Die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung der letzten 12 Monate

Um die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung einordnen zu können, muss man sich zunächst vergegenwärtig, wo Deutschland vor einem Jahr stand. Das Dublin-System der EU funktionierte schon lange nicht mehr und die Zahl der Asylbewerber aus europäischen Ländern (vor allem vom Balkan) war spürbarer gestiegen. Dennoch wurde das BAMF weiter klein gespart und es gab z.B. keine Ansätze, um die reguläre Arbeitsmigration zu erleichtern. Ein funktionierende Migrations- und Asylsystem gab es in Deutschland daher weder auf dem Papier noch in der Realität.

Was gut gemacht wurde:

Mit der Balkankonferenz und einem Umdenken in der Balkanpolitik konnte die Zahl der Asylgesuche deutlich reduziert werden. Die Gelder für den UNHCR und das Welternährungsprogramm wurden massiv aufgestockt. Ankommende Flüchtlinge werden seit der Implementierung des EU-Türkei-Abkommens direkt in Griechenland registriert. Auch Italien ist mittlerweil in der Lage, die Registrierung ordnungsgemäß durchzuführen. Zusammen mit der Stärkung der europaweiten Verwendung des Eurodac-Systems wurde damit die unkontrollierte Wanderung weitestgehend unterbunden. Daneben konnte in Zusammenarbeit mit der Türkei die Zahl der irregulären Einreisen von der Türkei nach Griechenland von über 200.000 pro Monat in der Hochzeit des letzten Jahres auf aktuell einige Hundert bis wenige Tausend pro Monat deutlich reduziert werden. Auch ein weiterer Anstieg der Flüchtlingszahlen auf der Mittelmeerroute konnte mit Vor-Ort-Hilfen in Afrika verhindert werden.
In Deutschland selbst hat die Bundesregierung mit der spürbaren Aufstockung der BAMF-Mitarbeiter und der finanziellen Entlastung von Kommunen und Bundesländern sowie dem Integrationsgesetzt zur Rückkehr zur Normalität beigetragen.

Was nicht gut gemacht wurde:

Die Kommunen und Länder waren allerdings zu lange überfordert, ein Fehler, der der Bundesregierung angekreidet werden muss. Schäuble hätte deutlich schneller und unbürokratischer Hilfsmittel bereitstellen müssen und es wäre auch seine Aufgabe gewesen, solche Not-, Hilfs- und Förderprogramme aktiv voranzutreiben. Daneben war auch die Kommunikation der Bundesregierung katastrophal, vor allem die regierungsinternen Streitigkeiten wie bei der Obergrenze.

Zwischenfazit:

Über Jahre haben Politiker aller Parteien den Bereich Flucht / Asyl / Migration schleifen lassen und komplett vernachlässigt. Wenn man sich anschaut, wo Deutschland vor einem Jahr stand und wo es heute steht, war die Politik der Bundesregierung außerordentlich erfolgreich. Nachdem aber vieles einfach erst mal nachgeholt werden musste, ist trotz der guten Arbeit noch lange kein befriedigender Zustand erreicht.

Was noch immer fehlt:

Im Bundesministerium für Migration und Asyl fehlen weiterhin 4.000 bis 5.000 Mitarbeiter. Es ist durchaus möglich, diese Mitarbeiter auch für andere Bereiche einzusetzen, aber sie müssen zumindest ausgebildet sein, so dass es eine Kapazität gibt, um auf eine Krisensituation z.B. in der Ukraine, der Türkei oder eben Syrien angemessen reagieren zu können. Auch für vielleicht mal außerhalb Deutschlands anstehende Prüfungen von Schutzgesuchen, z.B. vor Ort in der Türkei, sollten solche Kapazitäten aufgebaut werden. Gerade wenn außerhalb Deutschlands die Schutzquote geringer ist, weil der Schutz auf Härtefälle beschränkt ist, ist von deutlich mehr zu prüfenden Anträgen auszugehen.

Daneben bleibt das ganze Kapitel Arbeitsmigration bis heute komplett unbehandelt genauso wie die Frage humanitärer Kontingente, die mit Punkt 4 des EU-Türkei-Statements vom 18.3.2016 vereinbart wurden. Wenn man irreguläre Migration durch reguläre ersetzen will, müssen solche regulären Wege, abseits der Familienzusammenführung, aber auch tatsächlich geschaffen werden. Dann könnte auch ein europäischer Ansatz folgen, um die irreguläre Migration von Nordafrika über das Mittelmeer zu reduzieren, z.B. mit Rücknahme-Abkommen ähnlich wie mit der Türkei.

Auch ein langfristiges Integrationskonzept konnte die Bundesregierung bislang nicht vorlegen. Es müsste für einen Syrer endlich klargestellt sein, dass er zurückkehren muss, sobald dort Frieden einkehrt und sofern er nicht genügend „Leistungspunkte“ erworben hat. Wer nichts leistet, verliert seinen Schutzanspruch, sobald der Schutzgrund entfällt. Hingegen sollte bleiben dürfen, wer hier etwas leistet und damit ja zeigt, dass er ein Zugewinn für unsere Gesellschaft ist.
Als Leistung kommt dabei beispielsweise in Betracht, einen gewissen Stand bei der deutschen Sprache zu besitzen, keine grobe Straftat begangen zu haben und einen Arbeitsplatz oder passable Zeugnisse vorweisen zu können. Wünschenswert wäre daneben auch eine Neuordnung der Ministerien, so dass ganz klar ein Minister für Integration für all diese Aufgaben zuständig ist.

Fazit:

Die Bundesregierung hat im letzten Jahr wahrscheinlich mehr für eine gute Migrations- und Integrationspolitik getan als alle Regierungen seit der Wiedervereinigung zusammen.
Gleichwohl konnte in diesem Jahr nur ein Teil der Versäumnisse aufgeholt werden. Dass noch immer kein langfristiges Integrationskonzept, kaum reguläre Wege nach Deutschland und keine Ideen für den Umgang mit Schutzsuchenden außerhalb Europas existieren, muss allerdings auch der zu spät handelnden und zerstrittenen Bundesregierung angelastet werden.


Ähnliche Artikel:
Die Widersprüche der europäischen Flüchtlingspolitik (www.mister-ede.de – 04.02.2016)

Ein Ministerium für Integration, Gleichstellung und Inklusion (www.mister-ede.de – 16.09.2016)

Eine Bilanz der EU-Flüchtlingspolitik der letzten 12 Monate (www.mister-ede.de – 16.05.2016)

Diskussion:

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>