mister-ede.de » EU-Migrations- und Asylsystem https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Das EuGH-Urteil zur Flüchtlingsverteilung – eine Einordnung https://www.mister-ede.de/politik/eugh-fluechtlingsverteilung/8498 https://www.mister-ede.de/politik/eugh-fluechtlingsverteilung/8498#comments Wed, 13 Sep 2017 19:47:57 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8498 Weiterlesen ]]> Vergangene Woche entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass sich Ungarn und die Slowakei an der Umverteilung von Flüchtlingen aus Griechenland und Italien beteiligen müssen. Ausnahmen gibt es damit weiterhin nur für Dänemark und Großbritannien, die sich im EU-Vertrag garantieren haben lassen, nicht an der EU-Flüchtlingspolitik teilnehmen zu müssen.

Das Urteil [1] einfach erklärt:

Am 14. September 2015 beschloss der Rat der EU auf Basis von Art. 78 III AEUV (Vertrag über die Arbeitsweisen der EU) mit qualifizierter Mehrheit eine Umverteilung von 120.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien in andere Teile der EU [2]. Gegen diesen Beschluss klagten die beiden EU-Länder Slowakei und Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Vergangene Woche urteilte nun der EuGH, dass der damalige Beschluss inhaltlich und formal korrekt war.
Im September 2015 bestand tatsächlich eine Notlage in Griechenland und Italien und deshalb durfte der Rat der EU nach Art. 78 III AEUV Maßnahmen zur Abhilfe beschließen. Diese Maßnahmen waren aus Sicht des EuGH nicht erkennbar ungeeignet, um Griechenland und Italien zu helfen, und verletzten auch kein sonstiges EU-Recht. Außerdem stellte der EuGH klar, dass für diesen Beschluss keine Einstimmigkeit der EU-Länder erforderlich war, sondern lediglich eine qualifizierte Mehrheit (siehe Art. 16 III und IV EU-Vertrag). Aus diesen Gründen war der Beschluss des Rates der EU rechtmäßig und der EuGH hat die entsprechenden Klagen der Slowakei und Ungarns zurückgewiesen.

Was das Urteil bedeutet:

Das Urteil des EuGH bedeutet zunächst, dass der Rat der EU in einer Notlage eine Umverteilung von Flüchtlingen beschließen darf und sich dann alle EU-Länder daran beteiligen müssen. Ungarn und die Slowakei müssen also ihren Teil der Flüchtlinge aus Italien und Griechenland übernehmen. Aber auch für Deutschland bedeutet das Urteil, dass sich die Bundesregierung rechtswidrig verhalten würde, wenn sie den Beschluss des Rates der EU nicht wie gefordert umsetzt. Bislang hat Deutschland allerdings erst 7.852 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien aufgenommen, obwohl es bis Herbst 2017 rund 30.000 Flüchtlinge übernehmen sollte [3]. Nachdem es aber auch Probleme in Italien und Griechenland gibt, geeignete Personen für eine solche Umverteilung zu identifizieren, dürfte das Urteil vorerst keine direkten Auswirkungen auf die Geschwindigkeit der Umverteilung haben.

Was das Urteil nicht bedeutet:

Das Urteil des EuGH bedeutet nicht, dass die EU künftig auch gegen den Willen eines EU-Landes eine dauerhafte Umverteilung von Flüchtlingen beschließen darf. Nur bei Notlagen kann auf die Einstimmigkeit verzichtet werden. Um für die Zukunft daran etwas zu ändern, müssten die EU-Verträge geändert werden, was jedoch ebenfalls zwingend jene Einstimmigkeit aller EU-Länder voraussetzt, die es zurzeit nicht gibt. Aber auch in einer Notlage getroffene Umverteilungs-Beschlüsse dürften wieder vor dem EuGH landen. Denn ob tatsächlich eine Notlage vorliegt, kann immer nur im konkreten Einzelfall geprüft werden.
Das Urteil bedeutet daher nicht, dass sich an der bisherigen EU-Flüchtlingspolitik etwas ändert oder gar dass diese solidarischer oder humaner wird.

Bewertungen des Urteils:

Wenn von einer Niederlage Ungarns und der Slowakei in Bezug auf die EU-Flüchtlingspolitik gesprochen wird, so ist das de facto falsch. Zwar haben Ungarn und die Slowakei den Rechtsstreit bezüglich dieses einen Beschlusses verloren, allerdings haben sie längst für eine Änderung der EU-Flüchtlingspolitik in ihrem Sinne gesorgt. Die EU schottet sich massiv ab und Ungarn und die Slowakei oder auch Polen müssen nur wenige Flüchtlinge aufnehmen. Überdies haben die beiden EU-Länder mit Hilfe der Klage klären können, dass der Rat der EU nicht einfach gegen ihren Willen eine dauerhafte Umverteilung beschließen und schon gar nicht die Aufnahme von Flüchtlingen aus Drittstaaten erzwingen kann. Insofern muss man konstatieren, dass sich die ungarische, die slowakische und die polnische Regierung mit ihrer Haltung zur Flüchtlingspolitik weitestgehend durchgesetzt haben.
Nachdem sich aber an der Blockade-Haltung der Visegrád-Staaten in nächster Zeit nichts ändern wird, bleibt für die Entwicklung hin zu einer echten gemeinsamen Asylpolitik in der EU nur der Weg über eine verstärkte Zusammenarbeit einiger EU-Länder.


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[1] Urteil des EuGH vom 06.09.2017 (Link zum Urteil auf curia.europa.eu)

[2] Beschluss des Rates der EU vom 22.09.2015 (Link zum Beschluss auf eur-lex.europa.eu)

[3] Mitteilung der EU-Kommission zum aktuellen Stand (06.09.2017) der Umverteilung abgerufen am 13.09.2017 (PDF mit aktualen Zahlen auf ec.europa.eu)

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EU-Flüchtlingspolitik: Was endlich angepackt werden muss! https://www.mister-ede.de/politik/eu-fluechtlingspolitik/5537 https://www.mister-ede.de/politik/eu-fluechtlingspolitik/5537#comments Sun, 09 Oct 2016 15:15:19 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5537 Weiterlesen ]]> In den letzten Monaten ist zwar die Zahl der irregulär in die EU kommenden Flüchtlinge deutlich gesunken, für eine dauerhaft erfolgreiche EU-Flüchtlingspolitik muss allerdings noch immer ein weiter Weg zurückgelegt werden. Zum einen muss die irreguläre Migration weiter reduziert werden und zum anderen müssen endlich reguläre Wege für die Migration geschaffen werden, damit die EU auch ihrer humanitären Verantwortung gerecht wird.

Blick auf die Ägäis-Route

In den letzten Monaten kamen schon deutlich weniger Schutzsuchende nach Griechenland, allerdings gibt es noch immer kaum reguläre Wege für z.B. syrische Kriegsflüchtlinge in die EU. Auch umgekehrt wurden zumindest bis zum Sommer nur diejenigen Personen aus Griechenland in die Türkei zurückgeführt, die in Griechenland keinen Asylantrag gestellt haben. Die überfüllten „Hot Spots“ auf Lesbos und anderen griechischen Inseln deuten an, dass sich daran in den letzten Monaten nicht viel geändert hat. Ob also Rückführungen abgelehnter Asylbewerber in die Türkei rechtlich und faktisch möglich sind, ist somit noch immer offen. Die Umsetzung des EU-Türkei-Abkommens bleibt daher eine vordringliche Aufgabe.

Blick auf die Libyen-Italien-Route

Libyen ist weiterhin ziemlich instabil, weshalb die Hauptroute der irregulären Migration zurzeit von dort über das Mittelmeer nach Italien führt. Soll diese Route geschlossen werden, muss entweder Libyen selbst stabilisiert werden oder es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, um die von dort irregulär einreisenden Personen z.B. in UN-Camps in Nachbarländern unterzubringen.
Um eine Zunahme der irregulären Migration aus Marokko, Algerien, Tunesien und Ägypten zu verhindern, müssen Rückführungen in diese Länder forciert werden. Das Problem ist hierbei allerdings, dass selbst bei zwei zugedrückten Augen z.B. Ägypten nicht wirklich als sicher gelten kann. Nachdem allerdings die geographische Lage nun mal so ist, wie sie ist, bleibt kaum ein anderer Weg, als mit Aufbauhilfe, Fördergeldern und einer Zusammenarbeit bei der Flüchtlingsversorgung darauf hinzuarbeiten, dass der Flüchtlingsschutz auch in Ägypten faktisch gewährleistet ist. Als Gegenleistung für weitere Hilfszahlungen wären dann Rückführungsabkommen denkbar, die rechtlich wie ethisch vertretbar sind. Nur bis dorthin ist es eben noch ein verdammt weiter Weg.

Blick auf die EU

Das Dublin-System muss grundlegend überarbeitet und durch ein funktionierendes, humanitäres und solidarisches Modell ersetzt werden, z.B. durch ein EU-Migrations- und Asylsystems im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit innerhalb der EU. Notwendig sind hierbei Kapazitäten für die Arbeitsmigration und humanitäre Kontingente für Schutzsuchende. Ferner muss die Möglichkeit geschaffen werden, Asylgesuche schon außerhalb der EU zu stellen. Daneben braucht es klare und gemeinsame Regeln, wer wann wie und wo Schutz bekommt oder ein Aufenthaltsrecht in der EU. Auch die Kosten- und Lastenverteilung unter den EU-Ländern muss überdacht und künftig solidarischer ausgestaltet werden, damit einzelne Länder nicht überfordert werden. Genauso muss der Schutz der Außengrenzen verbessert werden, um die Grenzüberwachung auch in schwierigeren Situationen tatsächlich gewährleisten zu können.
Eine Lösung muss auch für jene Menschen gefunden werden, die bislang ohne Aufenthaltsrecht in der EU leben, aber auch nicht abgeschoben werden können. Hier wäre eine Altfallregelung erforderlich, um solche langjährigen Fälle aus ihrem unklaren Status herauszuholen und sie entweder tatsächlich abzuschieben oder ihnen eine echte Chance zur Integration zu geben.

Skizze eines EU-Migrations- und Asylsystem (www.mister-ede.de – 29.09.2016)

Blick auf Wirtschaft und Handel

Die Wirtschafts- und Handelspolitik der EU-Länder muss auf den Prüfstand, insbesondere die Handelsabkommen mit Entwicklungsländern. Auch die Frage nach der Kostenträgerschaft für die Folgen des Klimawandels muss gestellt werden. Daneben sollte die europäische Entwicklungszusammenarbeit inhaltlich wie strukturell neu ausgerichtet werden, z.B. durch die Einrichtung eines EU-Flüchtlingshilfswerks, dem Ausbau der Generaldirektion der EU für Entwicklung und Zusammenarbeit und der inhaltlichen Fokussierung auf die Etablierung regionaler Wirtschaftskreisläufe.

Eine Neuausrichtung der europäischen Entwicklungs-, Migrations- und Asylpolitik (www.mister-ede.de – 29.09.2016)


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Eine Neuausrichtung der europäischen Entwicklungs-, Migrations- und Asylpolitik https://www.mister-ede.de/politik/eu-entwicklung-migration-asyl/5437 https://www.mister-ede.de/politik/eu-entwicklung-migration-asyl/5437#comments Thu, 29 Sep 2016 10:23:30 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5437 Weiterlesen ]]> Die sich verändernde Welt macht auch vor Europa keinen Halt. Klimawandel, Kriege, Bürgerkriege, Terrorismus und die wachsende globale Ungleichheit, zu der auch die europäische Wirtschaftspolitik beiträgt, vertreiben immer mehr Menschen aus ihrer Heimat. Hunderttausende begeben sich deshalb in der Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa auf einen teuren und oftmals tödlichen Weg.
Währenddessen stehen die Europäer dieser Entwicklung eher passiv beobachtend als aktiv gestaltend gegenüber. So wurden europaweit Abschottung und das Schließen der Grenzen, z.B. zwischen Österreich und Ungarn, im nationalen Kleinklein zur favorisierten Lösung für diese globale Herausforderung.
Im Gegeneinander und mit punktuellen Maßnahmen, wie Grenzschließungen oder kleinen Kontingenten für die Aufnahme von Schutzsuchenden, werden die EU-Länder diese Herausforderung allerdings nicht meistern können. Anstelle von Tunnelblick und Kleinstaaterei braucht es daher einen breiten Ansatz und ein gemeinsames Handeln.

Die europäische Wirtschafts- und Handelspolitik

Gerade in Bezug auf den afrikanischen Kontinent steht Europa oftmals nicht nur am Ende von Flucht und Migration, sondern mit Blick auf die Gründe und Ursachen auch schon am Anfang. Doch was nutzt es Europa, wenn deutsche Großschlachter ein paar Euro mehr verdienen und dafür die kleinbäuerliche Struktur in afrikanischen Ländern zerstört wird?
Die EU und andere europäische Länder, z.B. die Schweiz, müssen daher ihre Wirtschafts- und Handelspolitik auf den Prüfstand stellen. Statt maximalem Freihandel und radikaler Marktöffnungspolitik, sollten künftig Aufbaupartnerschaften vereinbart werden, um einen behutsamen Wandel in wirtschaftlich schwach entwickelten Ländern zu ermöglichen und die dortigen Volkswirtschaften zu stärken. Insbesondere die aktuellen Verhandlungen zu Wirtschaftspartnerschaften mit Entwicklungsländern (EPA) sollten deshalb konsequent neu und auf dieses Ziel ausgerichtet werden. Möglich wäre auch, in diesem Rahmen die Frage nach den Kosten des Klimawandels und einer Entschädigung durch die Industrieländer zu behandeln.

Entwicklungszusammenarbeit

Neben einer fairen Handelspolitik, die schwächere Volkswirtschaften nicht ausbeutet, sondern stärkt, braucht es Instrumente, die es den Europäern erlauben, die Lebensverhältnisse der Menschen außerhalb Europas aktiv zu verbessern und mittel- bis langfristige Perspektiven zu schaffen.
Um die europäische Entwicklungszusammenarbeit effektiver zu gestalten, sollten die Maßnahmen der einzelnen EU-Länder gebündelt werden. Hierzu könnte die bereits existierende Generaldirektion der EU für Entwicklung und Zusammenarbeit zu einer EU-Agentur weiterentwickelt werden, welche nicht nur die nationale Entwicklungszusammenarbeit koordiniert, sondern in größerem Umfang auch in eigener Verantwortung gemeinsame EU-Projekte auf den Weg bringt.
Inhaltlich muss dabei allerdings noch mehr als bisher der Aufbau regionaler Wirtschaftskreisläufe im Vordergrund stehen, um z.B. die Selbstversorgung der Bevölkerung zu ermöglichen. Außerdem muss die Entwicklungszusammenarbeit künftig neben der Ökonomie noch stärker die Entwicklung von Gesellschaft und Staat in Bezug auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vorantreiben, z.B. durch Hilfen bei der Einrichtung sozialer Sicherungssysteme oder Unterstützung bei der Korruptions- oder Terrorbekämpfung.

EU-Migrations- und Asylsystem

Auch das konsequente Nebeneinander der verschiedenen nationalen und internationalen Regelungen zum Schutz verfolgter und vertriebener Personen, z.B. nach der Genfer Flüchtlingskonvention, zum Schutz aus humanitären Gründen und Regelungen zur Arbeitsmigration und sonstigen freiwilligen Migration hat sich mittlerweile als untauglich erwiesen. Statt einer Vielzahl paralleler Systeme, sollte hier im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit in der EU auf eine Einwanderungs-, Flüchtlings- und Asylpolitik aus einem Guss gesetzt werden.
Den institutionellen Rahmen könnte hierbei eine EU-Migrations- und Asylbehörde bilden, die außerhalb der EU eng abgestimmt mit einem neugeschaffenem EU-Flüchtlingshilfswerk arbeitet, das seinerseits durch die oben angeführte europäisch koordinierte Entwicklungszusammenarbeit unterstützt wird. Auf einer solchen EU-Migrations- und Asylbehörde aufbauend, könnten dann einheitliche Verfahren eingerichtet werden, die für Schutzsuchende und Migranten auch schon in EU-Nachbarländern oder Herkunftsländern zugänglich sind. Solche ordentlichen und rechtsstaatlichen Verfahren wären ein wichtiger Bestandteil, um die heutige irreguläre und unkontrollierte Einreise künftig durch eine geregelte Migration zu ersetzen.

Skizze eines EU-Migrations- und Asylsystem (www.mister-ede.de – 29.09.2016)

Grenzsicherung

Zusätzlich zu einem System der regulären Einreise für Schutzsuchende und Arbeitsmigranten müssen die Außengrenzen aber auch gegen irreguläre Grenzübertritte geschützt werden. Selbst wenn es reguläre Wege gibt, wird es auch weiterhin Personen geben, die wegen fehlender Einreiseberechtigung abgewiesen werden müssen.
Hierzu sollten vornehmlich Rückführungsabkommen, wie sie u.a. im EU-Türkei-Abkommen vom Frühjahr vereinbart wurden, konsequent weiter ausgebaut werden. In Kooperation mit den EU-Nachbarländern kann so die Ordnung an den Grenzen in humanitär vertretbarer Weise und mit verhältnismäßig geringem Aufwand wiederhergestellt bzw. aufrechterhalten werden. Auf die aktuelle Hauptroute von Libyen über das Mittelmeer kann dies so aber nicht angewendet werden, weshalb hier UN-Camps, z.B. im angrenzenden Ägypten oder Tunesien, ein Ansatzpunkt sein könnten, um nicht schutzberechtigte Personen, die von Libyen aus in die EU einreisen, wieder zurückzuführen. Ob so etwas tatsächlich ethisch vertretbar und im Einklang mit geltendem Recht gestaltbar ist, müsste aber zunächst eingehender geprüft werden. Wenn in solchen Camps ein vollwertiger Zugang zu einem wie oben beschriebenen EU-Migrations- und Asylsystem besteht, wäre das aber sicher schon ein guter Schritt in diese Richtung.


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Skizze eines EU-Migrations- und Asylsystem https://www.mister-ede.de/politik/eu-migrations-und-asylsystem/5405 https://www.mister-ede.de/politik/eu-migrations-und-asylsystem/5405#comments Thu, 29 Sep 2016 10:17:33 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5405 Weiterlesen ]]> Das nachfolgend dargestellte EU-Migrations- und Asylsystem beruht auf einer verstärkten Zusammenarbeit innerhalb der EU durch die Länder Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, die Niederlande, Belgien, Österreich, Portugal, Griechenland, Finnland, Slowenien, Luxemburg, Estland und Malta. Hierbei handelt es sich um EU-Länder, die sowohl Mitglied in der Eurozone sind als auch das Schengener-Abkommen uneingeschränkt anwenden und je Einwohner mindestens 50% der durchschnittlichen Wirtschaftsleistung der Eurozone besitzen.
Die Euro-Länder Lettland, Litauen und die Slowakei würden bei diesem Konzept wegen zu niedrigem BIP herausfallen und Irland und Zypern, weil sie Schengen nicht anwenden. Natürlich sind aber auch andere Zusammensetzungen möglich, sodass z.B. Schweden, das noch kein Euro-Land ist, in die verstärkte Zusammenarbeit einbezogen werden kann oder auch mit den Nicht-EU-Ländern Schweiz, Island und Norwegen kooperiert werden könnte.

Dublin-Abkommen oder gemeinsames Asylsystem

Das Dublin-System sieht die Verantwortung für einen Schutzsuchenden bislang bei demjenigen Land, in dem die betreffende Person zuerst den Boden der EU betritt. Indirekt unterstellt das Dublin-Abkommen damit, dass ein einzelnes EU-Mitglied Einfluss auf die Zahl der in das Land reisenden Schutzsuchenden hat und deshalb für sie zuständig ist.
Hingegen fußt das hier beschriebene Asylverfahren auf der Überzeugung, dass Verfolgung oder Vertreibung außerhalb der EU eine humanitäre Gesamtverantwortung der EU auslösen. Nachdem ein einzelnes EU-Land durch die Bindung an die Genfer Flüchtlingskonvention nur einen begrenzten Einfluss auf die Zahl der ins Land kommenden Flüchtlinge hat, sieht das EU-Migrations- und Asylsystem entsprechend einen echten gemeinsamen Flüchtlingsschutz vor, der nach den Fähigkeiten der einzelnen Länder von der Gesamtheit der beteiligten Länder getragen wird.

Politisches Asyl , humanitärer Schutz und Arbeitsmigration

Personen wollen aus vielen verschiedenen Gründen nach Europa, aber stets ist dieser Wunsch von der Hoffnung auf ein besseres Leben für die Kinder, die Eltern, die Familie oder auch sich selbst geprägt. Um dieses legitime Streben des Einzelnen, sein Überleben zu sichern und seine Lebenssituation zu verbessern, mit dem legitimen Anspruch eines Staates auf die Hoheit über sein Staatsgebiet in Einklang zu bringen, soll hier beides in einem menschlich wie rechtlich vertretbaren, chancengerechten, helfenden und fördernden EU-Migrations- und Asylsystem verbunden werden.
Das später noch genauer zu erläuternde gemeinsame Migrations- und Asylverfahren (GMA) richtet seinen Fokus dabei allerdings nicht nur auf einzelne Migrationsgründe, sondern versucht für alle diese juristisch unterschiedlich definierten Gruppen, von Verfolgten und Vertriebenen über diejenigen, die aus humanitären Gründen Schutz benötigen, bis zu jenen, die sich als Arbeiter und Arbeiterinnen auf den Weg nach Europa machen, eine Perspektive zu bieten. Innerhalb dieses Verfahrens bleiben aber weiterhin die individuellen Voraussetzungen einer Person, z.B. das Vorliegen eines Arbeitsvertrages oder das Vortragen von Schutzgründen, Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage, ob eine Einreise in die beteiligten EU-Länder bzw. der dortige Aufenthalt zulässig ist oder nicht.

Außereuropäischer Zugang zu einheitlichem Verfahren

Um die irreguläre, meist teure und oft tödliche Migration einzudämmen, setzt das hier beschriebene EU-Migrations- und Asylsystem auf den Abbau von Anreizen. Deshalb werden sowohl innerhalb der an diesem System beteiligten EU-Länder wie auch außerhalb der EU, z.B. in UN-Flüchtlingscamps, Zugänge zu einem einheitlichen gemeinsamen Migrations- und Asylverfahren (GMA) geschaffen. Sofern die Verfahren zur Gewährung der regulären Einreise bzw. zur Abschiebung bei fehlenden Einreisevoraussetzungen zügig durchgeführt werden, wird die Flucht aus Flüchtlingslagern nach Europa bzw. in ein spezielles EU-Land automatisch unnötig und auch unsinnig.

Um außerhalb der EU Zugänge zu einem solchen gemeinsamen Migrations- und Asylverfahren (GMA) zu schaffen, bedarf es allerdings einer breitflächigen Struktur, die an möglichst vielen verschiedenen Orten gleichzeitig ansetzt, damit ungewollte Dynamiken vermieden werden. Neben einer Einbindung der bereits existierenden Auslandsvertretungen der am EU-Migrations- und Asylsystem beteiligten Länder sollte deshalb auch die Einrichtung eines eigenständigen EU-Flüchtlingshilfswerks in Betracht gezogen werden, das dann ausreichend Kapazitäten zur Betreuung und Verwaltung von Schutzsuchenden außerhalb Europas aufbauen kann.

EU-Flüchtlingshilfswerk

Mit einem EU-Flüchtlingshilfswerk werden unterschiedliche Ziele verfolgt. Unter anderem könnte der UNHCR bei seiner Arbeit personell, finanziell und materiell unterstützt werden, damit in UN-Flüchtlingslagern zumindest eine ausreichende Versorgung gewährleistet und eine Chance auf Bildung für eine Perspektive vor Ort geschaffen werden kann. Daneben könnte ein EU-Flüchtlingshilfswerk Verwaltungsstrukturen aufbauen, um zu prüfen, ob in solchen Lagern Härtefälle vorliegen, die die Einreise einer Person in die EU erforderlich machen. Später könnte dies dann zu einem vollwertigen Zugang zum gemeinsamen Migrations- und Asylverfahren (GMA) ausgebaut werden.
Umgekehrt würde mit dem Aufbau solcher humanitär vertretbarer Flüchtlingslager auch die Grundlage für die Rückführung von Personen aus der EU geschaffen, die irregulär und ohne Schutzanspruch in die EU einreisen bzw. eingereist sind. Entsprechend dürfte ein solches EU-Flüchtlingshilfswerk nicht nur auf eine Perspektive „Europa“ ausgerichtet sein, sondern müsste genauso im Rahmen einer europäischen Entwicklungszusammenarbeit für Lebensgrundlagen vor Ort sorgen. Mit einer Verankerung des Bildungsgedankens in Flüchtlingscamps, einer Vergabe von Minikrediten oder der Förderung einer regionalen Subsistenzwirtschaft zur Versorgung der Bevölkerung und der in solchen Flüchtlingszentren lebenden Schutzsuchenden könnte ein EU-Flüchtlingshilfswerk dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

EU-Migrations- und Asylbehörde

Die EU-Migrations- und Asylbehörde ist im Rahmen des EU-Migrations- und Asylsystems die gemeinsame Behörde der beteiligten EU-Länder. Sie ist für die Bearbeitung der innerhalb dieser Länder und über außereuropäische Zugänge, z.B. bei Botschaften oder in UN-Flüchtlingslagern, eingehenden Migrations- oder Asylanträge zuständig. Diese werden nach einem einheitlichen Migrations- und Asylverfahren (GMA) bearbeitet, egal ob sie in einem Flüchtlingslager in Mali, der französischen Botschaft in Kairo, dem „EU-Hot-Spot“ auf Lesbos oder einer BAMF-Außenstelle in Deutschland gestellt werden.
Hierzu gibt die EU-Migrations- und Asylbehörde vor, welche Daten von den nationalen Behörden oder sonstigen Außenstellen wie erhoben werden sollen und die Sachbearbeiter der gemeinsamen europäischen Behörde bekommen die Möglichkeit, über Videokonferenzen direkt zu Gesprächen mit Antragstellern zugeschaltet zu werden oder auch vor Ort Gespräche durchzuführen. Daneben ist die EU-Migrations- und Asylbehörde auch zur Überwachung der verschiedenen nationalen Behörden und sonstigen Außenstellen berechtigt bzw. zur Verhängung von Geldstrafen, wenn z.B. Migrations- und Asylverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden.

Gemeinsames Migrations- und Asylverfahren (GMA)

Zugang zum gemeinsamen Migrations- und Asylverfahren haben alle Menschen – inklusive EU-Bürgern. Jeder hat die Möglichkeit, bei der EU-Migrations- und Asylbehörde Schutz zu beantragen, wenn er verfolgt oder vertrieben ist oder aus humanitären Gründen diesen Schutz benötigt. Außerdem hat jeder Nicht-EU-Bürger die Möglichkeit, über die EU-Migrations- und Asylbehörde ein Arbeitsvisum für jene Länder des EU-Migrations- und Asylsystem zu beantragen, die Arbeitsmigration zulassen.

GMA: Umgang mit Verfolgten und Vertriebenen

Wer verfolgt ist oder vertrieben wird, also nicht „nur“ in einer schlechten Situation lebt, sondern von seinem Staat diskriminiert oder gejagt oder von diesem zumindest nicht vor solcher Verfolgung oder Vertreibung geschützt wird, bekommt einen vollständigen Schutzanspruch. Er oder sie darf sich nach der Anerkennung als Verfolgter oder Vertriebener in einem beliebigen, am gemeinsamen Migrations- und Asylverfahren (GMA) beteiligten EU-Land niederlassen und wird dort wie ein EU-Ausländer behandelt. Darüber hinaus erhält er oder sie die notwendige Unterstützung, z.B. bei der Eingliederung oder beim Familiennachzug. Wer als Verfolgter oder Vertriebener anerkannt ist, verliert seine Aufenthaltsstatus für sich oder seine Familie auch dann nicht, wenn die Fluchtgründe im Heimatland beseitigt sind. Wenn hingegen in einem solchen Fall eine Rückkehr gewünscht ist, wird er oder sie bei der Rückkehr unterstützt. Anders ausgedrückt: Einem vor dem Holocaust aus Deutschland geflohenen Juden kann man zwar Unterstützung bei einer Rückkehr nach Deutschland anbieten, ihn zur Rückkehr zu zwingen, wäre hingegen zynisch.

Solange die Verfolgung oder Vertreibung besteht, werden demjenigen Land, das diese Fluchtgründe verursacht oder duldet, pro Schutzsuchendem und angefangenem Jahr von der EU-Migrations- und Asylbehörde Kosten in Höhe von 100.000 Euro in Rechnung gestellt. Wenn also 10.000 Schutzsuchende aus einem Balkanland wegen dortiger Diskriminierung und politischer Verfolgung in der EU leben müssen, hat das betreffende Land dafür einen jährlichen Unkostenbeitrag in Höhe von 1 Mrd. Euro zu entrichten, der dann z.B. mit gewährten Finanzhilfen verrechnet werden kann.

GMA: Umgang mit Arbeitsmigranten

Der Status als Arbeitsmigrant ist nur für Nicht-EU-Ausländer möglich und berechtigt diese zum Aufenthalt in einem einzelnen am gemeinsamen Migrations- und Asylverfahren (GMA) beteiligten EU-Land, um dort zu arbeiten. Dieser Status berechtigt nicht zum Aufenthalt in anderen EU-Ländern, nicht zum Familiennachzug und nicht zum Bezug von Sozialleistungen für andere Personen, wie z.B. Kindergeld. Ansonsten sind Arbeitsmigranten EU-Bürgern gleichgestellt, z.B. beim Wahlrecht auf kommunaler Ebene oder bei den Grundrechten.
Für den Status als Arbeitsmigrant ist das Vorliegen eines Arbeitsvertrages bzw. ein nicht länger als dreimonatiges Zurückliegen einer Beschäftigung zwingend genauso wie die Registrierung in einem einzurichtenden Zentralregister bei der EU-Migrations- und Asylbehörde. In einem solchen Zentralregister können dann z.B. Ausnahmen für einzelne Arbeitsmigranten festgehalten werden, um beispielsweise den Aufenthalt in anderen EU-Ländern zu ermöglichen. Entfallen die Voraussetzungen für den Status als Arbeitsmigrant, ist jenes Land für die Abmeldung aus dem Zentralregister und eine funktionierende Ausreise zuständig, in dem der letzte Arbeitgeber des Arbeitsmigranten sitzt.

Innerhalb dieses Rahmens entscheiden allerdings die einzelnen am EU-Migrations- und Asylsystem beteiligten Länder selbst, ob und in welchem Umfang sie Arbeitsmigration zulassen. Auch können für Arbeitsmigranten günstigere Bedingungen festgelegt werden, wie z.B. die Möglichkeit des Familiennachzugs bei Fachkräften oder Personen, die sich über einen längeren Zeitraum bewährt haben.

GMA: Umgang mit Personen mit einem Schutzanspruch aus humanitären Gründen

Auch wenn keine politische Verfolgung vorliegt, darf eine Person nicht in ein Kriegs- oder Krisengebiet zurückgeschickt werden, weil ein Leben dort schlicht unzumutbar ist. Dies regelt schon die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte oder die Europäische Menschenrechtskonvention. Die Genfer Flüchtlingskonvention erlaubt allerdings bereits bei Verfolgten und Vertriebenen den Schutzanspruche nur insoweit einzuräumen, bis jemand in einem für sich sicheren Gebiet angekommen ist. Hierauf zielt z.B. das EU-Türkei-Abkommen, das Rückführungen vorsieht, sofern der Flüchtlingsschutz in der Türkei gewährleistet ist. Entsprechend kann aber der Schutzanspruch aus humanitären Gründen unter dieser Bedingung ebenfalls eingeschränkt werden.
Gelingt es also, die EU-Nachbarländer oder den UNHCR in den Herkunftsländern von Schutzsuchenden mit einem EU-Flüchtlingshilfswerk soweit zu unterstützen, dass Menschen dort sicher sind und ordentlich versorgt werden können, wäre es möglich, den Schutzanspruch aus humanitären Gründen regelmäßig schon dort zu erfüllen. Um dabei der europäischen Verantwortung gerecht zu werden, muss dies aber auf der einen Seite mit echten Bildungs- und Perspektivangeboten vor Ort und auf der anderen Seite mit regulären Wegen nach Europa z.B. für Härtefälle oder zur Ausbildung verknüpft werden. Der notwendige medizinische Eingriff in einer modernen europäischen Klinik muss genauso möglich sein wie der Abschluss eines begonnenen Studiums, das durch einen Krieg unterbrochen wurde. Auch die erstmalige Aufnahme eines Studiums oder einer schulischen Ausbildung in Europa sollte im Rahmen von Stipendien ermöglicht werden, um gerade für junge Menschen eine wirkliche Perspektive zu schaffen. Dies könnte z.B. mit einer gezielten Einbindung von Kommunen in den beteiligten EU-Ländern verbunden werden, die auf freiwilliger Basis gegen eine Entschädigung solche Personen für diese Zeiträume aufnehmen.
Daneben können Personen mit einem Schutzanspruch aus humanitären Gründen natürlich auch gezielt hinsichtlich der Möglichkeiten der Arbeitsmigration beraten oder durch sprachliche oder berufliche Qualifikation hierauf vorbereitet werden.

Kostenverteilung für das EU-Migrations- und Asylsystem

Die Aufwendungen der EU-Migrations- und Asylbehörde im Zusammenhang mit der Arbeitsmigration werden gesondert erfasst und über Gebühren von jenen Arbeitgebern getragen, die Arbeitsmigranten einstellen.
Die restlichen Aufwendungen der EU-Migrations- und Asylbehörde sowie die in den beteiligten Ländern anfallenden Kosten für die Aufnahme von Verfolgten und Vertriebenen oder Personen, denen aus humanitären Gründen ein Aufenthalt in Europa, z.B. für einen medizinischen Eingriff oder für ein Studium, gestattet wird, werden gemeinsam getragen. Dies trifft genauso auf die Kosten für das EU-Flüchtlingshilfswerk zu.
Die berechneten Gesamtkosten werden dann auf die am EU-Migrations- und Asylsystem beteiligten Länder aufgeteilt, z.B. nach nachfolgendem Schlüssel: Deutschland (38%), Frankreich (19%), Italien (13%), Spanien (8%), die Niederlande (6,5%), Belgien (4%), Österreich (4%), Portugal (2%), Griechenland (2%), Finnland (2%), Slowenien (0,4%), Luxemburg (0,7%), Estland (0,3%) und Malta (0,1%).

Altfallregelung für Gedudelte

Im Wesentlichen ist das EU-Migrations- und Asylsystem auf den künftigen Umgang mit Asylsuchenden und Arbeitsmigranten ausgerichtet. Allerdings stellt sich in allen EU-Ländern, die an diesem gemeinsamen System beteiligt sind, auch die Frage nach einem Umgang mit Altfällen.
Bereits jetzt halten sich zahlreiche Personen unberechtigt z.B. in Deutschland auf, die nicht ausgewiesen werden können. Nachdem künftig Abschiebungen im Rahmen des EU-Migrations- und Asylsystem möglich würden, sollten auf nationaler Ebene Regelungen getroffen werden, inwiefern von dieser Möglichkeit dann auch Gebrauch gemacht werden soll oder eben nicht.
Eine sinnvolle Zielsetzung wäre dabei, jenen Geduldeten, die gut integriert sind, eine dauerhafte legale Bleibeperspektive zu eröffnen und umgekehrt jenen Geduldeten, die sich in unserer Gesellschaft nicht so gut zurechtfinden, z.B. in den letzten Jahren öfters straffällig wurden, einen Aufenthalt in der Nähe ihrer Heimatgesellschaften zu ermöglichen. Mit einer solchen Altfallregelung reduzieren die am EU-Migrations- und Asylsystem beteiligten Länder nicht nur bestehende Lasten z.B. im Justizsystem, sondern aktivieren auch die ungenutzten Potentiale vieler Geduldeter, die durch ihren Status bislang von der Teilhabe an der hiesigen Gesellschaft, z.B. vom Arbeitsmarkt, ausgeschlossen sind.


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Eine Bilanz der EU-Flüchtlingspolitik der letzten 12 Monate https://www.mister-ede.de/politik/12-monate-fluechtlingspolitik/5013 https://www.mister-ede.de/politik/12-monate-fluechtlingspolitik/5013#comments Mon, 16 May 2016 19:01:25 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5013 Weiterlesen ]]> Als im April 2015 bei starker Tendenz nach oben über 10.000 Schutzsuchende in Griechenland ankamen, wurde erkennbar, dass sich neben der bisherigen Fluchtroute von Libyen nach Italien, über die seit dem arabischen Frühling 2011 jährlich rund 100.000 – 200.000 Flüchtlinge irregulär in die EU einreisen, eine weitere etabliert. Bei über 50.000 Einreisen nach Griechenland alleine im Monat Juli und über 100.000 im August wurde jedoch schnell deutlich, dass die Flüchtlingszahlen, auch aufgrund veränderter Rahmenbedingungen, auf dieser Strecke ganz andere Dimensionen erreichen werden.
Nachdem durch die Verschiebung der Fluchtrouten außerdem zusätzliche Länder von der Migration betroffen waren, wurde ab diesem Zeitpunkt in weiten Teilen der EU jener Handlungsbedarf gesehen, auf den Italien bis dahin vergeblich aufmerksam machte.

In der Folge reagierten die EU und ihre Mitgliedsstaaten mit verschiedenen Maßnahmen, von einem Ausbau der Grenzsicherung über einen veränderten Umgang mit Asylbewerbern aus den Balkanländern bis hin zu einer verbesserten Ausstattung des Internationalen Flüchtlingshilfswerks UNHCR. Auch zahlreiche Asylrechtsdebatten waren die Folge, seien das Gesetzesänderungen oder die Auseinandersetzung über eine Obergrenze in Deutschland, die Einführung einer solchen in Österreich, die Aussagen osteuropäischer Regierungen, keine Muslime aufnehmen zu wollen, oder die aktuellen Änderungsvorschläge der EU-Kommission zum Dublin-Verfahren.

Reduktion der Zahl der in die EU kommenden Flüchtlinge:

Durch die Ausweitung der Finanzmittel für die Flüchtlingshilfe konnte in den letzten Monaten die gröbste Not in den Flüchtlingslagern rund um Syrien gelindert werden.
Auf einer Balkan-Konferenz im Herbst wurden Finanzhilfen für und eine bessere Zusammenarbeit mit den Nicht-EU-Ländern des Balkans vereinbart. Ergänzt um Maßnahmen der Mitgliedsstaaten, z.B. in Deutschland die Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten auf die Balkan-Region, konnte damit die Zahl der Asylbewerber vom Balkan noch im Herbst 2015 deutlich gesenkt werden.
Zahlreiche EU-Länder reagierten überdies mit Grenzkontrollen an Binnengrenzen, wie z.B. Deutschland gegenüber Österreich, und an Außengrenzen, wie beim ungarischen Zaunbau zu Serbien. Gleichzeitig verstärkten die EU und ihre Mitgliedsstaaten die Zusammenarbeit mit der Türkei zum Schutz der Außengrenzen, was im März dieses Jahres in einem EU-Türkei-Abkommen mündete. Insgesamt führten diese Maßnahmen dazu, dass die Zahl der in die EU kommenden Flüchtlinge von über 200.000 im Oktober 2015 auf unter 20.000 im April 2016 gesunken ist.

Kleine Schritte der Harmonisierung und Koordination der Flüchtlingspolitik:

Daneben wurden die Mitgliedsstaaten durch die EU an die Verwendung des gemeinsamen Registrierungssystems für Flüchtlinge, Eurodac, erinnert, so dass heute der Datenaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten besser funktioniert. Außerdem wurde eine finanzielle und personelle Stärkung von Frontex verabredet und mit der EU-Verordnung Nr. 399/2016, die am 12.4.2016 in Kraft getreten ist, wurden im Rahmen des Schengener Grenzkodex neue Standards zur Grenzsicherung und zum Umgang mit Personen beim Grenzübertritt festgeschrieben.
Entgegen anderer Pläne der EU-Kommission, bleibt allerdings die Überwachung der EU-Außengrenzen, wie von den Mitgliedsstaaten gefordert, weiterhin die Aufgabe des jeweiligen Nationalstaats. Eine grundlegende Änderung der Systematik hin zu einer echten gemeinsamen europäischen Grenzsicherung findet damit nicht statt und bei der Reform des Dublin-Systems droht ähnliches. Auch hier stoßen schon die aktuellen Vorstellungen der EU-Kommission, die nur ansatzweise hin zu einem echten gemeinsamen Asylsystem gehen, auf zum Teil erbitterten Widerstand zahlreicher EU-Länder.

Mangelnde Bereitschaft, der humanitären Verantwortung gerecht zu werden:

Während es bei der Grenzsicherung noch gelungen ist, sich auf einen gemeinsamen Kurs zu verständigen, fehlt die Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen, gänzlich. So sind die dringend benötigten Umverteilungen aus Griechenland oder Italien bislang kaum vorangekommen und die Situation vieler Schutzsuchender in der EU ist noch immer beschämend. Auch die freiwilligen Kontingente zur Aufnahme von Flüchtlingen, wie sie im EU-Türkei-Abkommen vereinbart wurden, gibt es bislang nur auf dem Papier und auf noch größeren Widerstand der EU-Mitgliedsstaaten stoßen Mechanismen, bei denen die Nationalstaaten die Hoheit über die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Hand geben müssten, z.B. Quotensysteme.
Weiterhin fehlend damit jene regulären Wege nach Europa, mit denen die EU ihre humanitäre Verantwortung wahrnehmen könnte. Daneben ist bislang aber auch die Kontrolle unzureichend, ob der Schutz von abgewiesenen oder rückgeführten Personen in den Herkunfts- oder Drittstaaten tatsächlich gewährleistet ist. Und auch bei der Hilfe vor Ort bleibt die EU vieles schuldig und so fehlt z.B. eine Bündelung der Flüchtlingshilfe in einem gemeinsamen europäischen Flüchtlingshilfswerk, um Geflüchteten eng verknüpft mit einer europäischen Entwicklungszusammenarbeit in der Nähe ihrer Heimatregionen eine Perspektive zu geben.

Die Bilanz:

Fasst man zusammen, dann unternimmt die EU heute zumindest das Nötigste, um die Lage in den Krisengebieten und Flüchtlingslagern zu verbessern – aber eben auch nicht mehr. Die Asylmigration vom Balkan wurde gestoppt und häufig wurde das nationale Asylrecht verschärft. Weiterhin fehlen jedoch reguläre Wege in die EU, während die Zahl der irregulären Einreisen in Kooperation mit Herkunfts- und Drittstaaten reduziert wurde. Kleinere Schritte zur Harmonisierung des Grenzschutzes und zur besseren Koordination des Flüchtlingsmanagements wurden in der EU gegangen.
Insgesamt ist die Bilanz der EU-Flüchtlingspolitik der letzten Monate damit durchwachsen und es bleibt noch viel Luft nach oben.


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EU-Türkei-Gipfel: Verbleib von Flüchtlingen in der Türkei https://www.mister-ede.de/politik/verbleib-fluechtlinge-tuerkei/4828 https://www.mister-ede.de/politik/verbleib-fluechtlinge-tuerkei/4828#comments Mon, 07 Mar 2016 16:25:51 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4828 Weiterlesen ]]> In den vergangen Monaten hat sich die Zahl der nach Europa kommenden Flüchtlinge zwar etwas reduziert, bislang gibt es aber keine Anzeichen dafür, dass es sich hierbei um eine echte Trendwende handelt. Die deutliche Mehrheit der Flüchtlinge kommt über die Türkei nach Griechenland und damit in die EU und gerade auf dieser Route sind die Zahlen verglichen mit den Vorjahresmonaten noch weiter angestiegen. So sind trotz des schlechten Wetters alleine im Januar 2016 über 60.000 Flüchtlinge auf diesem Weg nach Griechenland gekommen, was eine Vervierzigfachung gegenüber dem Januar 2015 mit weniger als 2.000 Flüchtlingen auf dieser Route bedeutet [1]. Zwar lässt sich diese Vervierzigfachung nicht einfach auf das Gesamtjahr hochrechnen, allerdings ist bei unveränderten Rahmenbedingungen auch nicht gerade davon auszugehen, dass sich bei besserem Wetter im Sommer weniger Flüchtlinge auf diesen Weg begeben werden als im Januar. Ohne geeignete Maßnahmen könnten die Flüchtlingszahlen in diesem Jahr daher sogar auf ein erneutes Rekordhoch steigen.

Entsprechend liegt auch der Schlüssel für eine wirksame Reduktion der Flüchtlingszahlen vor allem an der Grenze der EU zur Türkei und in der Beantwortung der zentralen Frage, wie mit Flüchtlingen, die über die Türkei einreisen, in der EU umgegangen werden soll. Soll also z.B. ein Syrer, der über die Türkei nach Griechenland einreist, Schutz in der EU bekommen?
Wird dies bejaht, werden weiterhin Hunderttausende wenn nicht gar Millionen Flüchtlinge auf dem Weg über die Türkei in die EU kommen, legal oder illegal. Deshalb wäre es deutlich humaner, weil ungefährlich, und solidarischer, weil auch die Schwachen eine Chance hätten, wenn in diesem Fall dann ein legaler Weg über die offiziellen Grenzübergänge geschaffen würde.
Verneint man hingegen den Schutzanspruch, sollte allerdings auch dies konsequent umgesetzt werden, z.B. indem mit der Türkei ein Rückführungsabkommen für illegal nach Griechenland oder auch nach Bulgarien eingereiste Personen vereinbart wird. Wie in anderen Artikeln beschrieben, wird auf diese Weise die teure und gefährliche Überfahrt von der türkischen Küste zu den griechischen Inseln für Flüchtlinge sinnlos und die Fluchtroute über die Ägäis könnte ohne großen Aufwand ausgetrocknet werden.

Daher wird es bei den heutigen Verhandlungen zwischen der EU und der Türkei auch genau um diese Punkte gehen, wobei führende Politiker mittlerweile deutlich zu erkennen geben, dass sie die letztere Option bevorzugen. So drängen, z.B. EU-Ratspräsident Donald Tusk oder auch Kanzlerin Angela Merkel immer wieder darauf, ein Rückführungsabkommen mit der Türkei zu vereinbaren, um illegal eingereiste Personen direkt wieder in die Türkei abschieben zu können. Wie Merkel allerdings schon im vergangen Sommer darlegte, ist eine solche Vereinbarung auch von der Zustimmung der internationalen Partner, also eben der Türkei, abhängig.
Deshalb wird es auf dem Gipfeltreffen auch darum gehen, welche Forderungen die Türkei im Gegenzug stellt, z.B. Finanzhilfen, Reiseerleichterungen für türkische Staatsangehörige, die Unterstützung bei der Flüchtlingsversorgung in der Türkei, die Entlastung durch europäische Flüchtlingskontingente oder auch die Einrichtung einer Schutzzone in Syrien.

Bei all den Forderungen, die von der Türkei gestellt werden, sollte heute allerdings genauso auf den Tisch kommen, dass eine mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der türkischen Regierung ein Spiel mit dem Feuer wäre. Wenn nämlich durch eine fehlende Einigung weiterhin denjenigen in die Hand gespielt wird, die Russland hoffieren, von Le Pen über Orbán zur AfD, könnte das die türkische Regierung in eine sehr ungünstige Position bringen. Immerhin wäre es für die im Aufwind befindlichen Nationalisten ein Leichtes, im Kampf um die Regierungsmacht die Türkei zum Schuldigen zu erklären – und das nicht nur hinsichtlich der ungebremsten Flüchtlingsbewegung in der Ägäis, sondern auch in Bezug zum Syrienkonflikt selbst.
Umgekehrt sollte heute allerdings auch die EU daran denken, dass es eben nicht nur darum geht, die Flüchtlingszahlen in der EU zu reduzieren, sondern auch darum, gleichzeitig die (völker-)rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen und die europäischen Grundwerte zu wahren. Wenn also über Finanzmittel für eine menschenwürdige Versorgung der Schutzsuchenden in der Türkei oder über die Aufnahme von Kontingenten verhandelt wird, dann sind das eben nicht nur Gegenforderungen der türkischen Regierung, sondern liegt das genauso im ureigenen Interesse der europäischen Wertegemeinschaft.

Sowohl aus europäischer als auch aus türkischer Perspektive gibt es daher zahlreiche gute Gründe, sich bei den heutigen Gesprächen deutlich anzunähern. Und gelingt es, die Flüchtlingsbewegungen wieder in geordnete Bahnen zu bringen und gleichzeitig die Versorgung der Schutzsuchenden zu verbessern, nutzt das nicht nur der EU und der Türkei, sondern wäre auch ein humanitärer Gewinn.


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[1] Aktuelle Flüchtlingszahlen des UNHCR zur Route Türkei-Griechenland (Link zu den Zahlen auf unhcr.org)

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https://www.mister-ede.de/politik/verbleib-fluechtlinge-tuerkei/4828/feed 0
Vorschlag für eine faire Flüchtlingsquote in der EU https://www.mister-ede.de/politik/faire-fluechtlingsquote-in-eu/4774 https://www.mister-ede.de/politik/faire-fluechtlingsquote-in-eu/4774#comments Tue, 16 Feb 2016 17:47:24 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4774 Weiterlesen ]]> Immer wieder ist in der Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingen eine Quote zur Verteilung der Schutzsuchenden in der EU im Gespräch und bereits im vergangenen Jahr wurde zunächst eine Umverteilung von 40.000 und dann nochmal von 120.000 Flüchtlingen auf Basis einer Quote beschlossen. Bislang liegt dieser Quote allerdings ein Verteilungsschlüssel zugrunde, der wenig bis überhaupt nicht auf die Aufnahmefähigkeit der einzelnen Länder achtet. So wurden beispielsweise die 120.000 Flüchtlinge zum Teil proportional zur Einwohnerzahl und zum Teil proportional zum BIP verteilt, ohne dabei die stärkeren Schultern mehr zu belasten als die schwachen [1]. Auch andere Faktoren, z.B. die Arbeitslosigkeit in den betreffenden Ländern, wurden bei dieser Quotenberechnung nicht berücksichtigt. In der Folge bekam z.B. Polen mehr Flüchtlinge zugewiesen als Belgien und Österreich zusammen, die zwar nur halb so viele Einwohner haben, allerdings wirtschaftlich drei bis vier Mal so leistungsstark sind wie Polen.

Um daher diesem unausgewogenen Verteilungsschlüssel eine faire Variante entgegenzusetzen, wurde nachfolgendes Modell zur Quotenberechnung entwickelt, welches eine progressive Belastung von Ländern mit hohem BIP vorsieht und auch die Höhe der Arbeitslosigkeit bei der Zuteilung von Flüchtlingen berücksichtigt.

Modell und Berechnung einer fairen Flüchtlingsquote in der EU (www.mister-ede.de – 16.02.2016)

Beispielrechner zur Flüchtlingsquote (www.mister-ede.de)

Entsprechend fließen bei diesem Modell neben Einwohnerzahlen auch BIP und Arbeitslosenquoten der an der Flüchtlingsverteilung beteiligten Länder in die Berechnung der Quote mit ein. Diese Daten werden dann mit Hilfe vier veränderbarer Parameter (BIP-Freibetrag = 10.000 Euro; ALQ-Basiswert = 4%; ALQ-Reduktionsfaktor = 8; Leistungsdeckelung = 50.000) zu einer fairen Flüchtlingsquote verrechnet. Lässt man die Ausgangswerte der Parameter unverändert, werden z.B. Länder mit einer Wirtschaftsleistung unter 10.000 Euro oder einer Arbeitslosigkeit über 16,5% nicht in die Verteilung von Flüchtlingen einbezogen.
Das Modell und der Beispielrechner sind allerdings bewusst so konzipiert, dass durch eine Veränderung der vier Parameter auch andere Verteilungsschlüssel mit schwächerer oder stärkerer Berücksichtigung von Wirtschaftsleistung oder Arbeitslosenquote ausprobiert werden können. Außerdem ist die Einbeziehung von Dänemark, Großbritannien und Irland, die nicht oder nur eingeschränkt am europäischen Asylsystem teilnehmen, optional. Auch Italien, Griechenland und Ungarn können aus der Quotenberechnung herausgenommen werden, weil sie z.B. bei der Verteilung der 120.000 Flüchtlinge Ausganspunkt der Verteilung waren und somit keine Quote erfüllen mussten.

Vergleicht man abschließend den Vorschlag für eine faire Flüchtlingsquote mit jener Quote, die von der EU zur Verteilung der 120.000 Flüchtlinge angewendet wurde, werden die Unterschiede schnell erkennbar. Länder wie Deutschland, Niederlande oder Österreich, die in einer sehr guten wirtschaftlichen Verfassung sind, müssten stets mehr Flüchtlinge aufnehmen, während schwächere Länder, wie z.B. Rumänien, Polen, Kroatien oder das von Arbeitslosigkeit geplagte Spanien, eine niedrigere Quote zu erfüllen hätten. Bei jenen Ländern, die sich wie Frankreich im Mittelfeld befinden, steigt oder sinkt die Quote hingegen je nach Ausprägung der einzelnen Parameter.
In nachfolgender Tabelle werden neben der EU-Flüchtlingsquote zur Verteilung der 120.000 Flüchtlinge verschiedene Varianten der fairen Flüchtlingsquote aufgelistet. Hierbei wurden die Parameter der fairen Flüchtlingsquote einmal bei den Ausgangswerten belassen und einmal auf folgende Werte verändert: BIP-Freibetrag = 5.000 Euro; ALQ-Basiswert = 5%; ALQ-Reduktionsfaktor = 6; Leistungsdeckelung = 60.000. Daneben wurden Griechenland, Italien und Ungarn bei beiden Varianten einmal einbezogen und einmal nicht.


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[1] Quotenvorschlag der EU-Kommission zur Verteilung von 120.000 Flüchtlingen (Link zum Vorschlag auf europa.eu)

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https://www.mister-ede.de/politik/faire-fluechtlingsquote-in-eu/4774/feed 0
Modell und Berechnung einer fairen Flüchtlingsquote in der EU https://www.mister-ede.de/politik/berechnung-fluechtlingsquote/4776 https://www.mister-ede.de/politik/berechnung-fluechtlingsquote/4776#comments Tue, 16 Feb 2016 17:46:16 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4776 Weiterlesen ]]> Nachfolgendes Modell für eine faire Flüchtlingsquote beruht auf dem Grundgedanken, dass Länder mit vergleichsweise hohem BIP und vergleichsweise niedriger Arbeitslosigkeit deutlich mehr je Einwohner zur Aufnahme von Flüchtlingen beitragen können und sollen als wirtschaftlich schwächere Länder. In die Quotenberechnung fließen bei diesem Modell neben Einwohnerzahlen daher auch BIP und Arbeitslosenquoten der an der Flüchtlingsverteilung teilnehmenden Länder mit ein. Mit Hilfe vier veränderbarer Parameter (BIP-Freibetrag = 10.000 Euro; ALQ-Basiswert = 4%; ALQ-Reduktionsfaktor = 8; Leistungsdeckelung = 50.000) werden diese Daten dann in drei Schritten zu einer faire Flüchtlingsquote verrechnet, welche die Aufnahmefähigkeit der einzelnen Länder berücksichtigt.
Der BIP-Freibetrag gewährleistet dabei, dass die Zuteilung von Flüchtlingen mit steigender Wirtschaftskraft progressiv ansteigt, während Länder mit einem BIP unterhalb dieses Freibetrags keine Flüchtlinge zugewiesen bekommen. Der ALQ-Basiswert legt fest, ab welcher Höhe sich die Arbeitslosigkeit dämpfend auf die Zuteilung von Flüchtlingen auswirken soll. Der ALQ-Reduktionsfaktor bestimmt wiederum, wie stark die Arbeitslosigkeit berücksichtigt wird. Zu guter Letzt verhindert die Leistungsdeckelung, dass wirtschaftlich starke Länder durch eine übermäßige Flüchtlingszuteilung überfordert werden.

Vorschlag für eine faire Flüchtlingsquote in der EU (www.mister-ede.de – 16.02.2016)

Beispielrechner zur Flüchtlingsquote (www.mister-ede.de)

Schritt 1:

In einem ersten Schritt wird für jedes Land aus BIP und Einwohnerzahl ein Leistungsbetrag errechnet. Um hierbei die Aufnahmefähigkeit zu berücksichtigen, erhält jedes Land einen BIP-Freibetrag in Höhe von 10.000 Euro je Einwohner. Das BIP reduziert um diese BIP-Freibeträge der Einwohner ergibt dann den Leistungsbetrag eines Landes. Bei einer Einwohnerzahl von 5 Mio. Einwohnern und einem BIP von 20.000 Euro je Einwohner berechnet sich also ein Leistungsbetrag von (20.000 – 10.000) * 5 Mio. = 50 Milliarden. Ist der Leistungsbetrag eines Landes null oder negativ, so wird dieses Land bei der Verteilung von Flüchtlingen nicht weiter berücksichtigt.

(Beispielrechner: Im Beispielrechner kann der BIP-Freibetrag und damit die Quotenberechnung verändert werden. Durch das Absenken des BIP-Freibetrags auf null wird vollständig auf eine progressive Verteilung von Flüchtlingen verzichtet.)

Schritt 2:

Im zweiten Schritt wird die Arbeitslosigkeit eines Landes in die Quotenberechnung einbezogen. Hierfür wird die Arbeitslosenquote um den ALQ-Basiswert von 4% reduziert und danach mit dem ALQ-Reduktionsfaktor 8 multipliziert. Liegt die auf diese Weise berechnete ALQ-Reduktion zwischen 0% und 100%, so wird der im ersten Schritt errechnete Leistungsbetrag um diesen Wert reduziert. Liegt die ALQ-Reduktion unter 0%, findet keine Reduktion statt, liegt sie über 100%, wird das Land vollständig aus der Quotenberechnung herausgenommen.
Bei einem ALQ-Basiswert von 4%, einem ALQ-Reduktionsfaktor von 8 und einer Arbeitslosenquote von 7% errechnet sich also eine ALQ-Reduktion von (7% – 4%) * 8 = 24%, um die dann der Leistungsbetrag des betreffenden Landes reduziert wird. Liegt die Arbeitslosigkeit bei 16,5% oder darüber, fällt ein Land hingegen vollständig aus der Verteilung von Flüchtlingen heraus, (16,5% – 4%) * 8 = 100%.

(Beispielrechner: Im Beispielrechner können sowohl der ALQ-Basiswert als auch der ALQ-Reduktionsfaktor und damit die Quotenberechnung verändert werden. Durch das Absenken des ALQ-Reduktionsfaktors auf null wird die Arbeitslosigkeit nicht bei der Quotenberechnung berücksichtigt.)

Schritt 3:

Im dritten Schritt werden die Leistungsendbeträge der einzelnen Länder, also die Leistungsbeträge aus Schritt 1 nach der Berücksichtigung der Arbeitslosigkeit in Schritt 2, aufsummiert. Entsprechend dem Anteil an den Leistungsendbeträgen bestimmt sich dann die Flüchtlingsquote für das betreffende Land. Hat also ein Land einen Anteil von 30% an den gesamten Leistungsendbeträgen, werden ihm 30% der zu verteilenden Flüchtlinge zugewiesen. Sollen insgesamt beispielsweise 500.000 Flüchtlinge verteilt werden, muss dieses Land davon 150.000 übernehmen.

(Beispielrechner: Um die Flüchtlingsquote in Relation zur Einwohnerzahl zu setzen, wird zusätzlich zur Flüchtlingsquote auch die Flüchtlingsquote je 100.000 Einwohner angegeben. Werden insgesamt 500.000 Flüchtlinge verteilt, entspricht eine Flüchtlingsquote von 0,1% je 100.000 Einwohner einer Zuweisung von 500 Flüchtlingen je 100.000 Einwohner.)

Leistungsdeckelung:

Um zu verhindern, dass Länder mit besonders hohem BIP über die Maßen belastet werden, findet eine Deckelung der Leistungsendbeträge auf 50.000 je Einwohner statt.

(Beispielrechner: Im Beispielrechner kann die Leistungsdeckelung und damit die Quotenberechnung verändert werden. Durch ein Anheben auf 90.000 findet keine Deckelung statt, weil alle EU-Mitgliedsländer auf niedrigere Leistungsendbeträge kommen.)

Länder in die Quotenberechnung einbeziehen oder herausnehmen:

Dänemark, Großbritannien und Irland nehmen nicht oder nur eingeschränkt am europäischen Asylsystem teil. Diese Länder werden daher bei der Quotenberechnung zunächst nicht berücksichtigt.

(Beispielrechner: Im Beispielrechner können diese Länder durch ein Häkchen in die Berechnung einbezogen werden.)

Italien, Griechenland und Ungarn sind beispielsweise beim EU-Plan zur Verteilung von 120.000 Flüchtlingen der Ausgangspunkt der Umverteilung. In diesem Fall genügt es allerdings, die Flüchtlingsquote alleine für die aufnehmenden Länder zu berechnen. Die Einbeziehung von Italien, Griechenland und Ungarn ist deshalb optional.

(Beispielrechner: Im Beispielrechner können diese Länder durch ein Entfernen des Häkchens aus der Berechnung herausgenommen werden.)

Quelle der Daten:

Nachdem zum Zeitpunkt der Erstellung bei Eurostat noch keine vollständigen Zahlen für das abgelaufene Jahr 2015 abrufbar waren, fließen in das Modell die Zahlen von 2014 ein bzw. bei den Einwohnerzahlen der Stand zum 1.1.2015.

Datensatz zum BIP bei Eurostat

Datensatz zu den Einwohnerzahlen bei Eurostat

Datensatz zur Arbeitslosenquote bei Eurostat


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https://www.mister-ede.de/politik/berechnung-fluechtlingsquote/4776/feed 0
Die Widersprüche der europäischen Flüchtlingspolitik https://www.mister-ede.de/politik/widersprueche-asylpolitik/4747 https://www.mister-ede.de/politik/widersprueche-asylpolitik/4747#comments Thu, 04 Feb 2016 19:38:05 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4747 Weiterlesen ]]> Schon lange ist bekannt, dass die europäische Flüchtlings- und Asylpolitik voller Paradoxien ist. So müsste z.B. Deutschland nach der im EU-Recht implementierten Dublin-Verordnung Flüchtlinge dorthin zurückführen, wo sie zuerst registriert wurden. Allerdings ist genau das nach deutscher Rechtslage zum Teil unzulässig, weil in manchen EU-Ländern Schutzsuchende nicht menschenwürdig behandelt und versorgt werden.

Aber auch an anderen Stellen offenbaren sich, insbesondere durch die im letzten Jahr stark gestiegen Flüchtlingszahlen, zahlreiche solcher eklatanten Widersprüche im Umgang mit Flüchtlingen. Ein Beispiel dafür ist die scharfe Kritik an Ungarns Regierungschef Orbán für einen Zaun an der ungarischen EU-Außengrenze zu Serbien, der jedoch bereits seit Jahren in professionellster Ausführung an den Grenzen der spanischen Exklaven Melilla und Ceuta in Nordafrika steht. So wenig ich Orbáns Politik auch mag, aber wenn es denn zulässig ist, Schutzsuchende aus Marokko abzuhalten, wieso sollte dann der Grenzzaun zu Serbien problematisch sein?
Nicht weniger widersprüchlich ist es, wenn einem Flüchtling an der griechisch-türkischen Grenze gesagt wird, dass er doch bitte in der Türkei Schutz suchen soll, während er an der deutsch-österreichischen Grenze einfach durchgewinkt wird. Umgekehrt wäre es ja noch irgendwie nachvollziehbar. Nach Österreich weist man zurück, weil die Flüchtlinge dort ordentlich versorgt werden, und aus der Türkei lässt man die Flüchtlinge einreisen, weil man zumindest darüber streiten kann, ob Schutzsuchende in der Türkei wirklich gut aufgehoben sind. Aber so herum wie es jetzt ist, müsste die Versorgung von Flüchtlingen in der Türkei ja deutlich besser sein, als in Österreich.

Noch paradoxer ist es allerdings, wenn man die griechisch-türkische Grenze für sich alleine nimmt. Kommt ein Flüchtling an den offiziellen Grenzübergang, wird ihm mit dem Hinweis, in der Türkei sei es sicher, die Einreise verweigert. Zahlt der Flüchtling hingegen einem Schlepper ein paar tausend Dollar und macht sich auf den lebensgefährlichen Weg, um illegal auf eine griechische Insel überzusetzen, sieht die Sache schon ganz anders aus. Wenn er denn schon mal da ist, darf er nämlich auch bleiben. Nur, was soll das eigentlich? Ist das eine Art modernes Aufnahmeritual in die EU? Dieselbe Person, die aus demselben Land in dasselbe Land einreisen will, bekommt nach einer illegalen Einreise jene Schutzansprüche, die ihr auf legalem Wege verwehrt werden?
Insofern gehen hunderte ertrunkene Flüchtlinge auf das Konto alleine dieses einen Widerspruchs. Würde man ihn auflösen und die Frage beantworten, wie mit Schutzsuchenden, die aus der Türkei einreisen, künftig umgegangen werden soll, würde dies zahlreiche Leben retten. Bei einer Entscheidung für die Schutzgewährung könnte dann nämlich auch die Einreise über offizielle Grenzübergänge ermöglicht werden und bei einer Entscheidung dagegen könnte die illegale Einreise durch ein Rückführungsabkommen mit der Türkei unattraktiv gemacht werden. Auch in letzterem Fall würde sich dann wohl kaum noch jemand für tausende Dollar auf eine lebensgefährliche Reise machen, wenn er wüsste, dass er selbst bei geglückter Überfahrt drei Tage später wieder zurück in der Türkei ist.

Wenn sich das Drama des letzten Jahres bei einem weiter eskalierenden Syrien-Konflikt und wieder besserem Wetter in den Sommermonaten in diesem Jahr nicht wiederholen soll, werden wir nicht umhin kommen, diese großen Widersprüche aufzulösen und zentrale Fragen zum Umgang mit Flüchtlingen zu beantworten. Unterbleibt dies jedoch, wird auch 2016 das Chaos die Oberhand in der Flüchtlingspolitik behalten.


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Der künftige Umgang mit Schutzsuchenden aus sicheren Drittstaaten https://www.mister-ede.de/politik/schutz-bei-sicherer-herkunft/4721 https://www.mister-ede.de/politik/schutz-bei-sicherer-herkunft/4721#comments Sat, 23 Jan 2016 17:38:39 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4721 Weiterlesen ]]> Nachdem im vergangen Jahr die Flüchtlingszahlen in Deutschland und der EU deutlich angestiegen sind und es eine Wanderungsdynamik von Flüchtlingen unter anderem aus Syrien bis nach Schweden gab, wird aktuell viel über Obergrenzen, Kontingente, Hotspots oder die Sicherung der EU-Außengrenzen diskutiert. Die zentrale Frage aber, die es 2016 zu beantworten gilt, ist eine andere:

Wie wird künftig mit Schutzsuchenden aus sicheren Drittstaaten umgegangen?

Zu beachten ist dabei, dass der Drittstaat das Land bezeichnet, aus dem eine Person in ein anderes einreist, während das Land, aus dem eine Person ursprünglich kommt, das Herkunftsland ist. So kommt z.B. ein Syrer mit Herkunftsland Syrien bei einem Grenzübertritt von der Türkei nach Griechenland aus dem Drittland Türkei und bei einem Grenzübertritt von Österreich nach Deutschland aus dem Drittland Österreich.
Entsprechend steht die Frage nach dem künftigen Umgang mit Schutzsuchenden aus sicheren Drittstaaten unabhängig davon im Raum, ob man, wie es die CSU macht, auf die Binnengrenzen innerhalb der EU schaut oder, wie es SPD und CDU machen, auf die EU-Außengrenzen.

Sowohl das deutsche GG (Art. 16a II) als auch die Genfer Flüchtlingskonvention (Art. 33 I) verbieten nicht die Zurückweisung von Flüchtlingen, die aus einem sicheren Drittland einreisen wollen. Bereits jetzt ist diese Form der Zurückweisung in vielen Ländern der Welt und auch in EU-Mitgliedsländern lange geübte Praxis, so z.B. an den mit Zäunen gesicherten Grenzen zwischen Marokko und den spanischen Enklaven Melilla und Ceuta oder auch den Landgrenzen zwischen Bulgarien bzw. Griechenland und der Türkei.
Rechtlich ist es also unproblematisch, den Flüchtlingszustrom auf diese Weise zu reduzieren, sofern die jeweiligen Drittländer als sicher gelten. Die medial nicht so viel beachteten Versuche, die Liste der sicheren Herkunftsstaaten auf europäischer Ebene z.B. durch die Türkei, Marokko, Algerien oder Tunesien zu ergänzen, zielen entsprechend auch genau darauf ab, dort einen sicheren Status auszuweisen.

Allerdings reicht die rechtliche Betrachtung alleine keinesfalls aus, um die Frage, wie mit Schutzsuchenden aus sicheren Drittländern künftig umgegangen werden soll, vollständig zu beantworten. Denn gerade weil es die Rechtslage zulässt, die legale Einreise z.B. von der Türkei nach Griechenland zu verwehren, steigen ja Hunderttausende in Boote oder schlagen sich nachts durch die Gebüsche, wodurch genau diese Einreiseregeln in der Realität ausgehebelt werden. Solange dann aber die Drittländer nicht zu einer Rücknahme der illegal eingereisten Personen bereit sind, nutzt in diesen Fällen auch deren vorherige Einstufung als sicher wenig.
Bei der Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten gehört daher zur Wahrheit dazu, dass die EU zwar einseitig diesen Status ändern kann, für eine wirksame Umsetzung der daran anknüpfenden Rechtsfolgen aber stets auf die Kooperation der jeweiligen Nachbarländer, z.B. in Form von Rückführungsabkommen, angewiesen bleiben wird. Doch selbst wenn sich die Nachbarländer der EU kooperativ zeigen, bleibt es immer noch schwierig, z.B. auf dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge eindeutig einem Land zuzuordnen. Hinzu kommt, dass mit Libyen zumindest einer der nordafrikanischen Mittelmeeranrainer definitiv als nicht sicher einzustufen ist.

Ähnlich ist die Problemlage an den Binnengrenzen der EU, wodurch die Parallelen auch noch einmal sichtbar werden. So hätte eine Entscheidung Deutschlands, die offiziellen Grenzen zu Österreich für Schutzsuchende zu schließen, mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls ein solches Ausweichverhalten der Flüchtlinge hin zur grünen Grenze zur Folge.
Und obwohl Rückführungen in der EU durch das Dublin-System bereits rechtlich verankert sind, so stellen auch diese immer wieder ein Problem dar, weil z.B. manche Flüchtlinge zuvor in keinem anderen Land registriert wurden oder die Zustände in anderen EU-Mitgliedsstaaten nach deutschem Recht eine Rückführung schlicht ausschließen.

Stellt man sich dennoch für einen Moment vor, dass die Umsetzung des rechtlich Zulässigen auch real möglich ist, bleibt noch immer die entscheidende Frage, ob die Zurückweisung von Schutzsuchenden aus sicheren Drittstaaten auch ethisch vertretbar wäre. So ist in Bezug auf die deutschen EU-Binnengrenzen zwar der Hinweis richtig, dass z.B. auch in Österreich eine anständige Versorgung von Flüchtlingen gewährleistet wird, jedoch lässt dies außer Acht, dass eine solche teilweise Grenzschließung eine Kettenwirkung zur Folge hätte, welche die Lasten der Flüchtlingsversorgung auf den Balkan und nach Italien oder Griechenland verschieben würde. Gerade vor dem Hintergrund, dass immer wieder gefordert wird, Deutschland solle mehr Verantwortung in der Welt übernehmen, stellt sich deshalb die Frage, ob ein solches Kopf in den Sand stecken wirklich eine angemessene Reaktion für das größte Mitgliedsland der EU wäre.
Noch stärker drängt sich diese Frage allerdings in Bezug auf die EU-Außengrenzen auf. Was hätte es noch mit europäischen Werten zu tun, wenn Europa in dieser Krise einfach die Zugbrücken hochklappt und sich hinter Frontex und Co. verschanzt?
Wenn die EU künftig einen Großteil der EU-Nachbarschafft als sichere Herkunftsländer und damit auch als sichere Drittländer einstufen und Schutzsuchende abweisen oder zurückführen will, wird dies aus meiner Sicht daher nur dann ethisch vertretbar sein, wenn die EU gleichzeitig auf anderem Wege ihrer Verantwortung für die Flüchtlinge gerecht wird. Einige Milliarden Euro an Erdogan und die Türkei werden hierfür aber sicher nicht reichen. Anstatt die Flüchtlingsversorgung alleine den dortigen Behörden zu überlassen, müsste die EU zumindest eine Mitverantwortung für die ordentliche Versorgung der Schutzsuchenden in diesen künftig sicheren Ländern übernehmen. Ein EU-Flüchtlingskommissar mit gut ausgestattetem EU-Flüchtlingshilfswerk wäre hier beispielsweise ein denkbarer Ansatz. Desweiteren müsste es aber auch große Kontingente zur Aufnahme von Flüchtlingen geben, um damit die restriktiven Einreisebestimmungen ein wenig auszugleichen.

Bleibt hingegen die Frage, wie mit Schutzsuchenden aus sicheren Drittstaaten umgegangen wird, weiterhin einfach unbeantwortet im Raum stehen, werden auch künftig Flüchtlinge versuchen, illegal aus der Türkei nach Griechenland und von dort unter anderem nach Deutschland zu reisen, um Asyl oder humanitären Schutz zu suchen. Wenn also die Zahl der nach Europa und Deutschland kommenden Flüchtlinge 2016 reduziert werden soll, wird man nicht umhin kommen, diese zentrale Frage zu beantworten.

Anmerkung: Text überarbeitet am 29.01.2016, um Drittstaaten und Herkunftsstaaten korrekt zu unterscheiden.


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