mister-ede.de » Europäische Föderation https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Die Europäische Einigung ist mehr als die EU https://www.mister-ede.de/politik/europaeische-einigung-und-eu/8781 https://www.mister-ede.de/politik/europaeische-einigung-und-eu/8781#comments Wed, 16 Jan 2019 15:25:22 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8781 Weiterlesen ]]> Die Europäische Einigung ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Die jeweils aktuellen Strukturen und europäischen Institutionen sind kein Selbstzweck, sondern nur Instrumente, um Harmonisierung und Vertiefung innerhalb Europas weiter voranzutreiben und das Erreichte abzusichern. In der Geschichte hatte die EU deshalb auch schon viele Gesichter – EGKS, EURATOM, EG, „Maastricht“ und jetzt „Lissabon“. Immer wieder wurden die Strukturen an die Gegebenheiten der Zeit und die Erfordernisse der jeweiligen Integrationsfelder und Integrationstiefen angepasst.
Die Europäische Einigung ist aber auch kein einzelner, einheitlicher Prozess, sondern eine Vielzahl sich teilweise überlappender, oft parallel und manchmal auch gegeneinander ablaufender Prozesse – man denke hierbei z.B. an die Visegrád-Gruppe innerhalb der EU. Entsprechend ist die Europäische Union eben gerade nicht das einheitliche Gebilde, als das sie häufig wahrgenommen wird. Beispielsweise ist die Eurozone eine noch einmal weitaus engere Kooperation, als es die EU für sich alleine genommen ist. Und auch Schengen oder das Europäische Asylsystem sind Teilbereiche der Integration, an denen auch Nicht-EU-Länder wie die Schweiz teilnehmen, sich umgekehrt aber nicht alle EU-Länder beteiligen – Dänemark nimmt z.B. nicht am Europäischen Asylsystem teil und Irland ist kein Schengen-Mitglied.
Darüber hinaus findet die Europäische Integration nicht nur auf der Ebene der EU statt. Auch außerhalb der EU gibt es mit dem Europarat inklusive Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE), der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine eigenständige Ebene der Europäischen Einigung mit eigenen Strukturen. Fast 50 Staaten in Europa, inklusive Russland und der Türkei, haben die Menschenrechtskonvention unterzeichnet. Rund 850 Millionen Menschen haben damit Anspruch auf Schutz durch den EGMR. Bei allen Defiziten und Verbesserungspotentialen ist auch das ein Erfolg europäischer Einigungspolitik.

„die EU ist lediglich ein Werkzeug der Europäischen Einigung“

Alles, was dazu beiträgt, europäische Länder und Bevölkerungen in Kooperation zu vernetzen oder gar zu vereinen, dient der Europäischen Integration. Natürlich spielt die EU hierbei eine herausragende Rolle. Sie und ihre Vorläuferorganisationen haben sich große Verdienste erworben, auch in den letzten 20, 30 Jahren: Das Auffangen der Staaten Osteuropas nach dem Zerfall der Sowjetunion, festgelegte einheitliche Grundstandards – auch Ungarn muss Mindestnormen bei der Flüchtlingsaufnahme erfüllen – und ein unglaublich positiver Austausch auf kultureller und persönlicher Ebene durch Städtepartnerschaften und eine Vielzahl anderer Programme wie Erasmus oder das Deutsch-Französische Jugendwerk. Und natürlich sind auch die erheblichen Wohlstandsgewinne durch eine deutliche Erleichterung des grenzüberschreitenden Wirtschaftens ein riesiger Erfolg. Wenn man das heutige Prag mit dem Prag vor 20 Jahren vergleicht – was für eine unglaubliche Entwicklung!
Und dennoch, die EU ist lediglich ein Werkzeug der Europäischen Einigung, dessen Tauglichkeit immer wieder geprüft werden muss. Wofür sind die Strukturen der EU gut? Welche Integrationsprozesse können mit dem Werkzeug EU bearbeitet werden? Und wo braucht es Anpassungen oder wo werden auch ganz andere, neue Werkzeuge benötigt, um die in den kommenden Jahren anstehenden Arbeiten am Haus Europa ordentlich durchführen zu können?

„ein geeignetes Instrument, um bisherige Erfolge der Europäischen Einigung zu bewahren“

Außerhalb der EU gibt es eine Vielzahl von Strukturen, die eine Zusammenarbeit von Staaten in Europa und global fördern – z.B. die Vereinten Nationen. Diese Strukturen, wie auch die allermeisten anderen Formen bi- und multilateraler Zusammenarbeit, beruhen auf der intergouvernementalen Kooperation souveräner Nationalstaaten. Die EU ist hier ein gutes Stück weiter, mit direkt gewähltem Europäischem Parlament und zum Teil sehr umfassenden Kompetenzübertragungen, z.B. in Angelegenheiten des Binnenmarkts oder der Zollpolitik. Gleichwohl handelt es sich bei den EU-Mitgliedsländern noch immer um vollkommen souveräne Nationalstaaten, die lediglich für die Dauer der Mitgliedschaft einen Teil ihrer Souveränitätsrechte übertragen. Das sieht man natürlich am deutlichsten am Brexit, aber auch daran, dass die Mitgliedsländer sogar an EU-Außengrenzen die Anwesenheit europäischer Grenzschützer ablehnen können. Im Aufbau der EU spiegelt sich diese Souveränität der Mitgliedsländer in der Tatsache wider, dass Vertragsänderung ausschließlich einstimmig von den Mitgliedsländern beschlossen werden können und dass auch im Rahmen der EU-Prozesse, insbesondere bei weitreichenderen Entscheidungen wie CETA, immer wieder die Zustimmung jedes einzelnen EU-Mitgliedslands notwendig ist.
Diese Struktur der EU wird häufig kritisiert und ist dennoch einer der wichtigsten Pfeiler auf dem diese Union steht. Die Akzeptanz der grundsätzlichen Souveränität ist für viele EU-Länder, z.B. Dänemark, ein unverzichtbares Element des Integrations-Werkzeugs „EU“. Außerdem wird damit gewährleistet, dass die Schwelle zur Europäischen Union nicht zu einer unüberwindbaren Hürde für andere Länder wird. Die EU bleibt auf diese Weise für all jene souveränen Nationalstaaten anschlussfähig, die sich im Europarat versammelt haben, und auch der Brückenschlag zu Serbien und Montenegro und den übrigen Ländern des Westbalkans, zu Norwegen, Island, der Schweiz und künftig vielleicht auch zu Großbritannien wird erleichtert.
Für viele Einigungsprozesse, z.B. die Harmonisierung des Verbraucherschutzes, ist es auch überhaupt kein Hindernis, dass die EU aus souveränen Nationalstaaten besteht. Zahllose Integrationsschritte, man denke an die Datenschutzgrundverordnung oder das gemeinsame Freihandelsabkommen mit Japan, konnten bisher problemlos innerhalb dieser EU-Struktur gegangen werden. Und auch für die Zukunft gibt es noch vieles, was im Rahmen dieser EU vorangetrieben werden kann. Es wäre daher töricht, zugunsten einer weiteren Vertiefung nun genau diesen Pfeiler der nationalen Souveränität und die damit einhergehende EU-Struktur einzureißen. Auch in Zukunft wird die EU ein geeignetes Instrument sein, um die bisherigen Erfolge der Europäischen Einigung zu bewahren und weitere Integrationsschritte zu ermöglichen, sei es im Rahmen der EU-Prozesse innerhalb der Union oder auch durch die Aufnahme weiterer Länder in diese Union. Im Rahmen der Europäischen Einigung sollten die Bemühungen daher stärker darauf abzielen, das bislang Erreichte zu verteidigen und zu erhalten, also die Grundwerte auf denen die EU steht, die gemeinsamen Institutionen und die Prinzipien und das Prozedere der Zusammenarbeit.

„für neue Herausforderungen immer häufiger ungeeignet“

An einigen Punkten des europäischen Einigungsprozesses stößt die EU als Verbund souveräner Nationalstaaten aber auch an Grenzen. Die Verteidigungsunion ist beispielsweise nicht viel mehr als ein wohlklingender Name für eine Einkaufsgenossenschaft für Kriegsgeräte – und sie kann es auch nie werden. Natürlich kann man deutsch-französische Brigaden aufstellen, die Waffensysteme harmonisieren und gemeinsam militärisch agieren, aber die letztendliche Entscheidungsbefugnis wird im Rahmen der aktuellen EU-Struktur immer bei den nationalen Regierungen mit ihren Verteidigungsministern liegen, die weiterhin zuallererst den nationalen Verfassungen verpflichtet sind. Denn wie auch sollte ohne massive Übertragung von Souveränitätsrechten ein europäisches Verteidigungsministerium entstehen? Und wie sollte die EU diese Verantwortung überhaupt tragen können ohne adäquate Prozesse und Institutionen?
Die Liste solcher Beispiele ist lang und reicht von der Erhebung EU-eigener Steuern über einen echten gemeinsamen Außengrenzschutz bis hin zu einer Vielzahl von Problemstellungen rund um die gemeinsame Währung. Und die Liste wird zusehends länger, denn immer häufiger kommt der europäische Einigungsprozess an eben jenen Punkt, ab dem die sinnvollen oder sogar notwendigen Integrationsschritte eine noch erheblich umfassendere Einschränkung der nationalen Eigenständigkeit erfordern. Solche Integrationsschritte müssten dann aber zum einen von einer grundlegend anderen prozessualen Struktur, beispielsweise mit Mehrheitsentscheidungen, und einem dazu passenden institutionellen Unterbau mit Verfassung, vollwertigem Parlament und echter Regierung begleitet werden. Zum anderen bräuchte es aber auch wenigstens von einer größeren Zahl der EU-Mitgliedsländer die Bereitschaft, Souveränitätsrechte an die EU zu übertragen. Weder das eine noch das andere ist zurzeit gegeben. In ihrer jetzigen Form ist die EU deshalb für neue Herausforderungen immer häufiger ungeeignet.

„neue Integrations-Werkzeuge in den Werkzeugkoffer der Europäischen Einigung packen“

Auf der einen Seite ist die EU gerade wegen ihrer Struktur und ihrem Aufbau auf souveränen Nationalstaaten ein sinnvolles Integrations-Werkzeug, das es auf jeden Fall beizubehalten gilt. Auf der anderen Seite müsste genau diese Struktur geändert werden, damit die EU für jene weiteren Integrationsschritte das geeignete Werkzeug wird, die eine Übertragung von Souveränitätsrechten in deutlich größerem Umfang erfordern. Beides gleichzeitig kann die EU aber nicht erfüllen. Sie bleibt entweder der jetzige Verbund souveräner Nationalstaaten oder aus ihr wird eben mehr.
Es sollte daher eine Rückbesinnung auf das Wesentliche stattfinden, nämlich auf die Frage, was dient dem Integrationsprozess insgesamt. Nachdem die EU in ihrer jetzigen Form im Rahmen der Europäischen Einigung noch für vieles nützlich ist, macht es wenig Sinn, dieses Integrations-Instrument umzugestalten – und nachdem zahlreiche EU-Mitglieder die jetzige EU-Struktur erhalten wollen, würde dies auch nicht gelingen. Gleichzeitig lehrt uns die Geschichte, dass es immer mal wieder Zeitpunkte gab, an denen es notwendig wurde, für neue Herausforderungen neue Integrations-Werkzeuge zu entwickeln und in den Werkzeugkoffer der Europäischen Einigung zu packen. Ideen dafür gibt es genug. Sie beginnen bei einem Umbau der Eurozone und Ausstattung mit eigenen Institutionen, z.B. einem Eurozonen-Parlament, und gehen über verschiedenste Vorstellung eines Kerneuropas bis hin zur völligen Neukonstruktion einer föderativen Ebene auf bi- oder multilateralem Wege. Eine solche Weiterentwicklung der europäischen Einigung hätte dabei nicht nur den Vorteil, dass wichtige Integrationsschritte gegangen werden können, sondern auch, dass die EU in ihrer Form erhalten bliebe und der Integrationsdruck innerhalb der Europäischen Union reduziert würde. Dies könnte die Akzeptanz der EU insbesondere bei jenen Bevölkerungen wieder erhöhen, denen die nationale Eigenständigkeit sehr wichtig ist, bei Polen, Tschechen, Dänen aber eben auch bei Norwegern oder Briten.

Fazit:

Die EU ist nur ein Werkzeug der Europäischen Integration. Sie hat in der Vergangenheit viele Erfolge gebracht und sie wird in ihrer jetzigen Form auch weiterhin benötigt. Gleichzeitig ist die EU den neuen Herausforderungen nicht mehr vollständig gewachsen und zahlreiche Mitgliedsländer lehnen eine weitere Übertragung von Souveränitätsrechten an die EU ab. Anstatt nur nach Möglichkeiten einer tieferen Integration innerhalb der EU zu suchen, sollte deshalb viel stärker überlegt werden, ob es außerhalb des Systems der 27/28 eine Möglichkeit für Schritte nach vorne gibt, z.B. durch die Entwicklung eines Kerneuropas.


Text als PDF: Die Europäische Einigung ist mehr als die EU


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Die EU ist also immer häufiger selbst Teil des Problems und eine wesentliche Ursache dafür liegt in der fehlenden oder nicht ausreichenden europäischen Integration. Folgerichtig wird an vielen Baustellen der EU immer wieder der Ruf nach weiteren Integrationsschritten der EU laut. Um dem Steuerdumping zu begegnen, soll es eine gemeinsame Unternehmensbesteuerung geben und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit eine europäische Arbeitslosenversicherung. Die Währungsunion soll endlich durch eine politische Union ergänzt werden und zur Bewältigung der Flüchtlingskrise soll es ein solidarisches europäisches Migrations- und Asylsystem geben. Die Außengrenzen sollen gemeinschaftlich geschützt und mit einer Verteidigungsunion soll die Abwehrfähigkeit aller EU-Länder verbessert werden. Doch trotz der klaren Forderungen nach mehr Kooperation, die quer durch das politische Spektrum der Pro-Europäer erhoben werden, hat sich bislang nichts geändert – und dafür gibt es Gründe.

Für viele der eigentlich notwendigen Integrationsschritte innerhalb der EU, z.B. der Entwicklung eines echten EU-Außengrenzschutzes, wäre die Einstimmigkeit der EU-Länder notwendig und oftmals sogar eine Änderung der EU-Verträge. Doch durch die Vielzahl nationaler Egoismen ist es inzwischen kaum noch möglich, diese notwendige Einstimmigkeit unter den 28, bald 27, EU-Ländern zu erreichen. So blockiert beispielsweise Deutschland alles, was auch nur im Verdacht stehen könnte, der deutschen Automobilindustrie zu schaden, während andere EU-Länder umgekehrt ihre wichtigen nationalen Unternehmen und Wirtschaftszweige schützen. Und auch bei der Steuergesetzgebung versucht jedes Land immer genau seine eigenen Schlupflöcher zu verteidigen. Die in der Versenkung verschwundene gemeinsame europäische Finanztransaktionssteuer ist ein Musterbeispiel hierfür.
Hinzukommen dann aber auch noch EU-Länder, vorneweg Ungarn und Polen, deren Regierungen den Status quo sowieso ganz gerne erhalten möchten, weil ihnen überhaupt nicht an einer starken EU-Ebene gelegen ist. An dieser Gruppe scheiterte beispielsweise ein erster Versuch, die Verantwortung für die EU-Außengrenzen an die EU zu übertragen, weil diese Länder nicht bereit waren, die Hoheit über den Grenzschutz an ihren eigenen EU-Außengrenzen aufzugeben. Und darüber hinaus gibt es dann sogar noch weitere EU-Länder, z.B. Dänemark, die sich die Möglichkeit zur Nichtteilnahme am Euro-Währungsverbund, an Schengen oder am Dublin-System vertraglich haben zusichern lassen.

Es ist daher extrem schwer, die Hürde der Einstimmigkeit für substanzielle Änderungen innerhalb der EU zu überwinden. Aus diesem Grund laufen auch die vielen Forderungen, z.B. nach einer gemeinsamen Arbeitslosenversicherung oder einer EU-Migrations- und Asylpolitik, kontinuierlich ins Leere. Dadurch ist es inzwischen kaum noch möglich, die EU durch eine tiefere Integration handlungsfähig zu machen und sie damit in die Lage zu versetzen, vom Teil des Problems wieder zum Teil der Lösung zu werden.
Neben den Rufen nach einer tieferen Integration muss daher künftig die Tatsache diskutiert werden, dass solche Vertiefungen nicht mehr mit allen EU-Ländern zusammen gegangen werden können. So schön z.B. Ulrike Guérots „Europäische Republik“ ist, hilft sie solange nicht weiter, bis die Frage beantwortet wurde, welche EU-Länder bei dieser Umgestaltung mitmachen und was das für jene EU-Länder bedeutet, in denen die Bevölkerung nicht zu diesem Schritt bereit ist. Hier setzt nun das „Konzept der Europäischen Föderation“ an, aber auch der frisch gewählte französische Präsident Macron beantwortet mit seinen Vorstellungen zur Reform der Eurozone und einer Weiterentwicklung zu einem Kern innerhalb der EU die Frage, welche EU-Länder an den Integrationsschritten beteiligt wären. Doch in der Öffentlichkeit fehlt es noch immer an einem breiten Diskurs dazu, während sich die Europa-Debatte weiterhin überwiegend in einer Dauerschleife zwischen der Forderung nach tieferer Integration und einer blockierten EU befindet.
Das Ziel muss daher sein, auf die Beantwortung der Frage hinzuarbeiten, mit welchen EU-Ländern eine tiefere Integration umgesetzt werden kann und soll. Denn zum einen hat die Zusammensetzung der Länder umgekehrt Einfluss darauf, in welchem Rahmen und in welcher Tiefe Integrationsschritte verwirklicht werden können und sollen. Und zum anderen wird damit die Europa-Debatte auf die tatsächliche Umsetzung einer tieferen Integration ausgerichtet, was hilfreich wäre, um der Debatte neuen Schwung zu geben und sie endlich wieder vorwärts zu bewegen.


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Rollback ins Nationale:

Eine Vielzahl nationalistischer Kräfte in Europa möchte die europäische Integration am liebsten auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgen und den Kontinent wieder in Nationalstaaten aufspalten. Ihr Narrativ ist, dass sich der Nationalstaat in der Vergangenheit bewährt habe und auch heute besser als die gemeinschaftlichen europäischen Institutionen in der Lage sei, die Interessen der Bürger zu vertreten. Dabei spielt diesen Kräften zurzeit in die Hände, dass es die europäischen Institutionen bei zahlreichen Problemen tatsächlich nicht mehr schaffen, befriedigende Lösungen zu finden. So können die Nationalisten die für die Bevölkerungen der EU-Mitgliedsländer spürbaren und sichtbaren Schwachstellen der EU für ihre Erzählung nutzen, ohne den Beweis antreten zu müssen, dass die Nationalstaaten, wenn sie für sich alleine wären, diese Probleme wirklich besser lösen könnten.
Wichtige Vertreter dieser Hauptrichtung sind z.B. die britische UKIP, die vehement für den Brexit geworben hat, der französische Front National um die rechte Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen, die deutsche AfD, die österreichische FPÖ und die italienische Partei Movimento Cinque Stelle (Fünf-Sterne-Bewegung) um Beppe Grillo.

Status quo verteidigen:

Für ein Beibehalten der EU in ihrer jetzigen Form treten vor allem diejenigen ein, die zu den Gewinnern der bisherigen Ausgestaltung des europäischen Miteinanders gehören und deshalb wenig bis gar kein Interesse daran haben, etwas zu ändern. Hierzu gehören insbesondere die Eigentümer und Vertreter jener Unternehmen, die vom gemeinsamen Binnenmarkt und dem Wettbewerb der EU-Länder stark profitieren. Bleibt es bei der aktuellen Konstruktion, können sich deren Unternehmen weiterhin in manchen EU-Ländern das Steuerdumping, in anderen das Lohn- und Sozialdumping und in nochmals anderen EU-Ländern z.B. niedrige Umweltschutzauflagen zunutze machen. Hinzugesellen sich aber auch einige Betriebsräte und Spitzenfunktionäre der Gewerkschaften, die weit weg sind von Fehlentwicklungen wie wachsendem Niedriglohnsektor und prekärer Beschäftigung und daher ebenfalls für den Erhalt der EU in ihrer bisherigen Struktur plädieren. Mit dem Status quo gut leben können außerdem Politiker wie Viktor Orbán, die keine tiefere Integration und schon gar keine gestärkten europäischen Institutionen möchten, deren Länder allerdings weiterhin vom Binnenmarkt und den EU-Fördergeldern profitieren sollen.
Zu diesen konservativen Kräften hinzuzählen muss man allerdings auch den parteilosen französischen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron, der sich in seinem Wahlkampf nicht für einen Umbau Europas stark gemacht hat, sondern für eine Agenda-Politik in Frankreich, wie sie Gerhard Schröder einst in Deutschland durchführte. Zum Kreis derer, die vor allem die jetzige EU erhalten und bestenfalls an einzelnen Stellschrauben moderat drehen wollen, gehören außerdem Wolfgang Schäuble, der anstelle tiefgreifender Reformen lediglich einen Euro-Aufseher zur Durchsetzung des Spardiktats in Südeuropa befürwortet, genauso wie der in Deutschland stark gehypte #PulseOfEurope, der zum Fahnenschwenken für die aktuelle EU aufruft, statt substanzielle Veränderungen an dieser EU einzufordern.

Europäische Integration neu denken:

Last but not least gibt es dann noch all jene, die das europäische Miteinander weiterentwickeln und die europäische Integration neu denken wollen. Allerdings sind die Anhänger dieser Strömung quer über das politische Spektrum verteilt, weshalb es innerhalb dieser Gruppe sehr unterschiedliche Vorstellungen davon gibt, wie ein Europa der Zukunft am Ende gestaltet sein sollte und wie ein Weg dorthin aussehen könnte. Trotz dieser Vielfalt lassen sich diese progressiven pro-europäischen Kräfte aber dennoch auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Sie erkennen die Strukturprobleme der jetzigen EU an, beispielsweise das Demokratiedefizit, und erachten es deshalb für das europäische Miteinander als unabdingbar, diese Konstruktionsfehler der EU durch grundlegende Reformen zu beseitigen.
Zu dieser Gruppe gehören zahlreiche Politiker von Linken und Grünen sowie einige der SPD und auch z.B. die EU-Parlamentarier Manfred Weber (CSU) und Alexander Graf Lambsdorff (FDP). Hinzu kommen außerdem verschiedene zivilgesellschaftliche Initiativen, wie die Union Europäischer Föderalisten, die sich für ein föderales Europa einsetzt, oder die Bewegung DIEM25 um den ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis, die europaweit Dialoge für ein neues Europa durchführt. Aber auch die Wissenschaftlerin Ulrike Guérot, die ihre Vorstellung einer European Republic in ihrem Buch „Warum Europa eine Republik werden muss!“ niedergeschrieben hat und dieser Blog, der sich unter anderem für eine europäische Verfassung stark macht, sind zu dieser Gruppe progressiver Pro-Europäer zu zählen.


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Was sich also zurzeit sonntags europaflaggenschwenkend auf deutschen Marktplätzen herumtreibt, sind nicht progressive und humanistische Europäer, sondern vor allem Menschen, die gerne ungestört eine Donaukreuzfahrt nach Ungarn machen oder vielleicht in Budapest studieren wollen. Und wenn Orbán dafür Flüchtlinge aus Ungarn draußen hält, dann sind das eben die hochgelobten europäischen Werte, die es nun lautstark zu verteidigen gilt. Entsprechend sind es auch nicht die verarmten Rentner aus Griechenland, nicht die arbeitslosen Jugendlichen aus Spanien und nicht die Ausgegrenzten und Abgehängten Europas, die sich hinter #PulseOfEurope versammeln. Vielmehr ist es die wohlsituierte Stadtbevölkerung Deutschlands, die ihre Pfründe sichern und die eigenen Vorteile aus der Eliten-EU verteidigen will. Und während Solidarität, Menschenrechte und Demokratie in der EU immer kleiner geschrieben werden, ruft #PulseOfEurope: „Super, weiter so und jetzt erst recht!“

Wenig verwunderlich ist deshalb auch, dass man diesem deutschen Egoismus in den übrigen EU-Ländern vor allem mit Kopfschütteln und einem „Die spinnen, die Germanen!“ begegnet. Und so bilden die Deutschen bei #PulseOfEurope unbeirrt tolle Menschenketten, während gleichzeitig Merkels Spardiktat die EU zerstört und die deutsche Flüchtlingspolitik die Zahl der Toten im Mittelmeer explodieren lässt. Diese Naivität der #PulseOfEurope-Anhänger gepaart mit ihrer Selbstsucht und dem hochnäsigem Herabschauen ist daher einfach nur tief enttäuschend.
Sicher, noch ist die Bewegung jung und man kann hoffen, dass sie sich irgendwann doch zu einem humanistischen und progressiven Projekt weiterentwickelt. Bleibt es allerdings weiterhin bei dieser bizarren Verteidigung einer EU, mit der die europäische Integration in den Sand gesetzt wurde, dann muss man für die Zukunft Europas tatsächlich hoffen, dass #PulseOfEurope bald Geschichte ist.


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Union der Europäischen Föderalisten:

Schon seit 1946 gibt es die Union der Europäischen Föderalisten, die sich seit ihrer Gründung für das Zusammenwachsen Europas engagiert. Mit rund 20.000 europaweit organisierten Mitgliedern ist sie die größte überparteiliche Organisation, die sich für ein demokratisches und rechtsstaatliches Europa einsetzt. Die Grundfreiheiten der Bürger, die Solidarität untereinander und die Wahrung der Menschenrechte sind für die Union der Europäischen Föderalisten nicht verhandelbar. Ihr deutscher Ableger ist die Europa-Union Deutschland.

Link zur Europa-Union Deutschland e.V.

Die Europäische Föderation:

Die Europäische Föderation ist eine dialogorientierte Vision zur Weiterentwicklung der europäischen Integration. Mit ihrer Verfassung stellt sie sich auf die Seite derer, die den Mangel an Humanität und Solidarität in Europa beklagen und ermöglicht es den europäischen Bürgern, sich in einem fairen und gleichberechtigten Miteinander an der Gestaltung der europäischen Integration zu beteiligen.

Link zur Europäischen Föderation

The European Republic:

Die Europäische Republik verkörpert ein Europa der Regionen und Bürger. Sie ist aus dem 2013 gegründeten European Democracy Lab an der European School of Governance in Berlin hervorgegangen und setzt vor allem auf ein Europa mit starker Zivilgesellschaft. Hierzu gibt es daher Vorträge und Veranstaltungen, in denen die Bürger ermutigt und befähigt werden, aktiv an der Zukunft Europas mitzuarbeiten.

Link zur European Republic


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Eine gesamteuropäische Agenda https://www.mister-ede.de/politik/gesamteuropaeische-agenda/5545 https://www.mister-ede.de/politik/gesamteuropaeische-agenda/5545#comments Mon, 10 Oct 2016 12:00:35 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5545 Weiterlesen ]]> Eine gesamteuropäische Agenda muss das friedliche Zusammenleben der Europäer auf Basis menschenrechtlicher Grundstandards als oberstes Ziel haben. Sie darf sich deshalb nicht nur an die 28 EU-Länder richten, sondern muss die gesamte europäische Gesellschaft mit allen 50 Staaten bzw. den dort lebenden Menschen in den Blick nehmen.

Europarat / EGMR / EMRK / OSZE

Die institutionelle Grundlage Europas ist der Europarat, dessen 47 Teilnehmerländer die EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) ratifiziert und sich der Rechtsprechung des EGMR (Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte) unterstellt haben. Ziel einer gesamteuropäischen Agenda muss sein, diesen Bereich funktionsfähig zu halten bzw. zu gestalten, für den Kosovo eine Lösung zu finden und mit Weißrussland und dem Vatikan die letzten beiden nicht eingebundenen europäischen Staaten zur Annahme der EMRK, zur Unterstellung unter den EGMR und zum Beitritt zum Europarat zu bewegen. Nachdem bereits alle diese europäischen Staaten, außer dem Kosovo, in der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) eingebunden sind, wären dann zumindest der Schutz grundlegender Menschenrechte, die Zusammenarbeit bei globalen Themen und ein Forum für Sicherheit und Frieden gewährleistet – und zwar von Wladiwostok bis Gibraltar und von Reykjavik bis Baku.

EWR (Europäischer Wirtschaftsraum)

Der europäische Wirtschaftsraum sollte als privilegierter Status im Vorraum der EU verstanden werden. Europäische Länder, die für den Marktzugang nur die für den EU-Markt notwendigen Regeln, z.B. die Arbeitnehmerfreizügigkeit, akzeptieren wollen, allerdings ansonsten keine weiteren Verpflichtungen übernehmen bzw. kein Teil der EU sein möchten, sollen diesen Marktzugang gegen eine finanzielle Entschädigung erhalten. Dies wäre möglicherweise auch ein Modell, das Großbritannien angeboten werden könnte.

EU (Europäische Union)

Der Regelfall sollte im Rahmen einer gesamteuropäischen Agenda allerdings bleiben, Länder zu einer Vollmitgliedschaft in der EU zu führen, sofern diese Länder dies wollen. Abseits des Binnenmarktes, dessen Freiheiten und dessen ständige Harmonisierung für seine Existenz zwingend sind, sollte die EU jedoch stärker als heute auf die nationale Souveränität der einzelnen EU-Länder abstellen. So könnte die EU-Ebene vor allem als Grundlage dafür dienen, bei gleichgelagerten Interessen der einzelnen EU-Länder (z.B. bei der polizeilichen Zusammenarbeit) demokratisch legitimiert und parlamentarisch kontrolliert zusammenzuarbeiten. Dort wo diese Einstimmigkeit fehlt, gibt es dann, außer dort, wo es der Binnenmarkt erforderlich macht, auch keine weitere Integration, bis diese Einigkeit hergestellt wurde.

EF (Europäische Föderation)

Diejenigen Länder, die bei der europäischen Integration schneller voranschreiten wollen, sollten hingegen in einer Europäischen Föderation mit gemeinsamer Verfassung vereinigt werden. Damit könnte dann auch der Konstruktionsfehler der EU beseitigt werden, nämlich der Aufbau auf von Regierungen geschlossenen Verträgen anstelle einer vom Volk getragenen Verfassung. Neben der Zustimmung der nationalen Parlamente zu einer gemeinsamen europäischen Verfassung sollte deshalb in jedem Land auch die Zustimmung der Mehrheit der Wahlberechtigten bei einer Volksabstimmung für die Teilnahme an einer solchen Europäischen Föderation verpflichtend sein.

Die gesamteuropäische Agenda

Eine solche gesamteuropäische Agenda kann natürlich nicht im Rahmen einer einzelnen Institution verfolgt werden. Vielmehr muss sie Maßgabe des tagtäglichen politischen Handelns sein und sich z.B. in der Ausgestaltung und Weiterentwicklung der unterschiedlichen Ebenen und Institutionen der europäischen Zusammenarbeit ausdrücken. Gelingt auf diese Weise eine Stärkung des Europarats, eine Umgestaltung der EU, die Öffnung des EWR oder die Gründung einer Europäischen Föderation, wären dies wieder Schritte hin zu einem friedlichen Miteinander auf Basis menschenrechtlicher Grundstandards in Europa.

Die europäische Gesellschaft in Zahlen
- 50 Staaten
- Rund 840 Millionen Menschen (ca. 1/8 der Weltbevölkerung)
- Knapp 20 Billionen Euro BIP (ca. 1/3 der weltweiten Wirtschaftsleistung)
- 3 ständige Sitze im UN-Sicherheitsrat (3/5)


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Daneben müssten für die Abschaffung des Konsensprinzips in der EU auch in Deutschland die Pfeiler der demokratisch-freiheitlichen Grundordnung, das GG und das Bundesverfassungsgericht, außer Kraft gesetzt bzw. entmachtet werden. Ich kann schon nachvollziehen, dass AfD und Co. bei so etwas applaudieren, aber gerade deshalb sind jene, die den europäischen Geist in sich tragen, aufgerufen, das Ziel der Konsenssuche in der EU aktiv zu erklären und das friedliche europäische Miteinander zu verteidigen.

Was gänzlich anderes wäre natürlich der Verzicht des Konsensprinzips in der Europäischen Föderation. Nachdem diese nur einen Kern von EU-Ländern darstellt, bliebe somit für das Gesamtgefüge EU das einigende und friedenssichernde Konsensprinzip erhalten. Weiterhin wäre dann auch die Hürde für EU-Beitrittskandidaten nicht unüberwindbar, so dass die EU auch für neue Mitglieder, z.B. Norwegen, offen bleibt.

Die Forderung nach einer Abschaffung des Konsensprinzips ist somit nicht nur geschichtsvergessen und für die EU friedens- und existenzgefährdend, sondern verkennt auch, dass es hierfür deutlich bessere Alternativen gibt.


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Die verkehrte Richtung der EU-Reformdebatte im Europaparlament https://www.mister-ede.de/politik/verkehrte-richtung-eu-reform/5309 https://www.mister-ede.de/politik/verkehrte-richtung-eu-reform/5309#comments Wed, 31 Aug 2016 13:58:36 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=5309 Weiterlesen ]]> Seit dem Votum der Briten für einen Austritt aus der EU ist die Diskussion über die Zukunft des europäischen Einigungsprozesses voll entbrannt. Im Juli hat sich nun auch das Europaparlament in die Reformdebatte eingeschaltet und eigene Vorschläge für eine Weiterentwicklung der EU im Ausschuss für konstitutionelle Fragen vorgelegt.
Allerdings wiederholen die Europaparlamentarier dabei viele der Fehler, die bereits in der Vergangenheit gemacht wurden und die die EU mit der Zeit dorthin geführt haben, wo sie jetzt steht. Insgesamt bieten die Vorschläge wenig Neues und vor allem nichts Brauchbares, um die Probleme der EU zu lösen. Im Gegenteil ist sogar zu befürchten, dass der europäischen Einigungsprozesses mit den angestrebten Reformschritten vollends gegen die Wand gefahren wird.

Unter anderem fordern die Europaabgeordneten im Verfassungsausschuss eine weitere Vergemeinschaftung von Politikfeldern, ohne aber gleichzeitig passende demokratisch-rechtsstaatliche Strukturen zu schaffen. Darüber hinaus sollen nach den Vorstellungen der EU-Parlamentarier sogar diejenigen EU-Länder, die im Moment keine weiteren Integrationsschritte unternehmen wollen, die EU wieder verlassen. Nun sei die Zeit gekommen, „in der man die Spreu vom Weizen auch trennen müsse“, erklärte dazu ein Abgeordneter in der Ausschusssitzung [1].
Damit aber schaffen die Europaparlamentarier nun tiefe Gräben, wo sich die nationalen Regierungen der EU-Mitgliedsländer nach dem Brexit-Referendum mal ausnahmsweise geschlossen zeigen. Keiner der Staats- und Regierungschefs hat gebrüllt „Jetzt wollen wir auch raus aus der EU!“, kein Kaczyński, kein Orbán, im Gegenteil. Nach dem Treffen der EWR-Gründungsmitglieder u.a. mit dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier oder dem gemeinsamen Besuch des Grabes des Antifaschisten und europäischen Vordenkers Altiero Spinelli durch Angela Merkel, François Hollande und Matteo Renzi [2], hatte man den Eindruck, als würden sich die östlichen EU-Länder sogar eine stärkere Einbindung in die EU wünschen und wären gerne bei diesen Treffen dabei gewesen. Aber auch hier beweisen die Bundesregierung oder Frankreichs Präsident Hollande sehr viel Fingerspitzengefühl, indem sie auch mit diesen EU-Mitgliedern zurzeit aktiv den Dialog über die Zukunft des gemeinsamen Projektes suchen. Allmählich scheinen die Regierungen der EU-Länder doch den Wert des europäischen Einigungsprozesses erkannt zu haben und nach der britischen Abstimmung ist ihnen vielleicht auch bewusst geworden, dass dieser Prozess sehr wohl scheitern kann. Zumindest ist aber ein solches Vorgehen, wie u.a. von der Bundesregierung praktiziert, doch wesentlich besser geeignet, um Europa zusammenzuhalten, als das engstirnige „Wir sind Brüssel, folgt uns gefälligst!“, das aus dem Europaparlament schallt.

Neben dieser doch eher brachialen Haltung der Abgeordneten sind es aber auch die im Verfassungsausschuss präsentierten Reformideen selbst, die in eine völlig falsche Richtung gehen. Es ist zwar zunächst erfreulich, dass Themen, wie die Verschiebung der politischen Macht in der EU von Parlamenten hin zu Regierungen [3], endlich von den Europaabgeordneten behandelt werden, allerdings müssen dann auch die richtigen Schlüsse gezogen werden. Es hilft dem europäischen Einigungsprozess nicht, wenn aus der richtigen Erkenntnis, dass an manchen Stellen eine tiefere Integration notwendig ist, aber in einigen Ländern hierfür keine Bereitschaft besteht, geschlossen wird, man müsse nun einen Teil der EU-Mitglieder wieder aus der Gemeinschaft werfen.
Anstelle eines solchen exklusiven Konzepts (Wer sich nicht weiter integrieren will, soll die EU verlassen) bräuchte es, um Europa zusammenzuhalten, viel eher ein inklusives Modell (Wer sich an die bislang vereinbarten Regeln der EU hält, bleibt in der EU willkommen). Anstatt die EU auf ein Kerneuropa einzuschmelzen, werbe ich daher für ein Kerneuropa, das sich innerhalb der EU befindet – die Europäische Föderation. Damit würde der Integrationsdruck von der EU genommen, so dass die EU und die Errungenschaften des europäischen Einigungsprozesses für alle erhalten werden können und gleichzeitig ein Kern von EU-Ländern die nächsten Integrationsschritte auf Basis fester Regeln, z.B. einer gemeinsamen Verfassung, gehen kann.
Während somit bei der Umsetzung der Vorschläge der EU-Abgeordneten in einigen Jahren vielleicht nur noch eine verkleinerte EU-22 in einem Europa der Nationalstaaten existiert, wäre die Europäische Föderation mit z.B. 10 EU-Staaten in einer möglicherweise sogar gewachsenen EU mit 29 oder 30 Ländern eingebunden. Und auch die übrigen Nationalstaaten Europas, wie z.B. Norwegen, hätten mit einer solchen nicht auf permanente Integration ausgelegten EU nicht mehr so eine große Hürde für einen Beitritt. Würde man hingegen die EU weiter vertiefen und dabei sogar auf manche Länder verzichten, käme der europäische Einigungsprozess für die nächsten Jahrzehnte aller Voraussicht nach zum erliegen.

Ich denke, auch in Brüssel muss endlich erkannt werden, dass der europäische Einigungsprozess mehr ist, als das Zusammenwachsen einiger Euroländer. Knapp 850 Mio. Menschen leben in den Ländern Europas und auch wenn man Russland, die Türkei, den Kaukasus, die Ukraine und Weißrussland abzieht, bleiben immerhin rund 550 Mio. Einwohner übrig, wovon in der gesamten Eurozone nur knapp 340 Mio. Personen leben. Die Leistung der EU ist es hingegen, zumindest knapp 510 Mio. Menschen in einem demokratischen europäischen System einzubinden. Es wäre daher absolut falsch, den Vorschlägen der EU-Parlamentariern zu folgen und jetzt für die tiefere Integration der Eurozone auf grundlegenden Errungenschaften, u.a. die vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes (Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit), für einen Teil der 510 Mio. Menschen zu verzichten. Vielmehr muss es im Sinne des europäischen Einigungsprozesses darum gehen, eben jenes, was bisher erreicht wurde, zu erhalten und trotzdem einem Teil der EU die Möglichkeit zu geben, etwas Neues zu schaffen. Zu Ende gedacht kommt man dann aber zur Europäischen Föderation, also einem Kerneuropa innerhalb der EU.


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[1] Sitzung des Verfassungsausschuss des Europaparlaments am 12.07.2016 (Link zum Video auf www.europarl.europa.eu)

[2] Kommentar vom 23.08.2016 zum Dreier Gipfel bei taz-online(Link zum Artikel auf www.taz.de)

[3] Die Machtverschiebung von Parlamenten zu Regierungen in der EU (Link zum Artikel auf www.mister-ede.de)

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Um mit anderen interessierten Bürgern über ein Europa der unterschiedlichen Integrationsstufen zu diskutieren und die Europäische Föderation zu gestalten, wurde der 1. Föderations-Dialog gestartet.
Jeder ist herzlich eingeladen, sich mit seinen Sichtweisen, Fragen oder Anregung in diesem Forum einzubringen. Lasst uns unser Europa gemeinsam gestalten.

The first Dialogue of the Federation started to discuss with other interested citizens a Europe with different steps of integration and how the European Federation should look like.
Everybody is invited to share his views, questions and suggestions. Let us design our Europe together.

Keine Anmeldung erforderlich!
No need for registration!


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The European Federation
Die Europäische Föderation
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La Federazione Europea
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