Das europäische Haus in Flammen

Stellt man sich das europäische Haus vor, dann sitzt Deutschland an der soliden Basis im Erdgeschoss des Hauses beim Buffet, während gleichzeitig die Flammen aus dem Dach schlagen und die Bewohner der oberen Etagen fliehen. Trotz der Warnungen und Berichte will sich die Festtagsgesellschaft auch nicht von der Feier abhalten lassen – es schmeckt halt so gut. Obwohl man genau spürt, wie das Haus in den Grundfesten erschüttert wird, und man den Zusammenbruch ahnt, wird es vorgezogen Lobreden auf das tolle Buffet zu schwingen.

Ja – Deutschland geht es noch gut. Aber wollen wir morgen ohne Haus dastehen? Sollten wir nicht den anderen Hausbewohnern helfen zu löschen, statt uns zu freuen, dass vom Buffet jetzt noch mehr für uns übrig bleibt?

Während in Spanien, Portugal oder Griechenland die Arbeitslosigkeit in exorbitante Höhen schießt, genießt Deutschland Zinsvorteile in Milliarden Höhe. Der Kernhaushalt des Bundes (In diesem ist die „Bad Bank“ zur Hypo-Real-Estate nicht mit einbezogen) hatte 2008 eine Verschuldung von rund 960 Mrd. Euro. 2012 sind es rund 1.060 Mrd. Euro. Im Jahr 2008 musste der Bund noch 40,2 Mrd. Euro aufwenden. Dementsprechend wären 2012 Zinskosten in Höhe von rund 44 Mrd. Euro zu erwarten. Tatsächlich wird dieser Wert aber bei ca. 31 Mrd. Euro liegen.

Unsere niedrigen Zinsen verdanken wir der Niedrigzinspolitik der EZB, aber auch der Kapitalflucht aus dem Süden-Europas. 2012 profitiert der Bundeshaushalt mit rund 13 Mrd. Euro von der Krise der Nachbarn. Dies wirft natürlich ein etwas bizarres Bild auf die ca. 1 Mrd. Euro auf die jetzt Deutschland verzichtet, zum anderen zeigt das, welches Haushaltsdebakel schwarz-gelb verursacht hat. Trotz dieses Krisenprofits sollen 2012 rund 28 Mrd. Euro neue Schulden beim Bund aufgenommen werden. Ohne den Krisenprofit würde die Neuverschuldung in Deutschland komplett explodieren. Das zeigt das Dilemma, das durch das Verschleppen der Krise bei gleichzeitig schlechter Haushaltpolitik in Deutschland ausgelöst wurde.

Neuverschuldung trotz Zinstief und sprudelnden Steuereinnahmen (www.mister-ede.de – 12.11.2012)

Die notwendigen strukturellen Reformen wurden nicht angepackt. Natürlich würden steigende Reallöhne in einem gewissen Maße die deutsche Exportwirtschaft schwächen, aber evtl. würde dann auch die steigende Binnennachfrage die Europroblematik insgesamt minimieren.
Ähnlich verhält es sich mit der noch immer nicht existenten Finanzmarktsteuer. Auch diese strukturelle Reform wäre notwendig um die Profiteure eines geeinten Währungsraumes – die Finanzinvestoren – konsequent zu beteiligen und auch zu lenken. Die Leichtigkeit mit der im Euro-Währungsraum das Finanzkapital von A nach B abgezogen werden kann, ist ein Faktor der die Eurokrise verstärkt. Der Kapitalverkehrt muss insgesamt an den Kosten die durch die Währungsunion entstehen auch beteiligt werden. Ein zukunftsfähiges Europa, darf nicht das gegeneinander Ausspielen fördern, sondern muss eine gerechte Verteilung von Kosten und Nutzen gewährleisten.

Nach 4 Jahren Krise ist festzustellen, dass eine weitere Senkung der Leitzinsen kaum noch möglich ist und auch bei der Bereitstellung von Liquidität scheinen die Grenzen des Vertretbaren erreicht. Die geldpolitischen Instrumente der EZB sind damit erschöpft, aber dennoch bleibt die Defizitquote der schwachen Staaten enorm hoch. Auch Frankreich oder Italien kommen in den Strudel und auch bei Belgien und anderen Euro-Staaten stehen die Zeichen nicht auf Verbesserung. Solange dieser Weg der Sparpolitik und der nationalen Alleingänge weiter beschritten wird, wird sich auch die wirtschaftliche Lage in der Eurozone weiter verschärfen. Es gäbe Mechanismen und Wege um hier Perspektiven zu schaffen. Und so wie die Finanzmarktsteuer oder ein Zinsausgleich zwischen starken und schwachen Staaten auf europäischer Ebene helfen könnten, würden auch innenpolitische Maßnahmen, wie die Stärkung der Binnennachfrage, helfen.

Ich wünsche mir eine inhaltliche Wende in der europäischen Wirtschaftspolitik. Die Staaten müssen am Ende wieder im Wettbewerb um die besten Standorte stehen, aber dafür müssen die Rahmenbedingung fair gestaltet werden.


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Eine Ursachenanalyse der Eurokrise (www.mister-ede.de – 20.06.2012)

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