mister-ede.de » Beispiele https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Coronavirus: Abschätzung der Testquote mittels Modellierung der tatsächlichen Infektionskurve https://www.mister-ede.de/natur/coronavirus-infektionskurve/9052 https://www.mister-ede.de/natur/coronavirus-infektionskurve/9052#comments Wed, 06 May 2020 13:12:00 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9052 Weiterlesen ]]> Der nachfolgende Beitrag erläutert einen Ansatz zur Abschätzung der Testquote. Diese sagt aus, wie hoch der Anteil der Corona-Infizierten ist, die positiv auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet werden. Während allerdings die Zahl der täglichen positiven Befunde bekannt ist – sie wird vom Robert-Koch-Institut (RKI) regelmäßig veröffentlicht – liegt der Nenner, die Gesamtzahl der Infizierten, im Dunkeln. Um diese Dunkelziffer abzuschätzen, wird nachfolgend eine Kurve der tatsächlichen täglichen Neuinfektion aus den Daten des Robert-Koch-Instituts heraus mit Stand 6.5.2020 modelliert.

Dem Modellierungsansatz liegt dabei die Annahme zugrunde, dass im Verlauf der Epidemie bei einem konstanten Anteil der Infizierten eine Erkrankung diagnostiziert wird. Eine solche konstante Diagnoserate dürfte jedoch nicht der Realität entsprechen, weil sich zum einen das Verhalten der Menschen im Verlauf der Epidemie vermutlich geändert hat, der Arzt wird also häufiger oder vielleicht umgekehrt auch seltener aufgesucht, und zum anderen weil inzwischen durch angeordnete Reihenuntersuchungen zusätzliche Erkrankte gefunden werden, die wegen schwacher Symptome von sich aus nie zu einem Arzt gegangen wären. Dies wird hier aber vernachlässigt.

Zur Abschätzung der Testquote werden pro Tag zwei RKI-Daten verwendet, zum einen die Infektionsmeldungen nach Meldedatum und zum anderen die Erkrankungsmeldungen nach Erkrankungsdatum. Das Meldedatum spiegelt dabei das Datum wieder, an dem ein meldepflichtiger Verdachtsfall vorliegt, bei dem später eine Coronavirus-Infektion bestätigt wurde. Das Erkrankungsdatum spiegelt hingegen jenen Zeitpunkt wieder, an dem aufgrund von Symptomen eine Erkrankung an COVID-19 festgestellt werden konnte. Somit liegen beispielsweise für den 9. April die Zahl der an diesem Tag neuen und später positiv auf das SARS-CoV-2 getesteten Verdachtsfälle vor (4.923) sowie die Zahl derjenigen, die an diesem Tag erste Symptome einer COVID-19-Erkrankung verspürt haben (1.683).

Modellierung der Kurve der tatsächlichen täglichen Neuinfektionen:

Um die Daten des RKI für die Abschätzung der Testquote von Tages- und Wochenendeffekten zu bereinigen, wird jeweils der 7-Tages-Schnitt der Infektionsmeldungen (grüne Kurve) und der 7-Tages-Schnitt der Erkrankungsmeldungen (gelbe Kurve) verwendet. Weil es bei den jüngeren Daten noch eine gewisse Unsicherheit gibt, die auf verzögerter Übermittlung bzw. erst später festgestellten Erkrankungen beruhen, werden die Meldedaten hier nur bis zum 1.5.2020 und die diagnostizierten Erkrankungen nur bis zum 16.4.2020 ausgewiesen. Unter den zuvor getroffenen Annahmen kann dann zunächst eine Kurve der tatsächlichen täglichen Neuinfektionen modelliert werden, indem die Parameter Inkubationszeit und Anteil der Erkrankungen unterschiedlich gesetzt werden.

Bei einer Diagnoserate von 5% und einer Inkubationszeit von 4 Tagen ist die modellierte Kurve der tatsächlichen Neuinfektion 20-mal höher und verläuft 4 Tage vor der Kurve der Erkrankungsmeldungen. Bei einer Diagnoserate von 20% und 6-tägiger Inkubationszeit ist die Kurve der tatsächlichen Neuinfektion hingegen nur 5-mal höher und verläuft dafür 6 Tage früher.

Deutlich wird, dass die Inkubationszeit keine sonderliche Rolle für die Abschätzung der tatsächlichen Neuinfektionen spielt, sehr wohl jedoch die Frage, wie viele der SARS-CoV-2-Infizierten eine positive COVID-19-Diagnose gestellt bekommen. Es wäre daher sinnvoll, durch eine repräsentative Studie einen näherungsweisen Wert für die aktuelle Diagnoserate in Deutschland insgesamt und den verschiedenen Regionen zu ermitteln. Denn der Vorteil einer Modellierung der tatsächlichen Infektionen anhand der Erkrankungsfälle besteht darin, dass diese zu Beginn einer Epidemie eher korrekt erfasst werden als die Gruppe der symptomlosen Infizierten. Außerdem ist die Zahl der Erkrankungsfälle nicht so stark von der Anzahl der Tests pro Einwohner in einem bestimmten Zeitraum oder einer bestimmten Region abhängig, wie das bei den Infektionsmeldungen der Fall ist.

Abschätzung der Testquote:

Vergleicht man die modellierte Kurve der tatsächlichen Neuinfektionen mit der Entwicklung der bestätigten Corona-Meldungen, kann in etwa abgeschätzt werden, wie viele der Corona-Infizierten über die durchgeführten Corona-Tests gefunden werden. Am Anfang der Epidemie waren das verständlicherweise nur wenige bis sich ab Ende März, Anfang April die beiden Kurven annähern. Um besser abzuschätzen, ob die Testquote zu diesem Zeitpunkt nur 15% – 20% oder doch schon deutlich mehr betragen hat, bräuchte es allerdings einen engeren Korridor für die Diagnoserate als die sehr groben 5% bis 20%. Schlussfolgern kann man aber schon aus dieser Modellierung, dass wir in Deutschland zumindest nicht mehr gänzlich im Dunkeln stochern.

Abschätzung der Testquote auf Basis prognostizierter Erkrankungsmeldungen:

Mit einer in Studien ermittelten Diagnoserate lässt sich die Genauigkeit der Kurve erhöhen. Die Aktualität lässt sich hingegen nur mit Hilfe von Prognosen verbessern. Das RKI verwendet hierzu ein eigenes Nowcast-Modell, um die aktuelle Zahl der Erkrankungsmeldungen zu prognostizieren. Diese Zahlen könnten als Basis für eine Modellierung verwendet werden. Für die nachfolgende Modellierung wird allerdings auf einen eigenen Prognose-Ansatz zurückgegriffen, um getroffene Annahmen und Schätzfehler (z.B. bei zusätzlichen Feiertagen) besser überblicken zu können. Während die gelbe Kurve die aktuellen Rohdaten des RKI zur Zahl der Erkrankungen im 7-Tages-Schnitt darstellt, ist die rote Kurve die rudimentär prognostizierte Gesamtzahl der Personen, deren Erkrankungsbeginn für diesen Tag irgendwann diagnostiziert worden sein wird.

Für die anschließende Modellierung der Gesamtzahl der Infizierten werden eine Diagnoserate von 12,5% und eine mittlere Inkubationszeit von 4 Tagen angenommen. Die blaue Kurve der tatsächlichen Infizierten verläuft damit 4 Tage früher und 8-mal höher als die rote Kurve der prognostizierten Erkrankungsmeldungen. Die auf Basis dieser Annahmen und Prognosen modellierte Kurve der täglichen Neuinfektionen würde dann wie folgt aussehen:

Die jeweilige Testquote zu einem bestimmten Zeitpunkt errechnet sich dann als Bruch aus den täglichen Infektionsmeldungen des RKI durch die modellierte Gesamtzahl der tatsächlichen täglichen Neuinfektionen:

Während der Kurvenverlauf bis Mitte April einigermaßen der Realität entsprechen dürfte – danach nehmen die Unsicherheiten durch die Prognose der Erkrankungszahlen erheblich zu – ist die tatsächliche Höhe der Testquote ungewiss. So führen schon kleine Änderungen der angenommen Diagnoserate zu erheblich höheren oder niedrigeren Testquoten. Mit geeigneten Annahmen dürfte dies allerdings ein durchaus probater Ansatz sein, um einen Überblick zu erhalten, wie gut es gelingt, neue Infektionsfälle aufzuspüren.


Text als PDF: Coronavirus: Abschätzung der Testquote mittels Modellierung der tatsächlichen Infektionskurve


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Kommt es dann allerdings dazu, dass Rdunkel ein gutes Stück über 1 liegt, verliert die Reproduktionszahl an Aussagekraft. Natürlich gilt weiterhin, wenn R insgesamt über 1 steigt, steht Deutschland wieder dort, wo es vor einem Monat schon einmal war, nämlich bei zunehmenden Infektionszahlen. Das möchte zwar niemand, aber bei den Bildern von Schlangen vor Baumärkten, Gedränge in Shoppingcentern und vollen Innenstädten ist das leider kein unwahrscheinliches Szenario.
Aber auch dann, wenn die Reproduktionszahl zunächst noch unter 1 bleibt, verliert die Betrachtung von R an Bedeutung für das Containment, weil der Rückgang der Infektionen im Hellfeld zunehmend durch Infektionseinträge aus dem Dunkelfeld ausgeglichen wird. Gelingt es nicht, die Zahl der unbekannten Infizierten zu verringern, wird die Reproduktionszahl damit automatisch immer wieder Richtung 1 steigen. Mit dem nachfolgendem Beispiel-Szenario wird dieser Effekt dargestellt:

Zu Beginn der Betrachtung gibt es 100 Infizierte im Hellfeld mit einem Rhell von 0,7 und daneben eine Dunkelziffer von 20 Infizierten mit einem Rdunkel von 1,5. In jeder Reproduktionsphase gelangt ein Drittel der Infizierten aus dem Dunkelfeld ins Helle. Somit bleibt die Dunkelziffer konstant bei 20 Infizierten (20 * 1,5 * 2/3) und in jeder Reproduktionsphase findet eine Eintragung von 10 Infizierten (20 * 1,5 * 1/3) aus dem Dunkelfeld ins Hellfeld statt. Im Hellbereich haben wir dann nach der ersten Reproduktionsphase 70 Fälle (0,7 * 100), die sich aus dem Hellfeld selbst ergeben, plus 10 weitere Infektionen, die aus dem Dunkelfeld hinzukommen, also insgesamt 80 Fälle. Wir messen ein Rsichtbar = 0,8. In der nächsten Phase sind es im Hellfeld dann 56 plus wieder 10 Fälle aus dem Dunkelfeld, insgesamt also 66 Infizierte bzw. ein Rsichtbar = 66/80 = 0,82. Noch eine Phase später haben wir 56,2 Fälle bzw. Rsichtbar = 0,85. Das Ganze geht nun immer so weiter bis sich Rsichtbar an 1 annähert und die Zahl der täglich Neuinfizierten im Hellfeld an 33 Fälle, die sich jede Reproduktionsphase auf 23 reduzieren und durch 10 neue Eintragungen aus dem Dunkelfeld ergänzt werden.

Alleine die Tatsache, dass die Reproduktionszahl insgesamt wie auch Rsichtbar die ganze Zeit unter der magischen 1 lag, anfangs sogar recht deutlich, trägt damit noch lange nicht zu einer Situation bei, die zu einer Beendigung der Epidemie führt. Unerheblich ist dabei auch, ob Rhell im Hellfeld bei 0,7 oder 0,5 liegt oder sogar auf 0,2 gedrückt wird. Über kurz oder lang wird sich Rsichtbar wie auch die Reproduktionszahl insgesamt unweigerlich durch die Eintragungen aus dem Dunkelfeld wieder auf 1 heben und die tägliche Fallzahl wird sich auf die Eintragungen aus dem Dunkelfeld geteilt durch (1 – Rhell) einpendeln, also auf 33 Fälle bei Rhell = 0,7 bzw. 12,5 Fälle bei Rhell = 0,2.

Zur Beantwortung der Frage, ob eine Epidemie eingedämmt werden kann, reicht deshalb die Betrachtung des Hellfeldes und der Reproduktionszahl bzw. Rsichtbar nicht aus. Klar, wenn die Epidemie schon bei den bekannten Fällen außer Kontrolle ist, braucht man sich um die Dunkelziffer keine Sorgen mehr machen. Allerdings ist umgekehrt eben noch lange nicht alles gut, nur weil die sichtbare Reproduktionszahl unter 1 liegt.
Daher braucht es für jedes Containment neben der Reproduktionszahl eine weitere Kennzahl, die eine Aussage zur Entwicklung des Dunkelfeldes zulässt. Eine Möglichkeit hierfür ist die Bestimmung des Anteils der Corona-Infizierten, die positiv auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet wurden. Eine solche Testquote kann entweder durch repräsentative Studien ermittelt oder durch Modellrechnungen abgeschätzt werden.
Im dargestellten Beispiel-Szenario liegt die Testquote Anfangs recht hoch bei 100/120 (83%), während sie sich im Verlauf auf 33/53 also etwa 62,5% einpendelt. Die reine Prozentzahl selbst hat aber nur wenig Aussagekraft, solange die Größe des Reservoirs an Infizierten im Dunkelfeld und Rdunkel unbekannt sind. Dafür kann allerdings aus der Entwicklung der Testquote abgelesen werden, ob es „nur“ gelingt, die Fallzahlen zu senken, oder ob darüber hinaus auch immer weiter in das Duneklfeld vorgedrungen und damit ein Ende der Epidemie ermöglicht wird. Sinkt die Testquote, obwohl genügend Tests verfügbar sind und sich das Testschema nicht verändert hat, dann ist das ein deutliches Anzeichen dafür, dass sich das Infektionsgeschehen auch mit einem aktuell beobachtbaren R von 0,9 nicht auf null senken lässt, sondern sich wegen konstanter Einträge aus dem Dunkelfeld auf irgendeinem Niveau einpendelt, wie bei dem obigen Beispiel-Szenario. Oberflächlich betrachtet ist man zwar lange auf einem guten Weg in Richtung Containment. Man testet viel und findet auch viel und neben Rhell liegt sowohl die sichtbare Reproduktionszahl gut unter 1 wie auch die tatsächliche Reproduktionszahl. Aber allmählich drückt sich die Reproduktionszahl dann doch wieder gegen 1. Und auch wenn man in diesem Fall herginge und mit einem gewissen Aufwand Rhell nochmals auf 0,2 drückt, bekommt man zwar die Neuinfektionen auf 12,5 am Tag gesenkt, aber eben nicht das Problem beseitigt. Denn anstatt tiefer in das Dunkelfeld vorzudringen und das Reservoir der unbekannten Infizierten zu verkleinern, wird auf diese Weise einfach nur die Testquote gesenkt.

Für ein erfolgreiches Containment ist daher neben einer Reproduktionszahl kleiner 1 auch eine konstant hohe oder steigende Testquote unerlässlich – oder eben eine andere Maßzahl, mit der ein Rückgang der Dunkelziffer überwacht werden kann. Denn, solange es keine Herdenimmunität und keinen Impfstoff gibt, müssen auch die letzten aktiven Infizierten im Dunkelfeld gefunden worden sein oder zumindest gefunden werden können, um die Epidemie auf Dauer einzudämmen. Das heißt, es darf durchaus noch unbekannte Infizierte geben, aber es muss klar sein, dass neu auftretende Ausbrüche, egal ob durch eine Infektion aus dem Dunkelfeld oder durch eine Eintragung aus dem Ausland, immer wieder so schnell und umfassend unter Kontrolle gebracht werden können, dass sich daraus nicht wieder eine exponentielle Vermehrung ergibt. Und das gelingt eben nur, wenn ein ausreichend großer Anteil der Infizierten durch Tests gefunden wird. Daneben hat die Testquote aber auch noch aus einem anderem Grund Charme: Während man die Reproduktionszahl nur mit hohem Aufwand und sehr indirekt beeinflussen kann, ist eine Erhöhung der Testquote über die schlichte Ausweitung von Testkapazitäten und die vermehrte Durchführung von Reihentests vergleichsweise leicht zu bewerkstelligen. Solange also die Reproduktionszahl unter 1 liegt und damit eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindert wird, ist die Erhöhung der Testquote ein relativ einfacher und milder Ansatz, um das Infektionsgeschehen nach und nach unter Kontrolle zu bringen.

Disclaimer: Dieser Beitrag stellt ein logisches Grundproblem dar und basiert nicht auf tieferen Kenntnissen der Epidemiologie.


Text als PDF: Warum eine hohe Testquote für Containment genauso wichtig ist wie eine niedrige Reproduktionszahl


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Das Durchschnittseinkommen:

Das Durchschnittseinkommen gibt das arithmetische Mittel aller Einkommen einer Gruppe (z.B. Personen oder Haushalte) an. Es kann sowohl für Bruttoeinkommen als auch für Nettoeinkommen bestimmt werden.

Das Medianeinkommen (mittleres Einkommen):

Zur Berechnung des Medianeinkommens, oft auch mittleres Einkommen genannt, werden alle Einkommen einer Gruppe (z.B. Personen oder Haushalte) nach ihrer Höhe geordnet. Jenes Einkommen, das die Person oder der Haushalt in der Mitte dieser Liste hat, ist das Medianeinkommen. In der Regel wird das Medianeinkommen auf Basis der Nettoeinkommen berechnet, z.B. in Form von verfügbaren Haushaltseinkommen.

Median-Äquivalenzeinkommen:

Das Äquivalenzeinkommen wird zum Vergleich zwischen unterschiedlichen Haushaltsformen (Singlehaushalte, Zweipersonenhaushalte, Haushalte mit Kindern) herangezogen und rechnet das Nettoeinkommen, beispielsweise einer Familie mit zwei Kindern, auf das Nettoeinkommen eines Haushalts einer alleinlebenden Person um. Das Median-Äquivalenzeinkommen ist dementsprechend das umgerechnete Einkommen, das sich in der Mitte der nach der Höhe der Einkommen geordneten Liste befindet. Haushalte deren Äquivalenzeinkommen bei 60% oder weniger des Median-Äquivalenzeinkommens liegen, gelten als armutsgefährdet.

Beispiel:

Betrachtet werden 11 Haushalte von alleinlebenden Personen mit unterschiedlichem Nettoeinkommen.

Das Durchschnittseinkommen dieser 11 Haushalte beläuft sich auf 2.018 Euro. Das Medianeinkommen bzw. mittlere Einkommen liegt hingegen bei 1.600 Euro. Da es sich hierbei um die Haushalte von alleinlebenden Personen handelt, entsprechen die Haushaltseinkommen ohne weitere Umrechnungen dem Äquivalenzeinkommen dieser Haushalte. Das in der Mitte liegende Einkommen (Person 6) in Höhe von 1.600 Euro ist das Median-Äquivalenzeinkommen der betrachteten Haushalte. Die Armutsgefährdungsgrenze, die bei 60% des Median-Äquivalenzeinkommens liegt, beträgt in diesem Beispiel also 960 Euro.

Deutschland [1]:

2014 betrug das Durchschnittseinkommen von Alleinlebenden 2.497 Euro brutto und 1.913 Euro netto. Nach Ergebnissen der Untersuchung EU-SILC betrug das Median-Äquivalenzeinkommen aller Haushalte in Deutschland 1.644 Euro. Entsprechend lag der Schwellenwert für die Armutsgefährdung bei Alleinlebenden bei 987 Euro und bei Familien mit 2 Kindern bei 2.072 Euro. Werden die Werte der Fortschreibung des Mikrozensus 2011 verwendet, lagen die Schwellenwerte für die Armutsgefährdung sogar noch niedriger, bei 917 Euro für Alleinlebende bzw. 1.926 Euro bei Familien mit 2 Kindern. Im Bundesdurchschnitt kamen somit 16,7% der erwachsenen Personen (EU-SILC) bzw. 15,4% der Haushalte (Mikrozensus) in Deutschland auf ein Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze.

Verwechslungsgefahr und falsche Vorstellungen:

Liest oder hört man, dass die Armutsgefährdungsquote bei 60% des Einkommens oder des Durchschnitts liegt, und berechnet den Schwellenwert dann fälschlicherweise vom durchschnittlichen Nettoeinkommen, so kommt man auf falsche Beträge, die wesentlich höher sind als die tatsächlichen Schwellenwerte für die Armutsgefährdung. Dies kann zur falschen Vorstellung führen, dass ein Single mit 1.147 Euro Nettoeinkommen oder ein kinderloser Zweipersonen-Haushalt mit 2.294 Euro Nettoeinkommen als armutsgefährdet eingestuft wird. Hierdurch könnte wiederum der Eindruck entstehen, dass die Anzahl der armutsgefährdeten Personen übertrieben sei. Genau das ist allerdings gerade nicht der Fall.


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[1] Statistisches Jahrbuch 2016 des Bundesamtes für Statistik, S. 169, 179, 180 (Link zur PDF auf www.destatis.de)

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Vorschlag für eine faire Flüchtlingsquote in der EU https://www.mister-ede.de/politik/faire-fluechtlingsquote-in-eu/4774 https://www.mister-ede.de/politik/faire-fluechtlingsquote-in-eu/4774#comments Tue, 16 Feb 2016 17:47:24 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4774 Weiterlesen ]]> Immer wieder ist in der Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingen eine Quote zur Verteilung der Schutzsuchenden in der EU im Gespräch und bereits im vergangenen Jahr wurde zunächst eine Umverteilung von 40.000 und dann nochmal von 120.000 Flüchtlingen auf Basis einer Quote beschlossen. Bislang liegt dieser Quote allerdings ein Verteilungsschlüssel zugrunde, der wenig bis überhaupt nicht auf die Aufnahmefähigkeit der einzelnen Länder achtet. So wurden beispielsweise die 120.000 Flüchtlinge zum Teil proportional zur Einwohnerzahl und zum Teil proportional zum BIP verteilt, ohne dabei die stärkeren Schultern mehr zu belasten als die schwachen [1]. Auch andere Faktoren, z.B. die Arbeitslosigkeit in den betreffenden Ländern, wurden bei dieser Quotenberechnung nicht berücksichtigt. In der Folge bekam z.B. Polen mehr Flüchtlinge zugewiesen als Belgien und Österreich zusammen, die zwar nur halb so viele Einwohner haben, allerdings wirtschaftlich drei bis vier Mal so leistungsstark sind wie Polen.

Um daher diesem unausgewogenen Verteilungsschlüssel eine faire Variante entgegenzusetzen, wurde nachfolgendes Modell zur Quotenberechnung entwickelt, welches eine progressive Belastung von Ländern mit hohem BIP vorsieht und auch die Höhe der Arbeitslosigkeit bei der Zuteilung von Flüchtlingen berücksichtigt.

Modell und Berechnung einer fairen Flüchtlingsquote in der EU (www.mister-ede.de – 16.02.2016)

Beispielrechner zur Flüchtlingsquote (www.mister-ede.de)

Entsprechend fließen bei diesem Modell neben Einwohnerzahlen auch BIP und Arbeitslosenquoten der an der Flüchtlingsverteilung beteiligten Länder in die Berechnung der Quote mit ein. Diese Daten werden dann mit Hilfe vier veränderbarer Parameter (BIP-Freibetrag = 10.000 Euro; ALQ-Basiswert = 4%; ALQ-Reduktionsfaktor = 8; Leistungsdeckelung = 50.000) zu einer fairen Flüchtlingsquote verrechnet. Lässt man die Ausgangswerte der Parameter unverändert, werden z.B. Länder mit einer Wirtschaftsleistung unter 10.000 Euro oder einer Arbeitslosigkeit über 16,5% nicht in die Verteilung von Flüchtlingen einbezogen.
Das Modell und der Beispielrechner sind allerdings bewusst so konzipiert, dass durch eine Veränderung der vier Parameter auch andere Verteilungsschlüssel mit schwächerer oder stärkerer Berücksichtigung von Wirtschaftsleistung oder Arbeitslosenquote ausprobiert werden können. Außerdem ist die Einbeziehung von Dänemark, Großbritannien und Irland, die nicht oder nur eingeschränkt am europäischen Asylsystem teilnehmen, optional. Auch Italien, Griechenland und Ungarn können aus der Quotenberechnung herausgenommen werden, weil sie z.B. bei der Verteilung der 120.000 Flüchtlinge Ausganspunkt der Verteilung waren und somit keine Quote erfüllen mussten.

Vergleicht man abschließend den Vorschlag für eine faire Flüchtlingsquote mit jener Quote, die von der EU zur Verteilung der 120.000 Flüchtlinge angewendet wurde, werden die Unterschiede schnell erkennbar. Länder wie Deutschland, Niederlande oder Österreich, die in einer sehr guten wirtschaftlichen Verfassung sind, müssten stets mehr Flüchtlinge aufnehmen, während schwächere Länder, wie z.B. Rumänien, Polen, Kroatien oder das von Arbeitslosigkeit geplagte Spanien, eine niedrigere Quote zu erfüllen hätten. Bei jenen Ländern, die sich wie Frankreich im Mittelfeld befinden, steigt oder sinkt die Quote hingegen je nach Ausprägung der einzelnen Parameter.
In nachfolgender Tabelle werden neben der EU-Flüchtlingsquote zur Verteilung der 120.000 Flüchtlinge verschiedene Varianten der fairen Flüchtlingsquote aufgelistet. Hierbei wurden die Parameter der fairen Flüchtlingsquote einmal bei den Ausgangswerten belassen und einmal auf folgende Werte verändert: BIP-Freibetrag = 5.000 Euro; ALQ-Basiswert = 5%; ALQ-Reduktionsfaktor = 6; Leistungsdeckelung = 60.000. Daneben wurden Griechenland, Italien und Ungarn bei beiden Varianten einmal einbezogen und einmal nicht.


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[1] Quotenvorschlag der EU-Kommission zur Verteilung von 120.000 Flüchtlingen (Link zum Vorschlag auf europa.eu)

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Modell und Berechnung einer fairen Flüchtlingsquote in der EU https://www.mister-ede.de/politik/berechnung-fluechtlingsquote/4776 https://www.mister-ede.de/politik/berechnung-fluechtlingsquote/4776#comments Tue, 16 Feb 2016 17:46:16 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4776 Weiterlesen ]]> Nachfolgendes Modell für eine faire Flüchtlingsquote beruht auf dem Grundgedanken, dass Länder mit vergleichsweise hohem BIP und vergleichsweise niedriger Arbeitslosigkeit deutlich mehr je Einwohner zur Aufnahme von Flüchtlingen beitragen können und sollen als wirtschaftlich schwächere Länder. In die Quotenberechnung fließen bei diesem Modell neben Einwohnerzahlen daher auch BIP und Arbeitslosenquoten der an der Flüchtlingsverteilung teilnehmenden Länder mit ein. Mit Hilfe vier veränderbarer Parameter (BIP-Freibetrag = 10.000 Euro; ALQ-Basiswert = 4%; ALQ-Reduktionsfaktor = 8; Leistungsdeckelung = 50.000) werden diese Daten dann in drei Schritten zu einer faire Flüchtlingsquote verrechnet, welche die Aufnahmefähigkeit der einzelnen Länder berücksichtigt.
Der BIP-Freibetrag gewährleistet dabei, dass die Zuteilung von Flüchtlingen mit steigender Wirtschaftskraft progressiv ansteigt, während Länder mit einem BIP unterhalb dieses Freibetrags keine Flüchtlinge zugewiesen bekommen. Der ALQ-Basiswert legt fest, ab welcher Höhe sich die Arbeitslosigkeit dämpfend auf die Zuteilung von Flüchtlingen auswirken soll. Der ALQ-Reduktionsfaktor bestimmt wiederum, wie stark die Arbeitslosigkeit berücksichtigt wird. Zu guter Letzt verhindert die Leistungsdeckelung, dass wirtschaftlich starke Länder durch eine übermäßige Flüchtlingszuteilung überfordert werden.

Vorschlag für eine faire Flüchtlingsquote in der EU (www.mister-ede.de – 16.02.2016)

Beispielrechner zur Flüchtlingsquote (www.mister-ede.de)

Schritt 1:

In einem ersten Schritt wird für jedes Land aus BIP und Einwohnerzahl ein Leistungsbetrag errechnet. Um hierbei die Aufnahmefähigkeit zu berücksichtigen, erhält jedes Land einen BIP-Freibetrag in Höhe von 10.000 Euro je Einwohner. Das BIP reduziert um diese BIP-Freibeträge der Einwohner ergibt dann den Leistungsbetrag eines Landes. Bei einer Einwohnerzahl von 5 Mio. Einwohnern und einem BIP von 20.000 Euro je Einwohner berechnet sich also ein Leistungsbetrag von (20.000 – 10.000) * 5 Mio. = 50 Milliarden. Ist der Leistungsbetrag eines Landes null oder negativ, so wird dieses Land bei der Verteilung von Flüchtlingen nicht weiter berücksichtigt.

(Beispielrechner: Im Beispielrechner kann der BIP-Freibetrag und damit die Quotenberechnung verändert werden. Durch das Absenken des BIP-Freibetrags auf null wird vollständig auf eine progressive Verteilung von Flüchtlingen verzichtet.)

Schritt 2:

Im zweiten Schritt wird die Arbeitslosigkeit eines Landes in die Quotenberechnung einbezogen. Hierfür wird die Arbeitslosenquote um den ALQ-Basiswert von 4% reduziert und danach mit dem ALQ-Reduktionsfaktor 8 multipliziert. Liegt die auf diese Weise berechnete ALQ-Reduktion zwischen 0% und 100%, so wird der im ersten Schritt errechnete Leistungsbetrag um diesen Wert reduziert. Liegt die ALQ-Reduktion unter 0%, findet keine Reduktion statt, liegt sie über 100%, wird das Land vollständig aus der Quotenberechnung herausgenommen.
Bei einem ALQ-Basiswert von 4%, einem ALQ-Reduktionsfaktor von 8 und einer Arbeitslosenquote von 7% errechnet sich also eine ALQ-Reduktion von (7% – 4%) * 8 = 24%, um die dann der Leistungsbetrag des betreffenden Landes reduziert wird. Liegt die Arbeitslosigkeit bei 16,5% oder darüber, fällt ein Land hingegen vollständig aus der Verteilung von Flüchtlingen heraus, (16,5% – 4%) * 8 = 100%.

(Beispielrechner: Im Beispielrechner können sowohl der ALQ-Basiswert als auch der ALQ-Reduktionsfaktor und damit die Quotenberechnung verändert werden. Durch das Absenken des ALQ-Reduktionsfaktors auf null wird die Arbeitslosigkeit nicht bei der Quotenberechnung berücksichtigt.)

Schritt 3:

Im dritten Schritt werden die Leistungsendbeträge der einzelnen Länder, also die Leistungsbeträge aus Schritt 1 nach der Berücksichtigung der Arbeitslosigkeit in Schritt 2, aufsummiert. Entsprechend dem Anteil an den Leistungsendbeträgen bestimmt sich dann die Flüchtlingsquote für das betreffende Land. Hat also ein Land einen Anteil von 30% an den gesamten Leistungsendbeträgen, werden ihm 30% der zu verteilenden Flüchtlinge zugewiesen. Sollen insgesamt beispielsweise 500.000 Flüchtlinge verteilt werden, muss dieses Land davon 150.000 übernehmen.

(Beispielrechner: Um die Flüchtlingsquote in Relation zur Einwohnerzahl zu setzen, wird zusätzlich zur Flüchtlingsquote auch die Flüchtlingsquote je 100.000 Einwohner angegeben. Werden insgesamt 500.000 Flüchtlinge verteilt, entspricht eine Flüchtlingsquote von 0,1% je 100.000 Einwohner einer Zuweisung von 500 Flüchtlingen je 100.000 Einwohner.)

Leistungsdeckelung:

Um zu verhindern, dass Länder mit besonders hohem BIP über die Maßen belastet werden, findet eine Deckelung der Leistungsendbeträge auf 50.000 je Einwohner statt.

(Beispielrechner: Im Beispielrechner kann die Leistungsdeckelung und damit die Quotenberechnung verändert werden. Durch ein Anheben auf 90.000 findet keine Deckelung statt, weil alle EU-Mitgliedsländer auf niedrigere Leistungsendbeträge kommen.)

Länder in die Quotenberechnung einbeziehen oder herausnehmen:

Dänemark, Großbritannien und Irland nehmen nicht oder nur eingeschränkt am europäischen Asylsystem teil. Diese Länder werden daher bei der Quotenberechnung zunächst nicht berücksichtigt.

(Beispielrechner: Im Beispielrechner können diese Länder durch ein Häkchen in die Berechnung einbezogen werden.)

Italien, Griechenland und Ungarn sind beispielsweise beim EU-Plan zur Verteilung von 120.000 Flüchtlingen der Ausgangspunkt der Umverteilung. In diesem Fall genügt es allerdings, die Flüchtlingsquote alleine für die aufnehmenden Länder zu berechnen. Die Einbeziehung von Italien, Griechenland und Ungarn ist deshalb optional.

(Beispielrechner: Im Beispielrechner können diese Länder durch ein Entfernen des Häkchens aus der Berechnung herausgenommen werden.)

Quelle der Daten:

Nachdem zum Zeitpunkt der Erstellung bei Eurostat noch keine vollständigen Zahlen für das abgelaufene Jahr 2015 abrufbar waren, fließen in das Modell die Zahlen von 2014 ein bzw. bei den Einwohnerzahlen der Stand zum 1.1.2015.

Datensatz zum BIP bei Eurostat

Datensatz zu den Einwohnerzahlen bei Eurostat

Datensatz zur Arbeitslosenquote bei Eurostat


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Glossar: Nominal- und Realwerte bei Staatsschulden https://www.mister-ede.de/politik/staatsschulden-nominal-real/4185 https://www.mister-ede.de/politik/staatsschulden-nominal-real/4185#comments Mon, 10 Aug 2015 12:00:56 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4185 Weiterlesen ]]> Für eine Betrachtung von Staatsschulden können Nominalwerte oder Realwerte herangezogen werden. Außerdem können diese Werte zu verschiedenen Zeitpunkten betrachtet werden.

Nominalwert / Realwert:

Vergleicht man Güter und Geld, so haben Güter immer ihren realen Sachwert, jedoch keinen festen Nominalwert, während umgekehrt Geld immer seinen Nominalwert, jedoch keinen festen Realwert hat. Ein 10-Euro-Schein oder ein Bankguthaben in Höhe von 10 Euro hat also immer den nominalen Wert von 10 Euro, egal wie viele Äpfel man davon kaufen kann. Hingegen hat ein Apfel immer den realen Wert eines Apfels, egal wie teuer dieser ist. Der Nominalwert eines Gutes (z.B. Apfel) wird gemeinhin als Preis bezeichnet und der Realwert des Geldes als Kaufkraft.

Analog hierzu haben auch Staatsschulden einen nominalen Wert (100 Euro) und einen realen Wert (Anzahl Äpfel / Kaufkraft).

Betrachteter Zeitpunkt:

Für die Höhe von Staatsschulden spielt neben der Frage, ob auf den Nominalwert oder Realwert (Kaufkraft) abgestellt wird, vor allem der betrachtete Zeitpunkt eine Rolle. Leiht sich ein Staat heute 100 Euro für ein Jahr zu 5% Zinsen, so muss er nach einem Jahr 105 Euro zurückzahlen. In Abhängigkeit vom betrachteten Zeitpunkt liegt damit die Schuldenlast nominal bei 100 bzw. 105 Euro.
Auf Ebene der Realwerte muss zusätzlich berücksichtigt werden, dass sich der Realwert des Geldes im Laufe der Zeit ändert, z.B. durch Preissteigerungen (Inflation) abnimmt. Liegt die jährliche Inflationsraten bei 2%, dann sind die 105 Euro in heutiger Kaufkraft ausgedrückt real 105 Euro / 1,02 = ca. 102,94 Euro wert. Dieser Wert stellt damit den Realwert dieser Schulden zum Zeitpunkt der Fälligkeit dar.
In Abhängigkeit vom betrachten Zeitpunkt besteht also durch die Kreditvereinbarung nominal eine Schuldenlast von 100 Euro bzw. 105 Euro und real entsprechen die Schulden bei einer Inflation von 2% einer Kaufkraft von 100 Euro bzw. nach einem Jahr 102,94 Euro.

Wirkung von Zins und Inflation auf den Realwert von Schulden:

Werden die Staatsschulden eines Landes unter der Prämisse eines ausgeglichenen Primärsaldos betrachtet, dann gilt, dass sich der Realwert bei einem Zinssatz in Höhe der Inflationsrate nicht verändert. Liegt der Zinssatz über der Inflationsrate, so steigt der Realwert der Schulden mit der Zeit an, liegt er darunter, reduziert sich der Realwert der Schulden im Laufe der Zeit. Im obigen Beispiel liegt der Zinssatz mit 5% über der Inflationsrate von 2% weshalb die Staatsschulden ansteigen. Bei einer Inflationsrate in Höhe von 5% läge der Realwert hingegen auch nach einem Jahr unverändert bei 100 Euro (105 Euro / 1,05 = 100 Euro). Bei einer Inflation in Höhe von 10% würde der Realwert der Schulden sogar auf 105 Euro / 1,10 = ca. 95,45 Euro sinken.

Die Wirkung von Zins, Inflation und Wachstum auf die Staatsschuldenquote (www.mister-ede.de – 10.08.2015)

Kapitalwert:

Der Kapitalwert nimmt, im Gegensatz zum Nominal- bzw. Realwert, nicht die Staatsschulden an sich in den Blick, sondern die Gewinnerwartung des Investors. Geht man von einer vollständigen Finanzierung der Kreditvergabe durch Eigenmittel des Geldgebers aus und wird außer einem Inflationsausgleich auf eine Mindestrendite verzichtet, so berechnet sich der Kapitalwert, indem vom künftigen Realwert der Staatsschulden (z.B. 102,94 Euro) der vorherige Auszahlungsbetrag (z.B. 100 Euro) abgezogen wird. Der Kapitalwert der obigen Kreditvereinbarung würde unter diesen Prämissen dann bei 2,94 Euro liegen. Der Kreditgeber würde also 2,94 Euro mehr Kaufkraft zurückerhalten, als er verliehen hat.

Nachdem jedoch bei der Berechnung des Kapitalwertes üblicherweise Finanzierungskosten oberhalb des Inflationsausgleichs und auch eine interne Renditeerwartung des Investors zu berücksichtigen sind, verschiebt sich dieser Kapitalwert dann unabhängig vom tatsächlichen Wert der Schulden.
Geht ein Unternehmen, z.B. wegen einer hohen Renditeerwartung, von Kapitalkosten in Höhe von 6% aus, kann eine Kreditvergabe zu 5% Zinsen nie zu einem positiven Kapitalwert führen, auch wenn die Schulden für den Kreditnehmer nominal und real ansteigen würden.


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Glossar: Nominal-, Real- und Kapitalwert bei Schulden und Forderungen

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Glossar: Differenz und Divergenz https://www.mister-ede.de/wirtschaft/differenz-und-divergenz/3604 https://www.mister-ede.de/wirtschaft/differenz-und-divergenz/3604#comments Wed, 04 Feb 2015 10:54:15 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3604 Weiterlesen ]]> Eine Differenz bezeichnet eine unterschiedliche Ausprägung einer Objekteigenschaft von zwei betrachteten Objekten. Betrachtungsobjekte können z.B. ein Erwachsener und ein Kind sein und die betrachtete Objekteigenschaft die Körpergröße. Ist der Erwachsene größer als das Kind, so handelt es sich um eine Differenz. Das Gegenteil einer Differenz ist die Gleichheit. Gibt es bei der Körpergröße zwischen zwei Personen keine Differenz, sind diese gleich groß.

Eine Divergenz bezeichnet das Auseinanderlaufen der Ausprägung einer Objekteigenschaft von zwei betrachteten Objekten. Das Gegenteil, also das Zusammenlaufen, wird als Konvergenz bezeichnet, während das Fehlen von Veränderungen z.B. als Konstanz oder Parallelität bezeichnet wird. Eine Divergenz ist daher auch eine steigende Differenz und umgekehrt ist eine Konvergenz eine sinkende Differenz. Eine Konvergenz kann es deshalb nur geben, wenn eine Differenz besteht.

Beispiel:

Ist ein Kind kleiner als ein Erwachsener, wächst aber im Gegensatz zu diesem noch, so gibt es eine Differenz in der Körpergröße, aber auch eine Konvergenz, weil der Größenunterschied im Laufe der Zeit abnimmt. Eine Differenz kann es also auch ohne Divergenz geben.

Ist das Kind dann irgendwann genauso groß wie der Erwachsene, aber noch immer weiter am Wachsen, so gibt es zu diesem Zeitpunkt keine Differenz mehr und auch keine Konvergenz. Dafür gibt es in diesem Fall aber eine Divergenz, da das Kind ja weiter wächst und sich damit der Größenunterschied ab nun erhöht. Eine Divergenz kann es also auch ohne Differenz geben.

Ist das Kind dann größer als der Erwachsene besteht wieder eine Differenz und solange das Kind weiter wächst auch eine Divergenz. Sobald das Kind ausgewachsen ist, gibt es eine konstante Differenz.

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Rechenbeispiel zur Eigenkapitalanforderung für Banken nach Basel III https://www.mister-ede.de/wirtschaft/rechenbeispiel-zu-basel-iii/3008 https://www.mister-ede.de/wirtschaft/rechenbeispiel-zu-basel-iii/3008#comments Sat, 30 Aug 2014 17:35:58 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3008 Weiterlesen ]]> Das Regelwerk Basel III ergänzt oder ersetzt die bisherigen Regelwerke Basel I und II zur Regulierung von Banken. Ein Kernbestandteil der Vorschriften aus Basel III sind Eigenkapitalanforderungen, also die Pflicht für Banken, einen Mindestbetrag an Eigenkapital vorzuhalten.

Die Eigenkapitalanforderung an eine Bank wird nach Basel III grundsätzlich auf zwei unterschiedliche Weisen berechnet. Neben einer risikounabhängigen Verschuldungsquote wird aus den unterschiedlichen Finanzpositionen (Kredite, Schuldverschreibung, sonstige Forderungen,…) eine risikoadjustierte Quote für das Eigenkapital berechnet. Zusätzlich zu den Bilanzpositionen fließen bei der Berechnung beider Quoten auch außerbilanzielle Positionen einer Bank mit ein.
Zurzeit ist nur die risikoadjustierte Quote maßgeblich für die Berechnung der Eigenkapitalanforderung, allerdings nach einer Übergangsphase sollen in ein paar Jahren beide Quoten gleichermaßen gelten. Eine Bank wird damit künftig beide Eigenkapitalanforderungen zu erfüllen haben.

Risikounabhängige Quote [1]:

Alle bilanziellen und außerbilanziellen Finanzpositionen einer Bank werden mit ihrem Wert erfasst. Die berechnete Gesamtsumme aus bilanziellen und außerbilanziellen Positionen muss eine Bank künftig mit 3% Eigenkapital hinterlegen.

Beispiel:

Die Beispiel-Bank hat eine Bilanzsumme von 100 Euro. Hierfür muss die Beispiel-Bank mindestens Eigenmittel von 3 Euro vorhalten. Die Beispiel-Bank hat 7 Euro Eigenkapital und erfüllt diese Quote damit (siehe Abbildung 1).

Risikoabhängige Quote [2]:

Die risikoabhängige Quote berechnet sich hingegen deutlich komplizierter, denn die verschiedenen Risiken, z.B. Ausfall- oder Währungsrisiken, werden einzeln betrachtet und die Berechnung ist mehrstufig. Daneben gibt es bei der risikoabhängigen Quote zwei unterschiedliche Ansätze bei der Bewertung des Risikos. Zum einen gibt es individuelle Ansätze der Banken (IRB-Ansatz), die von der Aufsichtsbehörde für jede Bank einzeln zu genehmigen sind, und zum anderen den Standardansatz, der im Folgenden beschrieben wird.

Berechnung der risikoabhängigen Quote:

In der ersten Stufe wird geprüft, ob eine Bank in einem Bereich über die Maßen hohe Risiken hat. Beträge die gewisse Grenzen überschreiten, werden direkt vom Eigenkapital abgezogen.

Beispiel:

Die Beispiel-Bank hat Eigenmittel von 7 Euro und Fremdmittel von 93 Euro. Sie finanziert davon fünf Kredite zu 22, 21, 20, 19 und 18 Euro (siehe Abbildung 1). Gibt es eine Obergrenze von 20 Euro bei der Kreditvergabe, müsste die Beispiel-Bank bei zwei Krediten einen Abzug machen, nämlich bei Kredit 1 von 22 Euro auf 20 Euro und bei Kredit 2 von 21 Euro auf 20 Euro. Die Differenz, also einmal 2 Euro und einmal 1 Euro, wird vom Eigenkapital abgezogen, so dass die Beispiel-Bank rechnerisch noch 4 Euro Eigenmittel hat. Umgekehrt wird dieser Betrag auch bei den Risikopositionen abgezogen, statt 100 Euro sind rechnerisch bei der Beispiel-Bank jetzt noch Kredite für 97 Euro vorhanden, nämlich Kredite für 20, 20, 20, 19 und 18 Euro (siehe Abbildung 2).

In der zweiten Stufe werden dann die verschieden Risikopositionen anhand des jeweiligen Risikos gewichtet. Zur Ermittlung des Kreditrisikos werden beispielsweise die Forderungswerte einer Bank je nach Art der Forderung bzw. je nach Gläubiger in Forderungsklassen eingeteilt [3]. Die Forderungsklassen und die Risikobewertung der einzelnen Forderung bestimmt dann, welches Risikogewicht dieser Forderung zugeordnet wird. Beispielsweise wird einem Kredit an einen Euro-Staat ein Risikogewicht von 0%, einem Kredit an ein sehr gut bewertetes Unternehmen ein Risikogewicht von 20% oder einem Verbraucherkredit ein Risikogewicht von 75% zugeordnet. Durch anschließende Multiplikation des Forderungswertes mit dem Risikogewicht der jeweiligen Forderung wird dann der risikogewichtete Positionsbetrag berechnet.

Beispiel:

Die Beispiel-Bank muss also zunächst das Risikogewicht für die fünf vorhandenen Kredite ermitteln. Kredit 1 ist ein Verbraucherkredit. Ihm wird ein Risikogewicht von 75% zugeordnet. Durch Multiplikation des Forderungswertes, der nach den Abzügen aus der ersten Stufe noch 20 Euro beträgt, mit dem Risikogewicht von 75% berechnet sich ein risikogewichteter Positionsbetrag von 15 Euro. Kredit 2 ist ein Unternehmenskredit an ein eher schlecht bewertetes Unternehmen. Das Risikogewicht liegt daher bei 100%. Multipliziert man wieder den um die Abzüge aus der ersten Stufe reduzierten Forderungswert von 20 Euro mit dem Risikogewicht, dann ergibt sich ein risikogewichteter Forderungswert von 20 Euro. Kredit 3 ist ein Unternehmenskredit an ein sehr gut bewertetes Unternehmen. Das Risikogewicht hierfür liegt bei 20% und multipliziert mit dem Forderungswert von 20 Euro ergibt sich ein risikogewichteter Positionsbetrag von 4 Euro. Kredit 4 und Kredit 5 sind Kredite an Euro-Staaten und erhalten daher ein Risikogewicht von 0%. Entsprechend ist der risikogewichtete Positionsbetrag von Kredit 4 und 5 genau 0 Euro (siehe Abbildung 3).

In der dritten Stufe werden die unterschiedlichen risikogewichteten Positionswerte aufaddiert. Kommen neben dem Kreditrisiko weitere Risikopositionen z.B. aus Währungsrisiken hinzu, werden diese zusätzlich aufaddiert, genauso wie rechnerische Risiken aus dem Handel mit Derivaten oder Risiken aus außerbilanziellen Positionen. Die auf diese Weise berechnete Gesamtsumme muss dann von einer Bank mit 8% Eigenkapital hinterlegt werden, wovon 6% Kernkapital bzw. 4,5% hartes Kernkapital sein müssen [4].

Beispiel:

Die Beispiel-Bank hat risikogewichtete Positionsbeträge von 15 Euro für Kredit 1, 20 Euro für Kredit 2 und 4 Euro für Kredit 3 zu verbuchen, insgesamt also 39 Euro (siehe Abbildung 3). Hierfür muss die Beispiel-Bank 8% Eigenkapital hinterlegen, also 3,12 Euro. Nach den Abzügen aus der ersten Stufe der Berechnung der risikoabhängigen Quote hat die Beispiel-Bank 4 Euro Eigenkapital und damit ausreichend Eigenmittel um die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen (siehe Abbildung 2).


Weitere Artikel zum Thema Basel III auf www.mister-ede.de


PDF zur EU-Verordnung 575/2013 auf eur-lex.europa.eu

[1] Art. 499 EU-Verordnung Nr. 575/2013 (CRR)

[2] Art. 92 III und Art. 122 I EU-Verordnung Nr. 575/2013 (CRR)

[3] Art. 114 ff. EU-Verordnung Nr. 575/2013 (CRR)

[4] Art. 92 I EU-Verordnung Nr. 575/2013 (CRR)

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Glossar: Der Leverage-Effekt https://www.mister-ede.de/wirtschaft/glossar-der-leverage-effekt/2800 https://www.mister-ede.de/wirtschaft/glossar-der-leverage-effekt/2800#comments Thu, 17 Jul 2014 10:57:37 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2800 Weiterlesen ]]> Der „Leverage-Effekt“ ist ein stehender Begriff aus der Wirtschaft, der sich gut als „Hebel-Effekt“ in Anlehnung an die aus der Physik bekannte „Hebelwirkung“ übersetzen lässt.

Begriffseinordnung:

Während die Hebelwirkung die Wirkung der physischen Kraft des Hebels bezeichnet, steht bei der wirtschaftlichen Betrachtung eines Hebels die Wirkung auf Kennzahlen im Vordergrund. Mit dem „Leverage-Effekt“ wird allerdings nur die Wirkung einer ganz speziellen Anwendung eines Hebels in der Wirtschaft beschrieben.
Um dies zu veranschaulichen hilft der Vergleich zur Hebelwirkung aus der Physik. Die Hebelwirkung kann mit Hilfe von verschiedenen Werkzeugen genutzt werden, z.B. kann zum Lösen einer Schraube ein Schraubenschlüssel oder zum Graben ein Spaten verwendet werden. Ähnlich kann auch bei vielen verschiedenen wirtschaftlichen Prozessen ein Hebel genutzt werden, um auf Kennzahlen, z.B. die durchschnittliche Lagerzeit, einzuwirken. Der „Leverage-Effekt“ beschreibt jedoch genau eine Form des Hebelns im Bereich der Wirtschaft und zwar das Hebeln der Eigenkapitalrendite mit Hilfe von Fremdkapital. Der „Leverage-Effekt“ beschreibt sozusagen nur das Lösen einer ganz bestimmten Schraube mit einem speziellen Inbusschlüssel.

Zwar wird der Begriff „Leverage-Effekt“ auch hin und wieder für andere Bereiche verwendet, allerdings dann auch so, dass die Begriffsabweichung ersichtlich wird. Wenn nur der „Leverage-Effekt“ genannt wird, ist daher immer die nachfolgend beschriebene Anwendung zur Steigerung der Eigenkapitalrendite entweder in Unternehmen oder allgemein bei Investitionen gemeint.

Der „Leverage-Effekt“:

Ähnlich wie eine Person mit einem Schraubenschlüssel die Wirkung der eigenen Kraft auf eine Schraube verstärken kann, können Unternehmen mit Hilfe von Fremdkapital, also geliehenem Geld, die Wirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die Eigenkapitalrendite erhöhen. Das Fremdkapital ist sozusagen ein Werkzeug von Unternehmen, mit dem unter anderem an der Schraube Eigenkapitalrendite gedreht werden kann.

Solange die Zinskosten für Fremdkapital niedriger sind als die Rendite, die sich mit Hilfe des Fremdkapitals erzielen lässt, führt eine Ausweitung des Fremdkapitals zu einer Steigerung der Eigenkapitalrendite. Ein Unternehmen, das mit einem geliehenen Euro mehr erwirtschaftet als es an Zinsen zahlen muss, kann also die Rentabilität des Eigenkapitals erhöhen.
Dieser Hebel, der durch die Hinzunahme von Fremdkapital genutzt werden kann, um die Eigenkapitalrendite zu steigern, wird als „Hebel-Effekt“ bzw. „Leverage-Effekt“ bezeichnet.

Die Steigerung der Eigenkapitalrendite darf jedoch keinesfalls mit der Steigerung des Gewinns verwechselt werden. Im Gegenteil führt der „Leverage-Effekts“ sogar zu einem Rückgang des Gewinns, während gleichzeitig die Eigenkapitalrendite steigt. Am Beispiel lassen sich die Funktionsweise des Hebelns mit Fremdkapital und die Auswirkungen des „Leverage-Effekts“ auf Gewinn und Eigenkapitalrendite am anschaulichsten erklären.

Beispiel:

Im Eigentum eines Unternehmens befinden sich im Wert von 100 Mio. Euro Anlagen und alles weitere Notwendige (Bargeld, Waren, usw.) um zu produzieren. Der Gewinn des Unternehmens vor Zinsen und Steuern beträgt 6 Mio. Euro. Dieser Gewinn wird mit dem englischen Begriff „EBIT“, für Earnings (Gewinn) Before (vor) Interest (Zins) and Taxes (und Steuern), bezeichnet, während der Gewinn nach Abzug von Zinsen aber noch vor Steuern als „EBT“ (Earnings Before Taxes) bezeichnet wird. Daneben gehen wir von einem Steuersatz von 30% aus und einem Zinssatz für Fremdkapital von 4%.

Unternehmen ohne Fremdkapital:

Hat das Unternehmen keinerlei Fremdkapital, ist also schuldenfrei, ergibt sich daraus, dass alles, was das Unternehmen besitzt, ihm selbst gehört. Entsprechend hat es damit 100 Mio. Euro Eigenkapital.
Der Gewinn des Unternehmens vor Steuern und Zinsen (EBIT) beträgt 6 Mio. Euro. Nachdem das Unternehmen keine Verbindlichkeiten (Schulden, Fremdkapital) hat, muss es auch keine Zinsen zahlen. Der Gewinn vor Steuern (EBT) verbleibt damit bei 6 Mio. Euro. Bei einem Steuersatz von 30% auf den Jahresgewinn errechnet sich dann eine Steuerlast von 1,8 Mio. Euro, so dass schlussendlich ein Unternehmensgewinn von 4,2 Mio. Euro übrig bleibt.

Nachdem das Unternehmen 100 Mio. Euro Eigenkapital hat und der Gewinn 4,2 Mio. Euro beträgt, ergibt sich folglich eine Eigenkapitalrendite von 4,2% die sich als Gewinn / Eigenkapital berechnen lässt (4,2 Mio. Euro / 100 Mio. Euro = 4,2%).

Unternehmen mit 50% Fremdkapital:

Um nun die Eigenkapitalrendite zu steigern, könnte das Unternehmen versuchen, die Finanzierung zur Hälfte von Eigenkapital auf Fremdkapital umzustellen. Das Unternehmen könnte hierfür den Eigentümern 50 Mio. der 100 Mio. Euro Eigenkapital auszahlen und von einer Bank die fehlenden 50 Mio. Euro als Kredit zu einem Zinssatz von 4% leihen.
Für das Unternehmen hat sich dadurch nicht viel verändert, außer dass in der Bilanz jetzt nicht mehr 100 Mio. Euro Eigenkapital stehen, sondern 50 Mio. Euro Eigenkapital und 50 Mio. Euro Fremdkapital, und dass es daneben nun für die 50 Mio. Euro Fremdkapital auch 4% Zinsen zahlen muss.
Am Jahresende ergibt sich daher derselbe Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 6 Mio. Euro. Diesmal fallen allerdings 4% Zinsen auf 50 Mio. Euro an, also 2 Mio. Euro. Damit verringert sich der Gewinn vor Steuern (EBT) auf 4 Mio. Euro. Hiervon werden dann wieder 30% Steuer fällig, was einer Steuerlast von 1,2 Mio. Euro entspricht. Der Jahresgewinn liegt damit bei 2,8 Mio. Euro, also deutlich unter dem Gewinn von 4,2 Mio. Euro, der ohne die Hinzunahme von Fremdkapital entstanden wäre. Nachdem sich allerdings auch das Eigenkapital von 100 Mio. Euro auf 50 Mio. Euro halbiert hat, steigt die Eigenkapitalrendite von 4,2% auf 5,6% (2,8 Mio. Euro / 50 Mio. Euro = 5,6%). Diese Steigerung beruht auf dem „Hebel-Effekt“ bzw. „Leverage-Effekt“.

In der Tabelle ist das Unternehmen aus dem Beispiel ohne Fremdkapital in der ersten Spalte aufgeführt und das Beispielunternehmen mit 50% Fremdkapital in der zweiten Spalte. Daneben ist in der letzten Spalte noch das Unternehmen aufgeführt, wenn es das Eigenkapital statt auf 50 Mio. Euro weiter auf 25 Mio. Euro reduziert, also 75 Mio. Euro bzw. 75% Fremdkapital nutzt.

Gründe für die Nutzung des „Leverage-Effekts“:

Die Frage, die sich den Nicht-Ökonomen stellen dürfte, ist wahrscheinlich, warum macht man das überhaupt, vor allem wenn der Gewinn doch sinkt. Die Antwort ist recht einfach, denn der Gewinn sinkt zwar, aber dafür steigt die Eigenkapitalrendite an, zumindest wenn alles gut läuft. Was das bedeutet, lässt sich aber am besten durch einen Wechsel in die Sicht eines Anlegers verdeutlichen.

Angenommen, Sie haben 100 Euro auf einem Sparbuch liegen, sozusagen Ihr Eigenkapital, und erhalten jedes Jahr 4,20 Euro für Ihre Anlage (Wem das zu unrealistisch ist, kann bei dem Beispiel gerne die Zahlen durch 10 teilen). Eines Tages meldet sich Ihre Bank bei Ihnen und bietet Ihnen folgendes an: Heben Sie von den 100 Euro doch 50 Euro ab und wir zahlen Ihnen statt 4,20 Euro für 100 Euro dann 2,80 Euro für die verbliebenen 50 Euro auf dem Sparbuch. Sie könnten die 50 Euro, die Sie dann nicht mehr bei dieser Bank anlegen, bei einer anderen Bank mit denselben Konditionen anlegen. Schon hätten Sie jedes Jahr statt einmal 4,20 Euro zweimal 2,80 Euro, zusammen also 5,60 Euro, was einer Steigerung um 1,40 entspricht.
Legt man das Unternehmensbeispiel mit 75% Fremdkapital zugrunde, wäre sogar eine Steigerung von 4,20 Euro auf 8,40 Euro möglich. Wenn man dazu bedenkt, um welche Summen es bei Unternehmen geht, dürfte klar werden, welcher Anreiz für die Nutzung des „Leverage-Effekts“ besteht. Der Gewinn eines Unternehmens geht zwar zurück, allerdings wird der verbleibende Gewinn mit deutlich weniger Eigenkapitaleinsatz erreicht. Das restliche zur Verfügung stehende Geld kann dann in andere rentable Projekte investiert werden.

Bedingungen für die Nutzung des „Leverage-Effekts“:

Durch den „Leverage-Effekt“ kann die Eigenkapitalrendite gesteigert werden, solange die Zinskosten unter der Rentabilität des Unternehmens liegen. Im Beispielunternehmen wird mit 100 Mio. Euro Gesamtkapital ein EBIT von 6 Mio. Euro erwirtschaftet, womit die Rentabilität des Unternehmens bei 6% liegt.
Liegen die Zinskosten für das Fremdkapital bei 6%, also auf dem Rentabilitätsniveau des Unternehmens, kann die Eigenkapitalrentabilität nicht mehr mit Hilfe des „Leverage-Effekts“ gesteigert werden. Die Eigenkapitalrentabilität des Unternehmens verändert sich in diesem Fall auch durch die Hinzunahme weiterer Fremdkapitalmittel nicht, im Gegensatz zum Unternehmensgewinn, der bei steigenden Zinsausgaben natürlich rückläufig ist.

Zu einem ähnlichen Ergebnis führt es, wenn sich im Beispiel nicht die Zinsen von 4% an das Niveau der Unternehmensrentabilität von 6% anpassen, sondern umgekehrt die Rentabilität von 6% auf 4%, also auf das Niveau der Zinsen, sinkt. Auch hier bleibt die Eigenkapitalrendite bei der Hinzunahme weiterer Fremdkapitalmittel konstant, während der Gewinn zurückgeht.

Auswirkung von Zins- und Ergebnisschwankungen:

Steigen die Kreditzinsen über das Niveau der Gesamtkapitalrentabilität, also der Rentabilität des Unternehmens, oder sinkt umgekehrt die Gesamtkapitalrentabilität unter das Zinsniveau des Fremdkapitals, führt der „Leverage-Effekt“ in die gegenteilige Richtung. Ähnlich wie man eine Schraube mit einem Schraubenschlüssel lösen oder festziehen kann, funktioniert auch der „Leverage-Effekt“ in beide Richtungen. Anstelle einer Steigerung der Eigenkapitalrendite kommt es dann zu einer Verminderung der Rentabilität.

Würde sich im Beispielunternehmen das EBIT von 6 Mio. auf 4 Mio. Euro reduzieren und die Zinskosten von 4 auf 6% ansteigen, ergibt sich ohne die Nutzung von Fremdkapital eine Eigenkapitalrentabilität von 2,8%. Durch die Hinzunahme von Fremdkapital steigt diese dann aber nicht mehr an, sondern verringert sich, weil die Rentabilität des Unternehmens unterhalb der Fremdkapitalzinsen liegt.

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https://www.mister-ede.de/wirtschaft/glossar-der-leverage-effekt/2800/feed 0
Glossar: Die kalte Progression https://www.mister-ede.de/politik/die-kalte-progression/351 https://www.mister-ede.de/politik/die-kalte-progression/351#comments Sat, 11 Feb 2012 13:45:54 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=351 Weiterlesen ]]> Die kalte Progression ist ein Effekt der durch die Inflation entsteht. Jedes Jahr steigen die Preise, aber auch die Löhne und Gehälter werden höher.  Die Steuerlast ist aber an fixe Beträge gekoppelt, wodurch der Anteil der Steuern steigt. Am besten lässt sich das an einem Beispiel erklären.

Ein Arbeitnehmer hat ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 8100 Euro. Dieser Betrag ist noch steuerfrei.  Er kann sich 10.000 Dosen Bier zu je 81 Cent kaufen. Im darauf folgenden Jahr steigen die Preise aber auch das Gehalt. Der Arbeitnehmer erhält jetzt 8500 Euro, eine Dose Bier kostet dann aber auch 85 Cent. Normalerweise würde es wieder reichen um 10.000 Dosen Bier zu kaufen, aber weil der Arbeitnehmer jetzt 8500 Euro verdient, muss er etwa 60 Euro Steuern zahlen. Der Arbeitnehmer kann also nur noch für 8440 Euro einkaufen (9930 Dosen Bier).
Obwohl niemand die Steuergesetze verändert hat (kalt), muss der Bürger jetzt höhere Steuern zahlen (Progression). Um diesen Effekt zu mindern, müssen alle paar Jahre die Steuergrenzen angepasst werden.

Weitere Beiträge zum Thema kalte Progression auf www.mister-ede.de

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