mister-ede.de » Jean-Claude Juncker https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 4. Fortschrittsbericht zum EU-Türkei-Abkommen: Bilanz eines europäischen Versagens https://www.mister-ede.de/politik/bericht-eu-tuerkei-abkommen/5930 https://www.mister-ede.de/politik/bericht-eu-tuerkei-abkommen/5930#comments Wed, 28 Dec 2016 15:06:27 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5930 Weiterlesen ]]> Die seit Abschluss des EU-Türkei-Abkommens am 18. März 2016 von der EU-Kommission in regelmäßigen Abständen veröffentlichten Fortschrittsberichte offenbaren eine katastrophale Bilanz der europäischen Flüchtlingspolitik [1]. Zwar ist die Zahl der irregulären Einreisen von Flüchtlingen nach Griechenland deutlich zurückgegangen, jedoch bleibt die Situation dort weiterhin katastrophal.
Wie der am 8. Dezember erschienene 4. Fortschrittsbericht einräumt, sind die Aufnahmekapazitäten auf den griechischen Inseln inzwischen längst ausgeschöpft und für über 16.000 Schutzsuchende stehen dort in den offiziellen Aufnahmezentren gerade mal 7.450 Plätze bereit. Außerdem droht eine weiter zunehmende Überbelegung, weshalb sich die Sicherheitslage in den Camps zusehends verschlechtert. Hierzu trägt auch bei, dass viele Schutzsuchende auf den griechischen Inseln noch immer kaum oder keine Informationen über ihren Status erhalten haben und nicht wissen, wie es mit ihnen weitergehen wird.

Daneben bleiben die von anderen EU-Ländern versprochenen Hilfen weit hinter den Anforderungen und auch hinter den einstigen Zusagen zurück. So konnte das europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen, kurz EASO, seit März dieses Jahres lediglich 39 Sachbearbeiter für die griechischen Inseln aus anderen EU-Ländern auftreiben. Das ist nur etwas mehr als ein Drittel des eigentlich vorgesehenen Personals zur Unterstützung der griechischen Behörden. Entsprechend lange ist der Rückstau bei der Bearbeitung der Asylanträge. Gerade mal 6.000 Entscheidungen sind in den neun Monaten seit Inkrafttreten des EU-Türkei-Abkommens auf den Inseln gefällt worden und von den bislang eingegangen 2.014 Einsprüchen wurden erst 838 gerichtlich überprüft. Überdies musste etwa die Hälfte dieser Entscheidungen wieder revidiert werden und gerade in Bezug auf die Zulässigkeit eines Asylantrags wurden lediglich 17 Entscheidungen in zweiter Instanz bestätigt, während in 390 Fällen die vorherige Nichtzulassung zum Asylverfahren aufgehoben wurde. Hinzu kommt, dass noch immer das Urteil des obersten griechischen Verwaltungsgerichts aussteht, ob die zwischenzeitlich auf den Inseln neu eingeführten Rechtsbehelfsausschüsse überhaupt mit griechischem Recht vereinbar sind.

Ferner funktioniert auch die Rückführung irregulärer Migranten und abgelehnter Asylbewerber in die Türkei nur schleppend. Zwar nimmt die Türkei nach einer längeren Unterbrechung wieder Flüchtlinge aus Griechenland auf, allerdings bleibt die Zusammenarbeit mit den türkischen Behörden weiterhin schwierig. Seit dem Sommer konnten deshalb lediglich 170 Personen auf Basis des EU-Türkei-Abkommens aus Griechenland in die Türkei zurückgeführt werden, während die Rückführung in 137 Fällen an fehlenden Genehmigungen der Türkei scheiterte. Damit kommen noch immer weit mehr neue Schutzsuchende auf den griechischen Inseln an, alleine 5.687 seit Ende September, als in die Türkei abgeschoben werden. Seit Beginn des Jahres haben aber zumindest 5.710 Personen, die sich überwiegend auf dem griechischen Festland aufhielten, Griechenland freiwillig wieder verlassen und sind in ihre Heimatländer zurückgekehrt.
Jedoch sind gleichzeitig auch in der anderen Richtung zahlreiche Flüchtlinge mit Hilfe von Schleusern von den griechischen Inseln auf das Festland weitergereist, weshalb nun die Europäische Grenz- und Küstenwache zusätzlich an den griechischen Landesgrenzen zu Mazedonien und Albanien eingesetzt wird. Somit schafft die EU in Griechenland nun tatsächlich einen neuen Eisernen Vorhang, der Menschen, wie es einst schon in der DDR der Fall war, am Verlassen des Landes hindert und de facto in Griechenland einsperrt.

Dublin-Abkommen erzwingt neuen Eisernen Vorhang für Flüchtlinge (www.mister-ede.de – 04.09.2015)

Außerdem wurden von den 3 Mrd. Euro, die zur Flüchtlingsversorgung in der Türkei vorgesehen waren, bislang lediglich 677 Mio. Euro ausgezahlt. Auch die Umsetzung des im EU-Türkei-Abkommen vereinbarten humanitären Aufnahmemechanismus befindet sich seit der Einigung vor neun Monaten ergebnislos in der Beratung. Allerdings sind über den sogenannten 1:1-Mechanismus inzwischen 2.761 von der Türkei ausgewählte Syrer in der EU angesiedelt worden. Die Umverteilung von Flüchtlingen aus Griechenland, die zwar kein Bestandteil des EU-Türkei-Abkommens ist, aber die dortige Situation entschärfen könnte, kommt hingegen weiterhin kaum voran. So konnte seit dem September 2015 nur für 6.212 Flüchtlinge ein anderes EU-Land gefunden werden, das diese Schutzsuchenden aufnimmt [2].

Insgesamt liefert die EU damit ein so erschreckendes Bild, dass man eigentlich von Stillstandsberichten und nicht von Fortschrittsberichten sprechen müsste. Obwohl das EU-Türkei-Abkommen die Zahl der in die EU kommenden Flüchtlinge von rund 200.000 im September 2015 auf ca. 20.000 pro Monat im Herbst 2016 reduziert hat, die hauptsächlich über Libyen nach Italien kommen, bleiben die Europäer beim Management dieser Krise komplett überfordert.
Oder anders ausgedrückt: Im Vergleich zu dieser EU-Flüchtlingspolitik muss man ein Auto mit abgestochenen Reifen, gebrochener Achse, kaputtem Getriebe, defektem Motor, Elektronikfehler und leerem Tank als voll funktionsfähig bezeichnen.


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[1] Fortschrittsberichte der EU-Kommission zur Umsetzung des EU-Türkei-Abkommens:
Link zur PDF des 1. Fortschrittsbericht auf ec.europa.eu

Link zur PDF des 2. Fortschrittsbericht auf ec.europa.eu

Link zur PDF des 3. Fortschrittsbericht auf ec.europa.eu

Link zur PDF des 4. Fortschrittsbericht auf ec.europa.eu

[2] Information der EU-Kommission vom 8.12.2016 u.a. zur Umverteilung von Flüchtlingen aus Griechenland (Link zur Nachricht auf ec.europa.eu)

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https://www.mister-ede.de/politik/bericht-eu-tuerkei-abkommen/5930/feed 0
Die alten Politikeliten haben ausgedient https://www.mister-ede.de/politik/politikeliten-haben-ausgedient/5871 https://www.mister-ede.de/politik/politikeliten-haben-ausgedient/5871#comments Fri, 16 Dec 2016 16:33:56 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5871 Weiterlesen ]]> Das Jahr 2016 hat nochmal bestätigt, was sich davor schon mehr als deutlich abzeichnete – die alten Politikeliten haben ausgedient. Nachdem sie die westlichen Demokratien jahrelang anführten, werden die Clintons und Camerons dieser Welt nun reihenweise abgestraft. Mit einer verfehlten Politik haben diese alten Eliten die Spaltung der Gesellschaft vorangetrieben und während sie selbst auf der Wohlfühlseite der Profiteure standen, fühlen sich nennenswerte Teile des Volkes von diesem Establishment regelrecht verraten.

Deshalb hat vor zwei Jahren in Griechenland nicht Syriza gewonnen, sondern vor allem das bisherige Establishment verloren. Genauso haben sich in Spanien die Wähler nicht Podemos und Ciudadanos zugewendet, sondern vor allem von den zum Teil korrupten spanischen Eliten abgewendet. Und auch in den USA hat nicht Donald Trump gesiegt, sondern vor allem Hillary Clinton, das Aushängeschild der US-amerikanischen Politikelite, eine deftige Klatsche einstecken müssen. Ebenso wurde in Österreich das Establishment bei der Präsidentschaftswahl regelrecht weggefegt und in die Stichwahl kamen der grüne Kandidat van der Bellen und der nationalistische Hofer. Vermutlich war der Einzug van der Bellens sogar eine glückliche Fügung, denn ein SPÖ- oder ein ÖVP-Kandidat hätten die Stichwahl gegen den FPÖ-Mann Hofer wahrscheinlich krachend verloren. Und auch die AfD in Deutschland überzeugt ja ihre Wählerschaft nicht mit guten und fundierten Argumenten, sondern vor allem mit dem ewigen Mantra „Merkel muss weg!“

Sehr deutlich wird die Ablehnung der herrschenden Eliten auch bei Volksabstimmungen, bei denen sich Wähler gegen das Establishment stellen können, ohne dabei gleich für eine populistische Partei stimmen zu müssen. Entsprechend war der Brexit nicht das Ergebnis einer gelungen Überzeugungsarbeit der Brexiteers, sondern vielmehr eine rote Karte, mit der zum einen David Cameron und zum anderen die EU-Eliten vom Platz gestellt wurden. Ähnliches gilt auch für die Volksabstimmung in den Niederlanden bezüglich des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine oder das von Matteo Renzi angesetzte Verfassungsreferendum in Italien.
Was sich also bei Wahlen und Volksentscheiden in Europa und den USA zeigt, ist weniger Ausdruck eines Rechts- oder Linksrucks, sondern vor allem ein klares Votum gegen diese Elite, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine Politik gemacht hat, die das Auseinanderdriften der Gesellschaft beförderte. Insofern gilt eben einfach, was schon Abraham Lincoln feststellte, „man kann nicht das ganze Volk die ganze Zeit täuschen.“


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CETA ist kein Weltuntergang, ein vorläufiger Stopp aber auch nicht https://www.mister-ede.de/politik/die-welt-wird-nicht-untergehen/5608 https://www.mister-ede.de/politik/die-welt-wird-nicht-untergehen/5608#comments Wed, 26 Oct 2016 09:44:09 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5608 Weiterlesen ]]> Die Kritik am Handelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada ist absolut berechtigt. Schon innerhalb der EU schaffen wir es nicht, den Rahmen für den EU-Binnenmarkt so zu gestalten, dass ein tatsächlich fairer Wettbewerb entsteht. Obwohl die EU mit ihrem Europäischen Parlament oder den öffentlichen europäischen Gerichten vergleichsweise gut auf eine demokratische und rechtsstaatliche Begleitung des EU-Binnenmarktes eingestellt ist, gelingt es beispielsweise nicht, das Steuerdumping einzelner EU-Länder zu beenden. Dass nun ein CETA-Abkommen, das auf solche demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen verzichtet, plötzlich leisten kann, woran selbst die EU scheitert, ist deshalb höchst unwahrscheinlich.

So wie allerdings der EU-Binnenmarkt, trotz all seiner Schwächen, nicht der Untergang Europas ist, wäre auch CETA kein Weltuntergang. Selbst wenn also die Wallonie ihren Widerstand gegen das Abkommen aufgibt, wird sich die Welt weiterdrehen.
Die bessere Option wäre aber natürlich, wenn die Wallonie die CETA-Verhandlungen vorerst auf Eis legen und damit den Weg für ein ernsthaftes Nachdenken über die Gestaltung der Wirtschafts- und Währungsunion frei machen würde. Gelänge es auf diese Weise, eine neue Rahmensetzung für den EU-Binnenmarkt zu finden, könnte später dann auch CETA abgeschlossen werden. Insofern ist aber auch ein vorläufiger Stopp von CETA sicher nicht das Ende der Welt.

Festzuhalten bleibt daher: Sollte CETA morgen von den Staats- und Regierungschefs der EU und Kanada unterzeichnet werden, wird der Weg hin zu einer gerechteren Wirtschaft in der EU oder einem faireren Welthandel schwerer, aber nicht unmöglich. Umgekehrt macht ein Stopp von CETA einen Weg dorthin zwar nicht schwerer, aber auch kein Stück leichter. So oder so wird es deshalb notwendig bleiben, für faire Bedingungen in Wirtschaft und Handel zu streiten – in Europa, in Kanada und weltweit.


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Das soll nun allerdings kein Vorwurf an die USA oder die Welt sein, jedoch umso mehr an die EU, denn es ist ihre Außengrenze, an der die Menschen krepieren. Wenigsten kümmert man sich in der EU nun in intensiven Gesprächen, Krisentreffen und Sondersitzung – nur leider nicht um die Flüchtlinge und um ein Ende des Sterbens im Mittelmeer, sondern um CETA [2]. Man muss eben Prioritäten setzen. Und was sind schon 3.654 Menschenleben gegen die Kapitalinteressen der Wirtschaftseliten? Aus EU-Sicht wohl vernachlässigbar.


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[1] Aktuelle Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (Link zu den Zahlen auf iom.int)

[2] Artikel der Tagesschau vom 22.10.2016 zu den CETA-Verhandlungen (Link zum Artikel auf www.tagesschau.de)

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Nachgefragt: Die EU und die humanitäre Katastrophe an den EU-Außengrenzen https://www.mister-ede.de/politik/eu-humanitaere-katastrophe/5329 https://www.mister-ede.de/politik/eu-humanitaere-katastrophe/5329#comments Tue, 06 Sep 2016 18:17:48 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5329 Weiterlesen ]]> Liebe EU,

ich würde gerne von Dir wissen, wo das Problem liegt. Schon seit vier Jahren sterben jeden Monat im Durchschnitt einige hundert Menschen an Deinen EU-Außengrenzen.

Daher meine Fragen an Dich:
Kannst Du diese humanitäre Katastrophe nicht beenden?
Willst Du diese humanitäre Katastrophe nicht beenden?
Oder ist das für Dich nicht mal eine humanitäre Katastrophe?

Ich würde auch gerne von Dir wissen, warum es noch keine regulären Wege in die EU gibt. Du hast doch schon am 18.3.2016 zusammen mit den Regierungschefs der EU-Länder in Punkt 4 des EU-Türkei-Statements erklärt, freiwillige humanitäre Kontingente einzurichten, sobald die Zahl der irregulären Einreisen von der Türkei in die EU deutlich zurückgeht. Das ist nun längst der Fall und der 1:1-Mechanismus hat seinen Sinn erfüllt, aber von Deinen versprochenen humanitären Kontingenten ist noch immer nichts zu sehen.

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
Dein EU-Bürger, Mister Ede

Die Fragen habe ich bei debatingeurope.eu eingereicht, einer Plattform für Bürgerfragen an die EU. Nachdem ich aber bislang noch nie erlebt habe, dass dort auch tatsächlich geantwortet wird, frage ich das auch einfach hier im Blog.
Vielleicht bezieht die EU ja doch mal Stellung und erklärt, wieso das Massensterben an den EU-Außengrenzen auch im vierten Jahr in Folge ungebremst weitergeht.


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Die verkehrte Richtung der EU-Reformdebatte im Europaparlament https://www.mister-ede.de/politik/verkehrte-richtung-eu-reform/5309 https://www.mister-ede.de/politik/verkehrte-richtung-eu-reform/5309#comments Wed, 31 Aug 2016 13:58:36 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5309 Weiterlesen ]]> Seit dem Votum der Briten für einen Austritt aus der EU ist die Diskussion über die Zukunft des europäischen Einigungsprozesses voll entbrannt. Im Juli hat sich nun auch das Europaparlament in die Reformdebatte eingeschaltet und eigene Vorschläge für eine Weiterentwicklung der EU im Ausschuss für konstitutionelle Fragen vorgelegt.
Allerdings wiederholen die Europaparlamentarier dabei viele der Fehler, die bereits in der Vergangenheit gemacht wurden und die die EU mit der Zeit dorthin geführt haben, wo sie jetzt steht. Insgesamt bieten die Vorschläge wenig Neues und vor allem nichts Brauchbares, um die Probleme der EU zu lösen. Im Gegenteil ist sogar zu befürchten, dass der europäischen Einigungsprozesses mit den angestrebten Reformschritten vollends gegen die Wand gefahren wird.

Unter anderem fordern die Europaabgeordneten im Verfassungsausschuss eine weitere Vergemeinschaftung von Politikfeldern, ohne aber gleichzeitig passende demokratisch-rechtsstaatliche Strukturen zu schaffen. Darüber hinaus sollen nach den Vorstellungen der EU-Parlamentarier sogar diejenigen EU-Länder, die im Moment keine weiteren Integrationsschritte unternehmen wollen, die EU wieder verlassen. Nun sei die Zeit gekommen, „in der man die Spreu vom Weizen auch trennen müsse“, erklärte dazu ein Abgeordneter in der Ausschusssitzung [1].
Damit aber schaffen die Europaparlamentarier nun tiefe Gräben, wo sich die nationalen Regierungen der EU-Mitgliedsländer nach dem Brexit-Referendum mal ausnahmsweise geschlossen zeigen. Keiner der Staats- und Regierungschefs hat gebrüllt „Jetzt wollen wir auch raus aus der EU!“, kein Kaczyński, kein Orbán, im Gegenteil. Nach dem Treffen der EWR-Gründungsmitglieder u.a. mit dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier oder dem gemeinsamen Besuch des Grabes des Antifaschisten und europäischen Vordenkers Altiero Spinelli durch Angela Merkel, François Hollande und Matteo Renzi [2], hatte man den Eindruck, als würden sich die östlichen EU-Länder sogar eine stärkere Einbindung in die EU wünschen und wären gerne bei diesen Treffen dabei gewesen. Aber auch hier beweisen die Bundesregierung oder Frankreichs Präsident Hollande sehr viel Fingerspitzengefühl, indem sie auch mit diesen EU-Mitgliedern zurzeit aktiv den Dialog über die Zukunft des gemeinsamen Projektes suchen. Allmählich scheinen die Regierungen der EU-Länder doch den Wert des europäischen Einigungsprozesses erkannt zu haben und nach der britischen Abstimmung ist ihnen vielleicht auch bewusst geworden, dass dieser Prozess sehr wohl scheitern kann. Zumindest ist aber ein solches Vorgehen, wie u.a. von der Bundesregierung praktiziert, doch wesentlich besser geeignet, um Europa zusammenzuhalten, als das engstirnige „Wir sind Brüssel, folgt uns gefälligst!“, das aus dem Europaparlament schallt.

Neben dieser doch eher brachialen Haltung der Abgeordneten sind es aber auch die im Verfassungsausschuss präsentierten Reformideen selbst, die in eine völlig falsche Richtung gehen. Es ist zwar zunächst erfreulich, dass Themen, wie die Verschiebung der politischen Macht in der EU von Parlamenten hin zu Regierungen [3], endlich von den Europaabgeordneten behandelt werden, allerdings müssen dann auch die richtigen Schlüsse gezogen werden. Es hilft dem europäischen Einigungsprozess nicht, wenn aus der richtigen Erkenntnis, dass an manchen Stellen eine tiefere Integration notwendig ist, aber in einigen Ländern hierfür keine Bereitschaft besteht, geschlossen wird, man müsse nun einen Teil der EU-Mitglieder wieder aus der Gemeinschaft werfen.
Anstelle eines solchen exklusiven Konzepts (Wer sich nicht weiter integrieren will, soll die EU verlassen) bräuchte es, um Europa zusammenzuhalten, viel eher ein inklusives Modell (Wer sich an die bislang vereinbarten Regeln der EU hält, bleibt in der EU willkommen). Anstatt die EU auf ein Kerneuropa einzuschmelzen, werbe ich daher für ein Kerneuropa, das sich innerhalb der EU befindet – die Europäische Föderation. Damit würde der Integrationsdruck von der EU genommen, so dass die EU und die Errungenschaften des europäischen Einigungsprozesses für alle erhalten werden können und gleichzeitig ein Kern von EU-Ländern die nächsten Integrationsschritte auf Basis fester Regeln, z.B. einer gemeinsamen Verfassung, gehen kann.
Während somit bei der Umsetzung der Vorschläge der EU-Abgeordneten in einigen Jahren vielleicht nur noch eine verkleinerte EU-22 in einem Europa der Nationalstaaten existiert, wäre die Europäische Föderation mit z.B. 10 EU-Staaten in einer möglicherweise sogar gewachsenen EU mit 29 oder 30 Ländern eingebunden. Und auch die übrigen Nationalstaaten Europas, wie z.B. Norwegen, hätten mit einer solchen nicht auf permanente Integration ausgelegten EU nicht mehr so eine große Hürde für einen Beitritt. Würde man hingegen die EU weiter vertiefen und dabei sogar auf manche Länder verzichten, käme der europäische Einigungsprozess für die nächsten Jahrzehnte aller Voraussicht nach zum erliegen.

Ich denke, auch in Brüssel muss endlich erkannt werden, dass der europäische Einigungsprozess mehr ist, als das Zusammenwachsen einiger Euroländer. Knapp 850 Mio. Menschen leben in den Ländern Europas und auch wenn man Russland, die Türkei, den Kaukasus, die Ukraine und Weißrussland abzieht, bleiben immerhin rund 550 Mio. Einwohner übrig, wovon in der gesamten Eurozone nur knapp 340 Mio. Personen leben. Die Leistung der EU ist es hingegen, zumindest knapp 510 Mio. Menschen in einem demokratischen europäischen System einzubinden. Es wäre daher absolut falsch, den Vorschlägen der EU-Parlamentariern zu folgen und jetzt für die tiefere Integration der Eurozone auf grundlegenden Errungenschaften, u.a. die vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes (Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit), für einen Teil der 510 Mio. Menschen zu verzichten. Vielmehr muss es im Sinne des europäischen Einigungsprozesses darum gehen, eben jenes, was bisher erreicht wurde, zu erhalten und trotzdem einem Teil der EU die Möglichkeit zu geben, etwas Neues zu schaffen. Zu Ende gedacht kommt man dann aber zur Europäischen Föderation, also einem Kerneuropa innerhalb der EU.


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[1] Sitzung des Verfassungsausschuss des Europaparlaments am 12.07.2016 (Link zum Video auf www.europarl.europa.eu)

[2] Kommentar vom 23.08.2016 zum Dreier Gipfel bei taz-online(Link zum Artikel auf www.taz.de)

[3] Die Machtverschiebung von Parlamenten zu Regierungen in der EU (Link zum Artikel auf www.mister-ede.de)

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https://www.mister-ede.de/politik/verkehrte-richtung-eu-reform/5309/feed 0
Eine Bilanz der EU-Flüchtlingspolitik der letzten 12 Monate https://www.mister-ede.de/politik/12-monate-fluechtlingspolitik/5013 https://www.mister-ede.de/politik/12-monate-fluechtlingspolitik/5013#comments Mon, 16 May 2016 19:01:25 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5013 Weiterlesen ]]> Als im April 2015 bei starker Tendenz nach oben über 10.000 Schutzsuchende in Griechenland ankamen, wurde erkennbar, dass sich neben der bisherigen Fluchtroute von Libyen nach Italien, über die seit dem arabischen Frühling 2011 jährlich rund 100.000 – 200.000 Flüchtlinge irregulär in die EU einreisen, eine weitere etabliert. Bei über 50.000 Einreisen nach Griechenland alleine im Monat Juli und über 100.000 im August wurde jedoch schnell deutlich, dass die Flüchtlingszahlen, auch aufgrund veränderter Rahmenbedingungen, auf dieser Strecke ganz andere Dimensionen erreichen werden.
Nachdem durch die Verschiebung der Fluchtrouten außerdem zusätzliche Länder von der Migration betroffen waren, wurde ab diesem Zeitpunkt in weiten Teilen der EU jener Handlungsbedarf gesehen, auf den Italien bis dahin vergeblich aufmerksam machte.

In der Folge reagierten die EU und ihre Mitgliedsstaaten mit verschiedenen Maßnahmen, von einem Ausbau der Grenzsicherung über einen veränderten Umgang mit Asylbewerbern aus den Balkanländern bis hin zu einer verbesserten Ausstattung des Internationalen Flüchtlingshilfswerks UNHCR. Auch zahlreiche Asylrechtsdebatten waren die Folge, seien das Gesetzesänderungen oder die Auseinandersetzung über eine Obergrenze in Deutschland, die Einführung einer solchen in Österreich, die Aussagen osteuropäischer Regierungen, keine Muslime aufnehmen zu wollen, oder die aktuellen Änderungsvorschläge der EU-Kommission zum Dublin-Verfahren.

Reduktion der Zahl der in die EU kommenden Flüchtlinge:

Durch die Ausweitung der Finanzmittel für die Flüchtlingshilfe konnte in den letzten Monaten die gröbste Not in den Flüchtlingslagern rund um Syrien gelindert werden.
Auf einer Balkan-Konferenz im Herbst wurden Finanzhilfen für und eine bessere Zusammenarbeit mit den Nicht-EU-Ländern des Balkans vereinbart. Ergänzt um Maßnahmen der Mitgliedsstaaten, z.B. in Deutschland die Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten auf die Balkan-Region, konnte damit die Zahl der Asylbewerber vom Balkan noch im Herbst 2015 deutlich gesenkt werden.
Zahlreiche EU-Länder reagierten überdies mit Grenzkontrollen an Binnengrenzen, wie z.B. Deutschland gegenüber Österreich, und an Außengrenzen, wie beim ungarischen Zaunbau zu Serbien. Gleichzeitig verstärkten die EU und ihre Mitgliedsstaaten die Zusammenarbeit mit der Türkei zum Schutz der Außengrenzen, was im März dieses Jahres in einem EU-Türkei-Abkommen mündete. Insgesamt führten diese Maßnahmen dazu, dass die Zahl der in die EU kommenden Flüchtlinge von über 200.000 im Oktober 2015 auf unter 20.000 im April 2016 gesunken ist.

Kleine Schritte der Harmonisierung und Koordination der Flüchtlingspolitik:

Daneben wurden die Mitgliedsstaaten durch die EU an die Verwendung des gemeinsamen Registrierungssystems für Flüchtlinge, Eurodac, erinnert, so dass heute der Datenaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten besser funktioniert. Außerdem wurde eine finanzielle und personelle Stärkung von Frontex verabredet und mit der EU-Verordnung Nr. 399/2016, die am 12.4.2016 in Kraft getreten ist, wurden im Rahmen des Schengener Grenzkodex neue Standards zur Grenzsicherung und zum Umgang mit Personen beim Grenzübertritt festgeschrieben.
Entgegen anderer Pläne der EU-Kommission, bleibt allerdings die Überwachung der EU-Außengrenzen, wie von den Mitgliedsstaaten gefordert, weiterhin die Aufgabe des jeweiligen Nationalstaats. Eine grundlegende Änderung der Systematik hin zu einer echten gemeinsamen europäischen Grenzsicherung findet damit nicht statt und bei der Reform des Dublin-Systems droht ähnliches. Auch hier stoßen schon die aktuellen Vorstellungen der EU-Kommission, die nur ansatzweise hin zu einem echten gemeinsamen Asylsystem gehen, auf zum Teil erbitterten Widerstand zahlreicher EU-Länder.

Mangelnde Bereitschaft, der humanitären Verantwortung gerecht zu werden:

Während es bei der Grenzsicherung noch gelungen ist, sich auf einen gemeinsamen Kurs zu verständigen, fehlt die Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen, gänzlich. So sind die dringend benötigten Umverteilungen aus Griechenland oder Italien bislang kaum vorangekommen und die Situation vieler Schutzsuchender in der EU ist noch immer beschämend. Auch die freiwilligen Kontingente zur Aufnahme von Flüchtlingen, wie sie im EU-Türkei-Abkommen vereinbart wurden, gibt es bislang nur auf dem Papier und auf noch größeren Widerstand der EU-Mitgliedsstaaten stoßen Mechanismen, bei denen die Nationalstaaten die Hoheit über die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Hand geben müssten, z.B. Quotensysteme.
Weiterhin fehlend damit jene regulären Wege nach Europa, mit denen die EU ihre humanitäre Verantwortung wahrnehmen könnte. Daneben ist bislang aber auch die Kontrolle unzureichend, ob der Schutz von abgewiesenen oder rückgeführten Personen in den Herkunfts- oder Drittstaaten tatsächlich gewährleistet ist. Und auch bei der Hilfe vor Ort bleibt die EU vieles schuldig und so fehlt z.B. eine Bündelung der Flüchtlingshilfe in einem gemeinsamen europäischen Flüchtlingshilfswerk, um Geflüchteten eng verknüpft mit einer europäischen Entwicklungszusammenarbeit in der Nähe ihrer Heimatregionen eine Perspektive zu geben.

Die Bilanz:

Fasst man zusammen, dann unternimmt die EU heute zumindest das Nötigste, um die Lage in den Krisengebieten und Flüchtlingslagern zu verbessern – aber eben auch nicht mehr. Die Asylmigration vom Balkan wurde gestoppt und häufig wurde das nationale Asylrecht verschärft. Weiterhin fehlen jedoch reguläre Wege in die EU, während die Zahl der irregulären Einreisen in Kooperation mit Herkunfts- und Drittstaaten reduziert wurde. Kleinere Schritte zur Harmonisierung des Grenzschutzes und zur besseren Koordination des Flüchtlingsmanagements wurden in der EU gegangen.
Insgesamt ist die Bilanz der EU-Flüchtlingspolitik der letzten Monate damit durchwachsen und es bleibt noch viel Luft nach oben.


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Flüchtlinge in der EU: Grenzsicherung durch Rückführungsabkommen (www.mister-ede.de – 05.02.2016)

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