Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands

Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands ist ein häufig verwendeter Begriff bei wirtschaftlichen oder politischen Diskussionen und Debatten. Doch was sich genau dahinter verbirgt, bleibt meistens unbeleuchtet.

Bevor man sich näher mit der deutschen Wettbewerbsfähigkeit befassen kann, muss zunächst geklärt werden, um welchen Wettbewerb es sich genau handelt. Außerhalb der Wirtschaftspolitik könnte der Wettbewerb zum Beispiel Olympia heißen und entsprechend könnte die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands bei Olympia betrachtet werden. Als Wettbewerb kämen aber auch eigenständig jeweils die einzelnen Disziplinen bei Olympia in Betracht.
Genauso gibt es auch im wirtschaftlichen Bereich nicht diesen einen Wettbewerb. So lassen sich unter anderem der Wettbewerb um Unternehmensansiedlungen und der Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte unterscheiden. Entsprechend sind dann auch für die Wettbewerbsfähigkeit je nach betrachtetem Wettbewerb unterschiedliche Einflussfaktoren entscheidend.
Allerdings unabhängig vom jeweiligen Wettbewerb gilt für die Wettbewerbsfähigkeit immer, dass es sich hierbei um eine Relation handelt. Wie wettbewerbsfähig Deutschland bei Olympia ist, hängt also auch immer von der jeweiligen Stärke oder Wettbewerbsfähigkeit der anderen Nationen ab.

Glossar: Wettbewerbsfähigkeit (www.mister-ede.de)
Die Wettbewerbsfähigkeit: Täuschung der Relation (www.mister-ede.de – 27.02.2014)

Der Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte:

Der Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte wird in Deutschland zwar nicht so häufig betrachtet, aber das war nicht immer so und zukünftig wird dieser Wettbewerb auch wieder stärker in den Vordergrund rücken.
In der Vergangenheit war die Berliner Mauer ein Sinnbild für die verloren gegangene Attraktivität der DDR im Wettbewerb um die Menschen und damit die Arbeitskräfte, während umgekehrt die BRD schon in den 50er Jahren für Umsiedler aus der DDR und später dann für Gastarbeiter aus anderen Ländern attraktiv war.
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie als politischer Stabilitätsanker und gut bezahlte Arbeitsplätze als wirtschaftlicher Stabilitätsanker waren meines Erachtens auch schon damals wesentliche Faktoren für die Wettbewerbsfähigkeit der BRD im Ringen um Arbeitskräfte. Aber auch in der Zukunft wird uns dieser Wettbewerb aufgrund der demographischen Entwicklung in Deutschland wieder stärker beschäftigen. Doch gerade innerhalb der EU mit ihrer Arbeitnehmerfreizügigkeit wirft dieser Wettbewerb auch Fragen auf. Während Deutschland und einige andere Länder vom Zuzug qualifizierter Arbeitnehmer profitieren, leiden gleichzeitig Regionen in der EU auch unter dem Verlust jener Arbeitskräfte.

Der Wettbewerb um Kapitalanlagen:

Der Wettbewerb um das Kapital bestimmt zwar seit der Finanzkrise nicht mehr so stark die wirtschaftspolitische Diskussion, hat dies aber über viele Jahre gemacht. Die wesentlichen Faktoren für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes in diesem Bereich sind die Ausprägung regulatorische Maßnahmen, die Stärke des Bankgeheimnisses, die Steuerlast auf anfallende Kapitalerträge und auch die Stabilität des Banken- und Währungssystems im jeweiligen Land.
Gerade kleinere Staaten innerhalb und außerhalb Europas haben in diesem Wettbewerb ein regelrechtes Geschäftsmodell entwickelt, um mit niedrigen Steuern und diversen rechtlichen Regelungen ihre Attraktivität für Kapitalanlagen zu erhöhen. Aber auch in Deutschland hat man unter anderem mit Deregulierung oder der Einführung der Abgeltungssteuer versucht, die Attraktivität des „Finanzplatzes Deutschland“ in diesem Wettbewerb zu stärken.
Ironischer Weise wird jetzt mit demselben Ziel genau das Gegenteil gemacht, da nach der Finanzkrise für die Attraktivität eines Finanzplatzes die Frage nach der Finanzstabilität eine deutlich größere Rolle spielt.

Der Wettbewerb um Unternehmen:

Betrachtet man den Wettbewerb der Staaten um Unternehmen und Unternehmensansiedlungen, dann handelt es sich auch hier nicht um einen einheitlichen Wettbewerb. So sind im Wettbewerb um den „Forschungsstandort Deutschland“ und im Wettbewerb um den „Produktionsstandort Deutschland“ unterschiedliche Faktoren für die Wettbewerbsfähigkeit ausschlaggebend.
Im produzierenden Bereich sind vor allem die Kostenfaktoren Energie, Lohn und Sozialabgaben sowie der Zugang zu Vorprodukten oder Rohstoffen und eventuelle Umwelt-, Sicherheits- oder Arbeitsschutzauflagen entscheidende Investitionskriterien. Auch die Entfernung zu den Absatzmärkten, die Verfügbarkeit von Arbeitskräften, die Währung eines Landes und die Besteuerung spielen eine Rolle.
Für den Bereich der Forschung sind hingegen vor allem entsprechend hochqualifizierte Arbeitnehmer wichtig. Darüber hinaus spielen hier Fragen des Patentschutzes und die Kommunikationsinfrastruktur eine Rolle. Aber auch die Nähe zu anderen Forschungsinstitution kann ein Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit eines Standortes sein.
Es lassen sich aber je nach Unternehmen auch noch weitere Faktoren für die Attraktivität eines Standortes und damit für die Wettbewerbsfähigkeit einer Region finden. Für Familienunternehmen ist zum Beispiel die Besteuerung beim Übergang von einer auf die andere Generation ein Kriterium für die Wahl des Firmensitzes.
Daneben gibt es aber auch noch weitere Formen des wirtschaftlichen Wettbewerbs um den besten Standort für Unternehmen. So kann man auch im Bereich Tourismus, in der Landwirtschaft oder der Fischerei jeweils eigenständige Standortwettbewerbe finden. Zum Beispiel sind die Fangquoten für die Nordsee-Anrainer ein entscheidendes Kriterium für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes in der Fischerei. Ein anderes Beispiel ist die Absenkung der Mehrwertsteuer für das Hotel- und Gastgewerbe in Deutschland im Wettbewerb um mehr Touristen und Urlauber bzw. entsprechend mehr Fremdenverkehrsunternehmen.

Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands:

Prägend ist hierzulande vor allem die Wettbewerbsfähigkeit als Produktions- und Forschungsstandort, sowie die Attraktivität für Kapitalanlagen und qualifizierte Arbeitskräfte. Allerdings unterscheidet sich die Wettbewerbsfähigkeit je nachdem welchen Wettbewerb man im Einzelnen betrachtet.
Durch die Lohnzurückhaltung der letzten Jahre und die Umgestaltung der Sozialsysteme, z.B. die Erhöhung des Renteneintrittsalters, ist Deutschland für das produzierende Gewerbe als Standort attraktiver geworden. Umgekehrt bedeutet dies sehr vereinfacht aber auch, dass andere Länder mit höherem Lohnniveau an Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit verloren haben. Der Verzicht auf die Senkung der Lohnnebenkosten durch die neue Regierungskoalition und evtl. höhere Energiekosten durch die Energiewende könnten die Attraktivität aber belasten, genauso wie die Einführung eines Mindestlohns. Zusätzlich könnte aber auch die Lohnzurückhaltung in anderen Staaten relativ die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands belasten.
Bei Kapitalanlagen ist Deutschland durch die Entwicklungen der Finanzkrise deutlich attraktiver geworden. Dies zeigt auch wie sehr es bei der Wettbewerbsfähigkeit auf die jeweiligen Mitbewerber ankommt, denn nicht die Kapitalanlagen in Deutschland wurden sicherer, sondern die Anlagen in anderen Euro-Staaten wurden auf Grund der Finanzkrise unsicherer. Ähnliches gilt auch für den Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte. Nachdem der Arbeitsmarkt in den südeuropäischen Ländern an Attraktivität durch die Finanzkrise verloren hat, wurde Deutschland im Vergleich attraktiver.
Im Bereich der Forschung und Entwicklung muss man stark zwischen verschiedenen Bereichen unterscheiden. Während es zum Beispiel bei den regenerativen Energien ein forschungsfreundliches Umfeld gibt, ist die Forschung in Bereichen wie der Gentechnologie oder der Stammzellenforschung in Deutschland problematischer. Auch im Bereich der IT-Forschung und der Entwicklung von Netzlösungen kann sich Deutschland sicherlich besser aufstellen als bisher. Insgesamt ist Deutschland aber als Hochtechnologieland ein wettbewerbsfähiger Forschungsstandort, auch wenn dies nicht ausnahmslos für alle Bereiche gilt.
Daneben ist Deutschland auch in der Landwirtschaft wettbewerbsfähig. Zum einen hilft das gemäßigte Klima, zum anderen die hohe Arbeitsproduktivität. Daneben wird der „Agrarstandort Deutschland“ aber auch durch Landwirtschaftssubventionen in der Wettbewerbsfähigkeit gestützt.

Insgesamt ist Deutschland ein robustes Industrieland mit gutem Forschungs- und Produktionsstandort. Aber auch in anderen Bereichen wie dem Tourismus oder der Landwirtschaft kann Deutschland im Wettbewerb bestehen.

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