Carta.info – Wolf im Schafspelz?

Carta.info ist eine Internetseite, die Artikel diverser Autoren zu verschiedenen gesellschaftlich und politisch relevanten Themen bündelt. Begleitet wird die Seite dabei von einem eingetragenen Verein „Carta e.V.“ und bekannten Personen im Beirat. Darunter auch Gesine Schwan, deren politischen Ansichten und Einschätzungen ich oft sehr interessant und bereichernd finde.

Allerdings wich mein positiver erster Eindruck von carta.info schnell einem gewissen Unbehagen. Manche Artikel waren doch stark populistisch und statt sachlicher Auseinandersetzung mit Themen fand lediglich ein oberflächliches Haudrauf  auf Politiker, Wissenschaftler oder Medien statt.

So bin ich auf einen Beitrag gestoßen, in dem sich ein Autor durch eine Entscheidung im Bundesrat verraten fühlt [1]. In einem anderen Artikel wird durch die „Genies in Brüssel“ eine neue Weltordnung (genannt „Bankenneuordnung“) angestrebt [2]. Mit einem simplen Rechenbeispiel leitet der Autor, von dem „Blödsinn“ der uns erzählt wird über zu den wahren Hintergründen der Geldpolitik. Immerhin ist Zypern laut dem Autor nur „ein erstes Mosaik-Steinchen“ auf dem Weg in diese neue Ordnung [3]. Ein anderer Autor schreibt über die „Karikatur des Parlamentarismus“ und dass es „keine Partei, die selbst unter schlimmsten Magenkrämpfen wählbar wäre“, gibt [4].

Häufig finden auch themenfremde Begriffe aus dem Bereich von Militär, Kampf und Krieg Einfluss in die Artikel. Eine Diskussion wird zum „Nachhutgefecht“ im revolutionären Kampf der Netzgemeinde gegen das Leistungsschutzrecht der Verleger [5]. Wenn es um das Netz geht, gibt es ein „Londoner Rebellentreffen“, eine „Wunderwaffe der Hacker“ und „traumatisierte Aktivisten“ im „Kampf mit der Staatsmacht“ [6].

Natürlich kann so etwas als Stilmittel genutzt werden, aber in dieser Häufung erinnert es eher an eine systematische Mobilisierung des Volkszorns (um in diesem Jargon zu bleiben). Kombiniert mit Artikeln, die suggerieren, dass Makroökonomen gefährlich sind [7], von EU-Diktat in Zypern [8] sprechen und sich einen deutschen Grillo wünschen, macht das Ganze einen seltsamen Eindruck.

Zugegeben finden sich auf der Seite auch einige lesenswerte Beiträge, allerdings empfinde ich die Vermengung mit dieser unsachlichen Pauschalkritik gegen Politiker, Parteien oder das Staatswesen als unglückselig. Man kann den Eindruck gewinnen, als würden die sachlichen Artikel als Mantel einer aufklärerisch, demokratischen Kultur genutzt, um eine Ideologie zu transportieren, die ganz und gar nicht mehr diesem Mantel entspricht.

Nachdem ich diesen Umgang mit Kampfbegriffen und die teils verächtlichmachenden Texte kritisiert habe, wurde ich kurzerhand für Kommentare gesperrt. Für eine politische Seite natürlich ein völlig inakzeptabler Umgang mit kritischen Meinungen. Auch wenn ich mittlerweile wieder kommentieren darf, so ist auch dies für mich ein weiteres Indiz, dass es weniger um die Sache sondern um eine möglichst positive Darstellung kritikwürdiger Sichtweisen geht.

Insgesamt scheint mir die Diskrepanz zwischen dem vermittelten Selbstbild und dem tatsächlichen Auftritt von Carta.info im Moment recht groß zu sein. Endgültig will ich die Frage, ob carta.info ein Wolf im Schafspelz ist, trotzdem nicht beantworten. Verein und Beirat im Hintergrund sollten sich aber genauso wie carta.info und einige Autoren selbstkritisch fragen, ob die Plattform auf dem richtigen Weg ist.


[1] Tobias Schwarz – Netzpolitisches Theaterdonner (Artikel vom 23.03.2013 auf carta.info – Link zum Artikel)

[2] Wolfgang Michal – Diese Genies in Brüssel (Artikel vom 28.03.2013 auf carta.info – Link zum Artikel)

[3] Wolfgang Michal – Diese Genies in Brüssel (Artikel vom 28.03.2013 auf carta.info – Link zum Artikel)

[4] Daniel Taake – Morgendliche Meinungsfindung (Artikel vom 31.08.2013 auf carta.info – Link zum Artikel)

[5] Till Westermayer – Postrevolutionäre Netzpolitik (Artikel vom 28.03.2013 auf carta.info – Link zum Artikel)

[6] Wolfgang Michal – Das Netz als Staatsfreund Nr. 1 (Artikel vom 02.04.2013 auf carta.info – Link zum Artikel)

[7] Gunnar Sohn – Die politisch naiven und gefährlichen Makroökonomen: Spieltheoretische Egomanen (Artikel vom 22.02.2013 auf carta.info – Link zum Artikel)

[8] Wolfgang Michal – Der zypriotische Mittelfinger (Artikel vom 21.03.2013 auf carta.info – Link zum Artikel)

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