mister-ede.de » Verhandlungen https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Die Hürden des EU-Türkei-Abkommens https://www.mister-ede.de/politik/huerden-eu-tuerkei-abkommen/4933 https://www.mister-ede.de/politik/huerden-eu-tuerkei-abkommen/4933#comments Fri, 08 Apr 2016 14:11:12 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4933 Weiterlesen ]]> Beim letzten EU-Gipfel Mitte März haben die EU und ihre Mitgliedsstaaten durch eine Vereinbarung mit der Türkei die Grundlage dafür gelegt, die Migration aus der Türkei in die EU in geordnete Bahnen zu lenken und dabei gleichzeitig der Verantwortung für Schutzsuchende gerecht zur werden. Der große Knackpunkt des Abkommens ist allerdings, dass die Umsetzung erst noch gelingen muss und überdies viele Punkte nicht abschließend geregelt sind.
Hoffnung gibt jedoch, dass der Erfolg der Vereinbarung im Interesse beider Seiten liegt. Die EU möchte die Zahl der irregulären Einreisen deutlich reduzieren und ein funktionierendes Abkommen mit der Türkei ist hierzu ein wesentlicher Schritt. Die Türkei wiederum hat ein Interesse an einem regen Handel und Austausch mit der EU genauso wie an der Hilfe bei der Versorgung von Schutzsuchenden in der Türkei. Daneben erhofft sich die türkische Regierung vermutlich auch, durch ein solches Abkommen künftig als Transitland für Migranten, die in die EU wollen, generell auszuscheiden.

Die ersten Hürden zur Umsetzung wurden mittlerweile auch erfolgreich überwunden, so dass Anfang der Woche mit der Rückführung irregulär eingereister Schutzsuchender begonnen werden konnte, während gleichzeitig in umgekehrter Richtung einige Schutzsuchende aus der Türkei regulär in die EU einreisen durften. Dennoch wird sich der Mechanismus in den nächsten Wochen erst noch beweisen müssen. So muss sich zeigen, ob es tatsächlich gelingt, in ausreichender Geschwindigkeit Asylanträge zu prüfen und rechtlich einwandfrei abzulehnen. Denn nur dann hört der Irrsinn auf, dass regulär kaum Chance auf Schutz in der EU besteht, während die teure, riskante und irreguläre Einreise zu einem Schutzanspruch führt. Doch selbst wenn nur jene Personen zurückgeführt werden, die keinen Asylantrag stellen, ist das organisatorisch ein riesiger Fortschritt, weil auf diese Weise die Asylanträge zumindest schon in Griechenland bearbeitet werden können.
Neben rechtsstaatlichen Asylverfahren in Griechenland muss allerdings auch gewährleistet sein, dass zurückgeführte Personen, deren Schutzanspruch in der EU mit Verweis auf die Schutzmöglichkeiten in der Türkei verwehrt wurde, diesen Schutz in der Türkei auch tatsächlich erhalten, z.B. bei türkischen Behörden oder in einem Flüchtlingslager der Vereinten Nationen. Wenn die Rückführung von Schutzsuchenden erfolgreich im Einklang mit humanitären und rechtlichen Verpflichtungen umgesetzt werden soll, muss diese Hürde in den nächsten Tagen genommen werden.
Umgekehrt muss aber auch rasch die Auswahl von Schutzsuchenden zur regulären Einreise in die EU gelingen, um den Verpflichtungen gegenüber der Türkei nachzukommen. Ein möglicher Ansatzpunkt könnte hierbei ein beschleunigter Familiennachzug sein, um zeitnah eine größere Zahl von Schutzsuchenden regulär aufzunehmen. Gerade Deutschland, das innerhalb der EU bereits viele Syrer aufgenommen hat, könnte hier einen Beitrag leisten.

Ein weiterer Knackpunkt des EU-Türkei-Abkommens ist die Schaffung regulärer Wege für Schutzsuchende in die EU. Neben der fest vereinbarten Aufnahme von bis zu 72.000 Flüchtlingen im Rahmen des sogenannten 1:1-Mechanismus, sollen im Rahmen freiwilliger Kontingente weitere Schutzsuchende die Möglichkeit zur regulären Einreise erhalten. Gerade in diesem Punkt ist die EU und ist auch die Bundesregierung in einer besonderen Pflicht, ihrer humanitären Verantwortung nachzukommen, weil die türkische Regierung sicherlich bereit wäre, auch über kleinere Kontingente zu reden, wenn dafür an anderer Stelle ein größeres Entgegenkommen stattfindet.
Sollte die Zahl der irregulären Einreisen in Griechenland durch das EU-Türkei-Abkommen vom schon jetzt spürbar reduzierten Niveau weiter abnehmen, dürfte allerdings auch in der EU wieder die Bereitschaft steigen, sich zu gemeinsamen größeren Kontingenten durchzuringen und damit dieser Verantwortung gerecht zu werden.
Um bei den freiwilligen Kontingenten zügig zu einem brauchbaren Ergebnis zu gelangen, könnte auch hier zumindest ein Teil des Familiennachzugs eingebettet werden. Würde dieser auf die freiwilligen Kontingente angerechnet, könnte z.B. Deutschland ein erstes Kontingent zur regulären Einreise von 125.000 Schutzsuchenden ausweisen und dieses dann eigenständig durch beschleunigte Verfahren bei der Familienzusammenführung auffüllen. Beteiligen sich weitere EU-Länder, wäre ein vorläufiges Kontingent für 250.000 Schutzsuchende vorstellbar, das dann später durch umfassendere Mechanismen, die z.B. auch andere EU-Nachbarstaaten betreffen oder eine Verteilung per Quote vorsehen, abgelöst werden kann.

Außer den humanitären, rechtlichen und organisatorischen Herausforderungen beim Umgang mit Schutzsuchenden, enthält das EU-Türkei-Abkommen aber auch noch weitere Hürden. So müssen für die Visafreiheit noch zahlreiche Punkte abgebarbeitet werden und das Voranschreiten bei einem EU-Beitritt wird nur möglich sein, wenn sich die Türkei in Bezug auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit oder Pressefreiheit wieder in die richtige Richtung entwickelt.
Offen bleibt auch die Umsetzung des medial weniger beachteten Teils des Abkommens, also die Verbesserung der humanitären Lage in Syrien. Gerade wenn das Ziel der Vereinbarung ist, eine Art Schutzzone einzurichten, kann das auch neues Konfliktpotential in sich bergen.

Fazit:

Insgesamt bedeutet das EU-Türkei-Abkommen vor allem noch viel Arbeit, um die Migrationsbewegung zu ordnen und dabei der humanitären Verantwortung vollständig gerecht zu werden. Rechtstaatliche Verfahren in Griechenland und ein menschenwürdiger Umgang mit rückgeführten Personen in der Türkei müssen gewährleistet werden. Außerdem muss die EU nach dem Rückgang der irregulären Einreisen nach Griechenland schleunigst reguläre Wege schaffen, damit aus Ordnung nicht Abschottung wird.


Ähnliche Artikel:
EU-Türkei-Abkommen: Ein Lichtblick in der Flüchtlings- und Asylpolitik (www.mister-ede.de – 22.03.2016)

Eine Kritik der Kritik am EU-Türkei-Abkommen (www.mister-ede.de – 22.03.2016)

Flüchtlingspolitik: Alternativen zur Ägäis-Route (www.mister-ede.de – 11.03.2016)

EU-Türkei-Gipfel: Verbleib von Flüchtlingen in der Türkei (www.mister-ede.de – 07.03.2016)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/huerden-eu-tuerkei-abkommen/4933/feed 0
Eine Kritik der Kritik am EU-Türkei-Abkommen https://www.mister-ede.de/politik/kritik-am-eu-tuerkei-abkommen/4918 https://www.mister-ede.de/politik/kritik-am-eu-tuerkei-abkommen/4918#comments Tue, 22 Mar 2016 20:57:43 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4918 Weiterlesen ]]> Wer am vergangenen Wochenende die Berichterstattung zum EU-Gipfel und zum Abkommen der EU mit der Türkei verfolgt hat, musste eine starke Einseitigkeit bei der Kommentierung und Bewertung feststellen. Schaut man z.B. auf tagesschau.de, finden sich dort mit „Merkel ist gescheitert“ [1] und „Der Gipfel der Heuchelei“ [2] genau zwei Kommentare zum EU-Gipfel, die allerdings beide die Vereinbarung mit der Türkei in Bausch und Bogen verurteilen. Gerade von den öffentlich-rechtlichen Medien hätte man doch etwas mehr Ausgewogenheiten erwarten dürfen und eine Kommentarauswahl, durch die eben nicht nur die Meinung der schärfsten Kritiker widergespiegelt wird.
Aber auch in anderen Medien finden sich zahlreiche nicht an Kritik sparende Kommentare, wie zum Beispiel bei der taz mit „Europa, deine Schande“ [3] oder dem Beitrag „Niemand schreit Hurra“ [4], dessen Überschrift zwar gemäßigt klingt, aber dessen Inhalt genauso gepfeffert ist.
Zur Einseitigkeit der Bewertung und der ungewöhnlichen Schärfe der Worte kommt allerdings hinzu, dass die Kritik an dem Abkommen zum Teil an den Haaren herbeigezogen ist. Wenn Malte Pieper die Frage, „Kann sich die EU zufrieden auf die Schulter klopfen?“, mit Verweis auf das jahrelange Versagen in der Flüchtlingspolitik mit „Nein“ beantwortet, ist das schräg. Gerade wenn man die bisherige Flüchtlingspolitik kritisch sieht, muss einen das Gipfelergebnis mit legalen Kontingenten und Milliardensummen für die Versorgung von Schutzsuchenden doch freuen. Wer hätte vor zwei Jahren eine so verantwortliche Flüchtlingspolitik in der EU für möglich gehalten?

Daneben machen es sich die Kritiker aber auch viel zu einfach. Wer die Bilder aus Idomeni sieht, die zahlreichen Toten in der Ägäis und die täglich rund 1.500 auf den griechischen Inseln ankommenden Schutzsuchenden, der kann den dringenden Handlungsbedarf kaum bestreiten. Selbst die Befürworter nationaler Maßnahmen und Grenzschließungen sehen ja mittlerweile, dass ihr Lösungsansatz gescheitert ist und nicht nur Schengen zerstört wird, sondern auch humanitäre Notlagen in Europa verursacht werden. Wenn aber ein dringender Handlungsbedarf besteht und in dieser Situation zwischen verschiedenen Optionen gewählt werden muss, die alle ihre Haken haben, dann ist es meines Erachtens recht billig, zu kritisieren, dass die gewählte Option auch Nachteile hat, ohne sich selbst zu positionieren.
Noch ärgerlich ist es aber, wenn dazu noch der Eindruck vermittelt wird, es hätte deutlich bessere Optionen und einfache Lösungen ohne Nachteile gegeben. So schreibt z.B. Karin Bensch, man hätte auch folgendes probieren können: „Den Griechen tatsächlich mal helfen, die Außengrenzen zu sichern. Und die Flüchtlinge, die ein Bleiberecht haben, gerecht in der EU verteilen.“ Zur Wahrheit gehört dann aber, dass dies bedeutet hätte, weiterhin einem Syrer an einem türkisch-griechischen Grenzübergang zu sagen, hier kommst du nur rein, wenn du einen Schlepper bezahlst und die Überfahrt in einem Schlauchboot riskierst. Im Lichte dieser Tatsache wirkt es dann aber schon reichlich zynisch, einen solchen Ansatz als bessere Option darzustellen.

Natürlich war die Flüchtlingspolitik in der Vergangenheit ein Desaster und natürlich gibt es kritische Punkte bei dieser Vereinbarung. Allerdings auf eine Verbesserung der Flüchtlingssituation zu verzichten, weil in Deutschland rechtliche und humanitäre Bedenken an einer Zusammenarbeit mit der Türkei bestehen, fände zumindest ich bei Weitem beschämender als die Ergebnisse des vergangenen Gipfels.


Ähnliche Artikel:
EU-Türkei-Abkommen: Ein Lichtblick in der Flüchtlings- und Asylpolitik (www.mister-ede.de – 22.03.2016)

EU-Türkei-Verhandlungen: Die Pflicht zum Balanceakt (www.mister-ede.de – 11.03.2016)

EU-Türkei-Gipfel: Verbleib von Flüchtlingen in der Türkei (www.mister-ede.de – 07.03.2016)


[1] Kommentar von Malte Pieper vom 18.03.2016 auf tagesschau.de zum EU-Türkei-Gipfel (Link zum Artikel auf www.tagesschau.de)

[2] Kommentar von Karin Bensch vom 19.03.2016 auf tagesschau.de zum EU-Türkei-Gipfel (Link zum Artikel auf www.tagesschau.de)

[3] Kolumne von Bettina Gaus vom 19.03.2016 bei taz-online zum EU-Türkei-Gipfel (Link zur Kolumne auf taz.de)

[4] Kommentar von Eric Bonse vom 19.03.2016 bei taz-online zum EU-Türkei-Gipfel (Link zum Kommentar auf taz.de)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/kritik-am-eu-tuerkei-abkommen/4918/feed 1
EU-Türkei-Abkommen: Ein Lichtblick in der Flüchtlings- und Asylpolitik https://www.mister-ede.de/politik/tuerkei-abkommen-fluechtlinge/4910 https://www.mister-ede.de/politik/tuerkei-abkommen-fluechtlinge/4910#comments Tue, 22 Mar 2016 17:37:37 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4910 Weiterlesen ]]> Seit Monaten sind zahlreiche internationale Hilfsorganisation und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR, in Teilen Europas aktiv und auch die EU hat mittlerweile alle zur Verfügung stehenden Notfallmechanismen zur Versorgung von Schutzsuchenden aktiviert. Dennoch setzte sich der Streit unter den 28 EU-Mitgliedsstaaten über die richtige Flüchtlingspolitik unbeeindruckt von diesen humanitären Notlagen auch im März 2016 unvermindert fort. Obwohl deutlich erkennbar wurde, dass die nationalen Ansätze mit geschlossenen Grenzen zum Scheitern verurteilt waren, entfernten sich die EU-Mitgliedsstaaten immer weiter von einer gemeinsamen Lösung. Ein großer Erfolg des EU-Gipfels der vergangen Woche war es daher, dass es trotzt aller Widrigkeiten gelungen ist, alle 28 EU-Mitgliedsländern auf eine gemeinsame Linie einzuschwören und mit der Türkei eine Vereinbarung zu treffen.

Gelingt nach dem Abkommen nun auch die Umsetzung dessen, was darin vereinbart wurde, ist dies ein Lichtblick in der europäischen Flüchtlings- und Asylpolitik.
Zum ersten Mal nehmen alle EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam die Verantwortung für Schutzsuchende in und um die EU wahr. Wer hätte es vor zwei Jahren für möglich gehalten, dass von der EU und ihren Mitgliedsstaaten mehrere Milliarden Euro für die Versorgung von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt werden, Kontingente geschaffen werden und die Bewältigung des Flüchtlingsaufkommens in einem einzelnen EU-Land als gemeinsame Aufgabe in der EU betrachtet wird?
Die Gipfelbeschlüsse bedeuten neben mehr Gemeinschaft und mehr Ordnung aber auch einen deutlichen Zugewinn an Humanität in der europäischen Flüchtlingspolitik. Statt 10 oder 20 Millionen Euro werden nunmehr Milliarden für das Flüchtlingshilfswerk UNHCR oder direkt für die Versorgung von Schutzsuchenden bereitgestellt. Wird dieses Engagement im Rahmen einer gemeinsamen EU-Flüchtlingspolitik verstetigt, ist das ein nachhaltiger Beitrag, um die Versorgungs- und Lebenssituation von Flüchtlingen spürbar zu verbessern.
Daneben wird durch das Abkommen endlich jener tödliche Widerspruch an den EU-Außengrenzen aufgelöst, durch den Flüchtende nur nach einer von Schleppern organisierten, irregulären, meist teuren und gefährlichen Einreise einen Schutzanspruch geltend machen konnten. Wenn künftig durch Kontingente legale Wege eröffnet werden und gleichzeitig die irreguläre Migration keine Erfolgsaussichten mehr bietet, wird dadurch aber nicht nur das Sterben in der Ägäis beendet, sondern Europa auch endlich seiner humanitären Verantwortung bei der Schutzgewährung gerecht. Statt einer ungeregelten und inhumanen Aufnahme von Flüchtlingen nach dem Prinzip „Survival-of-the-Fittest“, wird durch die legalen Kontingente künftig z.B. auch Verwundeten und Kranken ermöglicht, um Schutz zu ersuchen und diesen in der EU zu erhalten. Gerade für die Schwächsten der Schwachen ist das Abkommen daher ein Meilenstein.

Sollten sinkende Flüchtlingszahlen in der EU außerdem dazu führen, dass die Lage der Schutzsuchenden auf dem Balkan verbessert werden kann oder in EU-Mitgliedsstaaten eine höhere Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen im Rahmen von Kontingenten entsteht, wäre dies ein weiterer Erfolg dieses Gipfels. Und sollte es darüber hinaus gelingen, auf solchen Erfolgen aufbauend auch das europäische Asylsystem weg von Dublin hin zu einer fairen Lastenverteilung zu reformieren, würde aus dem Lichtblick in der europäischen Flüchtlings- und Asylpolitik strahlender Sonnenschein. Bis dorthin ist es allerdings noch ein langer Weg und daher bleibt nur zu hoffen, dass in den kommenden Wochen und Monaten nicht doch noch Wolken des Misserfolgs den Himmel erneut verdunkeln.


Ähnliche Artikel:
EU-Türkei-Verhandlungen: Die Pflicht zum Balanceakt (www.mister-ede.de – 11.03.2016)

Eine Kritik zur Kritik am EU-Türkei-Abkommen (www.mister-ede.de – 22.03.2016)

Die Widersprüche der europäischen Flüchtlingspolitik (www.mister-ede.de – 04.02.2016)

Flüchtlingspolitik: Der europäische und der nationale Ansatz (www.mister-ede.de – 17.03.2016)

EU-Türkei-Gipfel: Verbleib von Flüchtlingen in der Türkei (www.mister-ede.de – 07.03.2016)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/tuerkei-abkommen-fluechtlinge/4910/feed 0
Flüchtlingspolitik: Der europäische und der nationale Ansatz https://www.mister-ede.de/politik/ansatz-europaeisch-national/4897 https://www.mister-ede.de/politik/ansatz-europaeisch-national/4897#comments Thu, 17 Mar 2016 21:23:36 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4897 Weiterlesen ]]> Nachdem die Fluchtroute von der Türkei über Griechenland und den Balkan bis nach Österreich, Deutschland oder Schweden die mit Abstand meistgenutzte auf dem Weg nach Europa ist, sind die europäischen Länder in der Flüchtlingspolitik zurzeit bestrebt, die Flüchtlingsbewegung auf dieser Route zu ordnen und irreguläre Migration zu stoppen. Neben dem europäischen Ansatz, der unter anderem von der Bundesregierung seit dem Sommer 2015 kontinuierlich verfolgt wird und z.B. in Verhandlungen mit der Türkei seinen Ausdruck findet, gibt es mit Maßnahmen auf nationaler Ebene, wie sie z.B. von Österreich getroffen wurden, einen zweiten Ansatz.

Der europäische Ansatz:

Geht es nach denjenigen, die einen europäischen Ansatz verfolgen, soll vor allem an der Ägäis-Route bzw. allgemein an der Außengrenze der EU angesetzt werden. Um den Grenzschutz zu verbessern soll die Sicherung der Außengrenze künftig eine gesamteuropäische Aufgabe werden und hierfür eine europäische Grenzpolizei entstehen.
Weil allerdings Seegrenzen, die einen erheblichen Teil der EU-Außengrenze ausmachen, nur mit großem Aufwand kontrolliert werden können, kooperieren die EU bzw. die EU-Mitgliedsstaaten zusätzlich bereits seit längerem mit jenen Ländern, die auf der jeweils anderen Seite des Wassers liegen, also z.B. mit Marokko oder mit der Türkei. Genau diese Zusammenarbeit soll nun weiter vertieft werden und bezogen auf die Ägäis-Route ist deshalb der europäische Ansatz, eine Vereinbarung mit der Türkei zu treffen, um die Flüchtlingsbewegung zu ordnen und irreguläre Migration zu stoppen.

Der nationale Ansatz:

Im Unterschied zum gesamteuropäischen Weg, steht bei diesem Ansatz die Balkan-Route im Vordergrund. Durch die diversen nationalen Maßnahmen der europäischen Länder innerhalb und außerhalb der EU hat sich die Flüchtlingssituation auf der Balkan-Route jedoch nicht wie erhofft aufgelöst, sondern sogar verschärft. So bilden sich vor den geschlossenen Grenzen regelmäßig humanitäre Notlagen, während sich die Flüchtlingsbewegung innerhalb Europas einfach verschiebt. Glaubten die Befürworter nationaler Maßnahmen zunächst, dass der Zaunbau zwischen Ungarn und Serbien die Lage entspannen würde, sollten danach Zäune zwischen Ungarn und Slowenien bzw. zwischen Österreich und Ungarn helfen und mittlerweile ruht die Hoffnung auf der befestigten und geschlossenen Grenze zwischen Mazedonien und Griechenland.
Diese ständige Verschiebung zeigt allerdings deutlich, warum der Schengen-Raum durch solche nationalen Maßnahmen auf Dauer gesprengt wird. So werden nicht nur immer neue Grenzen abgeriegelt, sondern auch die hierfür notwendigen Ausnahmegenehmigungen werden immer weiter verlängert. Wenn aber die räumliche und zeitliche Ausnahme irgendwann zum Regelfall wird, was so manchen Nationalisten sicher freuen würde, dann war es das mit Schengen.

Ausblick:

Wenn man die Bilder von Idomeni sieht oder was von Schengen noch übrig ist, muss für den nationalen Ansatz festgestellt werden, dass dieser bereits gescheitert ist. Umgekehrt ist allerdings eine europäische Lösung, sei es ein Abkommen mit der Türkei oder sei es ein gesamteuropäischer Grenzschutz, auch noch ein weiter und schwieriger Weg. Jedoch könnte gerade das sichtbare Scheitern des nationalen Ansatzes dazu führen, dass eine europäische Lösung auf dem aktuellen EU-Gipfel ein gutes Stück näher rückt. Für die Schutzsuchenden, aber auch für die EU und ihre Mitgliedsstaaten, wäre das auf jeden Fall wünschenswert.


Ähnliche Artikel:
EU-Türkei-Verhandlungen: Die Pflicht zum Balanceakt (www.mister-ede.de – 11.03.2016)

Gedanken zu einer Europäisierung der Asylpolitik in der EU (www.mister-ede.de – 25.08.2015)

EU-Türkei-Gipfel: Verbleib von Flüchtlingen in der Türkei (www.mister-ede.de – 07.03.2016)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/ansatz-europaeisch-national/4897/feed 1
EU-Türkei-Verhandlungen: Die Pflicht zum Balanceakt https://www.mister-ede.de/politik/die-pflicht-zum-balanceakt/4858 https://www.mister-ede.de/politik/die-pflicht-zum-balanceakt/4858#comments Fri, 11 Mar 2016 19:54:33 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4858 Weiterlesen ]]> In der Flüchtlingspolitik ist dieser Tage die relevante Frage, ob es der EU und ihren Mitgliedsstaaten gelingt, den Verbleib von Schutzsuchenden außerhalb des EU-Gebiets zu organisieren, ohne dabei rechtliche Vorgaben zu verletzen oder die europäischen Werte und Überzeugungen zu verraten. Gelingt dieser Balanceakt nämlich nicht und fällt die EU in die eine oder andere Richtung vom Drahtseil, so verliert sie damit auch ihre Existenzberechtigung.

Blieben im Rahmen der Flüchtlingspolitik europäische Werte und Gesetze auf der Strecke, wäre die EU bloß noch eine leere Hülle ohne inneren Wert. Und was würde eine Rechtsgemeinschaft nutzen, in der das Recht obsolet ist? Kämen hingegen weiterhin Flüchtlinge in dieser Zahl in die EU, würden uns die Bilder aus Idomeni erhalten bleiben, weil jeder neue Hotspot sofort gefüllt und jedes neue Kontingent zur Umverteilung sofort ausgeschöpft wäre. Auch auf diese Weise würde die EU ihre Existenzberechtigung verlieren, denn was nutzt eine zur Krisenbewältigung unfähige Staatengemeinschaft?
Wenn es aber auf der einen Seite notwendig ist, die Zahl der nach Europa kommenden Flüchtlinge zu reduzieren, und auf der anderen Seite die EU ihren rechtlichen Verpflichtungen und ihrer humanitären Verantwortung gerecht werden muss, dann kann dieser Balanceakt nur in Zusammenarbeit mit Partnern außerhalb Europas gelingen.

Genauso wie deshalb die vertiefte Kooperation mit den Ländern Nordafrikas zu begrüßen ist, sind auch die Verhandlungen mit der Türkei positiv zu bewerten. Im Sinne ihres Selbstverständnisses hat die EU sogar geradezu die Pflicht, alles zu versuchen, um in Gesprächen mit dem südöstlichen Nachbarn Türkei eine gemeinsame Lösung zu finden. Allerdings steht die EU bei diesem schwierigen Balanceakt noch ganz am Anfangen. Erst bei den Verhandlungen mit Erdoğan wird sich zeigen, ob die EU das Gleichgewicht zwischen der Reduzierung der Flüchtlingszahlen und der humanitären und rechtlichen Verantwortung tatsächlich halten kann.


Ähnliche Artikel:
Gedanken zu einer Europäisierung der Asylpolitik in der EU (www.mister-ede.de – 25.08.2015)

Flüchtlingspolitik: Alternativen zur Ägäis-Route (www.mister-ede.de – 11.03.2016)

EU-Türkei-Gipfel: Verbleib von Flüchtlingen in der Türkei (www.mister-ede.de – 07.03.2016)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/die-pflicht-zum-balanceakt/4858/feed 0
Flüchtlingspolitik: Alternativen zur Ägäis-Route https://www.mister-ede.de/politik/alternativen-zur-aegaeis-route/4841 https://www.mister-ede.de/politik/alternativen-zur-aegaeis-route/4841#comments Fri, 11 Mar 2016 08:39:25 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4841 Weiterlesen ]]> In der öffentlichen Diskussion über die Verhandlungen mit der Türkei zur Begrenzung der Migrationsbewegung in der Ägäis, wird immer wieder angeführt, dass ein Abkommen mit der Türkei ins Leere läuft, weil die Flüchtlinge im Zweifel einfach auf andere Routen ausweichen. Ob ein solches Szenario tatsächlich realistisch ist, soll ein genauerer Blick auf die möglichen Ausweichrouten zeigen.

Die Entwicklung der Flüchtlingsrouten:

Vergleicht man die Zahlen, flohen und fliehen seit etwa vier Jahren über die Staaten Nordafrikas und das Mittelmeer grob 200.000 Personen pro Jahr, während über die Türkei nach Griechenland bis zum Frühjahr 2015 nur einige tausend Schutzsuchende kamen. Dies änderte sich ab diesem Zeitpunkt, vermutlich weil erkennbar wurde, dass dieser Weg für Flüchtlinge mit weniger Risiko und Aufwand verbunden, aber genauso erfolgsversprechend ist. In den Sommermonaten 2015 reisten dann zum Teil 200.000 Flüchtlinge in einem einzigen Monat irregulär über die Türkei in Griechenland und damit der EU ein und selbst jetzt im Winter lag diese Zahl mit z.B. 67.000 Einreisen im Januar 2016 äußerst hoch.
Dies zeigt allerdings, dass es sich bei der Ägäis-Route schon um eine besondere Route und nicht nur um eine unter vielen handelt. Die geografischen Verhältnisse mit kilometerlangen Seegrenzen bei zum Teil wenigen Kilometern Abstand zwischen türkischem Festland und griechischen Inseln sind für eine irreguläre Einreise in die EU weit besser geeignet, als das bei allen bisherigen Wegen der Fall war. Gerade deshalb dürfte es für Schlepper und Flüchtlinge allerdings schwer werden, diese Route einfach durch eine andere zu ersetzen, zumal für die irreguläre Migration von monatlich 100.000 Menschen auch erst wieder eine gewisse Infrastruktur aufgebaut werden muss.

Alternative Routen:

Die naheliegendste Alternative ist der Geografie entsprechend eine Fluchtroute von der Türkei über das Schwarze Meer nach Bulgarien. Bei einem Abkommen mit der Türkei könnte allerdings genau das schon berücksichtigt werden, so dass einem Ausweichverhalten automatisch vorgebeugt wäre.
Nördlich der Türkei sind Wege über Russland denkbar, allerdings erscheint eine Fluchtbewegung in dieser Dimension über Russland bei aller Phantasie höchst unwahrscheinlich. Hingegen scheitern die südlich der Türkei gelegenen Fluchtrouten über Zypern daran, dass das EU-Mitglied bislang nicht in den kontrollfreien Schengenraum integriert ist.
Damit verbleiben jedoch nur wieder jene Fluchtrouten über Nordafrika, die von den Flüchtlingen, wenn es denn geht, gemieden werden. Hinzu kommt, dass die EU diesbezüglich ihre Kooperation mit Marokko, Algerien und Tunesien weiter vertieft, weshalb auch dort eine Entwicklung wie in der Ägäis zurzeit unwahrscheinlich ist. Übrig bleibt somit alleine die Fluchtroute über das Gebiet des früheren Libyens z.B. nach Lampedusa oder Malta. Doch selbst wenn sich an der dortigen Situation vorerst nichts ändert und es nicht gelingt, mit Hilfe einer neuen Regierung zu einer stabilen Lage an der libyschen Küste zu kommen, wird diese Route nur zum Teil einen Ersatz darstellen können. Immerhin ist es ein gewaltiger Unterschied, ob mit einem Boot im Mittelmeer eine Strecke von 3 oder 300 Kilometern überwunden werden muss und das zeigt sich eben auch darin, dass der sprunghafte Anstieg der Flüchtlingszahlen im Frühjahr 2015 eng mit der Ägäis-Route verbunden ist.

Fazit:

Kommt es zu einer Vereinbarung mit der Türkei, welche die irreguläre Migration in die EU deutlich erschwert, z.B. durch ein Rückführungsabkommen, wird der Druck auf andere Fluchtrouten zunehmen. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass dort ähnliche Dimensionen bei den Flüchtlingszahlen erreicht werden, wie auf der Ägäis-Route von der Türkei nach Griechenland. Die Vermutung, dass ein Abkommen mit der Türkei wegen eines Ausweichverhaltens der Flüchtlinge ins Leere läuft, ist deshalb zumindest gewagt.


Ähnliche Artikel:
Flüchtlinge in der EU: Grenzsicherung durch Rückführungsabkommen (www.mister-ede.de – 05.02.2016)

EU-Türkei-Gipfel: Verbleib von Flüchtlingen in der Türkei (www.mister-ede.de – 07.03.2016)

Flüchtlinge in der Ägäis: NATO-Einsatz vs. Rückführungsabkommen (www.mister-ede.de – 21.02.2016)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/alternativen-zur-aegaeis-route/4841/feed 0
EU-Türkei-Gipfel: Verbleib von Flüchtlingen in der Türkei https://www.mister-ede.de/politik/verbleib-fluechtlinge-tuerkei/4828 https://www.mister-ede.de/politik/verbleib-fluechtlinge-tuerkei/4828#comments Mon, 07 Mar 2016 16:25:51 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4828 Weiterlesen ]]> In den vergangen Monaten hat sich die Zahl der nach Europa kommenden Flüchtlinge zwar etwas reduziert, bislang gibt es aber keine Anzeichen dafür, dass es sich hierbei um eine echte Trendwende handelt. Die deutliche Mehrheit der Flüchtlinge kommt über die Türkei nach Griechenland und damit in die EU und gerade auf dieser Route sind die Zahlen verglichen mit den Vorjahresmonaten noch weiter angestiegen. So sind trotz des schlechten Wetters alleine im Januar 2016 über 60.000 Flüchtlinge auf diesem Weg nach Griechenland gekommen, was eine Vervierzigfachung gegenüber dem Januar 2015 mit weniger als 2.000 Flüchtlingen auf dieser Route bedeutet [1]. Zwar lässt sich diese Vervierzigfachung nicht einfach auf das Gesamtjahr hochrechnen, allerdings ist bei unveränderten Rahmenbedingungen auch nicht gerade davon auszugehen, dass sich bei besserem Wetter im Sommer weniger Flüchtlinge auf diesen Weg begeben werden als im Januar. Ohne geeignete Maßnahmen könnten die Flüchtlingszahlen in diesem Jahr daher sogar auf ein erneutes Rekordhoch steigen.

Entsprechend liegt auch der Schlüssel für eine wirksame Reduktion der Flüchtlingszahlen vor allem an der Grenze der EU zur Türkei und in der Beantwortung der zentralen Frage, wie mit Flüchtlingen, die über die Türkei einreisen, in der EU umgegangen werden soll. Soll also z.B. ein Syrer, der über die Türkei nach Griechenland einreist, Schutz in der EU bekommen?
Wird dies bejaht, werden weiterhin Hunderttausende wenn nicht gar Millionen Flüchtlinge auf dem Weg über die Türkei in die EU kommen, legal oder illegal. Deshalb wäre es deutlich humaner, weil ungefährlich, und solidarischer, weil auch die Schwachen eine Chance hätten, wenn in diesem Fall dann ein legaler Weg über die offiziellen Grenzübergänge geschaffen würde.
Verneint man hingegen den Schutzanspruch, sollte allerdings auch dies konsequent umgesetzt werden, z.B. indem mit der Türkei ein Rückführungsabkommen für illegal nach Griechenland oder auch nach Bulgarien eingereiste Personen vereinbart wird. Wie in anderen Artikeln beschrieben, wird auf diese Weise die teure und gefährliche Überfahrt von der türkischen Küste zu den griechischen Inseln für Flüchtlinge sinnlos und die Fluchtroute über die Ägäis könnte ohne großen Aufwand ausgetrocknet werden.

Daher wird es bei den heutigen Verhandlungen zwischen der EU und der Türkei auch genau um diese Punkte gehen, wobei führende Politiker mittlerweile deutlich zu erkennen geben, dass sie die letztere Option bevorzugen. So drängen, z.B. EU-Ratspräsident Donald Tusk oder auch Kanzlerin Angela Merkel immer wieder darauf, ein Rückführungsabkommen mit der Türkei zu vereinbaren, um illegal eingereiste Personen direkt wieder in die Türkei abschieben zu können. Wie Merkel allerdings schon im vergangen Sommer darlegte, ist eine solche Vereinbarung auch von der Zustimmung der internationalen Partner, also eben der Türkei, abhängig.
Deshalb wird es auf dem Gipfeltreffen auch darum gehen, welche Forderungen die Türkei im Gegenzug stellt, z.B. Finanzhilfen, Reiseerleichterungen für türkische Staatsangehörige, die Unterstützung bei der Flüchtlingsversorgung in der Türkei, die Entlastung durch europäische Flüchtlingskontingente oder auch die Einrichtung einer Schutzzone in Syrien.

Bei all den Forderungen, die von der Türkei gestellt werden, sollte heute allerdings genauso auf den Tisch kommen, dass eine mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der türkischen Regierung ein Spiel mit dem Feuer wäre. Wenn nämlich durch eine fehlende Einigung weiterhin denjenigen in die Hand gespielt wird, die Russland hoffieren, von Le Pen über Orbán zur AfD, könnte das die türkische Regierung in eine sehr ungünstige Position bringen. Immerhin wäre es für die im Aufwind befindlichen Nationalisten ein Leichtes, im Kampf um die Regierungsmacht die Türkei zum Schuldigen zu erklären – und das nicht nur hinsichtlich der ungebremsten Flüchtlingsbewegung in der Ägäis, sondern auch in Bezug zum Syrienkonflikt selbst.
Umgekehrt sollte heute allerdings auch die EU daran denken, dass es eben nicht nur darum geht, die Flüchtlingszahlen in der EU zu reduzieren, sondern auch darum, gleichzeitig die (völker-)rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen und die europäischen Grundwerte zu wahren. Wenn also über Finanzmittel für eine menschenwürdige Versorgung der Schutzsuchenden in der Türkei oder über die Aufnahme von Kontingenten verhandelt wird, dann sind das eben nicht nur Gegenforderungen der türkischen Regierung, sondern liegt das genauso im ureigenen Interesse der europäischen Wertegemeinschaft.

Sowohl aus europäischer als auch aus türkischer Perspektive gibt es daher zahlreiche gute Gründe, sich bei den heutigen Gesprächen deutlich anzunähern. Und gelingt es, die Flüchtlingsbewegungen wieder in geordnete Bahnen zu bringen und gleichzeitig die Versorgung der Schutzsuchenden zu verbessern, nutzt das nicht nur der EU und der Türkei, sondern wäre auch ein humanitärer Gewinn.


Ähnliche Artikel:
Der künftige Umgang mit Schutzsuchenden aus sicheren Drittstaaten (www.mister-ede.de – 31.01.2016)

Flüchtlinge in der EU: Grenzsicherung durch Rückführungsabkommen (www.mister-ede.de – 05.02.2016)

Gedanken zu einer Europäisierung der Asylpolitik in der EU (www.mister-ede.de – 25.08.2015)


[1] Aktuelle Flüchtlingszahlen des UNHCR zur Route Türkei-Griechenland (Link zu den Zahlen auf unhcr.org)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/verbleib-fluechtlinge-tuerkei/4828/feed 0
Der Blick durch die nationale Brille und die Folgen https://www.mister-ede.de/politik/blick-durch-nationale-brille/4825 https://www.mister-ede.de/politik/blick-durch-nationale-brille/4825#comments Sat, 05 Mar 2016 19:31:41 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4825 Weiterlesen ]]> Vergleicht man öffentliche Debatten in Deutschland, lassen sich interessante Unterschiede erkennen.

Nutzt ein Unternehmen bescheidene Arbeitsbedingungen, z.B. in Bangladesch, um dort für unsere Wohlstandsgesellschaft zu günstigen Konditionen zu produzieren, dann können wir daran kaum etwas ändern. Es ist die Angelegenheit des dortigen Staates, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Außerdem haben die Verbraucher die Macht, so etwas durch ihr Kaufverhalten zu beenden.

Nutzt hingegen ein Unternehmen die Gestaltungsspielräume des Steuerrechts, z.B. in den Niederlanden, dann ist das hierzulande ein riesiger Skandal und überall wird erklärt, dass es einen dringenden Handlungsbedarf auf europäischer oder globaler Ebene gibt.

Nutzt wiederum ein Unternehmen niedrige Umweltauflagen, z.B. in afrikanischen Ländern, um dort für unsere Wohlstandsgesellschaft zu günstigen Konditionen zu produzieren, dann können wir daran wieder kaum etwas ändern. Es ist ja die Angelegenheit des dortigen Staates, die Umweltauflagen zu erhöhen. Und außerdem haben eben die Verbraucher die Macht, so etwas durch ihr Kaufverhalten zu beenden.

Nutzt hingegen ein Unternehmen einen geringen Datenschutzstandard, z.B. in Irland, dann ist das hierzulande jedoch wieder ein riesiger Skandal und überall wird erklärt, dass es einen dringenden Handlungsbedarf auf europäischer oder globaler Ebene gibt.

Es ist natürlich nicht verwunderlich, dass die Empörung über mangelnden Datenschutz für uns Kunden oder die Steuervermeidung zulasten des hiesigen Staatshaushaltes deutlich größer ist als die Empörung über die schlechten Arbeitsbedingungen in Bangladesch oder die Umweltzerstörung z.B. durch Müllexporte nach Afrika. Allerdings zeigt es eindrücklich, wie sehr bei öffentlichen Debatten die Welt durch eine nationale Brille betrachtet wird und die eigenen nationalen Belange in den Vordergrund gerückt werden. Der Syrienkonflikt, der hierzulande erst so wirklich interessiert, seitdem in Deutschland die Flüchtlingszahlen steigen, könnte dafür genauso als Beispiel angeführt werden.

Dieser Blick durch die nationale Brille hat jedoch auch Folgen für die deutsche Außenpolitik, die – auch wenn das eben nicht der deutschen Selbstwahrnehmung entspricht – nicht weniger interessensgeleitet ist als in anderen Ländern. So gelingt es beispielsweise, über die EU oder über die WTO Steueroasen auszuweisen, diverse Sanktionen zu verhängen, eine Datenschutzverordnung zu erarbeiten oder Produktpiraterie zu bekämpfen. Wenn es allerdings um Lohn- und Sozialdumping bzw. niedrige Arbeits- und Umweltschutzstandards geht, dann werden die Erfolge spürbar kleiner.
Nun werden vielleicht manche einwenden, es sei das gute Recht eines Landes, in der Außenpolitik den eigenen Interessen nachzugehen, allerdings hat auch diese Betrachtung einen großen Haken. Sie blendet nämlich völlig aus, dass es erhebliche Machtunterschiede gibt, die es z.B. Entwicklungsländern sehr schwer machen, ihre eigenen Interessen tatsächlich wirksam zu verfolgen. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen EPA zwischen der EU und afrikanischen Ländern, bei denen die EU ihre Machtposition nutzte, um Druck auf ihre Verhandlungspartner auszuüben [1].

Für öffentliche Debatten aber bedeutet dies, dass die Perspektive viel stärker hinterfragt werden müsste. Anstatt das deutsche Handeln in der Welt vorschnell zu glorifizieren, sollte zunächst die nationale Brille abgenommen werden. Häufig wird dann nämlich eine äußerst interessensgeleitetet Politik erkennbar, die sich herzlich wenig um die Welt kümmert, solange Deutschland auf der Seite der Nutznießer steht.


Ähnliche Artikel:
Zukunft EU: Dachverband der Nationalinteressen oder Gemeinschaftsprojekt? (www.mister-ede.de – 31.01.2013)

EU-Flüchtlingspolitik: Der Bumerang des deutschen Egoismus (www.mister-ede.de – 27.10.2015)

Der BIP-Vergleich: Von Monaco bis Malawi (www.mister-ede.de – 13.06.2012)


[1] Tagesschau-Artikel vom 08.06.2015 zu den EPA-Verhandlungen (Link zum Artikel auf www.tagesschau.de)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/blick-durch-nationale-brille/4825/feed 0
Griechenland-Krise: Die Vereinbarung von Primärüberschüssen https://www.mister-ede.de/politik/vereinbarung-primaersaldo/4243 https://www.mister-ede.de/politik/vereinbarung-primaersaldo/4243#comments Fri, 14 Aug 2015 13:20:14 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4243 Weiterlesen ]]> In der Verhandlung zwischen Griechenland und den europäischen Institutionen über die Auszahlung weiterer Hilfsgelder stehen als griechische Gegenleistung für zusätzliche Kredite immer wieder Zielvorgaben für den griechischen Primärsaldo der kommenden Jahre im Blickpunkt. Noch vor einigen Monaten wurden in der öffentlichen Debatte Forderungen von einem Primärüberschuss in Höhe von 4% pro Jahr laut, während im Laufe der Verhandlungen dann nur noch 1% für die Jahre 2015 und 2016 im Gespräch waren. Nach aktuellen Meldungen [1] sollen als Zielwerte für den Primärsaldo nun -0,25% für 2015, 0,5% für 2016, 1,75% für 2017 und 3,5% für 2018 vereinbart werden.
Aus ökonomischer und politischer Sicht ist die Fokussierung auf diesen Unterpunkt allerdings nur begrenzt sinnvoll. Trotzdem gibt es einen Grund, warum diese Vereinbarung eine so wichtige Rolle bei den Verhandlungen spielt.

Warum ist die Vereinbarung von Primärüberschüssen aus politischer Sicht nur eingeschränkt tauglich?

Für die Entwicklung des Primärsaldos gibt es viele Faktoren und nur einen Teil kann eine Regierung selbst beeinflussen. Wächst die griechische Wirtschaft wieder und steigt damit das Steueraufkommen, so ergibt sich eine gänzlich andere Finanzsituation als bei einem erneuten langanhaltenden Wirtschaftsabschwung mit noch weiter steigender Arbeitslosigkeit.
Es ist Griechenland natürlich zu wünschen, dass sich die Wirtschaft schnell erholt und ein ausgeglichener Primärsaldo oder gar Überschüsse möglich werden. Ob es 2017 dann aber für 1,75% oder 2018 sogar für 3,5% reicht, kann heute noch niemand sagen. Insofern hat die Vorgabe von Primärüberschüssen ein wenig etwas von der Forderung nach einer Schönwettergarantie und daran ändert sich auch nichts, wenn nun vorübergehend auf allzu hohe Primärüberschüsse verzichtet wird.

Nachdem also die Wirtschaftentwicklung ähnlich wie das Wetter stets ungewiss ist, wäre aus politischer Sicht die Vereinbarung konkreter Maßnahmen als Gegenleistung für die weitere Bereitstellung von Finanzmitteln sinnvoller. Voraussetzungen für weiter Kredite könnten dann z.B. der Abschluss einer Kooperation mit einem Partnerland zur Verbesserung der Steuereintreibungskompetenzen sein oder ein Vertrag mit der EU-Kommission zum gemeinsamen Aufbau eines digitalen Grundbuchwesens. Insofern kann auch der Privatisierungsfonds, wenn er denn ordentlich ausgestaltet ist, die wirtschaftliche Entwicklung in Griechenland mehr beeinflussen als eine vertraglich festgehaltene Zielvorgabe für den Primärsaldo.
Als Ergänzung macht die Vereinbarung solcher Ziele zwar durchaus Sinn, der Fokus sollte aus politischer Sicht aber auf jene Punkte gerichtet sein, die von der griechischen Regierung auch aus eigener Kraft erfüllt werden können.

Warum ist die Vereinbarung von Primärüberschüssen aus ökonomischer Sicht nur teilweise hilfreich?

Wenn mit der griechischen Regierung Zielvorgaben vereinbart werden sollen, stellt sich die Frage, welche Kennzahlen hierfür überhaupt geeignet sind.
Sieht man davon ab, dass kurzfristig vor allem etwas gegen Armut und Arbeitslosigkeit unternommen werden muss, sollte mittelfristig das Ziel sein, Griechenlands Volkswirtschaft auf einen Wachstumspfad zu führen und dabei gleichzeitig die Verschuldung abzusenken. Für die nächsten beiden Jahre muss daher darauf hingewirkt werden, dass die griechische Wirtschaft wieder wächst und dabei die Schuldenquote zumindest nicht weiter ansteigt. Letzteres ist ganz allgemein immer dann der Fall, wenn ein Land folgende Gleichung erfüllt:

Haushaltssaldo in Prozent der Schuldenlast < nominales Wirtschaftswachstum der Volkswirtschaft

Dabei ist völlig irrelevant, wie diese Gleichung erfüllt wird, ob z.B. durch ausreichend hohe Primärüberschüsse, durch einen Rückgang der Zinslast oder durch ein entsprechendes Wachstum der griechischen Volkswirtschaft. Daher sollten die Zielvereinbarungen für die nächsten Jahre (2015 – 2017) aus ökonomischer Sicht auch auf die Erfüllung dieser Gleichung und nicht alleine auf Primärüberschüsse ausgerichtet sein.

Würde es gelingen, die nominale Wirtschaftsleistung um 3% zu steigern, kann Griechenland bei seiner aktuellen Schuldenquote von rund 180% ein Haushaltsdefizit von ca. 5,4% seines BIP aufweisen, ohne dass sich dadurch die Schuldenquote des Landes weiter verschlechtert. Ob nun aber ein solches Haushaltsdefizit von 5,4% durch einen Primärüberschuss von 1% des BIP und Zinskosten in Höhe von 6,4% (1 – 6,4 = -5,4) entsteht oder durch ein Primärdefizit in Höhe von 2% des BIP und Zinskosten von 3,4% (-2 – 3,4 = -5,4), ist hierfür nicht von Bedeutung.
Aus ökonomischer Sicht sollte daher vor allem abgewogen werden, ob es zielführender ist, das reale Wachstum in Griechenland anzukurbeln und z.B. um 1% zu erhöhen oder im griechischen Staatshaushalt einen zusätzlichen Primärüberschuss, in diesem Fall in Höhe von ca. 1,8% des BIP, zu erreichen. Beides führt zu demselben Ergebnis bei der Schuldenquote, wobei der Weg über den Primärüberschuss weitere Einschnitte im griechischen Staatshaushalt bedeutet, während ein zusätzliches Wachstum helfen könnte die hohe Arbeitslosigkeit zu reduzieren.

Wieso sind Primärüberschüsse dennoch ein Knackpunkt in den Verhandlungen?

Aus politischer Sicht sollten Vereinbarung getroffen werden, welche die griechische Seite auch aus eigener Kraft einhalten kann und aus ökonomischer Sicht sind der Haushaltssaldo und die Wachstumsrate die wesentlicheren Kennziffern. Dennoch spielen die Primärüberschüsse eine wichtige Rolle.

Der Haushaltssaldo setzt sich aus dem Primärsaldo und den Zinskosten zusammen. Umso höher der Primärüberschuss ist, umso höher können auch die Zinskosten sein, ohne dass sich am Haushaltssaldo etwas ändert. Nachdem Griechenland seine Verbindlichkeiten aber zu einem großen Teil bei Gläubigern außerhalb Griechenlands hat, fließen die Zinszahlungen regelmäßig aus Griechenland bzw. der griechischen Volkswirtschaft ab. Blickt man also auf die Zahlungsströme, wird deutlich, warum die griechische Seite ungerne einen großen Primärüberschuss vereinbaren will, sondern auf ein Entgegenkommen der Gläubiger bei den Zinskonditionen drängt. Hierdurch verblieben mehr Finanzmittel in Griechenland, die dann im Haushalt Spielräume für andere Maßnahmen eröffnen würden.
Umgekehrt wird so aber auch die Position der übrigen Euroländer und anderen Geldgeber verständlich, weil diese Griechenland bereits jetzt vergünstigte Zinskonditionen gewähren und damit schon einen Teil dazu beitragen, dass die Erfüllung der obigen Gleichung nicht allzu fern ist. Für die Geldgeber ist die Vereinbarung von Primärüberschüssen daher vor allem eine Festlegung für die griechische Regierung, damit auch diese durch die Konsolidierung des Staatshaushaltes zur Erfüllung der obigen Gleichung beiträgt.

Eine Faire Vereinbarung von Primärüberschüssen:

Betrachtet man die hinter der Vereinbarung von Primärüberschüssen stehende Verteilungsfrage, so kommt man auf der Suche nach Objektivität nicht umher, die Entstehungsgeschichte dieser Kredite kurz zu beleuchten.
Griechenland war 2010 aus diversen Gründen pleite und üblicherweise wäre in diesem Fall ein Schuldenschnitt durchgeführt worden. In der damaligen Situation sollte dies jedoch unter allen Umständen vermieden werden, weshalb Griechenland jene Kredite bekam, die heute z.B. bei EZB oder IWF abgelöst werden müssen. Es wäre daher unfair, Griechenland nun mit diesen Verbindlichkeiten alleine zu lassen, allerding ebenso unfair wäre es, würde die griechische Regierung ganz aus der Pflicht genommen.
Nachdem sich die Rettungsschirme ihrerseits sehr günstig finanzieren können, würde eine faire Vereinbarung wohl ein gewisses Entgegenkommen bei den Zinskonditionen vorsehen und auf allzu hohe Primärüberschüsse verzichten. Der Ansatz für 2015 und 2016 kann deshalb durchaus als fair angesehen werden, allerdings 2017 und vor allem 2018 fällt er zu hoch aus. Ein Zielwert von 1,5% – 2% für 2018 wäre hier sicherlich angemessener.


Ähnliche Artikel:
Griechenland-Krise: Das ungelöste Schuldenproblem (www.mister-ede.de – 14.08.2015)

Die Wirkung von Zins, Inflation und Wachstum auf die Staatsschuldenquote (www.mister-ede.de – 10.08.2015)

Eurokrise: FAQ zur Griechenland-Krise und zur aktuellen Lage (www.mister-ede.de – 23.03.2015)

Kleiner Schuldenrechner für Griechenland (www.mister-ede.de)


[1] Aufstellung auf Tagesschau.de vom 12.08.2015 (Link zum Beitrag auf www.tagesschau.de)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/vereinbarung-primaersaldo/4243/feed 0
Griechenland-Krise: Das ungelöste Schuldenproblem https://www.mister-ede.de/politik/ungeloestes-schuldenproblem/4245 https://www.mister-ede.de/politik/ungeloestes-schuldenproblem/4245#comments Fri, 14 Aug 2015 13:15:40 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4245 Weiterlesen ]]> Zurzeit wird zwar ein neues Hilfspaket für Griechenland auf den Weg gebracht, allerdings bleibt dabei ein wesentlicher Themenkomplex wieder ausgespart. Erneut wird es kein Konzept für den Umgang mit jenem Schuldenberg geben, den das Land seit Jahren vor sich herschiebt. Obwohl es in allseitigem Interesse wäre, diesen Unsicherheits- und Störfaktor endlich durch eine für alle Beteiligten akzeptable und tragfähige Lösung zu beseitigen, wird dieses Thema ein weiteres Mal vertagt.

Schuldenschnitt vs. Schuldenumstrukturierung:

Würde die Verzinsung der griechischen Staatsschulden auf 0% gesenkt, könnte das Land die Zinsen für jede beliebige Schuldenlast tragen. Mit diesem simplen Beispiel wird deutlich, dass ein nominaler Schuldenschnitt, also z.B. ein Forderungsverzicht von 50% niemals erforderlich ist, solange der Zinssatz politisch festgelegt werden kann, so wie dies bei der Konstruktion über den ESM / die EFSF der Fall ist.
Zielführend ist daher, die Spielräume bei der Zinsgestaltung zu verwenden und die Schulden entsprechend umzustrukturieren. Zu Nutze können sich die Euroländer dabei weiterhin machen, dass sie gemeinsam deutlich günstigere Zinskonditionen erhalten als Griechenland für sich alleine. Die EFSF erhält zurzeit Kredite unter 2%, kurzfristig sogar unter 1%, und wenn sich die Zinsanforderungen an Griechenland in diesem Rahmen bewegen, was sie zum Teil ja auch bereits machen, dann wird die Schuldenlast durch die niedrigeren Zinsen tragbar.
In diesem Fall kann man nun streiten, ob es sich um einen Schuldenschnitt handelt oder nicht. Geht man von den Konditionen aus, die Griechenland am Markt zahlen müsste, dann würde ein solcher vergünstigter Zinssatz für Griechenland tatsächlich eine Art strukturellen Schuldenschnitt darstellen. Legt man hingegen jenen Zinssatz zugrunde, zu dem sich die Geldgeber, also z.B. die EFSF, selbst mit Finanzmittel versorgen können, so verzichten diese mit der Weitergabe der günstigen Konditionen lediglich darauf, bei der Rettung Griechenlands auch noch Gewinn zu machen.

Die Zinslast:

In den vergangen beiden Jahren hatte Griechenland eine Zinslast in Höhe von ca. 4% des BIP, allerdings wurde dieser Wert nur mit Hilfe vergünstigter Zinskonditionen erreicht. In diesem Jahr könnte die Zinslast etwas ansteigen, sofern allerdings das dritte Hilfspaket zustande kommt und die üblicherweise teureren Kassenkredite wieder durch reguläre Kredite abgelöst und die etwas teureren Verbindlichkeiten gegenüber IWF und EZB durch günstigere ESM-Kredite ersetzt werden, könnte 2016 bei einer Schuldenquote von 180% und einer durchschnittlichen Verzinsung der Schulden von knapp unter 2% eine Zinslast in Höhe von 3 – 4% des BIP erreicht werden. Dies wäre ein für Griechenland durchaus akzeptabler Wert, der in etwa der Zinslast entspricht, die das Land ohne vergünstigte Hilfskredite nach einem nominalen Schuldenschnitt von 50 oder 60% zu zahlen hätte.

Eine Faire Vereinbarung für die Schuldenlast:

Um die Frage nach einer fairen Vereinbarung beantworten zu können, kommt man nicht umhin, die Entstehungsgeschichte dieser Kredite kurz zu betrachten.
Griechenland war 2010 aus diversen Gründen pleite und üblicherweise wäre in diesem Fall ein Schuldenschnitt durchgeführt worden. In der damaligen Situation sollte dies jedoch unter allen Umständen vermieden werden, weshalb Griechenland jene Kredite bekam, die heute z.B. bei EZB oder IWF abgelöst werden müssen. Es wäre daher unfair, Griechenland nun mit diesen Verbindlichkeiten alleine zu lassen, allerdings ebenso unfair wäre es, würde die griechische Regierung ganz aus der Pflicht genommen.

Eigentlich wäre es am besten, es würde ein hoher Zinssatz für die Hilfskredite vereinbart und gleichzeitig ein entsprechender Finanztransfer eingerichtet, weil so die griechische Regierung einen großen Anreiz hätte, die Rettungsschirme wieder zu verlassen.
Nachdem eine solche Gestaltung mit Finanztransfers innerhalb der aktuellen Euro- bzw. EU-Konstruktion nicht möglich ist, sollte als Alternative die günstige Refinanzierungsmöglichkeit der Rettungsschirme genutzt werden, um Griechenland eine vertretbare Zinskonditionalität anzubieten. Bei einer angestrebten Inflationsrate von 2% kann so der Realwert der Schulden bei einem etwas darunterliegenden Zinssatz kontinuierlich abgebaut werden. Werden alte Kredite abgelöst oder eine Schuldenrestrukturierung durchgeführt, sollte bei neuen Hilfskrediten ein Zinssatz von 1% – 1,75% für die nächsten zehn bis zwanzig Jahre angestrebt werden. Hierdurch würde die Zinslast auf ca. 2,5% – 3,5% des BIP sinken, was für Griechenland ein tragbarer Wert ist.
Gelingt es gleichzeitig, in Griechenland einen Primärüberschuss von 0,5% – 1% des BIP zu erreichen, würde das Haushaltsdefizit bei 1,5% – 3% liegen. Aufgrund der hohen Schuldenquote würde damit schon ein nominales Wachstum (reales Wachstum plus Inflation) von 1% – 2% reichen, um die Schuldenquote zumindest konstant zu halten. Wächst die griechische Wirtschaft kräftiger, z.B. die nächsten 10 Jahre nominal um jährlich 3%, würde die Schuldenquote selbst bei jährlichen Haushaltsdefiziten in Höhe von 3% des BIP in diesem Zeitraum von 180% auf rund 160% abnehmen.


Ähnliche Artikel:
Wer war Nutznießer der Fehlentwicklung in Griechenland? (www.mister-ede.de – 21.07.2015)

Kleiner Schuldenrechner für Griechenland (www.mister-ede.de)

Eurokrise: FAQ zur Griechenland-Krise und zur aktuellen Lage (www.mister-ede.de – 23.03.2015)

Griechenland-Krise: Die Vereinbarung von Primärüberschüssen (www.mister-ede.de – 14.08.2015)

Die Wirkung von Zins, Inflation und Wachstum auf die Staatsschuldenquote (www.mister-ede.de – 10.08.2015)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/ungeloestes-schuldenproblem/4245/feed 0