EU-Türkei-Abkommen: Ein Lichtblick in der Flüchtlings- und Asylpolitik

Seit Monaten sind zahlreiche internationale Hilfsorganisation und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR, in Teilen Europas aktiv und auch die EU hat mittlerweile alle zur Verfügung stehenden Notfallmechanismen zur Versorgung von Schutzsuchenden aktiviert. Dennoch setzte sich der Streit unter den 28 EU-Mitgliedsstaaten über die richtige Flüchtlingspolitik unbeeindruckt von diesen humanitären Notlagen auch im März 2016 unvermindert fort. Obwohl deutlich erkennbar wurde, dass die nationalen Ansätze mit geschlossenen Grenzen zum Scheitern verurteilt waren, entfernten sich die EU-Mitgliedsstaaten immer weiter von einer gemeinsamen Lösung. Ein großer Erfolg des EU-Gipfels der vergangen Woche war es daher, dass es trotzt aller Widrigkeiten gelungen ist, alle 28 EU-Mitgliedsländern auf eine gemeinsame Linie einzuschwören und mit der Türkei eine Vereinbarung zu treffen.

Gelingt nach dem Abkommen nun auch die Umsetzung dessen, was darin vereinbart wurde, ist dies ein Lichtblick in der europäischen Flüchtlings- und Asylpolitik.
Zum ersten Mal nehmen alle EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam die Verantwortung für Schutzsuchende in und um die EU wahr. Wer hätte es vor zwei Jahren für möglich gehalten, dass von der EU und ihren Mitgliedsstaaten mehrere Milliarden Euro für die Versorgung von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt werden, Kontingente geschaffen werden und die Bewältigung des Flüchtlingsaufkommens in einem einzelnen EU-Land als gemeinsame Aufgabe in der EU betrachtet wird?
Die Gipfelbeschlüsse bedeuten neben mehr Gemeinschaft und mehr Ordnung aber auch einen deutlichen Zugewinn an Humanität in der europäischen Flüchtlingspolitik. Statt 10 oder 20 Millionen Euro werden nunmehr Milliarden für das Flüchtlingshilfswerk UNHCR oder direkt für die Versorgung von Schutzsuchenden bereitgestellt. Wird dieses Engagement im Rahmen einer gemeinsamen EU-Flüchtlingspolitik verstetigt, ist das ein nachhaltiger Beitrag, um die Versorgungs- und Lebenssituation von Flüchtlingen spürbar zu verbessern.
Daneben wird durch das Abkommen endlich jener tödliche Widerspruch an den EU-Außengrenzen aufgelöst, durch den Flüchtende nur nach einer von Schleppern organisierten, irregulären, meist teuren und gefährlichen Einreise einen Schutzanspruch geltend machen konnten. Wenn künftig durch Kontingente legale Wege eröffnet werden und gleichzeitig die irreguläre Migration keine Erfolgsaussichten mehr bietet, wird dadurch aber nicht nur das Sterben in der Ägäis beendet, sondern Europa auch endlich seiner humanitären Verantwortung bei der Schutzgewährung gerecht. Statt einer ungeregelten und inhumanen Aufnahme von Flüchtlingen nach dem Prinzip „Survival-of-the-Fittest“, wird durch die legalen Kontingente künftig z.B. auch Verwundeten und Kranken ermöglicht, um Schutz zu ersuchen und diesen in der EU zu erhalten. Gerade für die Schwächsten der Schwachen ist das Abkommen daher ein Meilenstein.

Sollten sinkende Flüchtlingszahlen in der EU außerdem dazu führen, dass die Lage der Schutzsuchenden auf dem Balkan verbessert werden kann oder in EU-Mitgliedsstaaten eine höhere Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen im Rahmen von Kontingenten entsteht, wäre dies ein weiterer Erfolg dieses Gipfels. Und sollte es darüber hinaus gelingen, auf solchen Erfolgen aufbauend auch das europäische Asylsystem weg von Dublin hin zu einer fairen Lastenverteilung zu reformieren, würde aus dem Lichtblick in der europäischen Flüchtlings- und Asylpolitik strahlender Sonnenschein. Bis dorthin ist es allerdings noch ein langer Weg und daher bleibt nur zu hoffen, dass in den kommenden Wochen und Monaten nicht doch noch Wolken des Misserfolgs den Himmel erneut verdunkeln.


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