politik/humanitaere-kontingente/8562#comments Tue, 31 Oct 2017 17:49:24 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8562 Weiterlesen ]]> Sieht man von wenigen Ausnahmen ab, dann gewährt Deutschland bislang nur jenen Menschen Schutz vor Flucht und Verfolgung, die mit Hilfe von Schleppern in die EU und dort vorbei an Erstregistrierung und Dublin-Regeln bis nach Deutschland gelangen. Das ist weder im Sinne eines ordentlichen Verfahrens noch human.
Inzwischen ist es zwar gelungen, die Aktivitäten der Schlepper durch Kooperationsverträge mit EU-Anrainerländern erfolgreich einzudämmen und die Registrierung von Schutzsuchenden in den Erstaufnahmeländern der EU zu verbessern. Doch alleine mit einer rigorosen Abschottungspolitik wird Deutschland seiner humanitären Verantwortung nicht gerecht. Es ist deshalb dringend erforderlich, im Gegenzug freiwillige Kontingente einzurichten, die es politisch verfolgten Menschen ermöglichen, legal und auf regulärem Weg nach Deutschland einzureisen.
Unser Land verkraftet es problemlos, pro Jahr 200.000 ausgewählte Schutzberechtigte aufzunehmen. Hierzu können Bildungsvisa vergeben, vorübergehende Aufenthaltsgenehmigungen für medizinische Eingriffe ausgestellt oder ein dauerhaftes Bleiberechte für Familien oder Waisenkinder geschaffen werden. Bei der Höhe solcher humanitärer Kontingente können auch beispielsweise Verpflichtungen aus Umverteilungsprogrammen der EU oder aktuell der Familiennachzug für bereits hier lebende Schutzberechtigte berücksichtigt werden. Wenn sich Deutschland als reiches Industrieland hingegen solchen humanitären Kontingenten verweigert, dann stielt es sich in beschämender Weise aus seiner Verantwortung.


Ähnliche Artikel:
Skizze eines EU-Migrations- und Asylsystem (www.mister-ede.de – 29.09.2016)

Flüchtlingspolitik: Der Unterschied zwischen Kontingenten und Obergrenzen (www.mister-ede.de – 23.11.2015)

Beschwerde über die EU-Kommission wegen fehlender Flüchtlingskontingente (www.mister-ede.de – 08.10.2016)

]]>
http://www.mister-ede.de/politik/humanitaere-kontingente/8562/feed 1
Der Niedergang des europäischen Projekts http://www.mister-ede.de/politik/der-niedergang-der-eu/8432 http://www.mister-ede.de/politik/der-niedergang-der-eu/8432#comments Wed, 31 May 2017 15:28:38 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8432 Weiterlesen ]]> Als um die Jahrtausendwende der Euro eingeführt wurde und 2004 die große Ost-Erweiterung der EU stattfand, wähnten sich weite Teile der EU-Bürgerschaft in einem goldenen Zeitalter von Frieden und Wohlstand in Europa angekommen. Der Ost-West-Konflikt gehörte der Vergangenheit an, die europäische Integration schien unumkehrbar und der Glaube an eine Zukunft im europäischen Miteinander war unerschütterlich. Keine zwei Jahre später zeigte sich jedoch, dass das europäische Projekt eher auf Sand gebaut ist, denn in Stein gemeißelt.

Und so kam es, wie es kommen musste. 2006 scheiterte der Versuch, der EU eine Verfassung zu geben, und die europäische Integration kam zum Stillstand. Als nächstes crashte 2009 das europäische Bankenwesen und mit ihm zahlreiche Euro-Länder. Die einstige wirtschaftliche Prosperität in Europa gehört seitdem der Vergangenheit an und im Hinblick auf das Wohlstandsversprechen der europäischen Idee wurde die Eurozone zu einem Krisengebiet.
Von 2012 bis heute starben dann rund 20.000 Menschen, darunter zahlreiche Kriegsflüchtlinge, an den EU-Außengrenzen und mit ihnen der Mythos von der europäischen Wertegemeinschaft, die der Würde des Menschen und den Menschenrechten verpflichtet ist. Ab 2013 wurde dann Italien bei der Versorgung von Flüchtlingen von den europäischen Partnern im Stich gelassen und jeder konnte sehen, dass auch die bis dahin viel beschworene europäische Solidargemeinschaft nichts weiter ist als eine hohle Phrase. Danach löste 2015 das schon lange zuvor gescheiterte Dublin-System eine tiefe politische Krise in Europa aus und mit dem Bau von Grenzzäunen zwischen EU-Ländern wurde die völlige Handlungsunfähigkeit der Europäischen Union offenkundig.
Letztendlich mündete der Niedergang der EU dann im Jahr 2016 in der Entscheidung der Briten, das europäische Projekt zu beenden und die britische Politik künftig wieder vollständig im Rahmen ihres Nationalstaats zu organisieren.

So steht die EU-Bürgerschaft heute vor einer desintegrierenden europäischen Integration, vor einer wertlosen Wertegemeinschaft, vor einer unwirtschaftlichen Wirtschaftsgemeinschaft, vor einer unsolidarischen Solidargemeinschaft und vor einer EU, in der das nationale Handeln die gemeinschaftliche Handlungsunfähigkeit ersetzt. Sahen sich viele EU-Bürger vor zehn Jahren noch auf dem Weg in eine europäische Oase des Glücks, hat sich dieses Ziel in den letzten Jahren immer mehr als Fata Morgana entpuppt. Vom europäischen Projekt ist somit nichts geblieben, außer der bitteren Erkenntnis, sich viel zu lange von einem schönen Schein blenden haben zu lassen.


Ähnliche Artikel:
Die Zentrifugalkraft des Politikversagens: Grexit, PEGIDA und „Charlie Hebdo“ (www.mister-ede.de – 10.01.2015)

Das europäische Haus in Flammen (www.mister-ede.de – 13.12.2012)

Der europäische Schwarzbau oder die Geschichte vom Hobbyhandwerker Helmut K. (www.mister-ede.de – 14.12.2016)

Zukunft EU: Dachverband der Nationalinteressen oder Gemeinschaftsprojekt? (www.mister-ede.de – 31.01.2013)

Nach der Europawahl: EU im Zangengriff der Kritiker und Gegner (www.mister-ede.de – 25.06.2014)

]]>
http://www.mister-ede.de/politik/der-niedergang-der-eu/8432/feed 0
Eine Neuausrichtung der europäischen Entwicklungs-, Migrations- und Asylpolitik http://www.mister-ede.de/politik/eu-entwicklung-migration-asyl/5437 http://www.mister-ede.de/politik/eu-entwicklung-migration-asyl/5437#comments Thu, 29 Sep 2016 10:23:30 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5437 Weiterlesen ]]> Die sich verändernde Welt macht auch vor Europa keinen Halt. Klimawandel, Kriege, Bürgerkriege, Terrorismus und die wachsende globale Ungleichheit, zu der auch die europäische Wirtschaftspolitik beiträgt, vertreiben immer mehr Menschen aus ihrer Heimat. Hunderttausende begeben sich deshalb in der Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa auf einen teuren und oftmals tödlichen Weg.
Währenddessen stehen die Europäer dieser Entwicklung eher passiv beobachtend als aktiv gestaltend gegenüber. So wurden europaweit Abschottung und das Schließen der Grenzen, z.B. zwischen Österreich und Ungarn, im nationalen Kleinklein zur favorisierten Lösung für diese globale Herausforderung.
Im Gegeneinander und mit punktuellen Maßnahmen, wie Grenzschließungen oder kleinen Kontingenten für die Aufnahme von Schutzsuchenden, werden die EU-Länder diese Herausforderung allerdings nicht meistern können. Anstelle von Tunnelblick und Kleinstaaterei braucht es daher einen breiten Ansatz und ein gemeinsames Handeln.

Die europäische Wirtschafts- und Handelspolitik

Gerade in Bezug auf den afrikanischen Kontinent steht Europa oftmals nicht nur am Ende von Flucht und Migration, sondern mit Blick auf die Gründe und Ursachen auch schon am Anfang. Doch was nutzt es Europa, wenn deutsche Großschlachter ein paar Euro mehr verdienen und dafür die kleinbäuerliche Struktur in afrikanischen Ländern zerstört wird?
Die EU und andere europäische Länder, z.B. die Schweiz, müssen daher ihre Wirtschafts- und Handelspolitik auf den Prüfstand stellen. Statt maximalem Freihandel und radikaler Marktöffnungspolitik, sollten künftig Aufbaupartnerschaften vereinbart werden, um einen behutsamen Wandel in wirtschaftlich schwach entwickelten Ländern zu ermöglichen und die dortigen Volkswirtschaften zu stärken. Insbesondere die aktuellen Verhandlungen zu Wirtschaftspartnerschaften mit Entwicklungsländern (EPA) sollten deshalb konsequent neu und auf dieses Ziel ausgerichtet werden. Möglich wäre auch, in diesem Rahmen die Frage nach den Kosten des Klimawandels und einer Entschädigung durch die Industrieländer zu behandeln.

Entwicklungszusammenarbeit

Neben einer fairen Handelspolitik, die schwächere Volkswirtschaften nicht ausbeutet, sondern stärkt, braucht es Instrumente, die es den Europäern erlauben, die Lebensverhältnisse der Menschen außerhalb Europas aktiv zu verbessern und mittel- bis langfristige Perspektiven zu schaffen.
Um die europäische Entwicklungszusammenarbeit effektiver zu gestalten, sollten die Maßnahmen der einzelnen EU-Länder gebündelt werden. Hierzu könnte die bereits existierende Generaldirektion der EU für Entwicklung und Zusammenarbeit zu einer EU-Agentur weiterentwickelt werden, welche nicht nur die nationale Entwicklungszusammenarbeit koordiniert, sondern in größerem Umfang auch in eigener Verantwortung gemeinsame EU-Projekte auf den Weg bringt.
Inhaltlich muss dabei allerdings noch mehr als bisher der Aufbau regionaler Wirtschaftskreisläufe im Vordergrund stehen, um z.B. die Selbstversorgung der Bevölkerung zu ermöglichen. Außerdem muss die Entwicklungszusammenarbeit künftig neben der Ökonomie noch stärker die Entwicklung von Gesellschaft und Staat in Bezug auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vorantreiben, z.B. durch Hilfen bei der Einrichtung sozialer Sicherungssysteme oder Unterstützung bei der Korruptions- oder Terrorbekämpfung.

EU-Migrations- und Asylsystem

Auch das konsequente Nebeneinander der verschiedenen nationalen und internationalen Regelungen zum Schutz verfolgter und vertriebener Personen, z.B. nach der Genfer Flüchtlingskonvention, zum Schutz aus humanitären Gründen und Regelungen zur Arbeitsmigration und sonstigen freiwilligen Migration hat sich mittlerweile als untauglich erwiesen. Statt einer Vielzahl paralleler Systeme, sollte hier im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit in der EU auf eine Einwanderungs-, Flüchtlings- und Asylpolitik aus einem Guss gesetzt werden.
Den institutionellen Rahmen könnte hierbei eine EU-Migrations- und Asylbehörde bilden, die außerhalb der EU eng abgestimmt mit einem neugeschaffenem EU-Flüchtlingshilfswerk arbeitet, das seinerseits durch die oben angeführte europäisch koordinierte Entwicklungszusammenarbeit unterstützt wird. Auf einer solchen EU-Migrations- und Asylbehörde aufbauend, könnten dann einheitliche Verfahren eingerichtet werden, die für Schutzsuchende und Migranten auch schon in EU-Nachbarländern oder Herkunftsländern zugänglich sind. Solche ordentlichen und rechtsstaatlichen Verfahren wären ein wichtiger Bestandteil, um die heutige irreguläre und unkontrollierte Einreise künftig durch eine geregelte Migration zu ersetzen.

Skizze eines EU-Migrations- und Asylsystem (www.mister-ede.de – 29.09.2016)

Grenzsicherung

Zusätzlich zu einem System der regulären Einreise für Schutzsuchende und Arbeitsmigranten müssen die Außengrenzen aber auch gegen irreguläre Grenzübertritte geschützt werden. Selbst wenn es reguläre Wege gibt, wird es auch weiterhin Personen geben, die wegen fehlender Einreiseberechtigung abgewiesen werden müssen.
Hierzu sollten vornehmlich Rückführungsabkommen, wie sie u.a. im EU-Türkei-Abkommen vom Frühjahr vereinbart wurden, konsequent weiter ausgebaut werden. In Kooperation mit den EU-Nachbarländern kann so die Ordnung an den Grenzen in humanitär vertretbarer Weise und mit verhältnismäßig geringem Aufwand wiederhergestellt bzw. aufrechterhalten werden. Auf die aktuelle Hauptroute von Libyen über das Mittelmeer kann dies so aber nicht angewendet werden, weshalb hier UN-Camps, z.B. im angrenzenden Ägypten oder Tunesien, ein Ansatzpunkt sein könnten, um nicht schutzberechtigte Personen, die von Libyen aus in die EU einreisen, wieder zurückzuführen. Ob so etwas tatsächlich ethisch vertretbar und im Einklang mit geltendem Recht gestaltbar ist, müsste aber zunächst eingehender geprüft werden. Wenn in solchen Camps ein vollwertiger Zugang zu einem wie oben beschriebenen EU-Migrations- und Asylsystem besteht, wäre das aber sicher schon ein guter Schritt in diese Richtung.


Ähnliche Artikel:
Gedanken zu einer Europäisierung der Asylpolitik in der EU (www.mister-ede.de – 25.08.2015)

Ein Überblick über die Herausforderungen der Europäischen Union (www.mister-ede.de – 20.04.2014)

Flüchtlinge in der EU: Grenzsicherung durch Rückführungsabkommen (www.mister-ede.de – 05.02.2016)

]]>
http://www.mister-ede.de/politik/eu-entwicklung-migration-asyl/5437/feed 2
Skizze eines EU-Migrations- und Asylsystem http://www.mister-ede.de/politik/eu-migrations-und-asylsystem/5405 http://www.mister-ede.de/politik/eu-migrations-und-asylsystem/5405#comments Thu, 29 Sep 2016 10:17:33 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5405 Weiterlesen ]]> Das nachfolgend dargestellte EU-Migrations- und Asylsystem beruht auf einer verstärkten Zusammenarbeit innerhalb der EU durch die Länder Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, die Niederlande, Belgien, Österreich, Portugal, Griechenland, Finnland, Slowenien, Luxemburg, Estland und Malta. Hierbei handelt es sich um EU-Länder, die sowohl Mitglied in der Eurozone sind als auch das Schengener-Abkommen uneingeschränkt anwenden und je Einwohner mindestens 50% der durchschnittlichen Wirtschaftsleistung der Eurozone besitzen.
Die Euro-Länder Lettland, Litauen und die Slowakei würden bei diesem Konzept wegen zu niedrigem BIP herausfallen und Irland und Zypern, weil sie Schengen nicht anwenden. Natürlich sind aber auch andere Zusammensetzungen möglich, sodass z.B. Schweden, das noch kein Euro-Land ist, in die verstärkte Zusammenarbeit einbezogen werden kann oder auch mit den Nicht-EU-Ländern Schweiz, Island und Norwegen kooperiert werden könnte.

Dublin-Abkommen oder gemeinsames Asylsystem

Das Dublin-System sieht die Verantwortung für einen Schutzsuchenden bislang bei demjenigen Land, in dem die betreffende Person zuerst den Boden der EU betritt. Indirekt unterstellt das Dublin-Abkommen damit, dass ein einzelnes EU-Mitglied Einfluss auf die Zahl der in das Land reisenden Schutzsuchenden hat und deshalb für sie zuständig ist.
Hingegen fußt das hier beschriebene Asylverfahren auf der Überzeugung, dass Verfolgung oder Vertreibung außerhalb der EU eine humanitäre Gesamtverantwortung der EU auslösen. Nachdem ein einzelnes EU-Land durch die Bindung an die Genfer Flüchtlingskonvention nur einen begrenzten Einfluss auf die Zahl der ins Land kommenden Flüchtlinge hat, sieht das EU-Migrations- und Asylsystem entsprechend einen echten gemeinsamen Flüchtlingsschutz vor, der nach den Fähigkeiten der einzelnen Länder von der Gesamtheit der beteiligten Länder getragen wird.

Politisches Asyl , humanitärer Schutz und Arbeitsmigration

Personen wollen aus vielen verschiedenen Gründen nach Europa, aber stets ist dieser Wunsch von der Hoffnung auf ein besseres Leben für die Kinder, die Eltern, die Familie oder auch sich selbst geprägt. Um dieses legitime Streben des Einzelnen, sein Überleben zu sichern und seine Lebenssituation zu verbessern, mit dem legitimen Anspruch eines Staates auf die Hoheit über sein Staatsgebiet in Einklang zu bringen, soll hier beides in einem menschlich wie rechtlich vertretbaren, chancengerechten, helfenden und fördernden EU-Migrations- und Asylsystem verbunden werden.
Das später noch genauer zu erläuternde gemeinsame Migrations- und Asylverfahren (GMA) richtet seinen Fokus dabei allerdings nicht nur auf einzelne Migrationsgründe, sondern versucht für alle diese juristisch unterschiedlich definierten Gruppen, von Verfolgten und Vertriebenen über diejenigen, die aus humanitären Gründen Schutz benötigen, bis zu jenen, die sich als Arbeiter und Arbeiterinnen auf den Weg nach Europa machen, eine Perspektive zu bieten. Innerhalb dieses Verfahrens bleiben aber weiterhin die individuellen Voraussetzungen einer Person, z.B. das Vorliegen eines Arbeitsvertrages oder das Vortragen von Schutzgründen, Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage, ob eine Einreise in die beteiligten EU-Länder bzw. der dortige Aufenthalt zulässig ist oder nicht.

Außereuropäischer Zugang zu einheitlichem Verfahren

Um die irreguläre, meist teure und oft tödliche Migration einzudämmen, setzt das hier beschriebene EU-Migrations- und Asylsystem auf den Abbau von Anreizen. Deshalb werden sowohl innerhalb der an diesem System beteiligten EU-Länder wie auch außerhalb der EU, z.B. in UN-Flüchtlingscamps, Zugänge zu einem einheitlichen gemeinsamen Migrations- und Asylverfahren (GMA) geschaffen. Sofern die Verfahren zur Gewährung der regulären Einreise bzw. zur Abschiebung bei fehlenden Einreisevoraussetzungen zügig durchgeführt werden, wird die Flucht aus Flüchtlingslagern nach Europa bzw. in ein spezielles EU-Land automatisch unnötig und auch unsinnig.

Um außerhalb der EU Zugänge zu einem solchen gemeinsamen Migrations- und Asylverfahren (GMA) zu schaffen, bedarf es allerdings einer breitflächigen Struktur, die an möglichst vielen verschiedenen Orten gleichzeitig ansetzt, damit ungewollte Dynamiken vermieden werden. Neben einer Einbindung der bereits existierenden Auslandsvertretungen der am EU-Migrations- und Asylsystem beteiligten Länder sollte deshalb auch die Einrichtung eines eigenständigen EU-Flüchtlingshilfswerks in Betracht gezogen werden, das dann ausreichend Kapazitäten zur Betreuung und Verwaltung von Schutzsuchenden außerhalb Europas aufbauen kann.

EU-Flüchtlingshilfswerk

Mit einem EU-Flüchtlingshilfswerk werden unterschiedliche Ziele verfolgt. Unter anderem könnte der UNHCR bei seiner Arbeit personell, finanziell und materiell unterstützt werden, damit in UN-Flüchtlingslagern zumindest eine ausreichende Versorgung gewährleistet und eine Chance auf Bildung für eine Perspektive vor Ort geschaffen werden kann. Daneben könnte ein EU-Flüchtlingshilfswerk Verwaltungsstrukturen aufbauen, um zu prüfen, ob in solchen Lagern Härtefälle vorliegen, die die Einreise einer Person in die EU erforderlich machen. Später könnte dies dann zu einem vollwertigen Zugang zum gemeinsamen Migrations- und Asylverfahren (GMA) ausgebaut werden.
Umgekehrt würde mit dem Aufbau solcher humanitär vertretbarer Flüchtlingslager auch die Grundlage für die Rückführung von Personen aus der EU geschaffen, die irregulär und ohne Schutzanspruch in die EU einreisen bzw. eingereist sind. Entsprechend dürfte ein solches EU-Flüchtlingshilfswerk nicht nur auf eine Perspektive „Europa“ ausgerichtet sein, sondern müsste genauso im Rahmen einer europäischen Entwicklungszusammenarbeit für Lebensgrundlagen vor Ort sorgen. Mit einer Verankerung des Bildungsgedankens in Flüchtlingscamps, einer Vergabe von Minikrediten oder der Förderung einer regionalen Subsistenzwirtschaft zur Versorgung der Bevölkerung und der in solchen Flüchtlingszentren lebenden Schutzsuchenden könnte ein EU-Flüchtlingshilfswerk dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

EU-Migrations- und Asylbehörde

Die EU-Migrations- und Asylbehörde ist im Rahmen des EU-Migrations- und Asylsystems die gemeinsame Behörde der beteiligten EU-Länder. Sie ist für die Bearbeitung der innerhalb dieser Länder und über außereuropäische Zugänge, z.B. bei Botschaften oder in UN-Flüchtlingslagern, eingehenden Migrations- oder Asylanträge zuständig. Diese werden nach einem einheitlichen Migrations- und Asylverfahren (GMA) bearbeitet, egal ob sie in einem Flüchtlingslager in Mali, der französischen Botschaft in Kairo, dem „EU-Hot-Spot“ auf Lesbos oder einer BAMF-Außenstelle in Deutschland gestellt werden.
Hierzu gibt die EU-Migrations- und Asylbehörde vor, welche Daten von den nationalen Behörden oder sonstigen Außenstellen wie erhoben werden sollen und die Sachbearbeiter der gemeinsamen europäischen Behörde bekommen die Möglichkeit, über Videokonferenzen direkt zu Gesprächen mit Antragstellern zugeschaltet zu werden oder auch vor Ort Gespräche durchzuführen. Daneben ist die EU-Migrations- und Asylbehörde auch zur Überwachung der verschiedenen nationalen Behörden und sonstigen Außenstellen berechtigt bzw. zur Verhängung von Geldstrafen, wenn z.B. Migrations- und Asylverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden.

Gemeinsames Migrations- und Asylverfahren (GMA)

Zugang zum gemeinsamen Migrations- und Asylverfahren haben alle Menschen – inklusive EU-Bürgern. Jeder hat die Möglichkeit, bei der EU-Migrations- und Asylbehörde Schutz zu beantragen, wenn er verfolgt oder vertrieben ist oder aus humanitären Gründen diesen Schutz benötigt. Außerdem hat jeder Nicht-EU-Bürger die Möglichkeit, über die EU-Migrations- und Asylbehörde ein Arbeitsvisum für jene Länder des EU-Migrations- und Asylsystem zu beantragen, die Arbeitsmigration zulassen.

GMA: Umgang mit Verfolgten und Vertriebenen

Wer verfolgt ist oder vertrieben wird, also nicht „nur“ in einer schlechten Situation lebt, sondern von seinem Staat diskriminiert oder gejagt oder von diesem zumindest nicht vor solcher Verfolgung oder Vertreibung geschützt wird, bekommt einen vollständigen Schutzanspruch. Er oder sie darf sich nach der Anerkennung als Verfolgter oder Vertriebener in einem beliebigen, am gemeinsamen Migrations- und Asylverfahren (GMA) beteiligten EU-Land niederlassen und wird dort wie ein EU-Ausländer behandelt. Darüber hinaus erhält er oder sie die notwendige Unterstützung, z.B. bei der Eingliederung oder beim Familiennachzug. Wer als Verfolgter oder Vertriebener anerkannt ist, verliert seine Aufenthaltsstatus für sich oder seine Familie auch dann nicht, wenn die Fluchtgründe im Heimatland beseitigt sind. Wenn hingegen in einem solchen Fall eine Rückkehr gewünscht ist, wird er oder sie bei der Rückkehr unterstützt. Anders ausgedrückt: Einem vor dem Holocaust aus Deutschland geflohenen Juden kann man zwar Unterstützung bei einer Rückkehr nach Deutschland anbieten, ihn zur Rückkehr zu zwingen, wäre hingegen zynisch.

Solange die Verfolgung oder Vertreibung besteht, werden demjenigen Land, das diese Fluchtgründe verursacht oder duldet, pro Schutzsuchendem und angefangenem Jahr von der EU-Migrations- und Asylbehörde Kosten in Höhe von 100.000 Euro in Rechnung gestellt. Wenn also 10.000 Schutzsuchende aus einem Balkanland wegen dortiger Diskriminierung und politischer Verfolgung in der EU leben müssen, hat das betreffende Land dafür einen jährlichen Unkostenbeitrag in Höhe von 1 Mrd. Euro zu entrichten, der dann z.B. mit gewährten Finanzhilfen verrechnet werden kann.

GMA: Umgang mit Arbeitsmigranten

Der Status als Arbeitsmigrant ist nur für Nicht-EU-Ausländer möglich und berechtigt diese zum Aufenthalt in einem einzelnen am gemeinsamen Migrations- und Asylverfahren (GMA) beteiligten EU-Land, um dort zu arbeiten. Dieser Status berechtigt nicht zum Aufenthalt in anderen EU-Ländern, nicht zum Familiennachzug und nicht zum Bezug von Sozialleistungen für andere Personen, wie z.B. Kindergeld. Ansonsten sind Arbeitsmigranten EU-Bürgern gleichgestellt, z.B. beim Wahlrecht auf kommunaler Ebene oder bei den Grundrechten.
Für den Status als Arbeitsmigrant ist das Vorliegen eines Arbeitsvertrages bzw. ein nicht länger als dreimonatiges Zurückliegen einer Beschäftigung zwingend genauso wie die Registrierung in einem einzurichtenden Zentralregister bei der EU-Migrations- und Asylbehörde. In einem solchen Zentralregister können dann z.B. Ausnahmen für einzelne Arbeitsmigranten festgehalten werden, um beispielsweise den Aufenthalt in anderen EU-Ländern zu ermöglichen. Entfallen die Voraussetzungen für den Status als Arbeitsmigrant, ist jenes Land für die Abmeldung aus dem Zentralregister und eine funktionierende Ausreise zuständig, in dem der letzte Arbeitgeber des Arbeitsmigranten sitzt.

Innerhalb dieses Rahmens entscheiden allerdings die einzelnen am EU-Migrations- und Asylsystem beteiligten Länder selbst, ob und in welchem Umfang sie Arbeitsmigration zulassen. Auch können für Arbeitsmigranten günstigere Bedingungen festgelegt werden, wie z.B. die Möglichkeit des Familiennachzugs bei Fachkräften oder Personen, die sich über einen längeren Zeitraum bewährt haben.

GMA: Umgang mit Personen mit einem Schutzanspruch aus humanitären Gründen

Auch wenn keine politische Verfolgung vorliegt, darf eine Person nicht in ein Kriegs- oder Krisengebiet zurückgeschickt werden, weil ein Leben dort schlicht unzumutbar ist. Dies regelt schon die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte oder die Europäische Menschenrechtskonvention. Die Genfer Flüchtlingskonvention erlaubt allerdings bereits bei Verfolgten und Vertriebenen den Schutzanspruche nur insoweit einzuräumen, bis jemand in einem für sich sicheren Gebiet angekommen ist. Hierauf zielt z.B. das EU-Türkei-Abkommen, das Rückführungen vorsieht, sofern der Flüchtlingsschutz in der Türkei gewährleistet ist. Entsprechend kann aber der Schutzanspruch aus humanitären Gründen unter dieser Bedingung ebenfalls eingeschränkt werden.
Gelingt es also, die EU-Nachbarländer oder den UNHCR in den Herkunftsländern von Schutzsuchenden mit einem EU-Flüchtlingshilfswerk soweit zu unterstützen, dass Menschen dort sicher sind und ordentlich versorgt werden können, wäre es möglich, den Schutzanspruch aus humanitären Gründen regelmäßig schon dort zu erfüllen. Um dabei der europäischen Verantwortung gerecht zu werden, muss dies aber auf der einen Seite mit echten Bildungs- und Perspektivangeboten vor Ort und auf der anderen Seite mit regulären Wegen nach Europa z.B. für Härtefälle oder zur Ausbildung verknüpft werden. Der notwendige medizinische Eingriff in einer modernen europäischen Klinik muss genauso möglich sein wie der Abschluss eines begonnenen Studiums, das durch einen Krieg unterbrochen wurde. Auch die erstmalige Aufnahme eines Studiums oder einer schulischen Ausbildung in Europa sollte im Rahmen von Stipendien ermöglicht werden, um gerade für junge Menschen eine wirkliche Perspektive zu schaffen. Dies könnte z.B. mit einer gezielten Einbindung von Kommunen in den beteiligten EU-Ländern verbunden werden, die auf freiwilliger Basis gegen eine Entschädigung solche Personen für diese Zeiträume aufnehmen.
Daneben können Personen mit einem Schutzanspruch aus humanitären Gründen natürlich auch gezielt hinsichtlich der Möglichkeiten der Arbeitsmigration beraten oder durch sprachliche oder berufliche Qualifikation hierauf vorbereitet werden.

Kostenverteilung für das EU-Migrations- und Asylsystem

Die Aufwendungen der EU-Migrations- und Asylbehörde im Zusammenhang mit der Arbeitsmigration werden gesondert erfasst und über Gebühren von jenen Arbeitgebern getragen, die Arbeitsmigranten einstellen.
Die restlichen Aufwendungen der EU-Migrations- und Asylbehörde sowie die in den beteiligten Ländern anfallenden Kosten für die Aufnahme von Verfolgten und Vertriebenen oder Personen, denen aus humanitären Gründen ein Aufenthalt in Europa, z.B. für einen medizinischen Eingriff oder für ein Studium, gestattet wird, werden gemeinsam getragen. Dies trifft genauso auf die Kosten für das EU-Flüchtlingshilfswerk zu.
Die berechneten Gesamtkosten werden dann auf die am EU-Migrations- und Asylsystem beteiligten Länder aufgeteilt, z.B. nach nachfolgendem Schlüssel: Deutschland (38%), Frankreich (19%), Italien (13%), Spanien (8%), die Niederlande (6,5%), Belgien (4%), Österreich (4%), Portugal (2%), Griechenland (2%), Finnland (2%), Slowenien (0,4%), Luxemburg (0,7%), Estland (0,3%) und Malta (0,1%).

Altfallregelung für Gedudelte

Im Wesentlichen ist das EU-Migrations- und Asylsystem auf den künftigen Umgang mit Asylsuchenden und Arbeitsmigranten ausgerichtet. Allerdings stellt sich in allen EU-Ländern, die an diesem gemeinsamen System beteiligt sind, auch die Frage nach einem Umgang mit Altfällen.
Bereits jetzt halten sich zahlreiche Personen unberechtigt z.B. in Deutschland auf, die nicht ausgewiesen werden können. Nachdem künftig Abschiebungen im Rahmen des EU-Migrations- und Asylsystem möglich würden, sollten auf nationaler Ebene Regelungen getroffen werden, inwiefern von dieser Möglichkeit dann auch Gebrauch gemacht werden soll oder eben nicht.
Eine sinnvolle Zielsetzung wäre dabei, jenen Geduldeten, die gut integriert sind, eine dauerhafte legale Bleibeperspektive zu eröffnen und umgekehrt jenen Geduldeten, die sich in unserer Gesellschaft nicht so gut zurechtfinden, z.B. in den letzten Jahren öfters straffällig wurden, einen Aufenthalt in der Nähe ihrer Heimatgesellschaften zu ermöglichen. Mit einer solchen Altfallregelung reduzieren die am EU-Migrations- und Asylsystem beteiligten Länder nicht nur bestehende Lasten z.B. im Justizsystem, sondern aktivieren auch die ungenutzten Potentiale vieler Geduldeter, die durch ihren Status bislang von der Teilhabe an der hiesigen Gesellschaft, z.B. vom Arbeitsmarkt, ausgeschlossen sind.


Ähnliche Artikel:
Eine Neuausrichtung der europäischen Entwicklungs-, Migrations- und Asylpolitik (www.mister-ede.de – 29.09.2016)

Die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung der letzten 12 Monate (www.mister-ede.de – 16.09.2016)

Der künftige Umgang mit Schutzsuchenden aus sicheren Herkunftsländern (www.mister-ede.de – 23.01.2016)

]]>
http://www.mister-ede.de/politik/eu-migrations-und-asylsystem/5405/feed 0
Die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung der letzten 12 Monate http://www.mister-ede.de/politik/fluechtlingspolitik-12-monate/5368 http://www.mister-ede.de/politik/fluechtlingspolitik-12-monate/5368#comments Fri, 16 Sep 2016 11:25:40 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5368 Weiterlesen ]]> Um die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung einordnen zu können, muss man sich zunächst vergegenwärtig, wo Deutschland vor einem Jahr stand. Das Dublin-System der EU funktionierte schon lange nicht mehr und die Zahl der Asylbewerber aus europäischen Ländern (vor allem vom Balkan) war spürbarer gestiegen. Dennoch wurde das BAMF weiter klein gespart und es gab z.B. keine Ansätze, um die reguläre Arbeitsmigration zu erleichtern. Ein funktionierende Migrations- und Asylsystem gab es in Deutschland daher weder auf dem Papier noch in der Realität.

Was gut gemacht wurde:

Mit der Balkankonferenz und einem Umdenken in der Balkanpolitik konnte die Zahl der Asylgesuche deutlich reduziert werden. Die Gelder für den UNHCR und das Welternährungsprogramm wurden massiv aufgestockt. Ankommende Flüchtlinge werden seit der Implementierung des EU-Türkei-Abkommens direkt in Griechenland registriert. Auch Italien ist mittlerweil in der Lage, die Registrierung ordnungsgemäß durchzuführen. Zusammen mit der Stärkung der europaweiten Verwendung des Eurodac-Systems wurde damit die unkontrollierte Wanderung weitestgehend unterbunden. Daneben konnte in Zusammenarbeit mit der Türkei die Zahl der irregulären Einreisen von der Türkei nach Griechenland von über 200.000 pro Monat in der Hochzeit des letzten Jahres auf aktuell einige Hundert bis wenige Tausend pro Monat deutlich reduziert werden. Auch ein weiterer Anstieg der Flüchtlingszahlen auf der Mittelmeerroute konnte mit Vor-Ort-Hilfen in Afrika verhindert werden.
In Deutschland selbst hat die Bundesregierung mit der spürbaren Aufstockung der BAMF-Mitarbeiter und der finanziellen Entlastung von Kommunen und Bundesländern sowie dem Integrationsgesetzt zur Rückkehr zur Normalität beigetragen.

Was nicht gut gemacht wurde:

Die Kommunen und Länder waren allerdings zu lange überfordert, ein Fehler, der der Bundesregierung angekreidet werden muss. Schäuble hätte deutlich schneller und unbürokratischer Hilfsmittel bereitstellen müssen und es wäre auch seine Aufgabe gewesen, solche Not-, Hilfs- und Förderprogramme aktiv voranzutreiben. Daneben war auch die Kommunikation der Bundesregierung katastrophal, vor allem die regierungsinternen Streitigkeiten wie bei der Obergrenze.

Zwischenfazit:

Über Jahre haben Politiker aller Parteien den Bereich Flucht / Asyl / Migration schleifen lassen und komplett vernachlässigt. Wenn man sich anschaut, wo Deutschland vor einem Jahr stand und wo es heute steht, war die Politik der Bundesregierung außerordentlich erfolgreich. Nachdem aber vieles einfach erst mal nachgeholt werden musste, ist trotz der guten Arbeit noch lange kein befriedigender Zustand erreicht.

Was noch immer fehlt:

Im Bundesministerium für Migration und Asyl fehlen weiterhin 4.000 bis 5.000 Mitarbeiter. Es ist durchaus möglich, diese Mitarbeiter auch für andere Bereiche einzusetzen, aber sie müssen zumindest ausgebildet sein, so dass es eine Kapazität gibt, um auf eine Krisensituation z.B. in der Ukraine, der Türkei oder eben Syrien angemessen reagieren zu können. Auch für vielleicht mal außerhalb Deutschlands anstehende Prüfungen von Schutzgesuchen, z.B. vor Ort in der Türkei, sollten solche Kapazitäten aufgebaut werden. Gerade wenn außerhalb Deutschlands die Schutzquote geringer ist, weil der Schutz auf Härtefälle beschränkt ist, ist von deutlich mehr zu prüfenden Anträgen auszugehen.

Daneben bleibt das ganze Kapitel Arbeitsmigration bis heute komplett unbehandelt genauso wie die Frage humanitärer Kontingente, die mit Punkt 4 des EU-Türkei-Statements vom 18.3.2016 vereinbart wurden. Wenn man irreguläre Migration durch reguläre ersetzen will, müssen solche regulären Wege, abseits der Familienzusammenführung, aber auch tatsächlich geschaffen werden. Dann könnte auch ein europäischer Ansatz folgen, um die irreguläre Migration von Nordafrika über das Mittelmeer zu reduzieren, z.B. mit Rücknahme-Abkommen ähnlich wie mit der Türkei.

Auch ein langfristiges Integrationskonzept konnte die Bundesregierung bislang nicht vorlegen. Es müsste für einen Syrer endlich klargestellt sein, dass er zurückkehren muss, sobald dort Frieden einkehrt und sofern er nicht genügend „Leistungspunkte“ erworben hat. Wer nichts leistet, verliert seinen Schutzanspruch, sobald der Schutzgrund entfällt. Hingegen sollte bleiben dürfen, wer hier etwas leistet und damit ja zeigt, dass er ein Zugewinn für unsere Gesellschaft ist.
Als Leistung kommt dabei beispielsweise in Betracht, einen gewissen Stand bei der deutschen Sprache zu besitzen, keine grobe Straftat begangen zu haben und einen Arbeitsplatz oder passable Zeugnisse vorweisen zu können. Wünschenswert wäre daneben auch eine Neuordnung der Ministerien, so dass ganz klar ein Minister für Integration für all diese Aufgaben zuständig ist.

Fazit:

Die Bundesregierung hat im letzten Jahr wahrscheinlich mehr für eine gute Migrations- und Integrationspolitik getan als alle Regierungen seit der Wiedervereinigung zusammen.
Gleichwohl konnte in diesem Jahr nur ein Teil der Versäumnisse aufgeholt werden. Dass noch immer kein langfristiges Integrationskonzept, kaum reguläre Wege nach Deutschland und keine Ideen für den Umgang mit Schutzsuchenden außerhalb Europas existieren, muss allerdings auch der zu spät handelnden und zerstrittenen Bundesregierung angelastet werden.


Ähnliche Artikel:
Die Widersprüche der europäischen Flüchtlingspolitik (www.mister-ede.de – 04.02.2016)

Ein Ministerium für Integration, Gleichstellung und Inklusion (www.mister-ede.de – 16.09.2016)

Eine Bilanz der EU-Flüchtlingspolitik der letzten 12 Monate (www.mister-ede.de – 16.05.2016)

]]>
http://www.mister-ede.de/politik/fluechtlingspolitik-12-monate/5368/feed 0
Dublin-Verordnung mittlerweile einseitig gekündigt? http://www.mister-ede.de/politik/dublin-verordnung-gekuendigt/5342 http://www.mister-ede.de/politik/dublin-verordnung-gekuendigt/5342#comments Fri, 09 Sep 2016 14:47:13 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5342 Weiterlesen ]]> Laut Udo van Kampen, tätig für die renommierte Bertelsmann Stiftung, hat Kanzlerin Angela Merkel einseitig das Dublin-Abkommen gekündigt [1]. Falls diese Aussage von van Kampen stimmt, woran man bei einem so namhaften Europa-Experten sicherlich nicht zweifeln braucht, können Flüchtlinge nun nicht mehr nach z.B. Österreich oder Ungarn zurückgeführt werden. Auch war diese von van Kampen erwähnte Kündigung ein eklatanter Rechtsbruch Deutschlands, da die Dublin-Verordnung als Teil des EU-Rechts gar nicht hätte einseitig gekündigt werden dürfen. Ich bin Udo van Kampen und der Bertelsmann Stiftung deshalb wirklich sehr dankbar, dass sie Merkels rechtswidrige Machenschaften nun ans Licht gebracht haben.

Falls aber der Europa-Experte Udo van Kampen doch falsch liegt, wäre das natürlich ein Offenbarungseid. Dann hätte er nämlich ganz ohne Fakten einfach nur populistisch gegen Merkel gehetzt. Unvorstellbar. Oder?

Nichtsdestotrotz, nach meinen Kenntnisstand wurde die EU-Verordnung Nr. 604/2013 (Dublin-III-Abkommen) [2] nie gekündigt und ist noch vollständig in Kraft. Seltsam.


Ähnliche Artikel:
Der „New Pact for Europe“ – Sinnbild für das Abheben einer europäischen Elite (www.mister-ede.de – 12.07.2014)


[1] In der Phoenix-Runde vom 6.9.2016 antwortete van Kampen auf die Frage nach Merkels Fehlern in der Flüchtlingspolitik und der Isolation in Europa: „Viele haben sich überrumpelt gefühlt, insbesondere als das Dublin-Abkommen einseitig gekündigt wurde, und sie hat […] natürlich auch mit der Türkei das Flüchtlingsabkommen forciert […] und sich dann europäisch absegnen lassen.“ Etwa Minute 34 (Link zum Video auf www.phoenix.de)

[2] Wikipedia-Eintrag zur Dublin-III-Verordnung (Link zum Artikel auf wikipedia.org)

]]>
http://www.mister-ede.de/politik/dublin-verordnung-gekuendigt/5342/feed 0
Nachgefragt: Die EU und die humanitäre Katastrophe an den EU-Außengrenzen http://www.mister-ede.de/politik/eu-humanitaere-katastrophe/5329 http://www.mister-ede.de/politik/eu-humanitaere-katastrophe/5329#comments Tue, 06 Sep 2016 18:17:48 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5329 Weiterlesen ]]> Liebe EU,

ich würde gerne von Dir wissen, wo das Problem liegt. Schon seit vier Jahren sterben jeden Monat im Durchschnitt einige hundert Menschen an Deinen EU-Außengrenzen.

Daher meine Fragen an Dich:
Kannst Du diese humanitäre Katastrophe nicht beenden?
Willst Du diese humanitäre Katastrophe nicht beenden?
Oder ist das für Dich nicht mal eine humanitäre Katastrophe?

Ich würde auch gerne von Dir wissen, warum es noch keine regulären Wege in die EU gibt. Du hast doch schon am 18.3.2016 zusammen mit den Regierungschefs der EU-Länder in Punkt 4 des EU-Türkei-Statements erklärt, freiwillige humanitäre Kontingente einzurichten, sobald die Zahl der irregulären Einreisen von der Türkei in die EU deutlich zurückgeht. Das ist nun längst der Fall und der 1:1-Mechanismus hat seinen Sinn erfüllt, aber von Deinen versprochenen humanitären Kontingenten ist noch immer nichts zu sehen.

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
Dein EU-Bürger, Mister Ede

Die Fragen habe ich bei debatingeurope.eu eingereicht, einer Plattform für Bürgerfragen an die EU. Nachdem ich aber bislang noch nie erlebt habe, dass dort auch tatsächlich geantwortet wird, frage ich das auch einfach hier im Blog.
Vielleicht bezieht die EU ja doch mal Stellung und erklärt, wieso das Massensterben an den EU-Außengrenzen auch im vierten Jahr in Folge ungebremst weitergeht.


Ähnliche Artikel:
Eine Bilanz der EU-Flüchtlingspolitik der letzten 12 Monate (www.mister-ede.de – 16.05.2016)

Die Hürden des EU-Türkei-Abkommens (www.mister-ede.de – 08.04.2016)

Gedanken zu einer Europäisierung der Asylpolitik in der EU (www.mister-ede.de – 25.08.2015)

]]>
http://www.mister-ede.de/politik/eu-humanitaere-katastrophe/5329/feed 1
EU-Türkei-Abkommen: Ein Lichtblick in der Flüchtlings- und Asylpolitik http://www.mister-ede.de/politik/tuerkei-abkommen-fluechtlinge/4910 http://www.mister-ede.de/politik/tuerkei-abkommen-fluechtlinge/4910#comments Tue, 22 Mar 2016 17:37:37 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4910 Weiterlesen ]]> Seit Monaten sind zahlreiche internationale Hilfsorganisation und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR, in Teilen Europas aktiv und auch die EU hat mittlerweile alle zur Verfügung stehenden Notfallmechanismen zur Versorgung von Schutzsuchenden aktiviert. Dennoch setzte sich der Streit unter den 28 EU-Mitgliedsstaaten über die richtige Flüchtlingspolitik unbeeindruckt von diesen humanitären Notlagen auch im März 2016 unvermindert fort. Obwohl deutlich erkennbar wurde, dass die nationalen Ansätze mit geschlossenen Grenzen zum Scheitern verurteilt waren, entfernten sich die EU-Mitgliedsstaaten immer weiter von einer gemeinsamen Lösung. Ein großer Erfolg des EU-Gipfels der vergangen Woche war es daher, dass es trotzt aller Widrigkeiten gelungen ist, alle 28 EU-Mitgliedsländern auf eine gemeinsame Linie einzuschwören und mit der Türkei eine Vereinbarung zu treffen.

Gelingt nach dem Abkommen nun auch die Umsetzung dessen, was darin vereinbart wurde, ist dies ein Lichtblick in der europäischen Flüchtlings- und Asylpolitik.
Zum ersten Mal nehmen alle EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam die Verantwortung für Schutzsuchende in und um die EU wahr. Wer hätte es vor zwei Jahren für möglich gehalten, dass von der EU und ihren Mitgliedsstaaten mehrere Milliarden Euro für die Versorgung von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt werden, Kontingente geschaffen werden und die Bewältigung des Flüchtlingsaufkommens in einem einzelnen EU-Land als gemeinsame Aufgabe in der EU betrachtet wird?
Die Gipfelbeschlüsse bedeuten neben mehr Gemeinschaft und mehr Ordnung aber auch einen deutlichen Zugewinn an Humanität in der europäischen Flüchtlingspolitik. Statt 10 oder 20 Millionen Euro werden nunmehr Milliarden für das Flüchtlingshilfswerk UNHCR oder direkt für die Versorgung von Schutzsuchenden bereitgestellt. Wird dieses Engagement im Rahmen einer gemeinsamen EU-Flüchtlingspolitik verstetigt, ist das ein nachhaltiger Beitrag, um die Versorgungs- und Lebenssituation von Flüchtlingen spürbar zu verbessern.
Daneben wird durch das Abkommen endlich jener tödliche Widerspruch an den EU-Außengrenzen aufgelöst, durch den Flüchtende nur nach einer von Schleppern organisierten, irregulären, meist teuren und gefährlichen Einreise einen Schutzanspruch geltend machen konnten. Wenn künftig durch Kontingente legale Wege eröffnet werden und gleichzeitig die irreguläre Migration keine Erfolgsaussichten mehr bietet, wird dadurch aber nicht nur das Sterben in der Ägäis beendet, sondern Europa auch endlich seiner humanitären Verantwortung bei der Schutzgewährung gerecht. Statt einer ungeregelten und inhumanen Aufnahme von Flüchtlingen nach dem Prinzip „Survival-of-the-Fittest“, wird durch die legalen Kontingente künftig z.B. auch Verwundeten und Kranken ermöglicht, um Schutz zu ersuchen und diesen in der EU zu erhalten. Gerade für die Schwächsten der Schwachen ist das Abkommen daher ein Meilenstein.

Sollten sinkende Flüchtlingszahlen in der EU außerdem dazu führen, dass die Lage der Schutzsuchenden auf dem Balkan verbessert werden kann oder in EU-Mitgliedsstaaten eine höhere Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen im Rahmen von Kontingenten entsteht, wäre dies ein weiterer Erfolg dieses Gipfels. Und sollte es darüber hinaus gelingen, auf solchen Erfolgen aufbauend auch das europäische Asylsystem weg von Dublin hin zu einer fairen Lastenverteilung zu reformieren, würde aus dem Lichtblick in der europäischen Flüchtlings- und Asylpolitik strahlender Sonnenschein. Bis dorthin ist es allerdings noch ein langer Weg und daher bleibt nur zu hoffen, dass in den kommenden Wochen und Monaten nicht doch noch Wolken des Misserfolgs den Himmel erneut verdunkeln.


Ähnliche Artikel:
EU-Türkei-Verhandlungen: Die Pflicht zum Balanceakt (www.mister-ede.de – 11.03.2016)

Eine Kritik zur Kritik am EU-Türkei-Abkommen (www.mister-ede.de – 22.03.2016)

Die Widersprüche der europäischen Flüchtlingspolitik (www.mister-ede.de – 04.02.2016)

Flüchtlingspolitik: Der europäische und der nationale Ansatz (www.mister-ede.de – 17.03.2016)

EU-Türkei-Gipfel: Verbleib von Flüchtlingen in der Türkei (www.mister-ede.de – 07.03.2016)

]]>
http://www.mister-ede.de/politik/tuerkei-abkommen-fluechtlinge/4910/feed 0
Flüchtlinge: Bundesregierung schafft Rechtsstaat ab http://www.mister-ede.de/politik/politik-schafft-rechtsstaat-ab/4374 http://www.mister-ede.de/politik/politik-schafft-rechtsstaat-ab/4374#comments Mon, 14 Sep 2015 19:03:20 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4374 Weiterlesen ]]> Menschenunwürdige Flüchtlingsquartiere von München bis Hamburg, Grenzkontrollen, dumpfer Populismus und möglicherweise bald Enteignungen – die Bundesregierung verliert die Kontrolle und ist dabei, den Rechtsstaat in Deutschland abzuschaffen.

Wer glaubt, Art. 1 GG würde in Deutschland uneingeschränkt gelten, kann sich in jeder Notunterkunft für Flüchtlinge eines Besseren belehren lassen. Die Menschenwürde wird mit Füßen getreten und die Bundesregierung schaut einfach nur zu. Wo sind denn die Milliarden, die einst für die Bankenrettung aufgebracht wurden? Wo ist das Engagement, das in der Finanzkrise gezeigt wurde? Es ist offensichtlich, dass diese Regierung nicht willens oder nicht in der Lage ist, das wichtigste Grundrecht in Deutschland einzuhalten, den Schutz der Menschenwürde.

Aber auch andere Rechtsbrüche werden von den Bundes- und Landesregierungen in Kauf genommen. Wer dachte, das Recht auf Privateigentum sei gewährleistet, muss sich nur den Vorschlag zu Zwangsvermietung an Flüchtlinge anschauen, um zu erkennen, dass auch dieses grundgesetzlich geschützte Recht bald wohl nicht mehr existieren wird. Dabei stellt sich die Frage, wieso dort, wo dies möglich ist, entsprechende Häuser nicht einfach gekauft werden. Dass dies teurer ist als eine Zwangsbewirtschaftung des Wohnraums, reicht definitiv nicht als Rechtfertigung aus, um einfach mal so nebenbei Art. 14 außer Kraft zu setzen.

Daneben werden die europäischen Regeln des Dublin-Abkommens und des Schengen-Abkommens einfach nicht beachtet. Es gibt überhaupt keinen Grund, warum Flüchtlinge ohne Registrierung einfach nach Schweden geschickt werden. Selbst wenn Schweden dem zustimmt, kann Deutschland nicht einfach ohne Not einen Vertrag brechen, der ja nicht nur zwischen Schweden und der BRD geschlossen wurde, sondern eine Vereinbarung mit vielen weiteren Vertragspartnern ist.
Genauso unverständlich ist es, dass die Binnengrenzen zu Österreich seit gestern de facto geschlossen sind, obwohl die Voraussetzungen für eine solche Maßnahme, nämlich eine Gefährdungslage, überhaupt nicht vorliegen. So war es die Bundesregierung selbst, die in den letzten Wochen mehrfach ausführte, dass durch die Migration keine Gefahr besteht. Doch selbst wenn man die Einführung von Grenzkontrollen als gerechtfertigt ansieht, so erlaubt das noch lange nicht, den Zugverkehr einzustellen und damit den Grenzverkehr komplett zu unterbinden. Diese Form der Abschottung ist nirgends vorgesehen und ist in keinster Weise mit europäischem Recht vereinbar.

Im Ergebnis hält sich diese Bundesregierung mittlerweile nur noch an jene Bestandteile des Grundgesetztes, die ihr gefallen, an jene Gesetze, die sie umzusetzen vermag, und an jene europäischen Verträge, deren Einhaltung ihr opportun erscheinen. Der Rechtsstaat war gestern, heute ist Deutschland nur noch eine Merkelkratie im Notstandsmodus.

Ergänzung 17.9.2015: Was die Grenzkontrollen anbelangt, so kommt es auf die Frage an, ob die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet ist. Hier bin ich in Bezug auf die letzten Tage mittlerweile zu einer anderen Einschätzung gelangt, weshalb ich die Grenzkontrollen als vertretbar erachte. Per Stand heute bezweifle ich aber wieder, dass die öffentliche Ordnung noch immer gefährdet ist. Die Grenzkontrollen sollten daher wieder auf das obere Ende des Normalmaßes reduziert werden.


Ähnliche Artikel:
Weitere Artikel zum Thema Flüchtlingspolitik auf www.mister-ede.de

]]>
http://www.mister-ede.de/politik/politik-schafft-rechtsstaat-ab/4374/feed 0
Berechtigte und unberechtigte Kritik an Ungarns Flüchtlingspolitik http://www.mister-ede.de/politik/kritik-an-ungarns-politik/4340 http://www.mister-ede.de/politik/kritik-an-ungarns-politik/4340#comments Tue, 08 Sep 2015 17:34:23 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4340 Weiterlesen ]]> Die Regierung in Budapest betreibt eine radikale Abschreckungspolitik und kümmert sich nur unzureichend um Flüchtlinge. Dazu kommt, dass Viktor Orbán die Situation in der letzten Woche anscheinend bewusst eskalieren ließ, um auf Kosten von Flüchtlingen bei seiner Wählerschaft zu punkten und künftige Flüchtlinge vom Land fernzuhalten. Auch die EU wurde auf diese Weise unter Druck gesetzt, entweder Ungarn zu helfen oder das Land von einem Teil seiner Last zu befreien, wie es durch die Aufnahme der Flüchtlinge in Deutschland am Wochenende dann auch geschehen ist.

Eine andere Wahrheit ist aber auch, dass Ungarn zu einem großen Teil nur die Folgen jener Probleme ausbadet, welche die EU insgesamt nicht gelöst bekommt. So ist es z.B. das Versagen der Europäischen Union und nicht die Schuld Orbáns, dass der Westbalkan noch immer das Armenhaus Europas ist.
Die Entwicklung dieser Region ist schon seit Jahren suboptimal und die logische Konsequenz daraus ist, dass immer mehr Menschen vom Balkan die Möglichkeiten der Visafreiheit nutzen und ihr Glück in anderen Ländern suchen – und sei es nur mit einem aussichtlosen Asylantrag. Erschwerend kommt für Ungarn in den letzten Jahren hinzu, dass Italien oder Frankreich als Zielregionen nicht mehr so attraktiv sind, weshalb vermehrt der Weg der Menschen nach Ungarn bzw. über Ungarn z.B. nach Österreich oder Deutschland führt. Wenn also Orbán einen deutlichen Anstieg der Migration beklagt, so ist dies vor allem das Ergebnis einer erfolglosen Balkan-Politik der EU, was dann zu manch populistischer Reaktion im Land der Magyaren führte.

Aber auch wenn man den Balkan außen vor lässt und nur auf Flüchtlinge aus anderen Weltregionen, z.B. Syrien, schaut, dann bricht ja nicht zuerst Ungarn die europäischen Regeln, sondern z.B. Griechenland. Theoretisch dürfte nach den Regeln des Dublin-Abkommens in Ungarn überhaupt kein nicht registrierter Flüchtling aus Syrien ankommen. Wenn also Dublin funktionieren würde, hätte Ungarn kaum einen Asylberechtigten, weil die meisten Antragsteller wieder abgeschoben werden könnten, z.B. nach Griechenland. Entsprechend abwegig ist es daher aber auch, jetzt von Ungarn mit seinen 9,9 Mio. Einwohnern zu verlangen, dass es das europäische Chaos alleine ausbadet und, wie das von der Bundesregierung gefordert wird, alle Flüchtlinge registriert, um später ein Asylverfahren durchzuführen und ihnen dann in Ungarn Asyl zu gewähren.

Bedenkt man außerdem, dass im Verhältnis zur Einwohnerzahl in Ungarn trotz der Dublin-Regeln im ersten Halbjahr 2015 doppelt so viele Asylanträge gestellt wurden wie in Deutschland, so wirkt manche Kritik an Orbán ziemlich deplatziert. Und so hat wohl auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nicht geahnt, dass er seine Frage vom 1.9., warum Ungarn die Flüchtlinge plötzlich unkontrolliert weiter ziehen lässt [1], nicht mal eine Woche später selbst beantworten kann, nachdem auch das bayerische Registrierungssystem aufgrund der großen Menge an Flüchtlingen zusammengebrochen ist. Insofern besteht Ungarn aber auch völlig zu Recht darauf, dass die EU entweder Griechenland zur Einhaltung der Regeln bewegt oder Ungarn in dieser Situation zumindest entlastet.


Ähnliche Artikel:
Flüchtlinge in Ungarn: Der Populismus des Thomas Oppermann (www.mister-ede.de – 08.09.2015)

Zur Kritik am ungarischen Grenzzaun zu Serbien (www.mister-ede.de – 04.09.2015)

Dublin-Abkommen erzwingt neuen Eisernen Vorhang für Flüchtlinge (www.mister-ede.de – 04.09.2015)

Ungarn, Rumänien, Bulgarien – Am Rande der EU (www.mister-ede.de – 21.02.2013)


[1] Interview im ZDF Morgenmagazin mit Joachim Herrmann (Link zum Beitrag auf www.heute.de)

]]>
http://www.mister-ede.de/politik/kritik-an-ungarns-politik/4340/feed 0