Der Niedergang des europäischen Projekts

Als um die Jahrtausendwende der Euro eingeführt wurde und 2004 die große Ost-Erweiterung der EU stattfand, wähnten sich weite Teile der EU-Bürgerschaft in einem goldenen Zeitalter von Frieden und Wohlstand in Europa angekommen. Der Ost-West-Konflikt gehörte der Vergangenheit an, die europäische Integration schien unumkehrbar und der Glaube an eine Zukunft im europäischen Miteinander war unerschütterlich. Keine zwei Jahre später zeigte sich jedoch, dass das europäische Projekt eher auf Sand gebaut ist, denn in Stein gemeißelt.

Und so kam es, wie es kommen musste. 2006 scheiterte der Versuch, der EU eine Verfassung zu geben, und die europäische Integration kam zum Stillstand. Als nächstes crashte 2009 das europäische Bankenwesen und mit ihm zahlreiche Euro-Länder. Die einstige wirtschaftliche Prosperität in Europa gehört seitdem der Vergangenheit an und im Hinblick auf das Wohlstandsversprechen der europäischen Idee wurde die Eurozone zu einem Krisengebiet.
Von 2012 bis heute starben dann rund 20.000 Menschen, darunter zahlreiche Kriegsflüchtlinge, an den EU-Außengrenzen und mit ihnen der Mythos von der europäischen Wertegemeinschaft, die der Würde des Menschen und den Menschenrechten verpflichtet ist. Ab 2013 wurde dann Italien bei der Versorgung von Flüchtlingen von den europäischen Partnern im Stich gelassen und jeder konnte sehen, dass auch die bis dahin viel beschworene europäische Solidargemeinschaft nichts weiter ist als eine hohle Phrase. Danach löste 2015 das schon lange zuvor gescheiterte Dublin-System eine tiefe politische Krise in Europa aus und mit dem Bau von Grenzzäunen zwischen EU-Ländern wurde die völlige Handlungsunfähigkeit der Europäischen Union offenkundig.
Letztendlich mündete der Niedergang der EU dann im Jahr 2016 in der Entscheidung der Briten, das europäische Projekt zu beenden und die britische Politik künftig wieder vollständig im Rahmen ihres Nationalstaats zu organisieren.

So steht die EU-Bürgerschaft heute vor einer desintegrierenden europäischen Integration, vor einer wertlosen Wertegemeinschaft, vor einer unwirtschaftlichen Wirtschaftsgemeinschaft, vor einer unsolidarischen Solidargemeinschaft und vor einer EU, in der das nationale Handeln die gemeinschaftliche Handlungsunfähigkeit ersetzt. Sahen sich viele EU-Bürger vor zehn Jahren noch auf dem Weg in eine europäische Oase des Glücks, hat sich dieses Ziel in den letzten Jahren immer mehr als Fata Morgana entpuppt. Vom europäischen Projekt ist somit nichts geblieben, außer der bitteren Erkenntnis, sich viel zu lange von einem schönen Schein blenden haben zu lassen.


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