Glossar: Der Leverage-Effekt

Der „Leverage-Effekt“ ist ein stehender Begriff aus der Wirtschaft, der sich gut als „Hebel-Effekt“ in Anlehnung an die aus der Physik bekannte „Hebelwirkung“ übersetzen lässt.

Begriffseinordnung:

Während die Hebelwirkung die Wirkung der physischen Kraft des Hebels bezeichnet, steht bei der wirtschaftlichen Betrachtung eines Hebels die Wirkung auf Kennzahlen im Vordergrund. Mit dem „Leverage-Effekt“ wird allerdings nur die Wirkung einer ganz speziellen Anwendung eines Hebels in der Wirtschaft beschrieben.
Um dies zu veranschaulichen hilft der Vergleich zur Hebelwirkung aus der Physik. Die Hebelwirkung kann mit Hilfe von verschiedenen Werkzeugen genutzt werden, z.B. kann zum Lösen einer Schraube ein Schraubenschlüssel oder zum Graben ein Spaten verwendet werden. Ähnlich kann auch bei vielen verschiedenen wirtschaftlichen Prozessen ein Hebel genutzt werden, um auf Kennzahlen, z.B. die durchschnittliche Lagerzeit, einzuwirken. Der „Leverage-Effekt“ beschreibt jedoch genau eine Form des Hebelns im Bereich der Wirtschaft und zwar das Hebeln der Eigenkapitalrendite mit Hilfe von Fremdkapital. Der „Leverage-Effekt“ beschreibt sozusagen nur das Lösen einer ganz bestimmten Schraube mit einem speziellen Inbusschlüssel.

Zwar wird der Begriff „Leverage-Effekt“ auch hin und wieder für andere Bereiche verwendet, allerdings dann auch so, dass die Begriffsabweichung ersichtlich wird. Wenn nur der „Leverage-Effekt“ genannt wird, ist daher immer die nachfolgend beschriebene Anwendung zur Steigerung der Eigenkapitalrendite entweder in Unternehmen oder allgemein bei Investitionen gemeint.

Der „Leverage-Effekt“:

Ähnlich wie eine Person mit einem Schraubenschlüssel die Wirkung der eigenen Kraft auf eine Schraube verstärken kann, können Unternehmen mit Hilfe von Fremdkapital, also geliehenem Geld, die Wirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die Eigenkapitalrendite erhöhen. Das Fremdkapital ist sozusagen ein Werkzeug von Unternehmen, mit dem unter anderem an der Schraube Eigenkapitalrendite gedreht werden kann.

Solange die Zinskosten für Fremdkapital niedriger sind als die Rendite, die sich mit Hilfe des Fremdkapitals erzielen lässt, führt eine Ausweitung des Fremdkapitals zu einer Steigerung der Eigenkapitalrendite. Ein Unternehmen, das mit einem geliehenen Euro mehr erwirtschaftet als es an Zinsen zahlen muss, kann also die Rentabilität des Eigenkapitals erhöhen.
Dieser Hebel, der durch die Hinzunahme von Fremdkapital genutzt werden kann, um die Eigenkapitalrendite zu steigern, wird als „Hebel-Effekt“ bzw. „Leverage-Effekt“ bezeichnet.

Die Steigerung der Eigenkapitalrendite darf jedoch keinesfalls mit der Steigerung des Gewinns verwechselt werden. Im Gegenteil führt der „Leverage-Effekts“ sogar zu einem Rückgang des Gewinns, während gleichzeitig die Eigenkapitalrendite steigt. Am Beispiel lassen sich die Funktionsweise des Hebelns mit Fremdkapital und die Auswirkungen des „Leverage-Effekts“ auf Gewinn und Eigenkapitalrendite am anschaulichsten erklären.

Beispiel:

Im Eigentum eines Unternehmens befinden sich im Wert von 100 Mio. Euro Anlagen und alles weitere Notwendige (Bargeld, Waren, usw.) um zu produzieren. Der Gewinn des Unternehmens vor Zinsen und Steuern beträgt 6 Mio. Euro. Dieser Gewinn wird mit dem englischen Begriff „EBIT“, für Earnings (Gewinn) Before (vor) Interest (Zins) and Taxes (und Steuern), bezeichnet, während der Gewinn nach Abzug von Zinsen aber noch vor Steuern als „EBT“ (Earnings Before Taxes) bezeichnet wird. Daneben gehen wir von einem Steuersatz von 30% aus und einem Zinssatz für Fremdkapital von 4%.

Unternehmen ohne Fremdkapital:

Hat das Unternehmen keinerlei Fremdkapital, ist also schuldenfrei, ergibt sich daraus, dass alles, was das Unternehmen besitzt, ihm selbst gehört. Entsprechend hat es damit 100 Mio. Euro Eigenkapital.
Der Gewinn des Unternehmens vor Steuern und Zinsen (EBIT) beträgt 6 Mio. Euro. Nachdem das Unternehmen keine Verbindlichkeiten (Schulden, Fremdkapital) hat, muss es auch keine Zinsen zahlen. Der Gewinn vor Steuern (EBT) verbleibt damit bei 6 Mio. Euro. Bei einem Steuersatz von 30% auf den Jahresgewinn errechnet sich dann eine Steuerlast von 1,8 Mio. Euro, so dass schlussendlich ein Unternehmensgewinn von 4,2 Mio. Euro übrig bleibt.

Nachdem das Unternehmen 100 Mio. Euro Eigenkapital hat und der Gewinn 4,2 Mio. Euro beträgt, ergibt sich folglich eine Eigenkapitalrendite von 4,2% die sich als Gewinn / Eigenkapital berechnen lässt (4,2 Mio. Euro / 100 Mio. Euro = 4,2%).

Unternehmen mit 50% Fremdkapital:

Um nun die Eigenkapitalrendite zu steigern, könnte das Unternehmen versuchen, die Finanzierung zur Hälfte von Eigenkapital auf Fremdkapital umzustellen. Das Unternehmen könnte hierfür den Eigentümern 50 Mio. der 100 Mio. Euro Eigenkapital auszahlen und von einer Bank die fehlenden 50 Mio. Euro als Kredit zu einem Zinssatz von 4% leihen.
Für das Unternehmen hat sich dadurch nicht viel verändert, außer dass in der Bilanz jetzt nicht mehr 100 Mio. Euro Eigenkapital stehen, sondern 50 Mio. Euro Eigenkapital und 50 Mio. Euro Fremdkapital, und dass es daneben nun für die 50 Mio. Euro Fremdkapital auch 4% Zinsen zahlen muss.
Am Jahresende ergibt sich daher derselbe Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 6 Mio. Euro. Diesmal fallen allerdings 4% Zinsen auf 50 Mio. Euro an, also 2 Mio. Euro. Damit verringert sich der Gewinn vor Steuern (EBT) auf 4 Mio. Euro. Hiervon werden dann wieder 30% Steuer fällig, was einer Steuerlast von 1,2 Mio. Euro entspricht. Der Jahresgewinn liegt damit bei 2,8 Mio. Euro, also deutlich unter dem Gewinn von 4,2 Mio. Euro, der ohne die Hinzunahme von Fremdkapital entstanden wäre. Nachdem sich allerdings auch das Eigenkapital von 100 Mio. Euro auf 50 Mio. Euro halbiert hat, steigt die Eigenkapitalrendite von 4,2% auf 5,6% (2,8 Mio. Euro / 50 Mio. Euro = 5,6%). Diese Steigerung beruht auf dem „Hebel-Effekt“ bzw. „Leverage-Effekt“.

In der Tabelle ist das Unternehmen aus dem Beispiel ohne Fremdkapital in der ersten Spalte aufgeführt und das Beispielunternehmen mit 50% Fremdkapital in der zweiten Spalte. Daneben ist in der letzten Spalte noch das Unternehmen aufgeführt, wenn es das Eigenkapital statt auf 50 Mio. Euro weiter auf 25 Mio. Euro reduziert, also 75 Mio. Euro bzw. 75% Fremdkapital nutzt.

Gründe für die Nutzung des „Leverage-Effekts“:

Die Frage, die sich den Nicht-Ökonomen stellen dürfte, ist wahrscheinlich, warum macht man das überhaupt, vor allem wenn der Gewinn doch sinkt. Die Antwort ist recht einfach, denn der Gewinn sinkt zwar, aber dafür steigt die Eigenkapitalrendite an, zumindest wenn alles gut läuft. Was das bedeutet, lässt sich aber am besten durch einen Wechsel in die Sicht eines Anlegers verdeutlichen.

Angenommen, Sie haben 100 Euro auf einem Sparbuch liegen, sozusagen Ihr Eigenkapital, und erhalten jedes Jahr 4,20 Euro für Ihre Anlage (Wem das zu unrealistisch ist, kann bei dem Beispiel gerne die Zahlen durch 10 teilen). Eines Tages meldet sich Ihre Bank bei Ihnen und bietet Ihnen folgendes an: Heben Sie von den 100 Euro doch 50 Euro ab und wir zahlen Ihnen statt 4,20 Euro für 100 Euro dann 2,80 Euro für die verbliebenen 50 Euro auf dem Sparbuch. Sie könnten die 50 Euro, die Sie dann nicht mehr bei dieser Bank anlegen, bei einer anderen Bank mit denselben Konditionen anlegen. Schon hätten Sie jedes Jahr statt einmal 4,20 Euro zweimal 2,80 Euro, zusammen also 5,60 Euro, was einer Steigerung um 1,40 entspricht.
Legt man das Unternehmensbeispiel mit 75% Fremdkapital zugrunde, wäre sogar eine Steigerung von 4,20 Euro auf 8,40 Euro möglich. Wenn man dazu bedenkt, um welche Summen es bei Unternehmen geht, dürfte klar werden, welcher Anreiz für die Nutzung des „Leverage-Effekts“ besteht. Der Gewinn eines Unternehmens geht zwar zurück, allerdings wird der verbleibende Gewinn mit deutlich weniger Eigenkapitaleinsatz erreicht. Das restliche zur Verfügung stehende Geld kann dann in andere rentable Projekte investiert werden.

Bedingungen für die Nutzung des „Leverage-Effekts“:

Durch den „Leverage-Effekt“ kann die Eigenkapitalrendite gesteigert werden, solange die Zinskosten unter der Rentabilität des Unternehmens liegen. Im Beispielunternehmen wird mit 100 Mio. Euro Gesamtkapital ein EBIT von 6 Mio. Euro erwirtschaftet, womit die Rentabilität des Unternehmens bei 6% liegt.
Liegen die Zinskosten für das Fremdkapital bei 6%, also auf dem Rentabilitätsniveau des Unternehmens, kann die Eigenkapitalrentabilität nicht mehr mit Hilfe des „Leverage-Effekts“ gesteigert werden. Die Eigenkapitalrentabilität des Unternehmens verändert sich in diesem Fall auch durch die Hinzunahme weiterer Fremdkapitalmittel nicht, im Gegensatz zum Unternehmensgewinn, der bei steigenden Zinsausgaben natürlich rückläufig ist.

Zu einem ähnlichen Ergebnis führt es, wenn sich im Beispiel nicht die Zinsen von 4% an das Niveau der Unternehmensrentabilität von 6% anpassen, sondern umgekehrt die Rentabilität von 6% auf 4%, also auf das Niveau der Zinsen, sinkt. Auch hier bleibt die Eigenkapitalrendite bei der Hinzunahme weiterer Fremdkapitalmittel konstant, während der Gewinn zurückgeht.

Auswirkung von Zins- und Ergebnisschwankungen:

Steigen die Kreditzinsen über das Niveau der Gesamtkapitalrentabilität, also der Rentabilität des Unternehmens, oder sinkt umgekehrt die Gesamtkapitalrentabilität unter das Zinsniveau des Fremdkapitals, führt der „Leverage-Effekt“ in die gegenteilige Richtung. Ähnlich wie man eine Schraube mit einem Schraubenschlüssel lösen oder festziehen kann, funktioniert auch der „Leverage-Effekt“ in beide Richtungen. Anstelle einer Steigerung der Eigenkapitalrendite kommt es dann zu einer Verminderung der Rentabilität.

Würde sich im Beispielunternehmen das EBIT von 6 Mio. auf 4 Mio. Euro reduzieren und die Zinskosten von 4 auf 6% ansteigen, ergibt sich ohne die Nutzung von Fremdkapital eine Eigenkapitalrentabilität von 2,8%. Durch die Hinzunahme von Fremdkapital steigt diese dann aber nicht mehr an, sondern verringert sich, weil die Rentabilität des Unternehmens unterhalb der Fremdkapitalzinsen liegt.

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