mister-ede.de » Flüchtlingspolitik https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 StandPUNKT: Deutschland muss humanitäre Kontingente einrichten! https://www.mister-ede.de/politik/humanitaere-kontingente/8562 https://www.mister-ede.de/politik/humanitaere-kontingente/8562#comments Tue, 31 Oct 2017 17:49:24 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8562 Weiterlesen ]]> Sieht man von wenigen Ausnahmen ab, dann gewährt Deutschland bislang nur jenen Menschen Schutz vor Flucht und Verfolgung, die mit Hilfe von Schleppern in die EU und dort vorbei an Erstregistrierung und Dublin-Regeln bis nach Deutschland gelangen. Das ist weder im Sinne eines ordentlichen Verfahrens noch human.
Inzwischen ist es zwar gelungen, die Aktivitäten der Schlepper durch Kooperationsverträge mit EU-Anrainerländern erfolgreich einzudämmen und die Registrierung von Schutzsuchenden in den Erstaufnahmeländern der EU zu verbessern. Doch alleine mit einer rigorosen Abschottungspolitik wird Deutschland seiner humanitären Verantwortung nicht gerecht. Es ist deshalb dringend erforderlich, im Gegenzug freiwillige Kontingente einzurichten, die es politisch verfolgten Menschen ermöglichen, legal und auf regulärem Weg nach Deutschland einzureisen.
Unser Land verkraftet es problemlos, pro Jahr 200.000 ausgewählte Schutzberechtigte aufzunehmen. Hierzu können Bildungsvisa vergeben, vorübergehende Aufenthaltsgenehmigungen für medizinische Eingriffe ausgestellt oder ein dauerhaftes Bleiberechte für Familien oder Waisenkinder geschaffen werden. Bei der Höhe solcher humanitärer Kontingente können auch beispielsweise Verpflichtungen aus Umverteilungsprogrammen der EU oder aktuell der Familiennachzug für bereits hier lebende Schutzberechtigte berücksichtigt werden. Wenn sich Deutschland als reiches Industrieland hingegen solchen humanitären Kontingenten verweigert, dann stielt es sich in beschämender Weise aus seiner Verantwortung.


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Bundesregierung versteckt sich in der Flüchtlingspolitik hinter Orbán und Kaczyński https://www.mister-ede.de/politik/bundesregierung-versteckt-sich/8520 https://www.mister-ede.de/politik/bundesregierung-versteckt-sich/8520#comments Wed, 20 Sep 2017 17:57:02 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8520 Weiterlesen ]]> In der Flüchtlingspolitik verhält sich Deutschland im Jahr 2017 nicht anders als im Jahr 2014. Damals beendete die italienische Regierung ihre Rettungsmission „Mare nostrum“, mit der Flüchtlinge im Mittelmeer vor dem Ertrinken bewahrt wurden, weil unter anderem die Bundesregierung nicht zu einer finanziellen Beteiligung an den Kosten des Einsatzes bereit war. Doch auch heute macht sich Deutschland wieder klein und schaut angestrengt weg, wenn es um die Solidarität mit Griechenland und Italien bei der Versorgung von Flüchtlingen geht.
So ist es bezeichnend, dass kein anderes EU-Land eine höhere Zahl offener Kontingentplätze zur Umverteilung von Flüchtlingen vor sich her schiebt als das reiche und sich selbst immer als solidarisch empfindende Deutschland. Vor zwei Jahren, am 14. September 2015, beschloss der Rat der EU, dass Deutschland und andere EU-Länder bis Herbst 2017 aus Griechenland und Italien eine gewisse Zahl an Flüchtlingen aufnehmen müssen, um die beiden Mittelmeer-Anrainer zu entlasten. Aber auch gegen Ende des Umverteilungs-Programms hat Deutschland noch immer 19.684 Plätze nicht besetzt und ist damit Spitzenreiter bei der Unsolidarität unter den EU-Ländern [1].

Gleichzeitig versteckt sich Deutschland, das pro Kopf ein BIP von 38.100 Euro hat, in der Flüchtlingspolitik immer wieder hinter Ländern wie Polen (11.000 Euro BIP pro Kopf) und Ungarn (11.500 Euro BIP pro Kopf). Doch ist es wirklich fair, dass die Bundesregierung von Ungarn und Polen, die bei der Wirtschaftskraft zu den Schlusslichtern in der EU gehören, die Aufnahme von Flüchtlingen einfordert? Wäre es nicht vielmehr Aufgabe der wirtschaftlich starken und reichen EU-Länder, die ein stabiles Wachstum und eine niedrige Arbeitslosigkeit haben, sich solidarisch zu zeigen und jenen EU-Mitgliedern zu helfen, die sich in einer Notlage befinden?
Und wenn man schon kritisiert, dass sich manche EU-Länder aus der europäischen Solidarität ausklinken, wieso kritisiert die Bundesregierung dann nicht Großbritannien oder Dänemark, die ebenfalls keine Flüchtlinge aus Griechenland oder Italien übernehmen? Stattdessen kommt immer wieder der Verweis auf Polen und Ungarn, als ob diese beiden Länder in jener Verantwortung stünden, aus der sich Deutschland, Österreich oder die Niederlande längst gestohlen haben. Zumindest bei mir entsteht da der Eindruck, dass Orbán und Kaczyński, an deren Politik es unbestreitbar viel zu kritisieren gibt, ideale Sündenböcke sind, um die Verantwortung der Bundesregierung für eine konzeptlose, unzulängliche und bisweilen inhumane Flüchtlingspolitik zu kaschieren. Wenn also Karin Bensch auf tagesschau.de kommentiert: „Es ist unerträglich, dass nur einige wenige EU-Länder wie zum Beispiel Schweden und Deutschland den größten Teil aller Flüchtlinge aufgenommen haben und andere Länder sich aus innenpolitischen Gründen wegducken“ [2], so antworte ich ihr: „Unerträglich ist für mich die Scheinheiligkeit der Bundesregierung, sich bei der Flüchtlingspolitik als solidarisch und human darzustellen, während man sich in Berlin de facto hinter Orbán und Kaczyński versteckt.“


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[1] Mitteilung der EU-Kommission zum aktuellen Stand (18.09.2017) der Umverteilung abgerufen am 20.09.2017 (PDF mit aktualen Zahlen auf ec.europa.eu)

[2] Kommentar vom 06.09.2017 von Karin Bensch zur Flüchtlingspolitik auf Tagesschau.de (Link zum Kommentar auf www.tagesschau.de)

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Das EuGH-Urteil zur Flüchtlingsverteilung – eine Einordnung https://www.mister-ede.de/politik/eugh-fluechtlingsverteilung/8498 https://www.mister-ede.de/politik/eugh-fluechtlingsverteilung/8498#comments Wed, 13 Sep 2017 19:47:57 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8498 Weiterlesen ]]> Vergangene Woche entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass sich Ungarn und die Slowakei an der Umverteilung von Flüchtlingen aus Griechenland und Italien beteiligen müssen. Ausnahmen gibt es damit weiterhin nur für Dänemark und Großbritannien, die sich im EU-Vertrag garantieren haben lassen, nicht an der EU-Flüchtlingspolitik teilnehmen zu müssen.

Das Urteil [1] einfach erklärt:

Am 14. September 2015 beschloss der Rat der EU auf Basis von Art. 78 III AEUV (Vertrag über die Arbeitsweisen der EU) mit qualifizierter Mehrheit eine Umverteilung von 120.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien in andere Teile der EU [2]. Gegen diesen Beschluss klagten die beiden EU-Länder Slowakei und Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Vergangene Woche urteilte nun der EuGH, dass der damalige Beschluss inhaltlich und formal korrekt war.
Im September 2015 bestand tatsächlich eine Notlage in Griechenland und Italien und deshalb durfte der Rat der EU nach Art. 78 III AEUV Maßnahmen zur Abhilfe beschließen. Diese Maßnahmen waren aus Sicht des EuGH nicht erkennbar ungeeignet, um Griechenland und Italien zu helfen, und verletzten auch kein sonstiges EU-Recht. Außerdem stellte der EuGH klar, dass für diesen Beschluss keine Einstimmigkeit der EU-Länder erforderlich war, sondern lediglich eine qualifizierte Mehrheit (siehe Art. 16 III und IV EU-Vertrag). Aus diesen Gründen war der Beschluss des Rates der EU rechtmäßig und der EuGH hat die entsprechenden Klagen der Slowakei und Ungarns zurückgewiesen.

Was das Urteil bedeutet:

Das Urteil des EuGH bedeutet zunächst, dass der Rat der EU in einer Notlage eine Umverteilung von Flüchtlingen beschließen darf und sich dann alle EU-Länder daran beteiligen müssen. Ungarn und die Slowakei müssen also ihren Teil der Flüchtlinge aus Italien und Griechenland übernehmen. Aber auch für Deutschland bedeutet das Urteil, dass sich die Bundesregierung rechtswidrig verhalten würde, wenn sie den Beschluss des Rates der EU nicht wie gefordert umsetzt. Bislang hat Deutschland allerdings erst 7.852 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien aufgenommen, obwohl es bis Herbst 2017 rund 30.000 Flüchtlinge übernehmen sollte [3]. Nachdem es aber auch Probleme in Italien und Griechenland gibt, geeignete Personen für eine solche Umverteilung zu identifizieren, dürfte das Urteil vorerst keine direkten Auswirkungen auf die Geschwindigkeit der Umverteilung haben.

Was das Urteil nicht bedeutet:

Das Urteil des EuGH bedeutet nicht, dass die EU künftig auch gegen den Willen eines EU-Landes eine dauerhafte Umverteilung von Flüchtlingen beschließen darf. Nur bei Notlagen kann auf die Einstimmigkeit verzichtet werden. Um für die Zukunft daran etwas zu ändern, müssten die EU-Verträge geändert werden, was jedoch ebenfalls zwingend jene Einstimmigkeit aller EU-Länder voraussetzt, die es zurzeit nicht gibt. Aber auch in einer Notlage getroffene Umverteilungs-Beschlüsse dürften wieder vor dem EuGH landen. Denn ob tatsächlich eine Notlage vorliegt, kann immer nur im konkreten Einzelfall geprüft werden.
Das Urteil bedeutet daher nicht, dass sich an der bisherigen EU-Flüchtlingspolitik etwas ändert oder gar dass diese solidarischer oder humaner wird.

Bewertungen des Urteils:

Wenn von einer Niederlage Ungarns und der Slowakei in Bezug auf die EU-Flüchtlingspolitik gesprochen wird, so ist das de facto falsch. Zwar haben Ungarn und die Slowakei den Rechtsstreit bezüglich dieses einen Beschlusses verloren, allerdings haben sie längst für eine Änderung der EU-Flüchtlingspolitik in ihrem Sinne gesorgt. Die EU schottet sich massiv ab und Ungarn und die Slowakei oder auch Polen müssen nur wenige Flüchtlinge aufnehmen. Überdies haben die beiden EU-Länder mit Hilfe der Klage klären können, dass der Rat der EU nicht einfach gegen ihren Willen eine dauerhafte Umverteilung beschließen und schon gar nicht die Aufnahme von Flüchtlingen aus Drittstaaten erzwingen kann. Insofern muss man konstatieren, dass sich die ungarische, die slowakische und die polnische Regierung mit ihrer Haltung zur Flüchtlingspolitik weitestgehend durchgesetzt haben.
Nachdem sich aber an der Blockade-Haltung der Visegrád-Staaten in nächster Zeit nichts ändern wird, bleibt für die Entwicklung hin zu einer echten gemeinsamen Asylpolitik in der EU nur der Weg über eine verstärkte Zusammenarbeit einiger EU-Länder.


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[1] Urteil des EuGH vom 06.09.2017 (Link zum Urteil auf curia.europa.eu)

[2] Beschluss des Rates der EU vom 22.09.2015 (Link zum Beschluss auf eur-lex.europa.eu)

[3] Mitteilung der EU-Kommission zum aktuellen Stand (06.09.2017) der Umverteilung abgerufen am 13.09.2017 (PDF mit aktualen Zahlen auf ec.europa.eu)

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https://www.mister-ede.de/politik/eugh-fluechtlingsverteilung/8498/feed 0
Warum die Europa-Debatte auf der Stelle tritt https://www.mister-ede.de/politik/stillstand-europa-debatte/8448 https://www.mister-ede.de/politik/stillstand-europa-debatte/8448#comments Sat, 10 Jun 2017 17:35:16 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8448 Weiterlesen ]]> Zurzeit steckt die EU in einer Vielzahl von Krisen. Doch anders als in der Vergangenheit ist die EU heutzutage häufig selbst Teil der Krisen und manchmal sogar der genaue Mittelpunkt. So ist z.B. die Eurokrise nicht von einer Naturkatastrophe oder sonstigen globalen Ereignissen verursacht worden, sondern eine hausgemachte Krise einer Währungsunion, die nach ihrer Einführung nicht von einer demokratischen politischen Union umrahmt wurde. Luxleaks und die vielen weiteren nationalen Steuerschlupflöcher machen dasselbe Problem, den mangelhaften ordnungspolitischen Rahmen, am Binnenmarkt sichtbar. Und auch bei der Flüchtlingskrise ist offensichtlich, dass es keine äußeren Kräfte, sondern alleine die EU und ihre Mitgliedsländer waren, die an der solidarischen Verteilung der Ankommenden gescheitert sind – und zwar nicht erst 2015, sondern schon ab 2012, als es nach dem Zusammenbruch Libyens darum ging, Italien beim Umgang mit seiner offenen Seegrenze zu unterstützen.

Die EU ist also immer häufiger selbst Teil des Problems und eine wesentliche Ursache dafür liegt in der fehlenden oder nicht ausreichenden europäischen Integration. Folgerichtig wird an vielen Baustellen der EU immer wieder der Ruf nach weiteren Integrationsschritten der EU laut. Um dem Steuerdumping zu begegnen, soll es eine gemeinsame Unternehmensbesteuerung geben und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit eine europäische Arbeitslosenversicherung. Die Währungsunion soll endlich durch eine politische Union ergänzt werden und zur Bewältigung der Flüchtlingskrise soll es ein solidarisches europäisches Migrations- und Asylsystem geben. Die Außengrenzen sollen gemeinschaftlich geschützt und mit einer Verteidigungsunion soll die Abwehrfähigkeit aller EU-Länder verbessert werden. Doch trotz der klaren Forderungen nach mehr Kooperation, die quer durch das politische Spektrum der Pro-Europäer erhoben werden, hat sich bislang nichts geändert – und dafür gibt es Gründe.

Für viele der eigentlich notwendigen Integrationsschritte innerhalb der EU, z.B. der Entwicklung eines echten EU-Außengrenzschutzes, wäre die Einstimmigkeit der EU-Länder notwendig und oftmals sogar eine Änderung der EU-Verträge. Doch durch die Vielzahl nationaler Egoismen ist es inzwischen kaum noch möglich, diese notwendige Einstimmigkeit unter den 28, bald 27, EU-Ländern zu erreichen. So blockiert beispielsweise Deutschland alles, was auch nur im Verdacht stehen könnte, der deutschen Automobilindustrie zu schaden, während andere EU-Länder umgekehrt ihre wichtigen nationalen Unternehmen und Wirtschaftszweige schützen. Und auch bei der Steuergesetzgebung versucht jedes Land immer genau seine eigenen Schlupflöcher zu verteidigen. Die in der Versenkung verschwundene gemeinsame europäische Finanztransaktionssteuer ist ein Musterbeispiel hierfür.
Hinzukommen dann aber auch noch EU-Länder, vorneweg Ungarn und Polen, deren Regierungen den Status quo sowieso ganz gerne erhalten möchten, weil ihnen überhaupt nicht an einer starken EU-Ebene gelegen ist. An dieser Gruppe scheiterte beispielsweise ein erster Versuch, die Verantwortung für die EU-Außengrenzen an die EU zu übertragen, weil diese Länder nicht bereit waren, die Hoheit über den Grenzschutz an ihren eigenen EU-Außengrenzen aufzugeben. Und darüber hinaus gibt es dann sogar noch weitere EU-Länder, z.B. Dänemark, die sich die Möglichkeit zur Nichtteilnahme am Euro-Währungsverbund, an Schengen oder am Dublin-System vertraglich haben zusichern lassen.

Es ist daher extrem schwer, die Hürde der Einstimmigkeit für substanzielle Änderungen innerhalb der EU zu überwinden. Aus diesem Grund laufen auch die vielen Forderungen, z.B. nach einer gemeinsamen Arbeitslosenversicherung oder einer EU-Migrations- und Asylpolitik, kontinuierlich ins Leere. Dadurch ist es inzwischen kaum noch möglich, die EU durch eine tiefere Integration handlungsfähig zu machen und sie damit in die Lage zu versetzen, vom Teil des Problems wieder zum Teil der Lösung zu werden.
Neben den Rufen nach einer tieferen Integration muss daher künftig die Tatsache diskutiert werden, dass solche Vertiefungen nicht mehr mit allen EU-Ländern zusammen gegangen werden können. So schön z.B. Ulrike Guérots „Europäische Republik“ ist, hilft sie solange nicht weiter, bis die Frage beantwortet wurde, welche EU-Länder bei dieser Umgestaltung mitmachen und was das für jene EU-Länder bedeutet, in denen die Bevölkerung nicht zu diesem Schritt bereit ist. Hier setzt nun das „Konzept der Europäischen Föderation“ an, aber auch der frisch gewählte französische Präsident Macron beantwortet mit seinen Vorstellungen zur Reform der Eurozone und einer Weiterentwicklung zu einem Kern innerhalb der EU die Frage, welche EU-Länder an den Integrationsschritten beteiligt wären. Doch in der Öffentlichkeit fehlt es noch immer an einem breiten Diskurs dazu, während sich die Europa-Debatte weiterhin überwiegend in einer Dauerschleife zwischen der Forderung nach tieferer Integration und einer blockierten EU befindet.
Das Ziel muss daher sein, auf die Beantwortung der Frage hinzuarbeiten, mit welchen EU-Ländern eine tiefere Integration umgesetzt werden kann und soll. Denn zum einen hat die Zusammensetzung der Länder umgekehrt Einfluss darauf, in welchem Rahmen und in welcher Tiefe Integrationsschritte verwirklicht werden können und sollen. Und zum anderen wird damit die Europa-Debatte auf die tatsächliche Umsetzung einer tieferen Integration ausgerichtet, was hilfreich wäre, um der Debatte neuen Schwung zu geben und sie endlich wieder vorwärts zu bewegen.


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Der Niedergang des europäischen Projekts https://www.mister-ede.de/politik/der-niedergang-der-eu/8432 https://www.mister-ede.de/politik/der-niedergang-der-eu/8432#comments Wed, 31 May 2017 15:28:38 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8432 Weiterlesen ]]> Als um die Jahrtausendwende der Euro eingeführt wurde und 2004 die große Ost-Erweiterung der EU stattfand, wähnten sich weite Teile der EU-Bürgerschaft in einem goldenen Zeitalter von Frieden und Wohlstand in Europa angekommen. Der Ost-West-Konflikt gehörte der Vergangenheit an, die europäische Integration schien unumkehrbar und der Glaube an eine Zukunft im europäischen Miteinander war unerschütterlich. Keine zwei Jahre später zeigte sich jedoch, dass das europäische Projekt eher auf Sand gebaut ist, denn in Stein gemeißelt.

Und so kam es, wie es kommen musste. 2006 scheiterte der Versuch, der EU eine Verfassung zu geben, und die europäische Integration kam zum Stillstand. Als nächstes crashte 2009 das europäische Bankenwesen und mit ihm zahlreiche Euro-Länder. Die einstige wirtschaftliche Prosperität in Europa gehört seitdem der Vergangenheit an und im Hinblick auf das Wohlstandsversprechen der europäischen Idee wurde die Eurozone zu einem Krisengebiet.
Von 2012 bis heute starben dann rund 20.000 Menschen, darunter zahlreiche Kriegsflüchtlinge, an den EU-Außengrenzen und mit ihnen der Mythos von der europäischen Wertegemeinschaft, die der Würde des Menschen und den Menschenrechten verpflichtet ist. Ab 2013 wurde dann Italien bei der Versorgung von Flüchtlingen von den europäischen Partnern im Stich gelassen und jeder konnte sehen, dass auch die bis dahin viel beschworene europäische Solidargemeinschaft nichts weiter ist als eine hohle Phrase. Danach löste 2015 das schon lange zuvor gescheiterte Dublin-System eine tiefe politische Krise in Europa aus und mit dem Bau von Grenzzäunen zwischen EU-Ländern wurde die völlige Handlungsunfähigkeit der Europäischen Union offenkundig.
Letztendlich mündete der Niedergang der EU dann im Jahr 2016 in der Entscheidung der Briten, das europäische Projekt zu beenden und die britische Politik künftig wieder vollständig im Rahmen ihres Nationalstaats zu organisieren.

So steht die EU-Bürgerschaft heute vor einer desintegrierenden europäischen Integration, vor einer wertlosen Wertegemeinschaft, vor einer unwirtschaftlichen Wirtschaftsgemeinschaft, vor einer unsolidarischen Solidargemeinschaft und vor einer EU, in der das nationale Handeln die gemeinschaftliche Handlungsunfähigkeit ersetzt. Sahen sich viele EU-Bürger vor zehn Jahren noch auf dem Weg in eine europäische Oase des Glücks, hat sich dieses Ziel in den letzten Jahren immer mehr als Fata Morgana entpuppt. Vom europäischen Projekt ist somit nichts geblieben, außer der bitteren Erkenntnis, sich viel zu lange von einem schönen Schein blenden haben zu lassen.


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Rollback ins Nationale:

Eine Vielzahl nationalistischer Kräfte in Europa möchte die europäische Integration am liebsten auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgen und den Kontinent wieder in Nationalstaaten aufspalten. Ihr Narrativ ist, dass sich der Nationalstaat in der Vergangenheit bewährt habe und auch heute besser als die gemeinschaftlichen europäischen Institutionen in der Lage sei, die Interessen der Bürger zu vertreten. Dabei spielt diesen Kräften zurzeit in die Hände, dass es die europäischen Institutionen bei zahlreichen Problemen tatsächlich nicht mehr schaffen, befriedigende Lösungen zu finden. So können die Nationalisten die für die Bevölkerungen der EU-Mitgliedsländer spürbaren und sichtbaren Schwachstellen der EU für ihre Erzählung nutzen, ohne den Beweis antreten zu müssen, dass die Nationalstaaten, wenn sie für sich alleine wären, diese Probleme wirklich besser lösen könnten.
Wichtige Vertreter dieser Hauptrichtung sind z.B. die britische UKIP, die vehement für den Brexit geworben hat, der französische Front National um die rechte Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen, die deutsche AfD, die österreichische FPÖ und die italienische Partei Movimento Cinque Stelle (Fünf-Sterne-Bewegung) um Beppe Grillo.

Status quo verteidigen:

Für ein Beibehalten der EU in ihrer jetzigen Form treten vor allem diejenigen ein, die zu den Gewinnern der bisherigen Ausgestaltung des europäischen Miteinanders gehören und deshalb wenig bis gar kein Interesse daran haben, etwas zu ändern. Hierzu gehören insbesondere die Eigentümer und Vertreter jener Unternehmen, die vom gemeinsamen Binnenmarkt und dem Wettbewerb der EU-Länder stark profitieren. Bleibt es bei der aktuellen Konstruktion, können sich deren Unternehmen weiterhin in manchen EU-Ländern das Steuerdumping, in anderen das Lohn- und Sozialdumping und in nochmals anderen EU-Ländern z.B. niedrige Umweltschutzauflagen zunutze machen. Hinzugesellen sich aber auch einige Betriebsräte und Spitzenfunktionäre der Gewerkschaften, die weit weg sind von Fehlentwicklungen wie wachsendem Niedriglohnsektor und prekärer Beschäftigung und daher ebenfalls für den Erhalt der EU in ihrer bisherigen Struktur plädieren. Mit dem Status quo gut leben können außerdem Politiker wie Viktor Orbán, die keine tiefere Integration und schon gar keine gestärkten europäischen Institutionen möchten, deren Länder allerdings weiterhin vom Binnenmarkt und den EU-Fördergeldern profitieren sollen.
Zu diesen konservativen Kräften hinzuzählen muss man allerdings auch den parteilosen französischen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron, der sich in seinem Wahlkampf nicht für einen Umbau Europas stark gemacht hat, sondern für eine Agenda-Politik in Frankreich, wie sie Gerhard Schröder einst in Deutschland durchführte. Zum Kreis derer, die vor allem die jetzige EU erhalten und bestenfalls an einzelnen Stellschrauben moderat drehen wollen, gehören außerdem Wolfgang Schäuble, der anstelle tiefgreifender Reformen lediglich einen Euro-Aufseher zur Durchsetzung des Spardiktats in Südeuropa befürwortet, genauso wie der in Deutschland stark gehypte #PulseOfEurope, der zum Fahnenschwenken für die aktuelle EU aufruft, statt substanzielle Veränderungen an dieser EU einzufordern.

Europäische Integration neu denken:

Last but not least gibt es dann noch all jene, die das europäische Miteinander weiterentwickeln und die europäische Integration neu denken wollen. Allerdings sind die Anhänger dieser Strömung quer über das politische Spektrum verteilt, weshalb es innerhalb dieser Gruppe sehr unterschiedliche Vorstellungen davon gibt, wie ein Europa der Zukunft am Ende gestaltet sein sollte und wie ein Weg dorthin aussehen könnte. Trotz dieser Vielfalt lassen sich diese progressiven pro-europäischen Kräfte aber dennoch auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Sie erkennen die Strukturprobleme der jetzigen EU an, beispielsweise das Demokratiedefizit, und erachten es deshalb für das europäische Miteinander als unabdingbar, diese Konstruktionsfehler der EU durch grundlegende Reformen zu beseitigen.
Zu dieser Gruppe gehören zahlreiche Politiker von Linken und Grünen sowie einige der SPD und auch z.B. die EU-Parlamentarier Manfred Weber (CSU) und Alexander Graf Lambsdorff (FDP). Hinzu kommen außerdem verschiedene zivilgesellschaftliche Initiativen, wie die Union Europäischer Föderalisten, die sich für ein föderales Europa einsetzt, oder die Bewegung DIEM25 um den ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis, die europaweit Dialoge für ein neues Europa durchführt. Aber auch die Wissenschaftlerin Ulrike Guérot, die ihre Vorstellung einer European Republic in ihrem Buch „Warum Europa eine Republik werden muss!“ niedergeschrieben hat und dieser Blog, der sich unter anderem für eine europäische Verfassung stark macht, sind zu dieser Gruppe progressiver Pro-Europäer zu zählen.


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Trumps Migrationspolitik: Er eifert der EU nach https://www.mister-ede.de/politik/trumps-migrationspolitik/7678 https://www.mister-ede.de/politik/trumps-migrationspolitik/7678#comments Tue, 31 Jan 2017 16:00:13 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=7678 Weiterlesen ]]> Donald Trump ist ein selbstverliebter Großkotz ohne Empathie und ohne Anstand – daran besteht kein Zweifel. Allerdings werden wir mit diesem neuen US-Präsidenten leben müssen und so stellt sich, trotz aller Vorbehalte, die Frage, wie Trumps Migrationspolitik künftig aussehen wird und wie wir damit umgehen.

In vielen Punkten wirkt es dabei so, als würde Donald Trump dem nacheifern, was es in der EU schon längst gibt. Schaut man z.B. auf seine Forderung, illegale Einwanderer aus Mexiko wieder dorthin abzuschieben, findet man keinen Unterschied zur aktuellen Politik in Europa. Denn nichts anderes macht Griechenland, wenn es Flüchtlinge und Migranten zurück in die Türkei schickt, oder Deutschland, wenn es Personen nach Afghanistan abschiebt. Und auch Rückführungsabkommen mit Marokko und Tunesien sind in der EU bereits ein alter Hut.
Dasselbe gilt für Trumps Forderung, die Mauer zwischen den USA und Mexiko auszubauen, um die irreguläre Migration von dort zu beenden. So hat Spanien schon vor über 20 Jahren einen Zaun zu Marokko errichtet, Ungarn besitzt inzwischen einen 175 Kilometer langen Zaun zu Serbien und auch Bulgarien und Griechenland haben ihre Grenzen zur Türkei mit ähnlichen Sperranlagen versehen. Daneben gibt die EU eine Viertelmilliarde Euro für das Überwachungssystem Eurosur aus, das mit Satelliten, Drohnen, Sensoren, Infrarottechnik und hochauflösenden Kameras irreguläre Migranten an den EU-Außengrenzen aufspüren soll [1]. Und mittlerweile hat Griechenland sogar einen Zaun zu Mazedonien errichtet, der mit EU-Grenzschützern von Frontex gesichert wird, damit Flüchtlinge, wie einst DDR-Bürger, durch diesen Eisernen Vorhang vor einer Weiterreise nach Nordeuropa abgehalten werden. Wenn der neue US-Präsident da mithalten wollte, müsste er also schon so weit gehen, an der Nordgrenze von Texas eine Mauer zu bauen, damit all jene Mexikaner, die es irgendwie nach Texas geschafft haben, wirklich nicht mehr weiterkommen.

Selbst wenn man den griechisch-mazedonischen und den ungarisch-serbischen Grenzzaun sowie die Abschiebungen nach Afghanistan beiseitelässt, bleiben damit noch immer eine Vielzahl von Abschottungsmaßnahmen der EU. Am Ende sind sie allerdings genau dasselbe wie Trumps Mauerbau an der Grenze zu Mexiko und seine Abschiebeforderung für illegale Einwanderer. Im Unterschied zum amerikanischen Präsidenten hat die EU jedoch wenigstens das Ziel, reguläre Wege nach Europa einzurichten. Aber auch dieser Gegensatz liegt nicht am großen Humanismus der Europäer, sondern vielmehr an der schlichten Tatsache, dass die USA neben Studentenvisa, Migrationsmöglichkeiten für Hochqualifizierte und Resettlement-Programmen für Flüchtlinge mit ihrer Greencard-Verlosung längst solche regulären Wege geschaffen haben. Nun mag man über die Zahl der so vergeben Visa und über das Vergabesystem streiten oder die Bereitschaft der USA, ihrer humanitären Verantwortung gerecht zu werden, schon unter Obama für viel zu gering gehalten haben. Besser als das russische Roulette, das wir Europäer für Migranten anbieten, die sich mit teuren Schleppern in unsicheren Schlauchboote auf die Reise über das Mittelmeer begeben müssen (Todesquote 1 – 2%), ist diese US-Lotterie aber auf jeden Fall. Zumal den rund 200.000 Migranten, die es über das Mittelmeer in die EU schaffen, anders als den Greencard-Gewinnern, in vielen Fällen die oben beschriebene Rückführung in ihre Heimat droht. Überdies arbeitet die EU sowieso schon intensiv daran, bald auch diesen Weg in die EU endgültig zu schließen – mit Hilfe von Auffanglagern in Afrika oder mit der Unterstützung libyscher Milizen, die euphemistisch als Küstenwache bezeichnet werden.

Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Donald Trump und zumindest mehr oder weniger großen Teilen Europas ist die rassistische Islamfeindlichkeit. Insbesondere seit der neue US-Präsident am Wochenende eine Einreisesperre für Staatsangehörige von sieben Ländern mit überwiegend muslimischer Bevölkerung verhängt hat, ist seine radikale Verachtung für Muslime offensichtlich. Doch man möge sich auch hier an die Aussagen vieler europäischer Regierungen während der Flüchtlingskrise erinnern. Vor ziemlich genau einem Jahr erklärte beispielsweise die Slowakei, keine muslimischen Flüchtlinge aufnehmen zu wollen, und auch in anderen Ländern der EU, z.B. in Polen, war genau das die Haltung der dortigen Regierungen. Die Lösung des Konflikts mit der EU und den europäischen Werten sieht heute nun so aus, dass diese Länder einfach überhaupt keine Flüchtlinge mehr aufnehmen. Formal ist die Diskriminierung somit zwar beseitigt, inhaltlich bleibt es jedoch weiterhin bei der islamfeindlichen und menschenverachtenden Haltung dieser Länder.

Um es ganz klar zu sagen, Trumps Migrationspolitik, seine pauschalen Abschiebeforderungen und vor allem seine rassistische Islamfeindlichkeit sind absolut widerwärtig. Wenn aber nicht mit zweierlei Maß gemessen werden soll, muss genauso auch die EU-Abschottungspolitik, die Situation von Flüchtlingen auf den griechischen Inseln und die Ablehnung von Muslimen in weiten Teilen der europäischen Gesellschaft scharf verurteilt werden. Dasselbe gilt für die deutsche Kritik an Trumps Migrationspolitik, die aus einem Land kommt, das Personen nach Afghanistan abschiebt, Syrern den Familiennachzug verweigert und das selbst kaum reguläre Migrationswege eröffnet. Wer glaubwürdig die Aussetzung der Aufnahme von 20.000 syrischen Flüchtlingen durch Donald Trump kritisieren will, muss deshalb gleichzeitig kritisieren, dass Deutschland im vergangen Jahr lediglich ein Resettlement für rund 1.500 Personen ermöglicht hat.
Sowohl Trumps Migrationspolitik wie auch die europäische Flüchtlingspolitik müssen angeprangert werden. Die Aufgabe ist also, künftig das eine zu tun, ohne das andere zu lassen.


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Isch bin der Trump vunn da Palz (www.mister-ede.de – 27.10.2016)


[1] Wikipedia-Eintrag zum Eurosur-Programm der EU (Link zum Eintrag auf wikipedia.org)

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Flüchtlingspolitik: Große Koalition meldete 2016 Insolvenz an https://www.mister-ede.de/politik/insolvenz-fluechtlingspolitik/5980 https://www.mister-ede.de/politik/insolvenz-fluechtlingspolitik/5980#comments Thu, 12 Jan 2017 10:57:23 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5980 Weiterlesen ]]> Was die Regierungsparteien im vergangenen Jahr in der Flüchtlingspolitik beschlossen haben, kommt einem Ausverkauf des Asylrechts und des Flüchtlingsschutzes gleich. Schon zu Beginn des Jahres 2016 verabschiedete die Große Koalition ihr Asylpaket II und schränkte damit den Familiennachzug subsidiär Schutzberechtigter deutlich ein. Betroffen von dieser Gesetzesverschärfung sind inzwischen unter anderem weit über 100.000 Syrer [1], die nun zwei volle Jahre warten müssen bis sie ihre Kinder, Ehegatten oder Eltern nach Deutschland nachholen dürfen. Angesichts der katastrophalen Situation in Syrien und des Bombenhagels der vergangenen Monate auf Aleppo macht diese Entscheidung fassungslos. Aber auch im Hinblick auf die vielen unbegleiteten Minderjährigen, die von ihren Familien oftmals zuerst in eine sichere Umgebung vorausgeschickt wurden, gleicht dieser Beschluss einem Offenbarungseid. Nun müssen für sie in Deutschland ein Vormund und eine jugendgerechte Unterbringung organisiert werden, während ihre Familien irgendwo außerhalb des Landes in oftmals menschenunwürdigen oder gefährlichen Umgebungen ausharren müssen. Anstatt den Flüchtlingsschutz, das Kindeswohl und den Schutz von Ehe und Familie zum Maßstab der Regierungspolitik zu machen, wurde damit wieder Abschreckung und Abschottung zur Leitlinie der Großkoalitionäre.

Doch die restriktive Flüchtlings- und Asylpolitik des vergangenen Jahres fand mit dem Asylpaket II nur ihren Anfang. Als kurze Zeit später das EU-Türkei-Abkommen unterzeichnet wurde, sagte die Bundesregierung humanitäre Kontingente und die Schaffung regulärer Wege nach Deutschland zu, sobald die Zahl der aus der Türkei kommenden Schutzsuchenden zurückgegangen ist. Spätestens seit dem Herbst des letzten Jahres wurde dann allerdings deutlich, dass die Bundesregierung von diesem Versprechen nichts mehr wissen will. So erhielten lediglich wenige hundert Flüchtlinge die Möglichkeit, regulär nach Deutschland zu kommen, und auch die Einrichtung des dauerhaften humanitären Aufnahmemechanismus für schutzbedürftige Personen ist inzwischen wieder von der Agenda verschwunden.
Selbiges gilt auch für die bereits 2015 zugesagte Beteiligung an der Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien, die eigentlich bis zum September 2017 abgeschlossen sein sollte. Hier nahm Deutschland von bislang 98.255 zur Verteilung vorgesehenen Flüchtlingen bis zum 10. Januar 2017 gerademal 1.099 auf, obwohl anteilsmäßig eine Übernahme von rund 30.000 Schutzsuchenden geplant gewesen ist [2]. Im Gegenteil versucht die Bundesregierung nun sogar, trotz der massiven Belastung der beiden Länder durch die hohe Zahl der dort bereits lebenden Flüchtlinge, Rückführungen nach Italien und Griechenland zu forcieren.

Zusätzlich wurde im vergangenen Jahr allerdings auch das Asylrecht in Deutschland in einer Art und Weise verschärft, dass man den Eindruck gewinnen muss, Flüchtlingsschutz heißt hierzulande mittlerweile, analog zu einem Sonnenschutz, Schutz vor Flüchtlingen. Überdies wurde vor einigen Wochen mit Abschiebungen in größerem Umfang nach Afghanistan begonnen, also der Verbringung in ein Land, das von Ministern als sicher eingestuft wurde, die es selbst nur in Kampfmontur bereisen. Zunehmend drängt sich damit die Frage auf, ob die Worte „christlich“ oder „sozial“ im Namen der Regierungsparteien inzwischen nicht gestrichen werden sollten, um keinen falschen Eindruck zu erwecken.
Von der Wahrnehmung der humanitären Verantwortung Deutschlands ist, anders als noch im Zeitraum von Herbst 2015 bis Frühjahr 2016, heute zumindest nichts mehr zu spüren. Und auch von der Solidarität mit den von den Fluchtbewegungen in die EU stark betroffenen Ländern am Rande des Schengenraums ist die deutsche Politik mittlerweile wieder genauso weit entfernt wie vor 2015. Langfristig wird sich Deutschland damit jedoch keinen Gefallen tun und so könnte es bald wieder soweit sein, dass sich Merkel wünscht, „die Zeit zurückdrehen zu können“.


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4. Fortschrittsbericht zum EU-Türkei-Abkommen: Bilanz eines europäischen Versagens (www.mister-ede.de – 28.12.2016)

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EU-Flüchtlingspolitik: Was endlich angepackt werden muss! (www.mister-ede.de – 09.10.2016)


[1] Asylgeschäftsstatistik 2016 des BAMF (Link zur PDF auf www.bamf.de)

[2] PDF der EU-Kommission zum Stand der Umverteilung der 160.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland (Link zur PDF auf ec.europa.eu)

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4. Fortschrittsbericht zum EU-Türkei-Abkommen: Bilanz eines europäischen Versagens https://www.mister-ede.de/politik/bericht-eu-tuerkei-abkommen/5930 https://www.mister-ede.de/politik/bericht-eu-tuerkei-abkommen/5930#comments Wed, 28 Dec 2016 15:06:27 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5930 Weiterlesen ]]> Die seit Abschluss des EU-Türkei-Abkommens am 18. März 2016 von der EU-Kommission in regelmäßigen Abständen veröffentlichten Fortschrittsberichte offenbaren eine katastrophale Bilanz der europäischen Flüchtlingspolitik [1]. Zwar ist die Zahl der irregulären Einreisen von Flüchtlingen nach Griechenland deutlich zurückgegangen, jedoch bleibt die Situation dort weiterhin katastrophal.
Wie der am 8. Dezember erschienene 4. Fortschrittsbericht einräumt, sind die Aufnahmekapazitäten auf den griechischen Inseln inzwischen längst ausgeschöpft und für über 16.000 Schutzsuchende stehen dort in den offiziellen Aufnahmezentren gerade mal 7.450 Plätze bereit. Außerdem droht eine weiter zunehmende Überbelegung, weshalb sich die Sicherheitslage in den Camps zusehends verschlechtert. Hierzu trägt auch bei, dass viele Schutzsuchende auf den griechischen Inseln noch immer kaum oder keine Informationen über ihren Status erhalten haben und nicht wissen, wie es mit ihnen weitergehen wird.

Daneben bleiben die von anderen EU-Ländern versprochenen Hilfen weit hinter den Anforderungen und auch hinter den einstigen Zusagen zurück. So konnte das europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen, kurz EASO, seit März dieses Jahres lediglich 39 Sachbearbeiter für die griechischen Inseln aus anderen EU-Ländern auftreiben. Das ist nur etwas mehr als ein Drittel des eigentlich vorgesehenen Personals zur Unterstützung der griechischen Behörden. Entsprechend lange ist der Rückstau bei der Bearbeitung der Asylanträge. Gerade mal 6.000 Entscheidungen sind in den neun Monaten seit Inkrafttreten des EU-Türkei-Abkommens auf den Inseln gefällt worden und von den bislang eingegangen 2.014 Einsprüchen wurden erst 838 gerichtlich überprüft. Überdies musste etwa die Hälfte dieser Entscheidungen wieder revidiert werden und gerade in Bezug auf die Zulässigkeit eines Asylantrags wurden lediglich 17 Entscheidungen in zweiter Instanz bestätigt, während in 390 Fällen die vorherige Nichtzulassung zum Asylverfahren aufgehoben wurde. Hinzu kommt, dass noch immer das Urteil des obersten griechischen Verwaltungsgerichts aussteht, ob die zwischenzeitlich auf den Inseln neu eingeführten Rechtsbehelfsausschüsse überhaupt mit griechischem Recht vereinbar sind.

Ferner funktioniert auch die Rückführung irregulärer Migranten und abgelehnter Asylbewerber in die Türkei nur schleppend. Zwar nimmt die Türkei nach einer längeren Unterbrechung wieder Flüchtlinge aus Griechenland auf, allerdings bleibt die Zusammenarbeit mit den türkischen Behörden weiterhin schwierig. Seit dem Sommer konnten deshalb lediglich 170 Personen auf Basis des EU-Türkei-Abkommens aus Griechenland in die Türkei zurückgeführt werden, während die Rückführung in 137 Fällen an fehlenden Genehmigungen der Türkei scheiterte. Damit kommen noch immer weit mehr neue Schutzsuchende auf den griechischen Inseln an, alleine 5.687 seit Ende September, als in die Türkei abgeschoben werden. Seit Beginn des Jahres haben aber zumindest 5.710 Personen, die sich überwiegend auf dem griechischen Festland aufhielten, Griechenland freiwillig wieder verlassen und sind in ihre Heimatländer zurückgekehrt.
Jedoch sind gleichzeitig auch in der anderen Richtung zahlreiche Flüchtlinge mit Hilfe von Schleusern von den griechischen Inseln auf das Festland weitergereist, weshalb nun die Europäische Grenz- und Küstenwache zusätzlich an den griechischen Landesgrenzen zu Mazedonien und Albanien eingesetzt wird. Somit schafft die EU in Griechenland nun tatsächlich einen neuen Eisernen Vorhang, der Menschen, wie es einst schon in der DDR der Fall war, am Verlassen des Landes hindert und de facto in Griechenland einsperrt.

Dublin-Abkommen erzwingt neuen Eisernen Vorhang für Flüchtlinge (www.mister-ede.de – 04.09.2015)

Außerdem wurden von den 3 Mrd. Euro, die zur Flüchtlingsversorgung in der Türkei vorgesehen waren, bislang lediglich 677 Mio. Euro ausgezahlt. Auch die Umsetzung des im EU-Türkei-Abkommen vereinbarten humanitären Aufnahmemechanismus befindet sich seit der Einigung vor neun Monaten ergebnislos in der Beratung. Allerdings sind über den sogenannten 1:1-Mechanismus inzwischen 2.761 von der Türkei ausgewählte Syrer in der EU angesiedelt worden. Die Umverteilung von Flüchtlingen aus Griechenland, die zwar kein Bestandteil des EU-Türkei-Abkommens ist, aber die dortige Situation entschärfen könnte, kommt hingegen weiterhin kaum voran. So konnte seit dem September 2015 nur für 6.212 Flüchtlinge ein anderes EU-Land gefunden werden, das diese Schutzsuchenden aufnimmt [2].

Insgesamt liefert die EU damit ein so erschreckendes Bild, dass man eigentlich von Stillstandsberichten und nicht von Fortschrittsberichten sprechen müsste. Obwohl das EU-Türkei-Abkommen die Zahl der in die EU kommenden Flüchtlinge von rund 200.000 im September 2015 auf ca. 20.000 pro Monat im Herbst 2016 reduziert hat, die hauptsächlich über Libyen nach Italien kommen, bleiben die Europäer beim Management dieser Krise komplett überfordert.
Oder anders ausgedrückt: Im Vergleich zu dieser EU-Flüchtlingspolitik muss man ein Auto mit abgestochenen Reifen, gebrochener Achse, kaputtem Getriebe, defektem Motor, Elektronikfehler und leerem Tank als voll funktionsfähig bezeichnen.


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Skizze eines EU-Migrations- und Asylsystem (www.mister-ede.de – 29.09.2016)

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Eine Bilanz der EU-Flüchtlingspolitik der letzten 12 Monate (www.mister-ede.de – 16.05.2016)

Der künftige Umgang mit Schutzsuchenden aus sicheren Drittstaaten (www.mister-ede.de – 23.01.2016)


[1] Fortschrittsberichte der EU-Kommission zur Umsetzung des EU-Türkei-Abkommens:
Link zur PDF des 1. Fortschrittsbericht auf ec.europa.eu

Link zur PDF des 2. Fortschrittsbericht auf ec.europa.eu

Link zur PDF des 3. Fortschrittsbericht auf ec.europa.eu

Link zur PDF des 4. Fortschrittsbericht auf ec.europa.eu

[2] Information der EU-Kommission vom 8.12.2016 u.a. zur Umverteilung von Flüchtlingen aus Griechenland (Link zur Nachricht auf ec.europa.eu)

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https://www.mister-ede.de/politik/bericht-eu-tuerkei-abkommen/5930/feed 0
Abschiebeforderung nach Berlin-Anschlag: Sankt Florian bei Union und Grünen zu Gast https://www.mister-ede.de/politik/sankt-florian-union-und-gruene/5904 https://www.mister-ede.de/politik/sankt-florian-union-und-gruene/5904#comments Sat, 24 Dec 2016 09:49:07 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5904 Weiterlesen ]]> Es hat nicht lange auf sich warten lassen, bis die Politik nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz mit populistischen Antworten reagierte. Schon am Folgetag der Terrorattacke forderte die CSU um Horst Seehofer lauthals eine Art Abschottungskultur und das Ende der Flüchtlingsaufnahme. Sieht man davon ab, dass die Zahl der nach Deutschland kommenden Schutzsuchenden sowieso längst zurückgegangen ist, zeigte sich nur wenige Stunden später auch, wie daneben der bayerische Ministerpräsident mit seinem Populismus lag. Denn der Täter gehörte überhaupt nicht zu jener Personengruppe, die im Zuge der Flüchtlingskrise von 2015 nach Europa kam, sondern war schon 2011 in die EU eingereist. Was also von der CSU vorschnell gefordert wurde, ist zum einen längst Realität und zum anderen hat es mit dem konkreten Anschlag nichts zu tun.
Vielmehr muss man nun umgekehrt bei den Unionsparteien nachfragen, wieso sie jahrelang abgelehnt haben, den Italienern zu helfen, die seit dem Arabischen Frühling einen enormen Zuzug von Flüchtlingen erleben. Vielleicht hätte das dazu beigetragen, Anis Amri durch eine Abschiebung nach Tunesien an einem Anschlag in der EU zu hindern. Doch damals hat die Bundesregierung noch aktiv weggeschaut, obwohl man gemeinsam mit Italien in Bezug auf schnelle Ausweisungen sicherlich etwas hätte bewegen können.

Einen Schönheitsfehler hat eine solche von Egoismus geprägte europäische Denkweise aber sowieso. Was nutzen konsequente Abschiebungen von Gefährdern, wie sie mittlerweile nicht nur von der CSU und Kanzlerin Angela Merkel (CDU), sondern auch von Cem Özdemir (Grüne) und seiner Partei gefordert werden, wenn Tunesien dann nicht gleichzeitig geholfen wird, mit diesen Terroristen fertig zu werden. Wäre es denn besser gewesen, wenn Anis Amri einen Anschlag auf eine tunesische Hotelanlage durchgeführt hätte? Und wäre es wirklich zielführend, wenn Tunesien, das erst vor 5 Jahren demokratisch wurde, durch solche Leute in ein ähnliches Chaos gestürzt würde wie Libyen?
Was Union und Grüne jetzt fordern, erinnert deshalb nicht nur an das Sankt-Florians-Prinzip, sondern erscheint auch schlicht kontraproduktiv, wenn es um die langfristige Sicherheit Europas geht.

Zumindest von einer Oppositionspartei wie den Grünen hätte man daher erwarten dürfen, dass sie den Finger in die tatsächlichen Wunden legt. Wenn es nämlich deutschen Sicherheitsbehörden nicht möglich ist, die ca. 200 in Deutschland befindlichen und nicht inhaftierten Gefährder ordentlich zu überwachen, dann ist das das Ergebnis eines massiven Regierungs- und Staatsversagens.
Selbst wenn man die Unterstützerkreise dieser Gefährder hinzuzählt, kommt man laut offiziellen Angaben auf deutlich weniger als 600 Personen [1]. Um eine vollständige Überwachung dieser potentiellen Terroristen in Deutschland zu gewährleisten, wären, großzügig gerechnet, rund 20.000 Beamte notwendig bzw. grob 2 Mrd. Euro für Personal- und Sachkosten, die sogar zum Teil über Steuern und Sozialabgaben wieder zurück in den Staatshaushalt fließen würden. Außerdem könnte der Bund mit BKA und Bundespolizei bei diesen anscheinend sehr mobilen Gefährdern die Überwachung übernehmen, womit Fehler bei der Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Landesbehörden verhindert würden. Sobald ein Gefährder dann eine Straftat begeht oder Auflagen verletzt, kann er wenigstens eine gewisse Zeit aus dem Verkehr gezogen oder, wenn es Tat und Persönlichkeitsprofil hergeben, sogar anschließend in Sicherheitsverwahrung genommen werden.

Außerdem ist es vielleicht nicht nur Zufall, dass Anis Amri am Ende in Italien dingfest gemacht wurde, das mehr Polizeibeamte im Dienst hat als die Bundesrepublik mit 20 Millionen mehr Einwohnern. Kommen in Deutschland gerade mal 30 Polizeibeamte auf 10.000 Einwohner, sind es in Italien 47 [2].
Zugegeben, Italien hat mit der Mafia auch ein größeres Kriminalitätsprobleme und die Zahl der Polizeibeamten sagt noch nichts über die Sicherheit in einem Land aus, das zeigen Finnland oder Norwegen mit nur 15 Polizisten je 10.000 Einwohner. Aber bei der hiesigen Sozialstruktur, der Lage mitten in Europa und der vorhandenen Gefährdung durch Terrorismus kann man sich schon fragen, warum Deutschland nicht wenigstens, wie z.B. Belgien, auf 40 Polizisten je 10.000 Einwohner kommt.
Doch anstatt diese Missstände und Fehler klar zu benennen, wird lieber nach Abschiebungen nach Tunesien gerufen. Bei den Regierungsparteien mag dieser ablenkende Populismus ja noch verständlich sein, aber für die grüne Opposition ist das ein echtes Armutszeugnis. Natürlich muss es künftig möglich werden, irregulär einreisende Tunesier wieder abzuschieben, wenn sie keinen Schutzanspruch haben. Ein Verschiebebahnhof für terroristische Gefährder, wie es Anis Amri war, nutzt allerdings niemandem. Für den Kampf gegen den Terror braucht es deshalb vor allem gut ausgerüstete und funktionierende Sicherheitsapparate, egal ob nun in Deutschland, Italien oder Tunesien.


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[1] Artikel zu Gefährdern von Zeit-Online vom 21.12.2016 (Link zum Artikel auf www.zeit.de)

[2] Zahl der Polizeibeamte 2010-2012 laut Eurostat (Schlüsseldaten über Europa, S. 45) (Link zur PDF auf ec.europa.eu)

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