mister-ede.de » Finanzmarktregulierung http://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Der Euro und seine falsche Einstufung als Landeswährung (The Euro and the wrong classification as a domestic currency) http://www.mister-ede.de/politik/euro-keine-landeswaehrung/5273 http://www.mister-ede.de/politik/euro-keine-landeswaehrung/5273#comments Fri, 26 Aug 2016 11:12:34 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5273 Weiterlesen ]]> Dieser Beitrag stellt dar, was der Euro bzw. eine Landeswährung (domestic currency) ist und warum der Euro finanzökonomisch keine Landeswährung von beispielsweise Deutschland sein kann.

Der Euro:

Der Euro ist das offizielle Zahlungsmittel der Euroländer. Er wird von der Europäischen Zentralbank ausgegeben, die eine Institution des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) ist, also der Gesamtheit der Zentralbanken der Euroländer.

Der Begriff „Landeswährung“:

Als Landeswährung wird zum einen das Zahlungsmittels eines Landes (engl. „local currency“) bzw. das offizielles Zahlungsmittel (engl. „offical currency“) verstanden und zum anderen die Währung der Zentralbank des jeweiligen Landes (engl. „domestic currency“). Der Begriff „Landewährung“ hat somit unterschiedliche Bedeutungen, für die es im Englischen auch verschiedene bzw. präzisere Begriffe gibt.

Der Euro als Landeswährung:

Unstreitig ist der Euro unsere local und official currency und in dieser Bedeutung ist seine Bezeichnung als Landeswährung auch unproblematisch. Hingegen ist die Einordnung des Euro als domestic currency von beispielsweise Deutschland, Frankreich oder Italien zumindest finanzökonomisch falsch. Es geht hier also nicht darum, dass der Euro in Deutschland als Landeswährung bezeichnet wird oder der deutschen Sprache die Wörter fehlen, sondern um die Tatsache, dass der Euro fälschlicherweise als domestic currency eingestuft wird, was z.B. zu Lücken bei der Bankenregulierung führt.

Der Begriff „domestic currency“:

Die domestic currency ist die Währung der Zentralbank des jeweiligen Landes und damit im Normalfall auch die official currency dieses Landes. Ob sie darüber hinaus auch in anderen Ländern als local currency genutzt wird oder in diesem Land parallel noch andere local currencies existieren, ist für die domestic currency unerheblich. Das Gegenstück zur domestic currency (Landeswährung) ist in Statistiken und in der Finanzökonomie die foreign currency (Fremdwährung), wobei die jeweilige Betrachtung als Fremd- oder Landeswährung natürlich subjektiv ist. Für die USA ist der Dollar die Landeswährung und der Rubel die Fremdwährung, für Russland ist es genau andersherum.
Der Grund für die Aufteilung zwischen domestic und foreign currency liegt in den unterschiedlichen Risiken, wie z.B. dem Risiko eines sich zu Ungunsten ändernden Wechselkurses, das es so natürlich nur bei einer Fremdwährung gibt. Ein US-amerikanisches Unternehmen, das nur in Dollar (der dortigen „domestic currency“) Geschäfte macht, hat diese Fremdwährungsrisiken nicht, genauso wie ein in Deutschland ansässiges Unternehmen, das nur in Euro handelt. Bis zu den Wechselkursrisiken hat der Euro damit die Eigenschaften einer „domestic currency“, allerdings enden hier die Parallelen.

Warum der Euro keine domestic currency ist:

Als Währung der Zentralbank des jeweiligen Landes ist die domestic currency eine besondere Währung. Die Zentralbank kann sie beeinflussen und mit geldpolitischen Maßnahmen, z.B. durch eine Änderung des Leitzinses, auf die wirtschaftliche Situation im jeweiligen Land reagieren. Beim Euro ist aber genau diese Einflussmöglichkeit für ein einzelnes Euroland bzw. seine Zentralbank im EZB-System so nicht mehr gegeben. Im Gegensatz zu einer echten domestic currency ist es sogar möglich, Euro aus einem Land in großem Stil abzuziehen, ohne dabei über den Wechselkurs stabilisierende Effekte auszulösen. Während also bei einer Krise in Japan dort liegende Yen nicht ohne einen den Wechselkurs drückenden Umtausch in einem anderen Land investiert werden können, ist dies bei Euroländern möglich. Im Falle Japans würde der Letzte, der Yen z.B. in Euro umtauschen will, kaum noch Euro für seine Yen bekommen. Hingegen kann aus dem griechischen oder italienischen Finanzwesen problemlos sämtliches Kapital z.B. Richtung Deutschland oder den Niederlanden abgezogen werden, ohne einen solchen Wechselkurseffekt zu erzeugen. Auch der letzte Euro, der aus Griechenland geholt wird, hat den Wert eines in Deutschland verwendeten Euros. Wenn aber, anders als bei einer echten domestic currency, dem Finanzwesen eines Eurolandes ohne dämpfende Wirkung das Vertrauen entzogen werden kann, so ist der Euro folgerichtig keine domestic currency.
Deutlich wird dies auch in fiskalischer Hinsicht, also beim Blick auf die Staatsfinanzen. Üblicherweise geht das nominale Kreditausfallrisiko bei Staatsanleihen, die in einer echten „domestic currency“ eines Landes ausgegeben wurden, gegen null, weil im Zweifelsfall einfach Scheine mit beliebig hohen Nominalwerten gedruckt werden können. Hingegen hat ein Euroland nicht diese Möglichkeit, einfach die Geldpresse anzuwerfen, wie man auch am Beispiel des griechischen Zahlungsausfalls gesehen hat.
Ein weiterer Unterschied zwischen einer domestic currency und dem Euro ist hinsichtlich der Zinsen für Staatsanleihen zu erkennen. Nachdem in Ländern mit einer echten domestic currency die Zinssätze für die Staatschulden über die Zentralbank einigermaßen gesteuert werden können, kann dort die Staatsverschuldung, zumindest im Inland, relativ weit ausgedehnt werden. Am Ende ist es für den Staatshaushalt unerheblich, ob der Staat bei einem Zinssatz von 5% pro Jahr mit 50% des BIP oder bei einem Zinssatz von 0,5% pro Jahr mit 500% des BIP verschuldet ist, weil in beiden Fällen Zinsen in Höhe von 2,5% des BIP fällig werden. Einem Euroland fehlt hingegen dieser Einfluss auf den Zins, so dass durch die Euroeinführung für diese Länder und ihre Finanzsysteme nun Zinsänderungsrisiken hinzugekommen sind, die es bei den vorherigen echten domestic currencies so natürlich nicht gab.

Die Folgen der falschen Einordnung:

Die fälschliche Einordnung des Euro als „domestic currency“ hat diverse Folgen. Bei der Bewertung der Staatsverschuldung bzw. der Bonität von Staaten werden die Ausfallrisiken und die Gefahren, die im Auseinanderlaufen der Schuldenquoten in der Eurozone liegen, erheblich unterschätzt. Dies spiegelt sich beispielsweise in der Finanzmarktregulierung wieder, die die auf Euro lautenden italienischen Staatsanleihen genauso behandelt [1] wie die auf Pfund lautenden britischen Staatsanleihen. Obwohl durch den Euro das Kreditausfallrisiko Italiens bzw. die Gefahr eines Zusammenbruchs des italienischen Finanzsystems gegenüber Großbritannien mit seiner echten „domestic currency“ erhöht ist, müssen Banken auch für italienische Staatskredite kein Eigenkapital hinterlegen.
Daneben kann die falsche Einstufung auch zu Fehlern bei Ratings von Banken führen oder zu einer Fehlregulierung von Lebensversicheren und anderen Finanzdienstleistern. Auch an den europäischen Stabilitätskriterien, die für die Euroländer schärfer sein müssten als für die Nicht-Euroländer, kann man die Folgen der falschen Einstufung des Euro als domestic currency sehen genauso wie am Fehlen von geeigneten Steuerungsinstrument für eine Konvergenz der Schuldenquoten.

Wie lässt sich der Euro klassifizieren?

Grundsätzlich ist es schon möglich, dass der Euro eine domestic currency wird, sofern ein passender Eurozonen-Staat entsteht, in dem dann Stabilitätsmechanismen (Finanztransfers, gemeinsame Budgets) implementiert werden können. In diesem Fall wäre der Euro für Deutschland dann wie früher die D-Mark für ein einzelnes Bundesland. Nachdem ein solcher Staat aber in den nächsten Jahren nicht existieren wird, handelt es sich beim Euro um so etwas wie eine „partial domestic currency“, die für die einzelnen Euroländer zwar einige Eigenschaften einer Landeswährung besitzt, aber eben nicht alle.

Mögliche Konsequenzen:

Neben einer grundsätzlichen Überprüfung von Regulierungsvorschriften und Stabilitätskriterien sollten vor allem die oben erwähnten Ausnahmen von der Eigenkapitalhinterlegung bei Staatskrediten in Landeswährungen nicht auf den Euro bzw. die Euroländer übertragen werden. Anstatt aber hierzu die Regulierungsvorschriften zu ändern [2], was unnötigerweise auch z.B. Großbritannien oder Polen betreffen würde, sollte der Euro in der Anwendungspraxis einfach nicht mehr als domestic currency der Euroländer eingestuft werden.
Darüber hinaus wäre natürlich auch die Entwicklung eines entsprechenden Staates mit dem Euro als domestic currency, z.B. die Europäische Föderation, eine logische Schlussfolgerung. Wenig ratsam scheint hingegen, einfach weiter so zu tun, als sei der Euro eine vollwertige Landeswährung für die Euroländer, und abzuwarten bis es irgendwann mal richtig kracht.


Ähnliche Artikel:
Rechenbeispiel zur Eigenkapitalanforderung für Banken nach Basel III (www.mister-ede.de – 30.08.2014)

Warum Banken das Fremdkapital suchen (www.mister-ede.de – 21.04.2014)

Das einheitliche Zinsniveau (www.mister-ede.de – 07.04.2012)


[1] Art. 114 IV EU-Verordnung Nr. 575/2013 (CRR) (Link zum PDF auf eur-lex.europa.eu)

[2] Vorschlag findet sich u.a. im DIW-Wochenbericht vom 13.5.2015 (Link zum PDF auf www.diw.de)

]]>
http://www.mister-ede.de/politik/euro-keine-landeswaehrung/5273/feed 0
Die zwei Krisen der Finanzkrise http://www.mister-ede.de/politik/zwei-krisen-der-finanzkrise/3477 http://www.mister-ede.de/politik/zwei-krisen-der-finanzkrise/3477#comments Wed, 21 Jan 2015 18:34:25 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3477 Weiterlesen ]]> Seit 2008 befanden sich die USA und Europa zunächst in einer schweren Finanzkrise, bevor sich die Lage ab 2009 insbesondere in der Eurozone nochmals zuspitzte. Die Finanzkrise wird dabei vor allem in den Euro-Staaten als eine einzelne Krise betrachtet, die sich mittlerweile über einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren zieht. Tatsächlich wurde die Eurozone allerdings nicht von einer einzelnen, sondern von zwei verschiedenen Krisen getroffen. Zuerst verursachte das Platzen der US-amerikanischen Subprime-Blase eine Banken- und Finanzmarktkrise in diversen Staaten innerhalb und außerhalb der Eurozone, danach allerdings gerieten die Euro-Länder in eine zweite Krise, nämlich die Krise der Währungsunion oder kurz Eurokrise. Das erklärt auch, wieso es Ländern außerhalb der Eurozone deutlich besser gelungen ist, ihre nur aus der Bankenkrise bestehende Finanzkrise zu meistern.

Auch wenn beide Krisen miteinander insoweit verwoben sind, als die Bankenkrise ein Auslöser der Eurokrise war und beide Krisen somit zeitlich zusammenfallen, handelt es sich um zwei grundverschiedene Problematiken. Daher sollte die Finanzkrise in der Eurozone für die Suche nach Ursachen oder Auswegen oder auch um erneute Krisen dieser Art zu verhindern, nicht als eine einzelne große Krise betrachtet, sondern in ihre Bestandteile Bankenkrise und Eurokrise zerlegt werden.

Die Banken- und Finanzmarktkrise:

Nach großen Verlusten im Kreditgeschäft diverser Banken gerieten in etlichen Ländern die Finanzmärkte in erhebliche Schieflage. Hauptverantwortlich für die Schieflage in der europäischen Bankenwelt waren vor allem die zu niedrigen Eigenkapitalanforderungen an Banken und die Verkennung der gesamtwirtschaftlichen Gefahren, die hinter der privatwirtschaftlichen Renditemaximierung der Banken auf Kosten ihrer Eigenkapitalquoten steckten. Zusätzlich haben aber auch Fehlregulierungen zu falschen Anreizen beigetragen und auch die Zersplitterung der Zuständigkeiten zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden hat die Bankenkrise begünstigt.

Mittlerweile wurden zwar aus der Krise die richtigen Schlussfolgerungen gezogen und die Notwendigkeit von europäischen Bankenabwicklungsmechanismen, höheren Eigenkapitalquoten oder auch einer Finanzmarksteuer zur Reduktion von Spekulation und zur Beteiligung des Finanzmarkts an gesellschaftlichen Folgekosten erkannt, die Umsetzung stockt dennoch.
Zum Teil reichen Banken immer noch Eigenkapitalquoten von rund 3% um die aufsichtsrechtlichen Kriterien zu erfüllen und auch weiterhin werden Staatskredite weitestgehend als völlig risikolos klassifiziert. Daneben wurde die Finanzmarktsteuer zwar auf den Weg gebracht, allerdings führte sie ihr Weg bislang in den meisten Ländern, z.B. in Deutschland, nur aufs Abstellgleis. Desweiteren ist die Bankenaufsicht nach sechs Jahren Bankenkrise erst bei rudimentären Stresstests angelangt, von einer Fähigkeit zur Bankenabwicklung ganz zu schweigen. Aber selbst ein Blick auf jenen jüngst von der Bankenaufsicht durchgeführten Stresstest muss erschrecken, wenn immerhin noch eine zweistellige Zahl von Instituten bei den gegebenen Szenarien selbst die aktuell minimalen Anforderungen nicht mehr erfüllen konnten. Vor allem im Hinblick auf einen möglichen Zahlungsausfall eines bislang als sicher klassifizierten Krisenstaates, birgt der Banken- und Finanzsektor in der Eurozone auch weiterhin ein nicht unerhebliches Risiko. Obwohl schon rund die Hälfte der griechischen Verbindlichkeiten nicht mehr am Finanzmarkt platziert sind, sondern Gläubigern wie dem ESM oder dem IWF gehören, dürften je nach Ausprägung bei einem erneuten Schuldenschnitt vermutlich trotzdem noch ein paar der in Griechenland heimischen Banken in schweres Fahrwasser geraten.

Mehr zum Thema Bankenkrise auf www.mister-ede.de

Die Eurokrise:

Die Eurokrise beschreibt die Krise der Währungsunion, die in unterschiedlichen Formen aus einer einheitlichen Währung und Divergenzen zwischen den eigenständigen Euro-Mitgliedsländern resultiert. Die relevanten Divergenzen traten hierbei sowohl bei der Preisentwicklung in den einzelnen Mitgliedsländern als auch bei der Bonität der jeweiligen Euro-Staaten auf, wobei der Nachteil des einen Landes regelmäßig zu Vorteilen bei den anderen Ländern führt. So hat die unterschiedliche Preisentwicklung in den Jahren vor der Krise zu einem auseinanderlaufen der Wettbewerbsfähigkeit mit Folgen zum Beispiel für die Außenhandelsbilanzen der Euro-Länder geführt. Während Deutschland große Exportüberschüsse erzielt, haben sich in anderen Ländern erhebliche Importüberschüsse aufgebaut. Auf anderer Ebene haben Divergenzen bei der Bonität zu einem Auseinanderlaufen der Kapitalverfügbarkeit geführt. Die sinkende Bonität, oder anders ausgedrückt, der Verlust des Vertrauens in die Finanzstabilität der Krisenländer und auch der dortigen Märkte, z.B. dem spanischen Bankenmarkt, hat daraufhin eine Kreditklemme mit steigenden Zinskosten in den Krisenstaaten ausgelöst. Umgekehrt ist dafür allerdings auch die Kapitalverfügbarkeit in anderen Regionen der Eurozone gestiegen, weshalb sich die Zinskosten in den relativ starken Euro-Staaten verringert haben.

Zwar wurden die Liquiditätsengpässe zunächst durch Rettungsschirme und später durch die EZB-Politik beseitigt, allerdings besteht das grundsätzliche Problem der deutlichen Vertrauensunterschiede weiter. Sollte die EZB nicht wie angekündigt im Zweifel intervenieren, dürfte eine Reihe von Staaten sehr schnell erneut am Finanzmarkt unter die Räder kommen.
Auch das zweite Problem, das unterschiedliche Preisniveau bzw. die unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit, ist kaum gelöst. Weiterhin soll eine Angleichung des Preisniveaus lediglich in den Krisenstaaten durch eine strikte Austeritätspolitik erreicht werden. Allerdings solange in den starken Euro-Staaten weiterhin die Lohn- und Preissteigerung so niedrig ist, kann eine Angleichung in den Krisenstaaten Im Grunde nur durch eine Preisentwicklung nahe der Deflation gelingen. Dies allerdings schwächt die durch die Austeritätspolitik belasteten Volkswirtschaften zusätzlich.

Mehr zum Thema Eurokrise auf www.mister-ede.de

Bankenkrise und Eurokrise:

Vor rund zwei Jahren hatte ich befürchtet, dass die Bankenkrise die Eurokrise, also die speziellen Probleme der Währungsunion, überdeckt. Heute ist mein Eindruck, dass die Bankenkrise längst wieder in Vergessenheit geraten ist, während die Eurokrise in der öffentlichen Debatte in Deutschland dafür allerdings gar nicht erst angekommen ist. Abseits von Pleitegriechen und niedrigen Zinsen auf das Sparguthaben, die Stammtische zum meckern einladen, fand eine wirkliche Beschäftigung mit den Ursachen dieses speziellen Euro-Problems kaum statt. Beiden Krisen wird diese fehlende Beachtung aber nicht gerecht, weil beide nachhaltig unseren Wohlstand bedrohen. Die Eurokrise bedroht ihn akut und konkret und auch der instabile Banken- und Finanzsektor stellt weiterhin eine abstrakte Gefahr für unseren künftigen Wohlstand dar. Deshalb müssen sowohl die Konsequenzen aus der Bankenkrise, höheren Eigenkapitalanforderungen für Banken, europäische Bankenabwicklungsmechanismen und Finanzmarktbesteuerung, als auch die Konsequenzen aus der Eurokrise, die Entwicklung von An- und Ausgleichsmechanismen, schleunigst gezogen werden.


Ähnliche Artikel:
Eurokrise: FAQ zur Griechenland-Krise und zur aktuellen Lage (www.mister-ede.de – 23.03.2015)

Eine Ursachenanalyse der Eurokrise (www.mister-ede.de – 20.06.2012)

Eine Bilanz nach fünf Jahren Euro-Rettungspolitik (www.mister-ede.de – 15.10.2013)

Die Bankenkrise lenkt nur ab (www.mister-ede.de – 23.06.2012)

Die Wettbewerbsfähigkeit: Täuschung der Relation (www.mister-ede.de – 27.02.2014)

]]>
http://www.mister-ede.de/politik/zwei-krisen-der-finanzkrise/3477/feed 0
Recht irrsinnig: Musterentscheid zu HRE-Schadensersatz http://www.mister-ede.de/wirtschaft/musterentscheid-zur-hre/3272 http://www.mister-ede.de/wirtschaft/musterentscheid-zur-hre/3272#comments Wed, 17 Dec 2014 17:55:01 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3272 Weiterlesen ]]> In seinem Musterentscheid hat das OLG München am Montag festgestellt, dass die HRE ehemaligen Aktionären Schadensersatz wegen falscher Informationen zur Situation der Bank im Zeitraum vor ihrem Zusammenbruch zahlen muss [1]. Ein solcher Richterspruch zeigt einmal mehr, wie irrsinnig Recht doch sein kann, denn so muss am Ende der Retter der Bank selber doppelt bluten. Nicht nur, dass der Staat auf den Milliardenkosten der damaligen HRE-Rettung sitzen bleibt, wird der Steuerzahler am Ende auch noch jenen Eigentümern der HRE, die zuvor für diesen Milliardenschaden mitverantwortlich waren, eine Entschädigung zahlen müssen.

Zwar gilt diese Entscheidung nur für jene, die HRE-Aktien zwischen dem Zeitpunkt der Falschinformation Mitte 2007 und der Richtigstellung Anfang 2008 erworben haben, aber hier stellt sich schon die Frage, ob der Verkäufer der Aktien in diesen Fällen die HRE war oder schlicht ein anderer Eigentümer. Hat Onkel Alfred seine HRE-Anteile im Jahr 2006 gekauft und gehalten, ist er nach dem Musterentscheid nicht schadensersatzberechtigt. Hat er die Anteile hingegen 2007 an Tante Berta verkauft, kann diese dann ihren Schaden geltend machen. Allerdings soll dann nicht Alfred, der als Miteigentümer zum Zeitpunkt des Verkaufs für die falsche Information mitverantwortlich ist und auch von ihr profitierte, den Schaden von Berta begleichen, sondern die HRE, die an diesem Verkauf gar nicht beteiligt war, bzw. der Steuerzahler als ihr jetziger Eigentümer. Ähnlich wäre es, eine Schrottimmobilie, die man zu einem zu hohen Preis gekauft hat, günstiger zu verkaufen und sich den Schaden, bzw. die Preisdifferenz, von diesem Käufer dann ersetzen zu lassen.

Daneben stellt sich die Frage, ob die Verstaatlichung nicht auch eine Insolvenz darstellt, bei der die Ansprüche der Eigentümer als letztes zu bedienen sind. Nachdem der Schaden der Aktionäre durch die Fehlinformationen bis 2008 entstand, und damit die Schadensersatzansprüche auf einen Zeitpunkt vor der Verstaatlichung fallen, müssten diese Ansprüche aus dem Aktienbesitz entsprechend der üblichen Haftungsreihenfolge eigentlich nachgeordnet werden. Erst wenn alle Forderungen der Fremdkapitalgeber erfüllt sind und der Staat seine Hilfsgelder vollständig zurückerhalten hat, kann das restliche Vermögen unter den Eigenkapitalgebern verteilt werden, sofern dann noch etwas vorhanden ist.

Außerdem hat ja auch nicht die Rettung des Bundes den Schaden bei den Aktionären versursacht, sondern umgekehrt hat der von der HRE verschwiegene Milliardenschaden, der durch Fehlspekulation entstand, die Hilfsmaßnahmen des Bundes erst notwendig gemacht. Durch einen Schadensersatz würden somit die Aktionäre jener Bank, die den Staat zur Abwehr von Schäden für die Fremdkapitalgeber zum Eingreifen zwang, noch zusätzlich für den Schaden bei sich als Eigenkapitalgeber entschädigt werden. Statt einer Eigentümerhaftung steht damit am Ende dieser irrsinnigen Rechtslage die Eigentümerentschädigung.

Die HRE wird nun vor dem BGH gegen diesen Musterentscheid vorgehen, aber sofern der Tatbestand der Fehlinformation bestätigt wird, dürften die HRE und damit der Steuerzahler als aktueller Eigentümer nicht um die Schadensersatzleistung herumkommen. Zu hoffen bleibt allerdings, dass die Höhe des Schadensersatzes auf den Teil des Schadens beschränkt bleibt, der nachweislich auf die Falschinformation zurückzuführen ist. Sowohl überhöhte Kaufpreise sind dem Käufer anzulasten, als auch Kursverluste die auf anderen Ursachen beruhen. Kauft jemand ungeschickterweise eine Aktie zu ihrem Höchststand, entsteht der Verlust ja nicht durch eine Fehlinformation, sondern durch den falschen Zeitpunkt des Erwerbs.

Des Weiteren sollte diese Musterentscheid aber auch zeigen, wie notwendig bei der aktuellen Rechtslage die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ist, damit jene, die vom Finanzmarkt oder von der auf das Eigenkapital begrenzten Haftung profitieren, zumindest auch an den gesellschaftlichen Folgekosten beteiligt werden, die solche Gestaltungsformen mit sich bringen.


Weiterführende Links zum HRE-Verfahren auf dejure.org


[1] Kurzmeldung bei C.H.Beck vom 15.12.2014 (Link zur Meldung bei beck-aktuell.beck.de)

]]>
http://www.mister-ede.de/wirtschaft/musterentscheid-zur-hre/3272/feed 0
StandPUNKT: Die Eurokrise kann nicht nationalstaatlich gelöst werden! http://www.mister-ede.de/standpunkt/euro-krise-und-nationalstaaten/3104 http://www.mister-ede.de/standpunkt/euro-krise-und-nationalstaaten/3104#comments Fri, 10 Oct 2014 17:22:40 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3104 Weiterlesen ]]> Wer versucht, die Krise in der Eurozone alleine auf der Ebene der Nationalstaaten zu lösen, ist gescheitert, bevor er angefangen hat. Weder der hohen Fluidität des Geldes innerhalb der Währungsunion noch der fehlenden Differenzierbarkeit der Geldpolitik der EZB kann alleine auf nationalstaatlicher Ebene ausreichend Rechnung getragen werden. Ohne eine stärkere wirtschaftspolitische Koordination in der Eurozone, z.B. bei der Lohnentwicklung, und ohne Ausgleichsmechanismen, die sowohl wirtschaftliche Ungleichgeweichte verhindern als auch bei einer ungleichen Entwicklung die Auswirkungen abfedern, wird sich die Eurokrise nicht nachhaltig lösen lassen.

Weitere Artikel zum Thema Eurokrise auf www.mister-ede.de

]]>
http://www.mister-ede.de/standpunkt/euro-krise-und-nationalstaaten/3104/feed 2
Rechenbeispiel zur Eigenkapitalanforderung für Banken nach Basel III http://www.mister-ede.de/wirtschaft/rechenbeispiel-zu-basel-iii/3008 http://www.mister-ede.de/wirtschaft/rechenbeispiel-zu-basel-iii/3008#comments Sat, 30 Aug 2014 17:35:58 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3008 Weiterlesen ]]> Das Regelwerk Basel III ergänzt oder ersetzt die bisherigen Regelwerke Basel I und II zur Regulierung von Banken. Ein Kernbestandteil der Vorschriften aus Basel III sind Eigenkapitalanforderungen, also die Pflicht für Banken, einen Mindestbetrag an Eigenkapital vorzuhalten.

Die Eigenkapitalanforderung an eine Bank wird nach Basel III grundsätzlich auf zwei unterschiedliche Weisen berechnet. Neben einer risikounabhängigen Verschuldungsquote wird aus den unterschiedlichen Finanzpositionen (Kredite, Schuldverschreibung, sonstige Forderungen,…) eine risikoadjustierte Quote für das Eigenkapital berechnet. Zusätzlich zu den Bilanzpositionen fließen bei der Berechnung beider Quoten auch außerbilanzielle Positionen einer Bank mit ein.
Zurzeit ist nur die risikoadjustierte Quote maßgeblich für die Berechnung der Eigenkapitalanforderung, allerdings nach einer Übergangsphase sollen in ein paar Jahren beide Quoten gleichermaßen gelten. Eine Bank wird damit künftig beide Eigenkapitalanforderungen zu erfüllen haben.

Risikounabhängige Quote [1]:

Alle bilanziellen und außerbilanziellen Finanzpositionen einer Bank werden mit ihrem Wert erfasst. Die berechnete Gesamtsumme aus bilanziellen und außerbilanziellen Positionen muss eine Bank künftig mit 3% Eigenkapital hinterlegen.

Beispiel:

Die Beispiel-Bank hat eine Bilanzsumme von 100 Euro. Hierfür muss die Beispiel-Bank mindestens Eigenmittel von 3 Euro vorhalten. Die Beispiel-Bank hat 7 Euro Eigenkapital und erfüllt diese Quote damit (siehe Abbildung 1).

Risikoabhängige Quote [2]:

Die risikoabhängige Quote berechnet sich hingegen deutlich komplizierter, denn die verschiedenen Risiken, z.B. Ausfall- oder Währungsrisiken, werden einzeln betrachtet und die Berechnung ist mehrstufig. Daneben gibt es bei der risikoabhängigen Quote zwei unterschiedliche Ansätze bei der Bewertung des Risikos. Zum einen gibt es individuelle Ansätze der Banken (IRB-Ansatz), die von der Aufsichtsbehörde für jede Bank einzeln zu genehmigen sind, und zum anderen den Standardansatz, der im Folgenden beschrieben wird.

Berechnung der risikoabhängigen Quote:

In der ersten Stufe wird geprüft, ob eine Bank in einem Bereich über die Maßen hohe Risiken hat. Beträge die gewisse Grenzen überschreiten, werden direkt vom Eigenkapital abgezogen.

Beispiel:

Die Beispiel-Bank hat Eigenmittel von 7 Euro und Fremdmittel von 93 Euro. Sie finanziert davon fünf Kredite zu 22, 21, 20, 19 und 18 Euro (siehe Abbildung 1). Gibt es eine Obergrenze von 20 Euro bei der Kreditvergabe, müsste die Beispiel-Bank bei zwei Krediten einen Abzug machen, nämlich bei Kredit 1 von 22 Euro auf 20 Euro und bei Kredit 2 von 21 Euro auf 20 Euro. Die Differenz, also einmal 2 Euro und einmal 1 Euro, wird vom Eigenkapital abgezogen, so dass die Beispiel-Bank rechnerisch noch 4 Euro Eigenmittel hat. Umgekehrt wird dieser Betrag auch bei den Risikopositionen abgezogen, statt 100 Euro sind rechnerisch bei der Beispiel-Bank jetzt noch Kredite für 97 Euro vorhanden, nämlich Kredite für 20, 20, 20, 19 und 18 Euro (siehe Abbildung 2).

In der zweiten Stufe werden dann die verschieden Risikopositionen anhand des jeweiligen Risikos gewichtet. Zur Ermittlung des Kreditrisikos werden beispielsweise die Forderungswerte einer Bank je nach Art der Forderung bzw. je nach Gläubiger in Forderungsklassen eingeteilt [3]. Die Forderungsklassen und die Risikobewertung der einzelnen Forderung bestimmt dann, welches Risikogewicht dieser Forderung zugeordnet wird. Beispielsweise wird einem Kredit an einen Euro-Staat ein Risikogewicht von 0%, einem Kredit an ein sehr gut bewertetes Unternehmen ein Risikogewicht von 20% oder einem Verbraucherkredit ein Risikogewicht von 75% zugeordnet. Durch anschließende Multiplikation des Forderungswertes mit dem Risikogewicht der jeweiligen Forderung wird dann der risikogewichtete Positionsbetrag berechnet.

Beispiel:

Die Beispiel-Bank muss also zunächst das Risikogewicht für die fünf vorhandenen Kredite ermitteln. Kredit 1 ist ein Verbraucherkredit. Ihm wird ein Risikogewicht von 75% zugeordnet. Durch Multiplikation des Forderungswertes, der nach den Abzügen aus der ersten Stufe noch 20 Euro beträgt, mit dem Risikogewicht von 75% berechnet sich ein risikogewichteter Positionsbetrag von 15 Euro. Kredit 2 ist ein Unternehmenskredit an ein eher schlecht bewertetes Unternehmen. Das Risikogewicht liegt daher bei 100%. Multipliziert man wieder den um die Abzüge aus der ersten Stufe reduzierten Forderungswert von 20 Euro mit dem Risikogewicht, dann ergibt sich ein risikogewichteter Forderungswert von 20 Euro. Kredit 3 ist ein Unternehmenskredit an ein sehr gut bewertetes Unternehmen. Das Risikogewicht hierfür liegt bei 20% und multipliziert mit dem Forderungswert von 20 Euro ergibt sich ein risikogewichteter Positionsbetrag von 4 Euro. Kredit 4 und Kredit 5 sind Kredite an Euro-Staaten und erhalten daher ein Risikogewicht von 0%. Entsprechend ist der risikogewichtete Positionsbetrag von Kredit 4 und 5 genau 0 Euro (siehe Abbildung 3).

In der dritten Stufe werden die unterschiedlichen risikogewichteten Positionswerte aufaddiert. Kommen neben dem Kreditrisiko weitere Risikopositionen z.B. aus Währungsrisiken hinzu, werden diese zusätzlich aufaddiert, genauso wie rechnerische Risiken aus dem Handel mit Derivaten oder Risiken aus außerbilanziellen Positionen. Die auf diese Weise berechnete Gesamtsumme muss dann von einer Bank mit 8% Eigenkapital hinterlegt werden, wovon 6% Kernkapital bzw. 4,5% hartes Kernkapital sein müssen [4].

Beispiel:

Die Beispiel-Bank hat risikogewichtete Positionsbeträge von 15 Euro für Kredit 1, 20 Euro für Kredit 2 und 4 Euro für Kredit 3 zu verbuchen, insgesamt also 39 Euro (siehe Abbildung 3). Hierfür muss die Beispiel-Bank 8% Eigenkapital hinterlegen, also 3,12 Euro. Nach den Abzügen aus der ersten Stufe der Berechnung der risikoabhängigen Quote hat die Beispiel-Bank 4 Euro Eigenkapital und damit ausreichend Eigenmittel um die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen (siehe Abbildung 2).


Weitere Artikel zum Thema Basel III auf www.mister-ede.de


PDF zur EU-Verordnung 575/2013 auf eur-lex.europa.eu

[1] Art. 499 EU-Verordnung Nr. 575/2013 (CRR)

[2] Art. 92 III und Art. 122 I EU-Verordnung Nr. 575/2013 (CRR)

[3] Art. 114 ff. EU-Verordnung Nr. 575/2013 (CRR)

[4] Art. 92 I EU-Verordnung Nr. 575/2013 (CRR)

]]>
http://www.mister-ede.de/wirtschaft/rechenbeispiel-zu-basel-iii/3008/feed 1
Fehlanreize durch eine doppelte Risikobewertung bei der Basel-Regulierung http://www.mister-ede.de/wirtschaft/fehlanreize-basel-regulierung/2947 http://www.mister-ede.de/wirtschaft/fehlanreize-basel-regulierung/2947#comments Mon, 11 Aug 2014 17:15:43 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2947 Weiterlesen ]]> Die Regelwerke Basel I, Basel II und Basel III dienen der Regulierung von Banken. Neben einer risikounabhängigen Eigenkapitalquote von 3%, die Banken künftig für alle Anlagen hinterlegen müssen, wird weiterhin eine risikoabhängige Eigenkapitalquote vorhanden sein. Umso mehr Risiken, z.B. Ausfall- oder Währungsrisiken, die von einer Bank gehaltenen Anlagen enthalten, desto höher ist die geforderte Eigenkapitalquote.

Grundsätzlich ist diese Risikobewertung zu begrüßen, allerdings findet bei der Bewertung von Ausfallrisiken durch die Basel-Regulierung eine doppelte Berücksichtigung struktureller Risiken statt. Hierdurch kommt es zu einer Verzerrung bei der Bewertung des tatsächlichen Risikos von Anlagen und in der Folge zu Fehlanreizen.

Ratings:

Mithilfe von Ratings wird die Bonität einer Institution, z.B. eines Landes oder eines Unternehmens, bewertet. Je besser ein Rating desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass z.B. ein Land seine Kredite zurückzahlt. Nachdem aber das strukturelle Risiko eines Kreditausfalls bei Unternehmen größer ist als bei Staaten, haben auch hochrentable Unternehmen im Vergleich zu Staaten nur eine durchschnittliche Bonitätsbewertung. Zum Beispiel erreichen zurzeit bei der Ratingagentur Moody’s der Autobauer Volkswagen oder der Chemiekonzern Bayer die gleiche Bonitätsnote wie die Länder Mexico oder Peru.

Forderungsklassen:

Die Basel-Vorschriften unterteilen die Anlagen einer Bank aufgrund ihrer Struktur in verschiedene Forderungsklassen [1]. Neben einer Forderungsklasse für Forderungen gegenüber Staaten gibt es zum Beispiel eine Klasse für Forderungen gegenüber Unternehmen oder eine für Forderungen gegenüber anderen Bankinstituten. Entsprechend dem strukturellen Risiko der einzelnen Klassen knüpfen an die Forderungsklassen unterschiedliche Eigenkapitalanforderungen für die Banken an. Nachdem Unternehmen regelmäßig einem höheren Ausfallrisiko unterliegen als Staaten, müssen Banken z.B. für einen in Euro gerechneten Kredit an ein Nicht-Euro-Land weniger Eigenkapital hinterlegen als bei einem Kredit an ein Unternehmen mit gleichem Rating [2].

Doppelbewertung:

Auf der einen Seite wird so das strukturelle Risiko bei den Ratings berücksichtigt, auf der anderen Seite fließt dasselbe strukturelle Risiko auch in die Ausgestaltung der Forderungsklassen mit ein. In der Folge muss daher eine Bank für einen Kredit an Volkswagen mehr Eigenkapital hinterlegen als für einen Kredit an den mexikanischen Staat.

Mittelstand besonders betroffen:

Besonders deutlich wird das Problem der Doppelbewertung, wenn man sich mittelständischen Unternehmen anschaut. Sind Unternehmen nur auf einen Markt ausgerichtet oder gar von einem einzelnen Abnehmer abhängig, erhöht sich ihre Anfälligkeit für Kreditausfälle. Die Insolvenz eines Großkunden oder technische Neuerungen können ein solches Unternehmen wesentlich schneller und überraschender in der Existenz bedrohen, als dies bei einem breit aufgestellten Großkonzern der Fall ist. Dies schlägt sich in den Ratings nieder, weshalb gerade kleinere oder mittlere Unternehmen (KMU) häufig nur ein schlechtes Rating erhalten. Viele kleinere Unternehmen verzichten daher sogar ganz auf eine Bewertung und sparen sich die Gebühren der Rating-Agenturen. Allerdings sowohl ein schlechteres als auch ein nicht vorhandenes Rating führen durch die Basel-Vorschriften dazu, dass Banken noch weiteres Eigenkapital bei einer Kreditvergabe an ein solches Unternehmen hinterlegen müssen. Zwar können unter bestimmten Umständen die Eigenkapitalanforderungen bei Krediten an KMU wieder um knapp ¼  gesenkt werden [3], allerdings auch nach einer Reduktion der Eigenkapitalanforderung verbleibt häufig eine erhebliche Differenz gegenüber anderen Anlagen z.B. im Bankensektor oder bei Staaten.

Großbanken profitieren:

Neben Nicht-Euro-Staaten, die durch die doppelte Risikobewertung besser gestellt sind, profitieren auch Großbanken, die als Bankinstitute einer eigenen Forderungsklasse zugeordnet sind. So müssen auch bei Krediten im Interbanken-Bereich weniger Eigenkapitalmittel hinterlegt werden als bei Krediten an Unternehmen mit gleichem Rating. Allerdings erreichen gerade auch die Großbanken aufgrund ihrer systemrelevanten Struktur, ähnlich wie Staaten, sowieso schon bessere Ratings im Gegensatz zu anderen Unternehmen. So hat z.B. die Deutsche Bank, die zurzeit in einer schwierigen Phase ist, dasselbe Rating wie der Vorzeigekonzern Volkswagen.

Euro-Staaten profitieren massiv:

Am stärksten profitieren durch die Basel-Vorschriften weiterhin die Euro-Staaten. Dies liegt aber nicht an der doppelten Risikobewertung, sondern an einer komplett fehlenden Risikobewertung. Obwohl es in der Eurozone in der Vergangenheit Schuldenschnitte gab und zurzeit ein neuerlicher Schuldenschnitt für Griechenland diskutiert wird, müssen Banken für Kredite an Euro-Staaten kein Eigenkapital hinterlegen. Für ein Bankinstitut wird es durch diese auf null gesenkte Eigenkapitalanforderung allerdings deutlich attraktiver, Kredite an EU-Staaten zu vergeben als zum Beispiel an kleinere oder mittlere Unternehmen.

Auswirkungen:

Durch die doppelte Risikobewertung entstehen Fehlanreize, weil Banken bei einer Kreditvergabe an Institutionen mit gleicher Bonität eine unterschiedliche Eigenkapitalanforderung zu erfüllen haben. Einen Kredit an Volkswagen oder Bayer muss eine Bank mit 4% Eigenkapital absichern, während ein Kredit bei gleichem Rating an die Deutsche Bank oder an Mexico lediglich mit 1,6% Eigenkapital zu hinterlegen ist. Vor allem Kredite an kleinere und mittlere Unternehmen können so für Banken unattraktiv werden, weil aufgrund eines unterdurchschnittlichen oder fehlenden Ratings weiteres Eigenkapital hinterlegt werden muss.

Eine weitere Folge ist die Entwicklung von Finanzprodukten, die genau diese Schwachstelle nutzen, um die Eigenkapitalanforderungen zu senken. Gelingt es zum Beispiel, Kredite an Unternehmen mit mäßigem Rating so zu bündeln und neu zu verpacken, dass sie als gedeckte Schuldverschreibungen mit gutem Rating enden, sozusagen Subprime-Unternehmenskredite, lässt sich die Eigenkapitalhinterlegung z.B. von 8% auf 0,8% reduzieren.


Ähnliche Artikel:
Gastbeitrag von Fleer: Basel III – Die Eigenkapitalregulierung (www.mister-ede.de – 03.03.2014)


PDF zur EU-Verordnung 575/2013 auf eur-lex.europa.eu

[1] Art. 112 EU-Verordnung Nr. 575/2013 (CRR)

[2] Art. 114 II und Art. 122 I EU-Verordnung Nr. 575/2013 (CRR)

[3] Art. 501 EU-Verordnung Nr. 575/2013 (CRR)

]]>
http://www.mister-ede.de/wirtschaft/fehlanreize-basel-regulierung/2947/feed 0
StandPUNKT: Felix Austria! http://www.mister-ede.de/politik/finanzkrise-felix-austria/2722 http://www.mister-ede.de/politik/finanzkrise-felix-austria/2722#comments Tue, 08 Jul 2014 18:39:47 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2722 Weiterlesen ]]> Das österreichische Parlament hat beschlossen, bei der Sanierung der angeschlagenen Bank Hypo Alpe Adria die Gläubiger der Bank durch einen Schuldenschnitt an der Finanzierung zu beteiligen [1]. Damit werden wie in Zypern die Steuerzahler deutlich entlastet, während diejenigen mit in die Haftung genommen werden, die zuvor auch von den Anlagen profitiert haben. Kleinsparer werden dabei wie auch schon in Zypern vom Schuldenschnitt ausgenommen.
Gelingt es am Ende tatsächlich die Staatskasse um 1,7 Milliarden Euro zu entlasten, dann entspricht dies einer Entlastung von rund 200 Euro je Einwohner in der Alpenrepublik. Oh du glückliches Österreich, das es schafft Risiko und Haftung wieder zusammenzuführen und nicht der Finanzlobby folgend Steuergelder in ein großes schwarzes Loch schmeißt.


[1] Artikel bei tagesschau.de zur Entscheidung in Österreich vom 08.07.2014 (Link zum Artikel auf www.tagesschau.de)

]]>
http://www.mister-ede.de/politik/finanzkrise-felix-austria/2722/feed 2
Warum Banken das Fremdkapital suchen http://www.mister-ede.de/wirtschaft/banken-und-das-fremdkapital/2549 http://www.mister-ede.de/wirtschaft/banken-und-das-fremdkapital/2549#comments Mon, 21 Apr 2014 15:39:31 +0000 Fleer http://www.mister-ede.de/?p=2549 Weiterlesen ]]> Im Rahmen der Finanzkrise werden von Banken immer wieder höhere Eigenkapitalquoten gefordert, um die Sicherheit und Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten. Doch wenn Eigenkapital für mehr Sicherheit bei Banken sorgt, stellt sich die Frage, wieso Banken überhaupt zu niedrigen Eigenkapitalquoten neigen.
Grundsätzlich ist die Fremdfinanzierung im Wesen der Banken begründet. Sie sind für die Aufbewahrung und Verwaltung von Spareinlagen zuständig und diese Einlagen sind automatisch Fremdkapital für die Bank. Daneben greifen Banken aber auch noch zu weiteren Formen der Fremdfinanzierung. Dazu gehören zum Beispiel das Emittieren von Anleihen, zusätzliche Notenbankkredite oder auch Kredite aus dem Interbankengeschäft.

Die extrem niedrigen Eigenkapitalquoten lassen sich dabei vor allem durch das oberste Unternehmensziel, der Gewinnmaximierung, bzw. der Steigerung des Shareholder Value, begründen. Entscheidend für die Wahl der Finanzierungsform sind die Kosten des jeweiligen Finanzinstruments. Für eine Bank stellt sich also die Frage, wie sie sich am günstigsten finanzieren kann.
Um zu verstehen, wie sich der Preis für ein Finanzierungsinstrument zusammensetzt, muss die Anlegerseite betrachtet werden. Rendite und Risiko sind hierbei die wesentlichen Größen zwischen denen ein Anleger abwägen muss. Zu den Risiken können gesamtwirtschaftliche Währungsrisiken genauso zählen, wie konkrete Ausfallrisiken bei einer Rückzahlungen, Kursrisiken oder schwankende Dividenden. In jedem Fall gilt, je größer das Risiko einer Anlage, desto höher ist die geforderte Rendite, denn der Anleger möchte für jede übernommene Einheit an Risiko vergütet werden.
Wie hoch jedoch das Risiko einer Anlage ist, hängt von der jeweiligen Form der Anlage ab. Hierbei unterscheiden sich Fremd- und Eigenkapitalanlagen bei den Risiken erheblich. Während Fremdkapital, wie z.B. Spareinlagen, nicht für Verluste der Bank haftet, trägt das Eigenkapital per Definition das volle Verlustrisiko, z.B. im Falle einer Insolvenz. Das von den Anlegern getragene Ausfallrisiko wird demnach eingepreist. Wie groß jedoch das Risiko einer Insolvenz oder eines Ausfalles ist, hängt umgekehrt aber auch von der Menge der Eigenkapitalmittel ab. Je höher die Eigenkapitalquoten sind, desto geringer ist das Risiko eines Teil- oder Komplettausfalls. Aus Sicht einer Bank bedeutet dies, dass die Kosten des Eigenkapitals bei steigenden Eigenkapitalquoten sinken und sich an die Kosten des Fremdkapitals annähern sollten [1].

Jedoch gibt es neben dem höheren Ausfallrisiko auch noch zahlreiche weitere Gründe, wie zum Beispiel die Einlagensicherung für Privatanleger, die zu einer Bevorzugung der Fremdkapitalanlagen führen. Daneben spielt auch der leichtere Zugang zum Beispiel bei kleinen Summen oder auch die im Gegensatz zu Aktien bei Sparbüchern fehlenden Kursschwankungen eine Rolle. Aus demselben Grund wird auch das Interbankengeschäft mit Hilfe von Krediten und nicht mit Aktien oder ähnlichem abgewickelt.
Daneben dürfte aber auch das Handeln der Politik in den vergangenen Jahren einen Anreiz für das Fremdkapital gesetzt haben. So wurden konsequenterweise angeschlagene Banken gerettet. Auf der einen Seite erhöhte dies die Risikoneigung des Managements und auf der anderen Seite fühlten sich Fremdkapitalanleger gut geschützt. Diese Form der Bail-out Zusage ist somit ein weiterer Vorteil der Fremdkapitalanlagen.
Alle diese Faktoren führen dazu, dass es selbst bei höheren Eigenkapitalquoten eben nicht zu einer Gleichheit zwischen Fremd- und Eigenkapitalzins kommt. Der Preis, den eine Bank für Eigenkapital zu zahlen hat, wird in aller Regel über dem Preis für Fremdkapital liegen. Besonders in Krisensituationen erhöht sich aber der Preisaufschlag deutlich, weshalb es für Banken in einem solchen Fall besonders kostspielig bis gar unmöglich wird, notwendige Eigenkapitalmittel zu beschaffen.

Außer diesem Preisvorteil des Fremdkapitals, gibt es aber auf der Seite der Banken noch weitere Einflussgrößen auf die Finanzierungskosten. Das Emittieren neuer Aktien ist ein deutlicher höherer Aufwand und deshalb mit höheren Kosten verbunden, als die Aufnahme von Fremdkapitalmitteln, z.B. das Abrufen von Notenbankkrediten oder kurzfristige Darlehen im Interbankenbereich.
Neben all diesen Punkten, hat die Eigenkapitalfinanzierung aus Unternehmenssicht noch einen weiteren Makel. Während die Dividenden, die einen Großteil der Eigenkapitalkosten darstellen, aus den bereits versteuerten Gewinnen bezahlt werden, sind die Zinsen als Kosten des Fremdkapitals voll steuerlich abzugsfähig. Diese Abzugsfähigkeit, der sogenannte Tax-Shield, ist ein weiterer Vorteil des Fremdkapitals.
Insgesamt haben sowohl Banken als auch Anleger viele Gründe um das Fremdkapital gegenüber dem Eigenkapital zu bevorzugen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob sich unser Bankensystem vielleicht durch eine Anreizverschiebung, also einer Attraktivitätssteigerung des Eigenkapitals, nachhaltig stabilisieren lässt. Bislang setzen die Regulierer beim Eigenkapitalmanagement der Banken vorwiegend auf quotale Regelungen.

Basel III – Die Eigenkapitalregulierung (Fleer – www.mister-ede.de – 03.03.2014)

Doch eine derartige Regelung sorgt lediglich dafür, dass Banken das Eigenkapital, dessen durch die Regulierer gegebenen festen Proportionen nicht verletzt werden dürfen, als eine Art lästige Pflicht betrachten. Ein Eigenkapitalaufbau über diese Minimalquoten hinaus, findet so bei den wenigsten Banken statt.
Um das Problem des Eigenkapitalmangels nachhaltig zu lösen, muss es daher eine Attraktivitätsangleichung beider Finanzierungsformen geben, auch wenn eine vollständige Gleichheit sicherlich nicht zu erreichen sein wird.

Eine Möglichkeit bestünde in der Veränderung der Steuergestaltung. So könnte für Banken ein eigenständiges Besteuerungssystem eingeführt werden, das als Steuerbemessungsgrundlange nicht den Jahresüberschuss heranzieht, sondern den zu versteuernden Betrag über ein modifiziertes EBIT berechnet. Dies hätte zur Folge, dass der Steuervorteil, der beim Fremdkapital bislang durch die Abzugsfähigkeit von Zinskosten entsteht, gänzlich eliminiert würde. Eine andere Möglichkeit wäre es, die Bail-Out Zusagen der Politik zu lockern, damit nicht diese zusätzliche Sicherheit die Attraktivität des Fremdkapitals weiter erhöht.


[1] Modigliani, F., Merton, H. (1958): The Cost of Capital, Corporation Finance and the Theory of Investment. In: The American Economic Review, Jg. 48, H. 3, S. 261–297

]]>
http://www.mister-ede.de/wirtschaft/banken-und-das-fremdkapital/2549/feed 0
Ein Überblick über die Herausforderungen der Europäischen Union http://www.mister-ede.de/politik/die-herausforderungen-der-eu/2538 http://www.mister-ede.de/politik/die-herausforderungen-der-eu/2538#comments Sun, 20 Apr 2014 16:15:53 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2538 Weiterlesen ]]> In etwa einem Monat findet die Europawahl statt und bekanntlich steht die Europäische Union vor diversen Herausforderungen. Um einen kleinen Überblick über diese zu geben, habe ich die unterschiedlichen Herausforderungen in einer Liste zusammengefasst. Die Liste soll dabei aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben und die Reihenfolge der einzelnen Punkte soll auch keine Wertung ausdrücken.

1.) Globale Probleme:

Für den Klimawandel oder das weltweite Bevölkerungswachstum ist zwar nicht nur die EU verantwortlich und sie alleine kann solche globalen Probleme auch nicht lösen, dennoch muss sich die EU diesen Herausforderungen stellen.
Eine wesentliche Aufgabe bleibt es dabei weiterhin zu versuchen, auch andere Länder wie die USA, China oder Indien von der Sinnhaftigkeit eines gemeinsamen Weges bei den globalen Problemen zu überzeugen. Allerdings müsste die EU diesen Themen selbst ebenso eine größere Bedeutung zumessen. Würde gegen Umweltverschmutzung ähnlich scharf vorgegangen wie gegen Produktpiraterie, wäre dies aus meiner Sicht ein Fortschritt.

2.) Globalisierung:

Die weltweite Verflechtung des Handels und die gegenseitigen Abhängigkeiten führen dazu, dass Weltpolitik neu gedacht werden muss. So hat die Globalisierung von Handel und Wirtschaft den Einfluss nationaler Regierungen auf die Entwicklung von Handel und Wirtschaft deutlich eingeschränkt.
Haben früher Unternehmen ihre Produktion an höhere Umweltauflagen angepasst, findet heute deutlich schneller eine Verlagerung in Länder mit geringen Auflagen statt. Ähnlich ist der Druck auch bei verbesserten Arbeitsbedingungen oder höheren Löhnen. Und auch die Rosinenpickerei bei der Steuergestaltung großer Konzerne ist der globalisierten Wirtschaft geschuldet.
Aus meiner Sicht ist genauso wie bei den globalen Problemen auch bei den Herausforderungen durch die Globalisierung vor allem eine stärkere Koordination zwischen den verschiedenen Wirtschaftsräumen notwendig.

Die globale Wirtschaft – Unsere Schuld und fremdes Leid (www.mister-ede.de – 12.12.2012)

3.) Wettbewerb der EU-Staaten:

Eine weitere Herausforderung besteht darin, innerhalb der EU den Wettbewerb unter den Staaten wieder durch mehr Koordination und Kooperation zu ersetzen. In den letzten Jahren führte vor allem die Konkurrenz der Staaten untereinander zu Verwerfungen in der europäischen Wirtschaftslandschaft, wie z.B. durch die Steuergestaltung einzelner Mitgliedsstaaten oder durch die deutsche Lohnzurückhaltung. Das Ergebnis einer solchen Kirchturmpolitik ist allerdings nur ein Wohlstandsverlust für die Gesamtheit.
Daneben wirft dieser Wettbewerb auch die Frage auf, wie mit denjenigen EU-Staaten umgegangen werden soll, die in diesem Kampf um Standorte, Fachkräfte oder Finanzinvestitionen nicht mehr mithalten können.
Gelingt es der EU nicht, diesen Wettbewerb der Staaten wieder in geordnete Bahnen zu lenken, wird früher oder später die Spreizung zwischen Gewinnern und Verlieren des Wettbewerbs die EU von innen heraus zum Zerreißen bringen.

Die Wettbewerbsfähigkeit: Täuschung der Relation (www.mister-ede.de – 27.02.2014)

4.) Nationalinteressen:

Insgesamt steht die EU vor der Aufgabe, die verschiedenen Nationalinteressen zu einem gemeinsamen Gesamtinteresse zu einen. Bislang rückte bei Vorhaben der EU immer wieder das Interesse der Gemeinschaft hinter das Interesse einzelner Mitgliedsstaaten zurück.
Dies war unlängst bei den Grenzwerten für Autos zu sehen oder auch bei der Diskussion um die Einführung einer Finanztransaktionssteuer.
Eine Staatengemeinschaft, vor allem in dieser Größe, kann aber nur dann funktionieren, wenn die Mitgliedsstaaten bereit sind, ihr Nationalinteresse in einem gewissen Maße hinter die Gemeinschaftsinteressen zurückzustellen.
Wahrscheinlich befördert aber auch der Aufbau der EU selbst diese Verschiebung hin zu den Nationalinteressen, denn die nationalen Regierungen haben über die Europäischen Räte und die Europäische Kommission einen erheblichen Einfluss auf die EU-Politik.
Die Stärkung des Europäischen Parlamentes als gemeinsame politische Institution könnte daher auch ein Ansatz sein, um die Kultur der widerstreitendenden Nationalinteressen zu überwinden und durch ein kooperatives Denken zu ersetzen.

Zukunft EU: Dachverband der Nationalinteressen oder Gemeinschaftsprojekt? (www.mister-ede.de – 31.01.2013)

Gewaltenteilung und Demokratie in Deutschland und der EU (www.mister-ede.de – 12.09.2012)

5.) Landwirtschaft:

Bei einem Gesamtbudget der EU für 2014 von 142,2 Mrd. Euro fließen alleine 43,8 Mrd. Euro in die gemeinsame Agrarpolitik, genannt CAP (Common Agricultural Policy). Daneben sind weitere 14,0 Mrd. Euro für die Entwicklung des ländlichen Raumes vorgesehen. Zum Vergleich stehen 0,3 Mrd. für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, 1,3 Milliarden für das Satellitenprogramm Galileo und 9,3 Mrd. Euro für Forschung und Innovation zur Verfügung [1]. Auch in der neuen langfristigen Finanzplanung der EU für die Jahre 2014 – 2020 ist die Landwirtschaftsförderung der mit Abstand größte Ausgabeposten.
Allerdings fehlen so nicht nur der EU diese Gelder an anderer Stelle, sondern mit dieser Subvention wird es Entwicklungsländern auch weiterhin erschwert, über den Agrarsektor in den globalen Handel einzutreten. Sowohl im eigenen als auch im globalen Interesse sollte sich die EU daher der Herausforderung einer Veränderung der Agrarpolitik stellen.

Der BIP-Vergleich: Von Monaco bis Malawi (www.mister-ede.de – 13.06.2012)

6.) Finanzen- und Bankensektor:

Die europäische Finanzkrise hat gezeigt, welche Gefahren in einem instabilen Finanz- und Bankensektor lauern. Eine weitere Aufgabe für die EU ist daher die Stabilisierung der europäischen Banken und eine Neuausrichtung der Überwachungs- und Kontrollinstanzen im Finanzwesen.
Zwar ist die EU schon seit einigen Jahren in diesem Bereich aktiv, allerdings ohne wesentlichen Erfolg. Beim Aufbau einer europäischer Ratingagenturen, um nicht auf zweifelhafte Ratings aus Übersee angewiesen zu sein, ist die EU gescheitert [2] und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, um die Spekulation einzudämmen oder zumindest den Finanzsektor an den Kosten der Finanzkrise zu beteiligen, verzögert sich immer weiter. Ebenso ist bislang wenig Licht im Schattenbankensektor und auch die Bankenaufsicht kommt nur sehr langsam voran.
Die Regulierung des Bank- und Finanzwesens bleibt damit weiterhin eine Herausforderung der sich die EU stellen muss und zwar auch, damit die Entscheidungsgewalt wieder von der Börse ins Parlament zurückverlagert wird.

Und täglich grüßt die Finanztransaktionssteuer (www.mister-ede.de – 29.10.2013)

Eine Bilanz nach fünf Jahren Euro-Rettungspolitik (www.mister-ede.de – 15.10.2013)

7.) Digitalisierung und Datenschutz:

Wie bei anderen technischen Errungenschaften kommt auch bei der Digitalisierung zuerst die Technik und danach muss mit Gesetzen die Verwendung der Technik geregelt werden. Zuerst kamen die Autos und dann folgten Verkehrsregeln, Anschnallpflicht und Abgasgrenzwerte.
Aufgaben für die EU im digitalen Zeitalter sind daher die Entwicklung eines internationalen Datenschutzabkommens, die Sicherung eines freien Zugangs zum Internet für die europäischen Bürger oder auch die Harmonisierung urheberrechtlicher Bestimmungen, um einen gesetzlichen Rahmen für die digitale Technik zu schaffen.
Allerdings zeigen NSA-Skandal und die Übermacht US-amerikanischer Konzerne von Apple über Microsoft zu Google und Facebook, dass es für die EU zuerst darum gehen muss, durch den Ausbau eigener Fähigkeiten die Abhängigkeiten zu reduzieren, um überhaupt in der Lage zu sein, eigene Standards zu setzen.
Neben dem Rückstand auf die USA besteht zusätzlich das Problem, dass sich nur in wenigen Bereichen Mentalität und rechtliche Regelungen in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten stärker unterscheiden als im Bereich der Digitalisierung und des Netzes. Für die EU ergibt sich dadurch die weitere Herausforderung, für diese Technik Regeln und Gesetze zu schaffen, die auf der einen Seite im grenzüberschreitenden Informationsaustausch praktikabel und auf der andern Seite für die einzelnen Mitgliedsstaaten akzeptabel sind.

Brauchen wir eine öffentlich-rechtliche Internetanstalt? (www.mister-ede.de – 29.01.2012)

8.) Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik:

Das Ziel einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik wird nicht erst seit gestern verfolgt, sondern ist schon über Jahrzehnte fester Bestandteil der europäischen Agenda. Unter anderem soll so die Rolle der EU in der Welt gestärkt und ihr Einfluss ausgebaut werden, um den Bedeutungsverlust der Nationalstaaten auf internationaler Ebene auszugleichen. Doch die Krisen der jüngsten Vergangenheit, ob nun Krim-Krise, der Bürgerkrieg in Syrien oder der Konflikt in Georgien, und die Abstimmungsprobleme wie bei Libyen oder dem Einsatz in Mali verdeutlichen, wie unterschiedlich die außenpolitischen Positionen in den verschiedenen Mitgliedsstaaten bisher sind. Eine wesentliche Herausforderung für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ist daher die Entwicklung einheitlicher Positionen in diesem Feld.
Allerdings scheint bisweilen auch die Hoffnung auf eine Verringerung der Verteidigungsausgaben durch den Abbau von Doppelstrukturen eine Triebfeder der angestrebten Zusammenarbeit zu sein. Aber mit weniger Einsatz mehr Verantwortung zu übernehmen, wird aus meiner Sicht schwer, weshalb es eine weitere Aufgabe sein wird, in diesem Bereich Anspruch und Wirklich in Einklang zu bringen.

9.) Außengrenzen:

Der Druck auf die Außengrenzen der EU ist eine weitere Herausforderung, vor der die europäische Union steht. Zum einen müssten die EU-Binnenstaaten künftig mehr zur Sicherung der gemeinsamen Außengrenzen beitragen, um dem gestiegenen Flüchtlingsaufkommen gerecht zu werden, zum anderen müsste sich die EU aber auch stärker um die Verringerung des Flüchtlingsaufkommens bemühen.
Zwar lassen sich nicht alle Katastrophen oder Bürgerkriege wie jetzt in Syrien verhindern, allerdings völlig machtlos ist die EU nicht. So könnte mit der Entwicklung legaler Einwanderungssysteme und mit einer besseren Koordination unter den Mitgliedsstaaten der Druck auf die Außengrenzen minimiert werden. Auch eine verbesserte Unterstützung angrenzenden Regionen, z.B. in Nord-Afrika oder auf dem Balkan, wäre ein Ansatz. So könnte durch eine wirtschaftlich Stärkung und politische Stabilisierung nicht nur der Drang der dort lebenden oder gestrandeten Menschen nach Europa reduziert, sondern auch das dortige Staatswesen beim Kampf gegen die illegale Migration, z.B. gegen Schlepperbanden, gestärkt werden.

10.) Integration der Neu-Mitglieder:

Obwohl sich Länder wie Polen oder Ungarn über ein Jahrzehnt auf die Mitgliedschaft in der EU vorbereitet haben und am 1. Mai zehn Jahre EU-Mitgliedschaft feiern können, ist der wirtschaftliche Abstand zu anderen Mitgliedern der EU wie Deutschland oder den Niederlanden immer noch enorm. Noch deutlicher wird die schlechte wirtschaftliche Integrationsfähigkeit der EU bei Ländern wie Rumänien oder Bulgarien, denen man kaum ansieht, dass sie nun schon seit sieben Jahren Teil einer der wirtschaftsstärksten Regionen der Welt sind.
Bei einigen Ländern gibt es neben diesen Schwierigkeiten bei der Angleichung der Wirtschaftskraft aber auch Probleme bei der Integration in die europäische Rechts- und Wertegemeinschaft. So mangelt es bei manchen Neu-Mitgliedern immer noch an Rechtsstaatlichkeit, z.B. bei der Pressefreiheit oder dem Schutz von Minderheiten.
Die Herausforderung für die EU ist es daher, den Integrationsprozess der Neu-Mitglieder stärker zu begleiten, damit sich die Lebensbedingungen in den einzelnen EU-Mitgliedsländern tatsächlich angleichen. Dafür muss die EU zum einen gegen den Widerstand einzelner Mitgliedsländer stärker die Integration in die europäische Rechts- und Wertegemeinschaft fordern und zum anderen muss sie gegen den Widerstand der Netto-Zahler die Förderung der wirtschaftlichen Integration ausbauen.
Vor allem im Hinblick auf das Neu-Mitglied Kroatien und die mögliche Aufnahme weiterer Länder in die EU, scheint es mir unausweichlich die Herausforderung einer Verbesserung des Integrationsprozesses anzugehen.

Ungarn, Rumänien, Bulgarien – Am Rande der EU (www.mister-ede.de – 21.02.2013)

11.) Weitere Herausforderungen:

Neben den genannten Herausforderung gibt es noch eine Reihe weiterer die mir einfallen, wie die Überwindung der Finanzkrise, die Beseitigung der wirtschaftlichen Ungleichgewichte in der Eurozone, die Ausrichtung der Wirtschaft im Angesicht endlicher Rohstoffe, der Umgang mit Gen-Technik in Forschung und Landwirtschaft, die Begrenzung des Wirtschaftslobbyismus oder die Stärkung des Verbraucherschutzes und sicherlich gibt es auch noch einige Punkte, die hier unerwähnt geblieben sind. Dennoch hoffe ich, dass ich mit diesem Überblick zumindest einen Eindruck von Menge und Vielfalt der Herausforderungen für die EU vermitteln konnte.


[1] Mehrjähriger Finanzrahmen 2014 – 2020 und EU-Haushalt für das Jahr 2014 (Link zur kostenlosen Ausgabe auf bookshop.europa.eu)

[2] Artikel auf sueddeutsche.de vom 30.04.2013 zum Aus der europäischen Ratingagentur (Link zum Artikel auf www.sueddeutsche.de)

]]>
http://www.mister-ede.de/politik/die-herausforderungen-der-eu/2538/feed 1
Basel III – Die Eigenkapitalregulierung http://www.mister-ede.de/wirtschaft/basel3-eigenkapitalregulierung/2420 http://www.mister-ede.de/wirtschaft/basel3-eigenkapitalregulierung/2420#comments Mon, 03 Mar 2014 16:00:48 +0000 Fleer http://www.mister-ede.de/?p=2420 Weiterlesen ]]> In den vergangenen Jahren sorgten immer wieder schwächelnde Banken für Aufsehen und Schlagzeilen in den Medien. Diverse Probleme verursachten in Zeiten der Finanzkrise große Verluste bei Banken, die zum Teil über das vorgehaltene Eigenkapital der Banken hinausgingen. Neben den geringen Eigenkapitalquoten, war eine weitere Folge auch die Illiquidität einiger Banken.
Um zukünftig ein Straucheln der Banken zu verhindern, nahm sich der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht daher zur Aufgabe, ein neues Regulierungspaket (Basel III) zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Banken und des Finanzsektors auf den Weg zu bringen [1]. Dabei setzt Basel III an den Schwachstellen der Banken an, sodass die Regulierer eine sowohl qualitative -, als auch quantitative Stärkung des Eigenkapitals beschlossen haben. Ebenfalls gehören diverse Auflagen zur quantitativen Steuerung der Liquidität zum Regulierungspaket, sowie Neuerungen bei der Zusammensetzung und Gewichtung der Risikoaktiva.
Der folgende Beitrag setzt sich knapp mit dem Bereich der Eigenkapitalregulierung auseinander, und bewertet ob die von den Regulierern ergriffenen Maßnahmen tatsächlich zu einem widerstandsfähigeren Finanzsektor führen. Die wesentlichen Neuerungen lassen sich dabei in vier Punkten darstellen.

1.) Basel III sorgt für eine Verstärkung der risikosensiblen Eigenkapitalquoten. Ein besonderer Fokus wird dabei auf das Kernkapital gelegt, welches bei vollkommender Implementierung mindestens 6% der risikogewichteten Aktiva enthalten muss. Die Entscheidung der Regulierer ist zu begrüßen, denn unter Basel II mussten lediglich 2% der Risikoaktiva mit Kernkapital unterlegt werden. Sicherlich sorgt dieser Schritt für eine Stärkung der Widerstandsfähigkeit, jedoch darf nicht aus den Augen verloren werden, dass dieses Modell von der Annahme gestützt ist, Risiko mathematisch abbilden zu können. Insbesondere unsystemische Risiken sind hier schwer zu erfassen.
2.) Basel III führt ein Kapitalpuffersystem ein. Zu den zusätzlichen 6% Kernkapital müssen von den Banken unter bestimmten Prämissen weitere Bestände an Kapital Aufgebaut werden (bis zu 14%). Hierdurch versuchen die Regulierer sowohl Systemische – als auch Zyklische Risiken besser zu erfassen und in den Eigenkapitalanforderungen zu berücksichtigen. Besonders gelungen ist, dass bei unterschreiten der gesetzten Pufferanforderungen, prozentuale Gewinnausschüttungssperren herrschen. Man könnte eigentlich meinen, dass in Krisenzeiten eine Bank keine Gewinne Ausschütten würden, diese Annahme ist jedoch Falsch. Ein solches opportunistisches Fehlverhalten wird mit dieser Regelung korrigiert.
3.) Basel III stärkt die Qualität des Eigenkapitals. In der vorangegangen Version des Regulierungsstandards konnten in großen Mengen Kapitalbestandteile mit Fremdkapitalcharakter als Eigenkapital angerechnet werden. Diese falsche Anreizgestaltung wurde durch die Regulierer beseitigt. Als Kernkapital dürfen mit Basel III lediglich Kapitalbestandteile angerechnet werden, die einen eindeutigen Eigenkapitalcharakter vorweisen. Im zusätzlichen Kernkapital können zwar auch fremdkapitalähnliche Instrumente angesetzt werden, diese müssen jedoch eine Wandlungsfunktion in Eigenkapital vorweisen. Die Regulierer stärken durch diesen Schritt die Zusammensetzung des Haftungskapitals und legen einen stärkeren Fokus auf die Going Concern Perspektive.
4.) Mit großer Wahrscheinlichkeit wird mit Basel III im Jahr 2018 eine Leverage Ratio eingeführt. Die Leverage Ratio ist eine risikounsensible Eigenkapitalquote. Die Regulierer scheinen demnach aus dem Fehler, die regulatorischen Kapitalanforderungen ausschließlich auf risikosensible Kapitalquoten zu stützen, gelernt zu haben. Somit bekommt das risikosensible Messsystem ab 2018 ein risikounsensibles Korrektiv in Höhe von 3% des Gesamtengagements.

Betrachtet man die Vier aufgeführten Inhalte von Basel III zur Eigenmittelregulierung, scheinen die Regulierer im Kern die Probleme der Finanzmarktkrise erfasst zu haben und ergreifen geeignete Steuerungsmaßnahmen.
Jedoch bleiben zu einem so frühen Zeitpunkt der Implementierung noch einige Fragen offen. Welche Auswirkungen hat Basel III auf die Kreditvergabe? Wird es trotz der historisch niedrigen Zinsen zu einer Kreditklemme kommen? Wird ein strikterer Nachhaltigkeitsgedanke bei den Banken durch Basel III gefördert, oder wird das Regelwerk lediglich als eine lästige Nebenbedingung behandelt?


[1] Basel Committee on Banking Supervision (2011): Basel III, A global regulatory framework for more resilient banks and banking systems, reviesed Version (Link zum PDF-File auf www.bis.org)

]]>
http://www.mister-ede.de/wirtschaft/basel3-eigenkapitalregulierung/2420/feed 0