mister-ede.de » Wirtschaftswachstum https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Kleiner Schuldenrechner für Griechenland https://www.mister-ede.de/politik/schuldenrechner-griechenland/4290 https://www.mister-ede.de/politik/schuldenrechner-griechenland/4290#comments Sun, 16 Aug 2015 14:00:33 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4290 Weiterlesen ]]> Viele Faktoren haben Einfluss auf die Entwicklung von BIP, Schulden, Zinslast und Haushaltssaldo in Griechenland. Damit jeder selbst ausprobieren kann, wie sich die griechische Finanzsituation bei unterschiedlichen Annahmen für Zinssatz, reales Wachstum, Inflation und Primärsaldo in den nächsten Jahren entwickelt, findet sich hier ein Schuldenrechner für Griechenland:

Kleiner Schuldenrechner für Griechenland (www.mister-ede.de)

Durch Klicken auf „Plus“ und „Minus“ können das BIP und die Schulden für das Jahr 2015 eingestellt werden sowie Annahmen für Zinssatz, reales Wachstum, Inflation und Primärsaldo der kommenden Jahre getroffen werden. Die künftigen Werte, z.B. für BIP oder Schuldenquote, berechnen sich dann automatisch und werden in einer Tabelle bis zum Jahr 2035 angegeben.

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Griechenland-Krise: Das ungelöste Schuldenproblem https://www.mister-ede.de/politik/ungeloestes-schuldenproblem/4245 https://www.mister-ede.de/politik/ungeloestes-schuldenproblem/4245#comments Fri, 14 Aug 2015 13:15:40 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4245 Weiterlesen ]]> Zurzeit wird zwar ein neues Hilfspaket für Griechenland auf den Weg gebracht, allerdings bleibt dabei ein wesentlicher Themenkomplex wieder ausgespart. Erneut wird es kein Konzept für den Umgang mit jenem Schuldenberg geben, den das Land seit Jahren vor sich herschiebt. Obwohl es in allseitigem Interesse wäre, diesen Unsicherheits- und Störfaktor endlich durch eine für alle Beteiligten akzeptable und tragfähige Lösung zu beseitigen, wird dieses Thema ein weiteres Mal vertagt.

Schuldenschnitt vs. Schuldenumstrukturierung:

Würde die Verzinsung der griechischen Staatsschulden auf 0% gesenkt, könnte das Land die Zinsen für jede beliebige Schuldenlast tragen. Mit diesem simplen Beispiel wird deutlich, dass ein nominaler Schuldenschnitt, also z.B. ein Forderungsverzicht von 50% niemals erforderlich ist, solange der Zinssatz politisch festgelegt werden kann, so wie dies bei der Konstruktion über den ESM / die EFSF der Fall ist.
Zielführend ist daher, die Spielräume bei der Zinsgestaltung zu verwenden und die Schulden entsprechend umzustrukturieren. Zu Nutze können sich die Euroländer dabei weiterhin machen, dass sie gemeinsam deutlich günstigere Zinskonditionen erhalten als Griechenland für sich alleine. Die EFSF erhält zurzeit Kredite unter 2%, kurzfristig sogar unter 1%, und wenn sich die Zinsanforderungen an Griechenland in diesem Rahmen bewegen, was sie zum Teil ja auch bereits machen, dann wird die Schuldenlast durch die niedrigeren Zinsen tragbar.
In diesem Fall kann man nun streiten, ob es sich um einen Schuldenschnitt handelt oder nicht. Geht man von den Konditionen aus, die Griechenland am Markt zahlen müsste, dann würde ein solcher vergünstigter Zinssatz für Griechenland tatsächlich eine Art strukturellen Schuldenschnitt darstellen. Legt man hingegen jenen Zinssatz zugrunde, zu dem sich die Geldgeber, also z.B. die EFSF, selbst mit Finanzmittel versorgen können, so verzichten diese mit der Weitergabe der günstigen Konditionen lediglich darauf, bei der Rettung Griechenlands auch noch Gewinn zu machen.

Die Zinslast:

In den vergangen beiden Jahren hatte Griechenland eine Zinslast in Höhe von ca. 4% des BIP, allerdings wurde dieser Wert nur mit Hilfe vergünstigter Zinskonditionen erreicht. In diesem Jahr könnte die Zinslast etwas ansteigen, sofern allerdings das dritte Hilfspaket zustande kommt und die üblicherweise teureren Kassenkredite wieder durch reguläre Kredite abgelöst und die etwas teureren Verbindlichkeiten gegenüber IWF und EZB durch günstigere ESM-Kredite ersetzt werden, könnte 2016 bei einer Schuldenquote von 180% und einer durchschnittlichen Verzinsung der Schulden von knapp unter 2% eine Zinslast in Höhe von 3 – 4% des BIP erreicht werden. Dies wäre ein für Griechenland durchaus akzeptabler Wert, der in etwa der Zinslast entspricht, die das Land ohne vergünstigte Hilfskredite nach einem nominalen Schuldenschnitt von 50 oder 60% zu zahlen hätte.

Eine Faire Vereinbarung für die Schuldenlast:

Um die Frage nach einer fairen Vereinbarung beantworten zu können, kommt man nicht umhin, die Entstehungsgeschichte dieser Kredite kurz zu betrachten.
Griechenland war 2010 aus diversen Gründen pleite und üblicherweise wäre in diesem Fall ein Schuldenschnitt durchgeführt worden. In der damaligen Situation sollte dies jedoch unter allen Umständen vermieden werden, weshalb Griechenland jene Kredite bekam, die heute z.B. bei EZB oder IWF abgelöst werden müssen. Es wäre daher unfair, Griechenland nun mit diesen Verbindlichkeiten alleine zu lassen, allerdings ebenso unfair wäre es, würde die griechische Regierung ganz aus der Pflicht genommen.

Eigentlich wäre es am besten, es würde ein hoher Zinssatz für die Hilfskredite vereinbart und gleichzeitig ein entsprechender Finanztransfer eingerichtet, weil so die griechische Regierung einen großen Anreiz hätte, die Rettungsschirme wieder zu verlassen.
Nachdem eine solche Gestaltung mit Finanztransfers innerhalb der aktuellen Euro- bzw. EU-Konstruktion nicht möglich ist, sollte als Alternative die günstige Refinanzierungsmöglichkeit der Rettungsschirme genutzt werden, um Griechenland eine vertretbare Zinskonditionalität anzubieten. Bei einer angestrebten Inflationsrate von 2% kann so der Realwert der Schulden bei einem etwas darunterliegenden Zinssatz kontinuierlich abgebaut werden. Werden alte Kredite abgelöst oder eine Schuldenrestrukturierung durchgeführt, sollte bei neuen Hilfskrediten ein Zinssatz von 1% – 1,75% für die nächsten zehn bis zwanzig Jahre angestrebt werden. Hierdurch würde die Zinslast auf ca. 2,5% – 3,5% des BIP sinken, was für Griechenland ein tragbarer Wert ist.
Gelingt es gleichzeitig, in Griechenland einen Primärüberschuss von 0,5% – 1% des BIP zu erreichen, würde das Haushaltsdefizit bei 1,5% – 3% liegen. Aufgrund der hohen Schuldenquote würde damit schon ein nominales Wachstum (reales Wachstum plus Inflation) von 1% – 2% reichen, um die Schuldenquote zumindest konstant zu halten. Wächst die griechische Wirtschaft kräftiger, z.B. die nächsten 10 Jahre nominal um jährlich 3%, würde die Schuldenquote selbst bei jährlichen Haushaltsdefiziten in Höhe von 3% des BIP in diesem Zeitraum von 180% auf rund 160% abnehmen.


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Die Wachstumsschwäche der Eurozone und die Auffälligkeit der Austeritätspolitik https://www.mister-ede.de/politik/wachstumsschwaeche-eurozone/3820 https://www.mister-ede.de/politik/wachstumsschwaeche-eurozone/3820#comments Sun, 19 Apr 2015 17:41:29 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3820 Weiterlesen ]]> Im Jahr 2009, dem Folgejahr der Lehman-Pleite in den USA und dem Ausbruch der Finanzkrise, ist die Wirtschaft in allen Ländern der Währungsunion massiv eingebrochen. Insgesamt ging die Wirtschaftsleistung der Eurozone um 4,5% zurück. Bis 2011 konnten sich dann allerdings zahlreiche Länder der Eurozone bei einer zum Teil deutlichen Schuldenausweitung wieder einigermaßen erholen. So lag die Wirtschaftsleistung in Deutschland (101,7%) [1], Frankreich (101,1%), Belgien (101,4%), Österreich (101,1%), Slowakei (101,9%), Luxemburg (102,1%) und Malta (103,2%) bereits 2011 wieder über dem Niveau von 2008. Auch in den übrigen Ländern der Eurozone erholte sich die Wirtschaftsleistung mehr oder weniger schnell, jedoch mit Ausnahme von Spanien und Griechenland, die noch weitere Rückgänge ihrer Wirtschaftskraft zu verzeichnen hatten, und Portugal, das nach einem Anstieg im Jahr 2010 (98,8%) im Jahr 2011 (97,1%) wieder auf das Level von 2009 (97%) fiel. Insgesamt lag die Wirtschaftsleistung der Eurozone 2011 bei 99% der Wirtschaftsleistung von 2008.

Ab 2011 steckte die Eurozone allerdings erneut in einer Abwärtsspirale, die erst durch die 2012 eingeleitete expansive Geldpolitik der EZB ab 2014 vorerst gestoppt wurde. Insgesamt ist in diesem Zeitraum die Wirtschaftsleistung der Eurozone von 99% (2011) auf 97,7% (2013) zurückgegangen. Auffällig ist dabei jedoch, dass gerade jene Länder, die zur Konsolidierung auf einen strengen Austeritätskurs setzten, kräftig von der Abwärtsspirale erfasst wurden. In Portugal brach die Wirtschaftsleistung von 97,1% (2011) auf 91,7% (2013) ein, in Spanien von 95,8% (2011) auf 92,7%, auf Zypern von 99,7% (2011) auf 92,0% (2013), in Griechenland von 82,4% (2011) auf 73,9% (2013) und in Irland stagnierte die Wirtschaftskraft nach 95,9% (2011) bei 95,8% (2013). Auch Italien mit dem neu gewählten und von den Euro-Partnern als „Reformer“ gefeierten Mario Monti musste einen Wirtschaftseinbruch von 96,7% (2011) auf 92,4% (2013) hinnehmen. Frankreich, das zu Lasten seines Haushaltsdefizits unter Präsident Hollande keinen reinen Austeritätskurs umsetzte, konnte hingegen seine reale Wirtschaftsleistung immerhin von 101,1% (2011) auf 101,7% (2013) steigern.
Und auch von den übrigen Euro-Ländern mussten lediglich zwei Länder einen Rückgang ihrer Wirtschaftsleistung verzeichnen: Die Niederlande von 99,4% (2011) auf 97,2% (2013) und Finnland von 96,9% (2011) auf 94,3% (2013). Die restlichen Euro-Staaten, also Deutschland, Österreich, Belgien, die baltischen Staaten, Slowenien, die Slowakei, Malta und Luxemburg, konnten hingegen ihre Wirtschaftsleistung von 2011 bis 2013 ausweiten.

Im letzten Jahr legte die Wirtschaft in den meisten Ländern der Eurozone, vermutlich vor allem dank der insgesamt positiven Rahmenbedingungen (niedriger Ölpreis, schwacher Euro), etwas zu. Lediglich Zypern und Italien mussten einen erneuten Rückgang ihrer Wirtschaftsleistung verbuchen und Finnland verharrte auf dem Vorjahresniveau. Zusammengenommen ist damit die Wirtschaftsleistung der Eurozone von 97,7% (2013) wieder auf 98,8% (2014) angestiegen. Das bedeutet jedoch auch, dass das reale BIP der Eurozone von 2008 bis 2014 um insgesamt 1,2% zurückgegangen bzw. nach dem Einbruch von 2009 um magere 3,2% in fünf Jahren gewachsen ist.
Eine Folge dieser Wachstumsschwäche ist dabei, dass die betroffenen Länder nicht automatisch aus ihren Schulden herauswachsen. Daher erscheint es mir auch im Hinblick auf die Schuldenproblematik notwendig, die Wachstumsschwäche der Eurozone endlich zu überwinden. Die Einführung des Mindestlohns in Deutschland und das von der EU-Kommission geschnürte Investitionspaket sind deshalb Schritte in die richtige Richtung.


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[1] Prozentangaben: Wirtschaftsleistung des Betrachtungsjahres in Prozent der Wirtschaftsleistung des Jahres 2008 (Link zum Datenblatt auf www.mister-ede.de)

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Verkettung auf Basis der Wirtschaftsleistung des Jahres 2008:

Verkettung auf Basis der Wirtschaftsleistung des Jahres 2009:


Statistiken des IWF, Tabelle 2 mit der Übersicht der Wachstumsraten des BIP (Link zur PDF auf www.imf.org)


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Eurokrise: FAQ zur Griechenland-Krise und zur aktuellen Lage https://www.mister-ede.de/politik/faq-zur-griechenland-krise/3732 https://www.mister-ede.de/politik/faq-zur-griechenland-krise/3732#comments Mon, 23 Mar 2015 19:28:43 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3732 Weiterlesen ]]> Der nachfolgende Katalog dient zur Beantwortung der wesentlichen Fragen rund um die Griechenland-Krise mit Blick sowohl auf die Krisenentwicklung der Vergangenheit als auch auf die aktuelle Situation und mögliche Szenarien.

Übersicht der FAQ zur Griechenland-Krise:

1) Was hat die Situation in Griechenland ausgelöst?

a) Sind die griechischen Regierungen der Vergangenheit schuld an der aktuellen Situation in Griechenland?
b) Ist die Gemeinschaftswährung schuld an der Krise in Griechenland?
c) Ist die Austeritätspolitik schuld an der aktuellen Situation?
d) Ist die fehlende politische Integration innerhalb der EU schuld an der Situation?
e) Ist die Bankenrettung schuld an der Krise in Griechenland?

2) Warum wurden 2010 die griechischen Gläubiger durch Hilfskredite an Griechenland geschützt?

a) War die Griechenland-Hilfe eine verdeckte Bankenrettung?
b) Warum wurden die Banken gerettet?
c) Hat die Bankenrettung Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Situation in Griechenland oder der Eurozone?

3) Was spricht für einen Schuldenschnitt?

4) Was spricht gegen einen Schuldenschnitt?

5) Was bedeutet ein Schuldenschnitt Griechenlands heute?

a) Was sind die Unterschiede bei einem Schuldenschnitt heute zu einem Ausfall 2010?
b) Haben sich die Hilfskredite an Griechenland bisher für die Eurozone gelohnt?
c) Welche Auswirkungen hätte ein Schuldenschnitt oder ein Ausfall Griechenlands aktuell?

6) Wie könnte eine Alternative zu einem Schuldenschnitt aussehen?

a) Wer zahlt bei einer Verlängerung des Kreditprogramms für wen?
b) Wie könnte eine Schuldenumstrukturierung gelingen?

7) Was spricht für einen Grexit?

8) Was spricht gegen einen Grexit?

9) Welche Auswirkungen hätte ein Grexit heute?

10) Wie ist die griechische Krise innerhalb der Finanzkrise zu verorten?

11) Wie könnten Auswege aus der verfahrenen Situation aussehen?

a) Wie kann das aktuelle Liquiditätsproblem Griechenlands gelöst werden?
b) Wie können die Kosten von Hilfsmaßnahmen bzw. der Schaden möglichst gering gehalten werden?
c) Welche Rolle kann die Geldpolitik der EZB bei der Überwindung der Krise spielen?
d) Welche Anpassungen in der Eurozone könnten Griechenland helfen?
e) Wie kann die Konjunktur in Griechenland belebt werden?

12) Ist die Eurozone gerettet, wenn Griechenland gerettet ist?

FAQ zur Griechenland-Krise:

1) Was hat die Situation in Griechenland ausgelöst?

a) Sind die griechischen Regierungen der Vergangenheit schuld an der aktuellen Situation in Griechenland?

Ja und nein. In Griechenland gab es bereits vor 2010 erhebliche Versäumnisse, die zwar durch die Gemeinschaftswährung begünstigt wurden, allerdings in der Verantwortung der damaligen griechischen Regierungen lagen. Ebenso wurden nach 2010 zahlreiche Fehler begangen, die von den griechischen Regierungen mit zu verantworten sind. Ab diesem Zeitpunkt spielte für die Fehlentwicklung des Landes jedoch auch eine ziemlich erfolglose Rettungspolitik, welche Dynamiken der Währungsunion verkannte und damit zum Teil eine tiefgehende Rezession beförderte, eine nicht unerhebliche Rolle.

b) Ist die Gemeinschaftswährung schuld an der Krise in Griechenland?

Die Gemeinschaftswährung hat die Verschuldung Griechenlands und auch die Auseinanderentwicklung der Wettbewerbsfähigkeit in der Eurozone begünstigt. Dies gilt auch für Fehlentwicklungen in anderen Ländern, z.B. für die Immobilienblase in Spanien. Dennoch hätten die griechischen oder spanischen Regierungen durchaus gegensteuern können, weshalb die Gemeinschaftswährung für sich alleine genommen nicht die Ursache der Eurokrise ist.

c) Ist die Austeritätspolitik schuld an der aktuellen Situation?

Nicht nur in Griechenland, sondern insgesamt hat der einseitige Spar- und Kürzungskurs die Krise in der Eurozone vor allem durch das Fehlen ausgleichender Investitionsimpulse mehr verstärkt als abgemildert. Jedoch handelt es sich bei der Austeritätspolitik eher um eine unglückliche Reaktion auf die durch das Auseinanderlaufen von Wettbewerbsfähigkeit und Bonität vorhandene Eurokrise im Jahr 2010. Die Austeritätspolitik hat damit zwar vor allem in Griechenland die Krise durch ihre Einseitigkeit und Überdosierung verstärkt, sie hat sie aber nicht primär verursacht.

d) Ist die fehlende politische Integration innerhalb der EU schuld an der Situation?

Die mangelnde politische Integration macht sich im europäischen Binnenmarkt deutlich bemerkbar, weil z.B. durch Steuerdumping, Lohndumping oder Umweltschutzdumping Standortvorteile innerhalb der EU geschaffen werden können. Zwar beschränkt sich diese Problematik nicht nur auf den Euro-Raum, dennoch trägt die fehlende politische Integration damit auch zur aktuellen Situation in Griechenland bei. Daneben können sich durch solche Gestaltungen, die z.B. auf Wettbewerbsvorteile im Bereich des Lohns abzielen, jene Größen auseinanderentwickeln, bei denen eigentlich eine Konvergenz für das Funktionieren der Währungsunion notwendig wäre, wie z.B. bei den Lohnstückkosten.

e) Ist die Bankenrettung schuld an der Krise in Griechenland?

Speziell in Griechenland hat die erste Bankenrettung in der Zeit der Bankenkrise von 2008/2009 einen kleineren Anteil an der krisenhaften Situation. Anders als vor allem im Falle Irlands, das erhebliche Summen zur Bankenrettung aufbringen musste, lagen die Ursachen für die enormen griechischen Haushaltsdefizite und Schulden zu einem großen Teil in Griechenland selbst.
Im Verlauf der Griechenlandkrise von 2010 setzte jedoch durch die Hilfsmaßnahmen zum Teil eine erneute Bankenrettung ein. So wurde von den mehreren hundert Milliarden Euro an Griechenlandhilfen nur ein kleinerer Teil zur Überbrückung von Haushaltsdefiziten eingesetzt, während ein weit größerer Teil für die Rückzahlung der griechischen Verbindlichkeiten und damit einer Gläubigerrettung aufgewendet wurde. Allerdings kann für jene Hilfskredite, die in die Bankenrettung flossen, festgestellt werden, dass sie keinerlei Schaden für Griechenland verursacht haben. Ob die an Griechenland vergebenen Kredite durch einen Schuldenschnitt abgeschrieben werden oder ob der Rest der Eurozone die Ablösung der alten Kredite durch neue Hilfskredite übernimmt, macht für Griechenland kaum einen Unterschied und, gesamtwirtschaftlich betrachtet wie unter Punkt 2c), noch nicht mal für die Eurozone.

2) Warum wurden 2010 die griechischen Gläubiger durch Hilfskredite an Griechenland geschützt?

a) War die Griechenland-Hilfe eine verdeckte Bankenrettung?

Zu einem großen Teil war sie das, zu einem kleineren Teil auch nicht, denn tatsächlich wurden auch die Haushaltsdefizite der Jahre 2010 bis heute mitfinanziert. Daneben wurden durch einen teilweisen Schuldenschnitt auch die bisherigen Gläubiger beteiligt, wodurch die Bankenrettung zumindest ein wenig begrenzt wurde.

b) Warum wurden die Banken gerettet?

Nach den Erfahrungen des Zusammenbruchs von Lehman und der Tatsache, dass sich der Finanzsektor in der Eurozone 2010 noch immer in einer erheblichen Schieflage befand, wäre eine Pleite Griechenlands für die Stabilität des Finanzmarkts in der Eurozone gefährlich gewesen. Daneben wäre eine Staatspleite Griechenlands angesichts der Liquiditätskrise einiger Euro-Mitgliedsstaaten mit Gefahren für das gesamte Eurosystem verbunden gewesen. Die verdeckte Bankenrettung war daher mit Hinblick auf die Stabilisierung der Eurozone eine erfolgreiche Maßnahme der durchgeführten Krisenpolitik.

c) Hat die Bankenrettung Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Situation in Griechenland oder der Eurozone?

Für Griechenland ist es relativ unerheblich, ob es seinen Schuldendienst aufgrund eines Schuldenschnitts oder wegen einer Zwischenfinanzierung z.B. durch den ESM zurzeit nicht leisten muss. Etwas größeren Einfluss hat die Rettung der Banken jedoch für die übrige Eurozone, weil durch die weitgehende Übernahme der Verbindlichkeiten die Gläubiger nicht mehr Banken oder Versicherungen, sondern nunmehr die Steuerzahler sind.
Im Gesamten betrachtet, macht dies aber einen deutlich kleineren Unterschied als man sich das zunächst denkt, weil zum Beispiel Banken ihre Verluste über die Jahre zu Lasten der Steuereinnahmen abschreiben würden. Für den Fiskus macht es insoweit also keinen Unterschied, ob er nun über die nächsten Jahre geringere Steuereinnahmen erzielt oder ob er zusätzliche Verbindlichkeiten trägt. Und auch für die Bürger macht es kaum einen Unterschied, ob sie nun dem Staat über Steuern oder den Banken über die Gebühren die Verluste ersetzen müssen, die bei einem endgültigen Ausfall Griechenlands entstehen.

3) Was spricht für einen Schuldenschnitt?

Für einen Schuldenschnitt spricht die Tatsache, dass für Griechenland die Verbindlichkeiten der Vergangenheit dann nicht mehr im Raum stehen. Griechenland könnte auf diese Weise eine verbesserte Perspektive haben, die sich auf die Konjunktur positiv auswirkt.

4) Was spricht gegen einen Schuldenschnitt?

Gegen einen Schuldenschnitt spricht die Tatsache, dass für Griechenland die Verbindlichkeiten der Vergangenheit dann nicht mehr im Raum stehen. Dies könnte Forderungen anderer Krisenländer aufwerfen und würde eine Ungerechtigkeit gegenüber jenen darstellen, die wie im Falle Irlands den erheblichen Druck durch die angehäuften Verbindlichkeiten zurzeit aushalten, oder jenen, die dann für die Schulden Griechenlands einspringen müssten, wie z.B. Deutschland.

5) Was bedeutet ein Schuldenschnitt Griechenlands heute?

a) Was sind die Unterschiede bei einem Schuldenschnitt heute zu einem Ausfall 2010?

Gegenüber dem Zustand von 2010 hat sich im Wesentlichen nur die Zusammensetzung der Gläubiger geändert und hinzugekommen sind noch ein paar griechische Defizite der letzten fünf Jahre, die in dieser Zeit aber zumindest kräftig zurückgegangen sind. Berücksichtigt man, dass, wie unter Punkt 2c) dargestellt, die Verschiebung bei den Gläubigern für die Mehrheit der Bürger nur eine geringe oder gar keine Auswirkung hat, weil z.B. Bankverluste auch wieder zu weniger Steuereinnahmen führen, dann hat sich für die Eurozone die Lage nur wenig verändert. Eine Pleite Griechenlands kostet die Bürger der an den Hilfspaketen beteiligten Länder Geld, weil dieses abgeschrieben werden muss.
Verändert hat sich allerdings die Situation in der Eurozone selbst. Heute hätte ein Schuldenschnitt zwar noch immer deutliche Konsequenzen, dennoch dürften diese nicht mehr ganz so gravierend sein wie noch 2010, als ein Ausfall Griechenlands zu massiven zusätzlichen Kosten, z.B. durch Bankenstützungsmaßnahmen im Rest der Eurozone, geführt hätte.

b) Haben sich die Hilfskredite an Griechenland bisher für die Eurozone gelohnt?

Ja! Bei einem Ausfall Griechenlands 2010 wären neuen Bankenrettungen notwendig geworden und auch die Krisenkosten für andere Krisenländer, z.B. Spanien oder Portugal, wären noch einmal erheblich angestiegen, weil das Vertrauen in die Eurozone dann gänzlich erschüttert gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund hat das Verschieben des Schuldenschnitts auf einen späteren Zeitpunkt der Eurozone deutlich Kosten erspart, die weit über das Volumen der Staatsverschuldung Griechenlands hinausgegangen wären. Somit haben sich die Hilfskredite, für die nicht viel mehr als Bürgschaften notwendig waren und die dann zu einem großen Teil wieder zurück in den europäischen Finanzsektor flossen, tatsächlich gelohnt.

c) Welche Auswirkungen hätte ein Schuldenschnitt oder ein Ausfall Griechenlands aktuell?

Würde Griechenland heute Ausfallen, hätte dies zunächst Auswirkungen auf die Hilfskredite, die dann uneinholbar verloren sind, was für die Staatsschulden Griechenlands allerdings auch schon 2010 bei einem Staatsbankrott gegolten hätte.
Zusätzlich könnte eine Staatspleite heute aber auch noch insoweit Auswirkungen haben, als dann Spekulation um das nächstschwächere Glied in der Euro-Kette wieder entflammen könnten, zumal gerade bei der Schuldenentwicklung und den Zinsdivergenzen in der Eurozone noch immer stabilisierende Maßnahmen fehlen. Daneben könnte die Währungsunion bei einem gleichzeitigen Euroaustritt Griechenlands einen neuerlichen Vertrauensverlust mit negativen Folgen für alle Euroländer erleiden.

6) Wie könnte eine Alternative zu einem Schuldenschnitt aussehen?

a) Wer zahlt bei einer Verlängerung des Kreditprogramms für wen?

Wenn Griechenland zurzeit z.B. die Kredite gegenüber dem IWF bedient, dann zahlt es diese mit Finanzmitteln aus Hilfsprogrammen zurück. Allgemein gesprochen, zahlt der ESM (bzw. die EFSF) damit an den IWF und auch an andere private Gläubiger Griechenlands. Führt man die Schuldenumstrukturierung über den ESM weiter fort, dann zahlt irgendwann der ESM über den Umweg Griechenland an sich selbst. Bei einer vollständigen Finanzierung durch die Geberländer hätte dann sogar die Höhe der Zinssätze keinerlei Einfluss mehr auf deren Finanzsituation, weil das Geld damit, bildlich gesprochen, nur aus der linken in die rechte Hosentasche wandern würde. Deutschland bürgt für den ESM, der sich das Geld z.B. bei einer deutschen Bank leiht und dieses an Griechenland weiterreicht, welches mit dem Geld dann wieder die Kredite des ESM samt Zinsen bedient und der ESM kann damit wieder seine Gläubiger, z.B. eine deutsche Bank, auszahlen. Ein Nullsummenspiel.

b) Wie könnte eine Schuldenumstrukturierung gelingen?

Auch wenn es sich um einen Art Taschenspielertrick handelt, sollte dieser Weg gegangen werden, solange sich Griechenland in der Restrukturierungsphase befindet. Wird beim ESM vorerst auf eine Tilgung verzichtet und wird ein geringer Zinssatz gewählt, der, wie unter Punkt 6a) dargestellt, auf die Gesamtsituation eigentlich keinen Einfluss hat, dann steigen die Verbindlichkeiten Griechenlands gegenüber dem ESM entsprechend langsam an. Gelingt es gleichzeitig, den Haushalt Griechenlands so zu gestalten, dass der Primärüberschuss ausreicht, um die Zinsforderungen der privaten Gläubiger zu bedienen, könnte damit kurz- bis mittelfristig die teilweise Schuldentragfähigkeit Griechenlands abgesichert werden.
Wie zu einem späteren Zeitpunkt mit den ESM-Verbindlichkeiten umgegangen wird, kann dann zum Beispiel von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig gemacht werden. Gelingt es, über Konvergenzprogramme der EU und über die richtigen Reformen in Griechenland die Konjunktur zu beleben, würde bei einem nominalen Wachstum (reales Wachstum plus Inflation), das über dem durchschnittlichen Zinssatz liegt, die Verschuldung sinken.

7) Was spricht für einen Grexit?

Für einen Grexit spricht die Möglichkeit, durch Währungsanpassungen die Fehlentwicklungen bei der Lohnauseinanderentwicklung leicht auf einen Schlag lösen zu können. Vor allem im Bereich Tourismus könnte dieser Ansatz schnell zu Erfolg führen, weil damit die Preise durch einen günstigeren Wechselkurs für Touristen aus aller Welt attraktiver werden. Daneben ist innerhalb des Euro eine solche Anpassung nur über einen längeren Prozess möglich, der auch Veränderungen in Ländern mit einer niedrigeren Lohnstückkostenentwicklung, z.B. in Deutschland, erfordert.

8) Was spricht gegen einen Grexit?

Gegen einen Grexit spricht zunächst, dass dieser gegen den Willen Griechenlands nur schwierig zu vollziehen ist. Daneben dürfte die schnelle Anpassung der Währung an das für das Land angemessene Niveau verheerende Folgen für Griechenland haben.
Alle Importwaren würden sofort erheblich teurer, während z.B. eine Belebung der heimischen landwirtschaftlichen Produktion erst mit Verzögerung erfolgen würde. Zahlreiche weitere wichtige Importgüter, seien es Autos und Öl, Medizin und Maschinen oder Chemieprodukte, wie z.B. Düngemittel, würden für die Griechen erheblich teurer.
Daneben dürften auch die Unternehmen schneller pleitegehen als sie wettbewerbsfähig werden. Sofern nämlich die Verbindlichkeiten der Unternehmen in Euro beibehalten werden, gleichzeitig aber die Umsätze jener griechischen Anbieter, die stark auf das Inland ausgerichtet sind, mit der Währungsabwertung massiv einbrechen, müssen die Unternehmen reihenweise Insolvenz anmelden. Auch Unternehmen, die einen hohen Aktivbestand z.B. bei Aktien oder Immobilien halten, droht bei der außerordentlichen Abschreibung auf die dann in griechischer Währung bewerteten Vermögenswerte die Insolvenz. Aber nicht nur Unternehmen, sondern auch jene griechischen Privatpersonen, die einen Kredit in Euro aufgenommen haben, z.B. für ein Haus, werden diesen in vielen Fällen bei einem Verfall der in Landeswährung gerechneten Einkommen nicht mehr bedienen können. Damit drohen Privatinsolvenzen, Unternehmenspleiten und Bankenpleiten, weshalb es bei einem Verlassen der Währungsunion vermutlich nicht zu der angestrebten Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit kommt, sondern, vielleicht mit Ausnahme der Tourismusbranche, zu einem weiteren großflächigen Absturz der griechischen Wirtschaft.
Daneben würden bei einem Grexit aber auch alle Unternehmensinvestitionen aus dem Ausland, z.B. Filialen oder Tochterunternehmen, nur noch einen Bruchteil ihres Wertes darstellen oder wären in manchen Fällen sicherlich gar nichts mehr wert, wenn z.B. aufgrund der zurückgehenden Umsätze (in Euro gerechnet) mit den Investitionen künftig keine Gewinne mehr eingespielt werden können.

9) Welche Auswirkungen hätte ein Grexit heute?

Geht man davon aus, dass das unter Punkt 8) dargestellte Szenario, also ein weiterer Absturz, die Folge ist, wäre dies ein verheerendes Zeichen für die EU im Ganzen und die Eurozone im Speziellen. Neben der dann aufkommenden Frage, ob damit insgesamt der Euro oder vielleicht sogar die EU gescheitert sind und den daraus möglicherweise resultierenden Spekulationen, müsste auch ein erheblicher ökonomischer Schaden getragen werden. So müssten im Falle eines Grexits Abschreibungen auf die Staatsschulden, auf die Verbindlichkeiten der griechischen Notenbank sowie auf sonstige ausländische Kredite oder Investitionen vorgenommen werden, womit sich die Gesamtsumme der dann notwendigen Abschreibung im Bereich von mehreren hundert Milliarden Euro bewegt.

Unterstellt man hingegen, dass Griechenland nach einem Grexit , wie unter Punkt 7) dargestellt, wieder auf die Beine kommt, könnten sich dann auch andere Mitglieder für einen solchen Weg interessieren, der am Ende natürlich immer darauf hinausläuft, dass die Kosten eines Austritts von den verbleibenden Euro-Mitgliedern getragen werden müssen.
Es besteht bei einem Austritt also das Dilemma, dass entweder nicht genügend abgeschrieben und geholfen wird und in der Folge Griechenland von seinem jetzigen Niveau noch weiter abstürzt oder in ausreichendem Maß abgeschrieben und geholfen wird und Griechenland ein Neustart gelingt, wodurch ein Nachahmer-Effekt entstehen könnte.

10) Wie ist die Griechische Krise innerhalb der Finanzkrise zu verorten?

Teilt man die Finanzkrise in Banken- und Eurokrise ein, dann ist Griechenland im Wesentlichen von der Eurokrise betroffen und als schwächstes Glied in der Kette der Euro-Staaten ist es das am stärksten betroffene Land. Für die Eurozone liegen allerdings weit größere Risiken in Italien oder bei der Arbeitslosigkeit von über 20% auch in Spanien. Für sich alleine genommen ist Griechenland bezogen auf die Eurokrise wegen seiner Größe also ein kleineres Problem.
Allerdings dürfte die Entwicklung in Griechenland dennoch einen erheblichen Einfluss darauf haben, als wie sicher und stabil die Eurozone künftig empfunden wird. Gerade vor dem Hintergrund anderer großer Gefahren für die Eurozone, könnte ein negativer Ausgang in Griechenland damit durchaus heftige Folgen für die Währungsunion im Gesamten haben.

11) Wie könnten Auswege aus der verfahrenen Situation aussehen?

a) Wie kann das aktuelle Liquiditätsproblem Griechenlands gelöst werden?

Das aktuelle Liquiditätsproblem besteht vor allem darin, dass Griechenland noch immer zahlreiche Gläubiger neben dem ESM bedienen muss. Nachdem die ESM-Kredite lange laufen und auch eine günstige Verzinsung vorgesehen ist, kann hier nicht mehr viel unternommen werden. Allerdings könnte der ESM mit einem Bruchteil seiner bisherigen Hilfsleistungen die Refinanzierung, z.B. bis zum 31.12.2016, sicherstellen. Würde eine solche Kreditleistung an die Rückzahlungszeitpunkte geknüpft, könnte aus Sicht der Geldgeber auch eine Zweckentfremdung ausgeschlossen werden. Zusätzlich könnte mit günstigen Konditionen, z.B. einem Zinssatz von 1% und weitgehender Stundung, die durchschnittliche Zinslast und Liquiditätsbelastung für Griechenland gesenkt werden.
Wäre die Rückzahlung der Kredite bis Ende 2016 abgesichert und würde Griechenland einen Primärüberschuss erwirtschaften, mit dem es die Zinsen der verbleibenden privaten Gläubiger bedienen kann, wäre die Liquidität vorerst auf niedrigem Niveau gesichert. Daneben würden sich durch die Stundungsmodalitäten und die günstigen Konditionen des ESM mit der Zeit Spielräume ergeben, die zur Belebung der Konjunktur genutzt werden können, wodurch das Liquiditätsproblem am nachhaltigsten beseitigt würde.

b) Wie können die Kosten von Hilfsmaßnahmen bzw. der Schaden möglichst gering gehalten werden?

Wie unter Punkt 6a) dargestellt, macht es in der jetzigen Situation wenig Unterschied, ob die Rückzahlung verschoben wird oder ob Griechenland Geld für die Rückzahlungen zur Verfügung gestellt wird. Lediglich ein endgültiger Verzicht auf die Rückzahlung, also ein Schuldenschnitt, würde sofortige Kosten verursachen, die ansonsten durch günstige Zinskonditionen an Griechenland erst über Jahre verteilt entstehen würden. Um Folgekosten möglichst gering zu halten, sollte daher nicht auf einen Schuldenschnitt, sondern auf eine möglichst lange Verteilung und eine Kreislösung mit geringer Verzinsung gesetzt werden. Hierdurch könnte bei einer Konjunkturbelebung in Griechenland zumindest ein Teil der Summe recht einfach wieder in den regulären Schuldendienst integriert werden.
Um die politischen und ökonomischen Kosten möglichst gering zu halten, sollte daneben auf einen Ausstieg Griechenlands aus der Währungsunion verzichtet werden.

c) Welche Rolle kann die Geldpolitik der EZB bei der Überwindung der Krise spielen?

Insgesamt wird durch die Geldpolitik der EZB das Zinsniveau für Staatsanleihen äußerst niedrig gehalten, wodurch Spielräume bei der Überwindung der Verschuldungsproblematik entstehen. Daneben führt die Abwertung des Euro zu Preisvorteilen im Standortwettwebwerb, die zum einen zu einer Belebung der Konjunktur beitragen können und die zum anderen genutzt werden könnten, um Konvergenzmaßnahmen in wettbewerbsstarken Euro-Staaten abzufedern.

d) Welche Anpassungen in der Eurozone könnten Griechenland helfen?

Kernursachen der Eurokrise waren Divergenzen bei der Wettbewerbsfähigkeit und der Bonität. Maßnahmen außerhalb Griechenlands, die zu einer Konvergenz innerhalb der Eurozone führen, helfen Griechenland daher automatisch und Spielräume für solche Maßnahmen gibt es aktuell durch die EZB-Politik. Im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit könnten somit z.B. in Deutschland über die nächsten fünf Jahre Reallohnsteigerungen um die 2,0% und ein Inflationsziel von 2,5 – 3,0% angestrebt werden, ohne an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, weil der Euro von der EZB zurzeit schwach gehalten wird.
Daneben könnten ausgleichende Maßnahmen dort helfen, wo Unterschiede über Konvergenzprogramme nur langsam abgebaut werden oder konjunkturelle Unterschiede bestehen. Ausgleichzahlungen bei hoher Arbeitslosigkeit würden neben anderen Krisenländern besonders auch Griechenland nutzen, während ein Zinsausgleich durch die jetzt schon zum Teil günstigen Konditionen für Hilfskredite, kaum einen Nutzen für Griechenland hätte, dafür allerdings für Italien, Spanien, Irland oder Portugal.

e) Wie kann die Konjunktur in Griechenland belebt werden?

Lässt man einen Zinsausgleich oder einen Arbeitslosenausgleich, also Transferzahlungen, die eine tiefergehende politische Integration erfordern, beiseite, könnte eine Konjunkturbelebung folgende Bestandteile haben. Mit Hilfe eines Refinanzierungsprogramms, wie unter Punkt 6a) angesprochen, könnten die Liquiditätsprobleme bis Ende 2016 beseitigt werden. Gleichzeitig kann auch schon in der aktuellen Struktur der Währungsunion auf eine Anpassung, im Sinne einer Stärkung der Binnennachfrage in den wettbewerbsstarken Staaten, gesetzt werden. Hiermit sollte ein gutes Fundament gelegt sein, so dass dann die Frage ist, wie schnell und wie erfolgreich die neue griechische Regierung bei der Umsetzung der notwendigen Reformen ist.
Gelingt es zügig, die Steuerverwaltung und Kontrolle in einen adäquaten Zustand zu bringen, daneben auch EU-Fördergelder für Investition abzurufen und durch Privatisierungen sowohl Investitionen ins Land als auch Verkaufserlöse in den Staatshaushalt zu bringen, erscheint ein kleiner Primärüberschuss noch für 2015 möglich. Hierfür muss aber in den nächsten ein, zwei Wochen die Zeit der Ungewissheit für Griechenland vorbei sein, so dass die Tourismus-Saison voll ausgeschöpft werden kann. Würde sich auf diese Weise für 2015 zumindest eine schwarze Null vor Zinsen ergeben, würden automatisch für 2016 neue Spielräume entstehen.

12) Ist die Eurozone gerettet, wenn Griechenland gerettet ist?

Die Hauptprobleme in der Eurozone liegen in den drei Ländern Frankreich, Spanien und Italien. Frankreich droht in eine erhebliche Schieflage zu geraten, wenn die Konjunktur in der Eurozone oder die Weltkonjunktur nicht kräftig anzieht und nach beidem sieht es nicht aus. Italien ist bei stagnierender Wirtschaft und wachsendem Schuldenberg schon längst schwer angeschlagen und auch in Spanien geht es nur in Minischritten aus der Talsohle heraus und auch dies noch immer nur zum Preis wachsender Schulden. Selbst wenn Griechenland vorerst gerettet wird, ist die Eurokrise also noch lange nicht gelöst.


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Der fatale Mechanismus der Austeritätspolitik in der Eurokrise https://www.mister-ede.de/politik/mechanismus-der-austeritaet/3622 https://www.mister-ede.de/politik/mechanismus-der-austeritaet/3622#comments Fri, 06 Feb 2015 12:17:20 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3622 Weiterlesen ]]> Als sich nach der Banken- und Finanzmarktkrise die Eurokrise entwickelte und sowohl Liquiditätsprobleme entstanden als auch die Auseinanderentwicklung der Wettbewerbsfähigkeit in der Eurozone offensichtlich wurde, reagierten die politischen Akteure der Euro-Staaten 2009 mit einem fatalen Austeritätskurs. Dieser Kurs beschränkte sich dabei allerdings nicht nur auf Irland und Griechenland, die im Gegenzug für Hilfskredite verschiedene Auflagen erfüllen mussten, sondern sollte genauso z.B. in Spanien, das zunächst keine Finanzhilfen benötigte, umgesetzt werden oder auch z.B. in Frankreich, an dessen Spitze damals noch Sarkozy stand.

Wieso diese Austeritätspolitik?

Die unterschiedliche Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit, die durch das Fehlen einer koordinierten Wirtschaftspolitik in der Eurozone begünstigt war, hat erheblich zur Eurokrise beigetragen. Es war daher durchaus ein richtiger Ansatz, auf eine Wiederannäherung der Wettbewerbsfähigkeit hinzuwirken. Nachdem aber in einer Währungsunion nicht geldpolitisch reagiert werden kann, also z.B. eine Lohnsenkung durch eine Abwertung der Währung ausgeschlossen ist, kann nur eine realwirtschaftliche Angleichung stattfinden. Weil jedoch eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität nicht eben mal von einer Regierung durchgesetzt werden kann und auch eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit durch Strukturreformen meistens eher langsam gelingt, bleibt im Wesentlichen nur noch die Annäherung der Lohnkosten. Hierfür gibt es allerdings zwei Möglichkeiten, zum einen den Weg über steigende Löhne in den wettbewerbsstarken Euro-Staaten und zum anderen den Weg über sinkende Löhne, oder auch niedrigere Sozialabgaben, in den wettbewerbsschwachen Ländern der Eurozone.

Aus verschiedenen Gründen, in Deutschland z.B. unter anderem wegen einer sehr ausgeprägten Angst vor einem schwachen Euro, wurde die zweite Variante der Lohnkostenannäherung gewählt, also die Anpassung der Lohnkosten in den Euro-Staaten mit schwacher Wettbewerbsfähigkeit. Zu dieser Entscheidung beigetragen haben dürfte aber auch ein neoliberaler Zeitgeist, nach dessen Logik sich im Wettbewerb stets der Verlierer am Gewinner orientieren muss, selbst wenn dieser nur mit Hilfe unfairer Mittel gewonnen hat. Diese Denkweise führt dazu, dass die fatalen Kürzungen geradezu als alternativlos erscheinen und gar nicht erst nach Lohn-, Steuer- oder Sozialdumping der wettbewerbsfähigeren Staaten gefragt wird. Genauso wird nach diesem Ansatz das starke Auseinanderlaufen der Zinsen in der Eurozone nicht als Problem der Währungsunion erkannt, sondern als üblicher Marktprozess, auf den die Verlierer mit strikter Haushaltsdisziplin zu reagieren haben. Und so führten der Wunsch nach einem starken Euro und der neoliberale Zeitgeist auf direktem Weg zur alternativlosen Austeritätspolitik.

Der fatale Mechanismus der Austeritätspolitik:

Geht man davon aus, dass die wettbewerbsstarken Euro-Staaten das Maß sind, nach dem sich der Rest zu richten hat, und Anpassungen zu einem großen Teil nur über den Lohn möglich sind, dann müssen folgerichtig in den Krisenstaaten die Lohnkosten gesenkt werden. Auch eine Reduktion der Sozialabgaben, z.B. durch Leistungskürzungen bei der Rente oder im Gesundheitswesen, ist nach dieser Logik sinnvoll. Daneben müssen mit derselben Begründung aber auch die Staatsausgaben zurückgefahren werden, damit sich die Haushaltsdefizite reduzieren und die Bonität, bzw. die Wettbewerbsfähigkeit an den Finanzmärkten, gesteigert wird.

Das Fatale hieran: Gehen Unternehmen davon aus, dass im nächsten Jahr quer durch die Bevölkerung weniger Einkommen für den Konsum zur Verfügung steht, werden diese versuchen, sich auf eine Rückgang des Umsatzes einzustellen, z.B. durch das Verschieben von Investitionen, durch Entlassungen oder Lohnkürzungen. Besonders fatal war deshalb auch, dass die Austeritätspolitik gleichzeitig in zahlreichen Ländern der Eurozone umgesetzt wurde, wodurch auch wesentliche Märkte außerhalb des jeweils betrachteten Krisenlands für die dort ansässigen Unternehmen weggebrochen sind und somit keine Kompensation möglich war.
Nachdem die Krisenstaaten sowieso schon durch die vorausgegangene Bankenkrise eine schwere Rezession erlebt hatten und zahlreiche Unternehmen unterausgelastet waren, wurde mit der Austeritätspolitik, die keinerlei Wachstums- oder Investitionsimpulse setzte, schlussendlich jede Perspektive auf eine einigermaßen zügige Erholung vernichtet. Anstelle der Aussicht auf zusätzliche Exporte, dominierte die Angst vor weiteren Umsatzrückgängen und statt zu einer Belebung der Wirtschaften der Krisenstaaten aufgrund niedrigerer Lohnkosten, führte der Austeritätskurs zu einem Einbruch der Binnennachfrage wegen gesunkener Einkommen.

Die Folgen der Austeritäspolitik:

Die Folge des fatalen Mechanismus, der durch die Austeritätspolitik ausgelöst wurde, war nicht die angestrebte Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, sondern eine massive Rezessionsspirale in den Krisenstaaten. Steigende Arbeitslosigkeit und sinkende Löhne, Renten und Sozialleistungen führten zu einem Nachfrageeinbruch und niedrigeren Preisen, was beides weitere Umsatz- und Gewinnrückgänge nach sich zog, die wieder zu Stellenabbau, Unternehmenspleiten und weiter sinkenden Einkommen führten.
Während allerdings Preise und Wirtschaftsleistung der Krisenländer einbrachen, blieb der Nominalwert der Schulden sowohl bei normalen Bürgern, die einen Kreditvertrag haben, als auch bei Unternehmen oder den Staaten erhalten. Zusätzlich zur sowieso schon schweren Rezession musste daher auch ein relativ zur Wirtschaftsleistung steigendes Gewicht dieser Schuldenlast verkraftet werden, auch wenn dies durch einen Rückgang des Zinsniveaus durch die EZB-Politik für den Moment weitestgehend ausgeglichen wird.

Die Fehler der Austeritätspolitik:

Es wird immer wieder die Parallele zu Deutschland und den Hartz-IV-Reformen gezogen, allerdings ist dieser Vergleich nicht ganz treffend. Zwar hatte Deutschland zum Teil nur minimal steigende Nominallöhne vorzuweisen, allerdings ist eben auch eine kleine Nominallohnsteigerung noch kein Rückgang. Es war ein Fehler dies bei der Austeritätspolitik nicht ausreichend zu berücksichtigen und am Ende hat es maßgeblich zu der Problematik der Rezessionsspiralen in diesen Ländern beigetragen.
Ein weiterer Fehler war es, die Wechselwirkungen der Wettbewerbsfähigkeit nicht zu berücksichtigen. Nachdem es sich hier um eine Relation zu anderen Ländern handelt, können nicht alle Volkswirtschaften gleichzeitig wettbewerbsfähiger werden. Deutschland hatte also Anfang des Jahrtausends den Vorteil, dass die Lohnzurückhaltung auch tatsächlich dann zu einer deutlichen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit führte. Wenn heute allerdings in zahlreichen Krisenstaaten gleichzeitig versucht wird, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, fällt dieser Effekt natürlich deutlich geringer aus, weil z.B. Portugal durch eine Lohnzurückhaltung nichts gegenüber Spanien gewinnen kann, das ja ebenfalls diesen Kurs fährt.
Ein dritter Fehler war es, keinerlei Investitions- oder Wachstumsimpulse zu setzen, um eine Rezessionsspirale zu verhindern. Wenn die Binnennachfrage erkennbar wegbricht und auch die wesentlichen Exportmärkte bei EU-Nachbarn schrumpfen, dann sollte das der Zeitpunkt sein, an dem über staatliche Intervention nachgedacht wird. Mit Verweis auf das Spar- und Kürzungsprogramm wurde dies allerdings unterlassen, wodurch sich die ökonomische Krise in Ländern wie z.B. Spanien oder Portugal voll entfalten konnte.


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Fehlannahmen zu Griechenland und den Folgen der Griechenland-Wahl https://www.mister-ede.de/politik/fehlannahmen-griechenland/3502 https://www.mister-ede.de/politik/fehlannahmen-griechenland/3502#comments Thu, 22 Jan 2015 17:50:37 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3502 Weiterlesen ]]> Zurzeit kursieren in Deutschland drei große Fehlannahmen rund um die griechische Wirtschaftsituation und die Folgen der Griechenland-Wahl.

Zunächst ist es eine Mär, dass Griechenland aus dem Euro ausscheiden will. Weder Syriza noch sonst eine politische Kraft in Griechenland will den Euro verlassen, weil diese Währung für Griechenland große Vorteile bietet. Nicht nur der Staat, sondern auch die Unternehmen können mit Hilfe des bislang harten Euro zum Beispiel Vorprodukte beziehen oder sich in dieser Währung finanzieren, ohne dass Anleger Angst vor Währungsverlusten haben müssen. Selbst wenn der Euro für Griechenland an anderer Stelle ungünstig ist, hat Griechenland mit dem Euro einen großen Standortvorteil z.B. gegenüber der Türkei, den die wenigsten aufgeben wollen. Insofern wird Griechenland nicht aus dem Euro ausscheiden, solange nicht die übrigen Euro-Staaten ihrerseits versuchen, das Land aus der Gemeinschaftswährung heraus zu drängen.
Eine zweite Fehlannahme ist, dass die Staatsschulden das größte Problem Griechenlands darstellen. Tatsächlich sind diese zwar weit aus dem Ruder gelaufen, aber aufgrund der aktuellen Niedrigzinspolitik sowie der Akzeptanz griechischer Staatsanleihen als Sicherheiten durch die EZB und ihre Bereitschaft zum Aufkauf von Staatsanleihen, hält sich die griechische Zinslast, die aus den massiven Schulden resultiert, noch in Grenzen. Das weit größere Problem für Griechenland ist die relative Perspektivlosigkeit sowie die mangelnde Bereitschaft der starken Euro-Mitgliedsstaaten durch Reallohnsteigerung das Preisniveau deutlich anzuheben. Solange sich nichts an dieser Situation ändert, wird Griechenland mit oder ohne Schuldenschnitt zwischen Rezession und Deflation umher taumeln, weshalb die Schulden für sich alleine genommen eher ein nachrangiges Problem darstellen.
Kommt es allerdings zu Diskussionen über einen Schuldenschnitt oder über zusätzliche Hilfsgelder für Griechenland, dürfte es sich um eine weitere Fehleinschätzung handeln, wenn davon ausgegangen wird, dass sich solche Auseinandersetzungen dann auf Griechenland begrenzen lassen. Fraglich ist z.B., ob Irland ohne Zugeständnisse bereit wäre, einen Schuldenschnitt oder ein Hilfsprogramm für Griechenland mitzutragen. Aber auch Zypern, Portugal oder Spanien könnten Erleichterungen, z.B. Investitionshilfen, einfordern. Umgekehrt wäre es aber auch denkbar, dass Länder, wie z.B. Frankreich oder Italien, mit Verweis auf die heimische Wirtschaftssituation neuerliche Hilfen verweigern.

Berücksichtigt man alle drei Fehlannahmen, dann tritt Griechenland bei einem Regierungswechsel einfach aus dem Euro aus und erhält bei der Rückzahlung der Staatsschulden etwas mehr Zeit. Lässt man diese Fehleinschätzungen aber beiseite, muss im Falle eines Regierungswechsels in Griechenland in den nächsten Monaten eine für die gesamte Eurozone tragfähige Lösung gefunden werden oder Griechenland droht durch einseitige Maßnahmen, z.B. durch einen Zahlungsstopp, die Eurozone in Schieflage zu bringen.


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Europa-Wahlkampf der Scheinthemen https://www.mister-ede.de/politik/wahlkampf-der-scheinthemen/2567 https://www.mister-ede.de/politik/wahlkampf-der-scheinthemen/2567#comments Tue, 20 May 2014 17:15:16 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=2567 Weiterlesen ]]> Am nächsten Wochenende ist Europawahl und es gäbe reichlich über die Probleme und Herausforderungen der EU zu debattieren. Die Integration der Neu-Mitglieder läuft bei weitem nicht reibungslos und in einzelnen Mitgliedsländern gibt es erhebliche Probleme bei Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Eine gemeinsame Außenpolitik ist genauso weit entfernt wie gemeinsame Datenschutzstandards und in vielen Bereichen wie der Unternehmenssteuer steht die Konkurrenz der Nationalstaaten dem europäischen Gemeinwohl im Weg.
Auch die Flüchtlingsdramen an den EU-Außengrenzen zeigen diese fehlende Bereitschaft der nationalen Regierungen, die gemeinsamen europäischen Probleme über die eigenen Landesgrenzen hinaus zu betrachten. Dazu kommt in der Eurozone noch ein gemeinsamer Währungsraum mit einem Konstruktionsfehler, weil die notwendige stärkere wirtschaftspolitische Koordination, mit der das Fehlen geldpolitischer Instrumente ausgeglichen werden kann, ausgeblieben ist.

Doch anstatt solche großen Themen, ob nun die Finanzkrise, die digitale Massenüberwachung oder den Tod tausender Flüchtlinge, auf die Agenda zu setzen, befindet sich die europäische Politik viel mehr in einem Wahlkampf über Scheinthemen.
Beispielhaft ist die Diskussion über einen gemeinsamen europäischen Spitzenkandidaten. Damit der Kommissionspräsident nicht mehr von den Staats- und Regierungschefs im Hinterzimmer ausgekungelt wird, werden dem Wähler jetzt fünf Spitzenkandidaten vorgesetzt, die zuvor von den Parteigremien ausgekungelt wurden. An der Wesentlichkeit dieser Neuerung habe ich zumindest meine Zweifel.

Aber auch bei anderen Themen wie einem europäischen Mautsystem oder der Umstellung der Auslandsprogramme für Schüler und Studenten handelt es sich meines Erachtens in Anbetracht der großen Herausforderungen an anderer Stelle um Nebensächlichkeiten.
Anstelle einer breiten Debatte über die Auswüchse des Wirtschaftslobbyismus, gerade auch im Zusammenhang mit den Geheimverhandlungen zum Freihandelsabkommen mit den USA, wird eine wie auch immer geartete Entbürokratisierung zum Wahlkampfthema. Die Frage ist doch aber nicht, ob die eine oder andere Entscheidung wieder in nationalen Parlamenten getroffen wird, sondern wie demokratisch, frei und transparent jene Politik ist, die am Ende in Brüssel oder Straßburg gemacht wird.

Ebenso habe ich beim Thema Finanzkrise das Gefühl, dass sich viele europäische Parteienfamilien zurzeit lieber mit dem bauen Potemkinscher Dörfer als den Realitäten wirtschaftlicher und sozialer Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone und den Folgen beschäftigen.
Anstatt die Massenarbeitslosigkeit in Südeuropa zu thematisieren, wird allseits die Rückkehr einiger Krisenländer an die Finanzmärkte als Fortschritt gefeiert. Ich stimme zwar zu, dass auch die Staatsschulden eine Debatte wert sind, allerdings entscheidend ist doch nicht, wem die Länder Geld schulden, sondern wie viel Schulden die Länder insgesamt haben. Und bei einem Blick auf die Staatsschuldenquoten der Krisenländer von zum Teil weit über 100% wird vor allem in Kombination mit der schlechten realwirtschaftlichen Situation in jenen Ländern deutlich, dass es sich bei der Rückkehr an die Finanzmärkte lediglich um eine Art Scheinerholung handelt.

Genauso werden auch andere unangenehmen Themen, wie die Wahrheiten des Lohndumpings in Deutschland, des Steuerdumpings in diversen anderen Mitgliedsstaaten oder des Datenschutzdumpings im englischsprachigen EU-Raum, weitgehend ausgeklammert. Stattdessen darf dafür in keinem Statement und bei keiner Talk-Sendung zum Thema EU das Olivenkännchen und die Gurkenkrümmung fehlen.
Ich bin zwar auch der Überzeugung, dass für die Existenz der EU die Akzeptanz der Bürger zwingend erforderlich ist, allerdings sind doch nicht solche Geschichtchen für den Vertrauensverlust der EU in den letzten Jahren verantwortlich. Vielmehr schwindet das Vertrauen doch, weil viele EU-Politiker sich lieber mit solchen Scheinthemen beschäftigen als die tatsächlich vorhandenen Probleme offen zu benennen und entsprechende Lösungen zu präsentieren.


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Griechenland braucht keine Zeit, sondern eine Perspektive https://www.mister-ede.de/politik/griechenlands-perspektive/1270 https://www.mister-ede.de/politik/griechenlands-perspektive/1270#comments Fri, 28 Sep 2012 12:23:17 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=1270 Weiterlesen ]]> Im Moment fordert Griechenland mehr Zeit für die Strukturreformen und Sparprogramme [1]. Das ist aber aus meiner Sicht nicht der richtige Weg. Anstatt die Perspektivlosigkeit in die Länge zu ziehen, sollte Griechenland lieber zügig seine Restrukturierung umsetzen. Hierfür sollte Griechenland zusätzliche, vor allem organisatorische Unterstützung erhalten.
Zusätzlich muss aber endlich eine Perspektive geschaffen werden. Ein Land das seit Jahren in einen immer größeren Abgrund schauen muss, wird nicht dadurch aufstehen, dass der Zeitraum der Perspektivlosigkeit verlängert wird.
Es bedarf investiver Maßnahmen und Aufbauprogrammen für Griechenland, die endlich auch in die Tat umgesetzt werden. Eine Umsetzung in wenigen Monaten erschien mir von Anfang an unmöglich, aber nun sind wir im vierten oder fünften Krisenjahr. Es ist traurig mit anzusehen, wie halb Europa im Strudel mitgerissen wird, während unsere Regierung lediglich Banken rettet statt den Krisenstaaten effektiv zu helfen.
Weder die Finanzmarktsteuer, noch ein effektives Aufbauprogramm sind in diesen Jahren zur Realität geworden. Lediglich die Finanzierung der Gläubiger Griechenlands oder Spanien wird betrieben, ein teurer Spaß unserer Regierung.


[1] Tagesschau-Bericht vom 25.09.2012 – www.tagesschau.de

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Ein neuer europäischer Weg https://www.mister-ede.de/politik/ein-neuer-europaischer-weg/1125 https://www.mister-ede.de/politik/ein-neuer-europaischer-weg/1125#comments Mon, 18 Jun 2012 08:53:31 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=1125 Weiterlesen ]]> Nach den Wahlen in Frankreich scheint es eine Chance für eine europäische Zukunft zu geben. Die sozialistische Partei um François Hollande ist mit 314 von 577 Sitzen im Parlament nun in einer starken Position. Es fasziniert mich immer noch, wie eindrucksvoll Hollande gezeigt hat, dass er um seine Verantwortung für ganz Europa weiß. Nicht nur bei seinem schnellen Besuch in Deutschland, sondern auch mit seinen Worten in Richtung Athen.

Allerdings muss Frankreich auch die eigenen Anstrengungen erhöhen um das Haushaltsdefizit zu verringern. Um dies in Übereinstimmung mit der angestrebten Wachstumspolitik zu erreichen, dürfen aber nicht die Staatsausgaben gekürzt werden, sondern müssen die Staatseinnahmen erhöht werden. Ein Weg den Hollande gehen will, ist die höhere Besteuerung von Spitzenverdienern. Ein anderer ist die Besteuerung von Finanzgeschäften. Für Europa ist es aber wesentlich, dass Frankreich aus eigener Kraft zurück zur früheren wirtschaftlichen Stärke findet. Alle Wege die Eurokrise zu lösen können gemeinsam mit einem wirtschaftlich starken Frankreich wesentlich leichter gegangen werden.

Wenn man aber die Eurozone und ihre Probleme betrachtet, dann muss Hollande auch eine deutlich höhere Beteiligung Deutschlands, das von der Eurozone am stärksten profitiert, einfordern. Spanien, Frankreich und Italien haben in der aktuellen Situation Nachteile, weil es innerhalb der Eurozone für die Anleger leicht ist, ihre Geldanlagen in andere Länder zu bringen. Normalerweise bedeutet der Abzug von Geldern aus einem Land, dass auch die Währung schwächer wird. Bei einer Einheitswährung entfällt dieser Effekt aber. Ferner führt die Einheitswährung zu zusätzlichen Fehlanreizen bei Produktion und Konsum in den verschiedenen Teilen der Währungsunion.

Das Problem der Fehlanreize könnte mit einer angepassten Besteuerung ausgeglichen werden. Eine solche angepasste Besteuerung könnte auch Frankreich auf dem Weg zurück zu wirtschaftlicher Stärke unterstützen. Aber für Spanien oder Portugal wäre dieser Effekt natürlich noch höher. Für eine solche Regelung bräuchte es aber eine gemeinsame europäische Institution. Eine solche Einrichtung wäre auch nötig um die Vorteile auszugleichen. Ohne eine gerechte Verteilung der Profite wird die gemeinsame Währung keine Zukunft haben.

Ein Wachstumspakt, der von den starken Ländern, hauptsächlich Deutschland, finanziert wird, wäre ein erstes Zeichen. Es würde zeigen, dass wir zusammen an der europäischen Zukunft arbeiten. Mit einem solchen Pakt könnten wir die europäischen Verkehrswege ausbauen oder die Abhängigkeit von Öl und Gas reduzieren.
Ein anderes wichtige Zeichen für eine neue gemeinsame Wirtschaftspolitik wäre eine flächendeckende, gemeinsame Besteuerung der Finanzmärkte in der Eurozone. Es wäre ein Schritt hin zu mehr Zusammenarbeit und käme zudem den Haushalten der Mitgliedsstaaten zu gute. Es würde also das Problem an der Wurzel bekämpfen, nämlich beim Haushaltsdefizit.

Nach meiner Auffassung bräuchten wir eine gemeinsame Einrichtung in der Eurozone, welche eine angepasste Besteuerung ermöglicht, eine Verteilung der Profite gewährleistet und die Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten überwacht und absichert. Aber zumindest wären ein Wachstumspakt und eine Gemeinsame Finanzmarktsteuer kleine Schritte in die richtige Richtung. Ich denke, dass Merkel nicht mehr bestreiten kann, dass ein Schuldenpakt alleine nicht genug ist, um die Zukunft Europas zu sichern. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass Merkel ihre bisherige Richtung ändern wird. Wenn sie das nicht macht, dann wird sie Deutschland in der Eurozone isolieren und riskiert ihren Einfluss zu verlieren. Diese Gefahr hatte Merkel mit ihrem Sarkozy nie, aber vielleicht ist diese Gefahr nun der Türöffner zu einem neuen europäischen Weg.

A new European way (www.mister-ede.de – 18.06.2012)

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