Die Wirkung von Zins, Inflation und Wachstum auf die Staatsschuldenquote

Die Staatsschuldenquote stellt die Schulden eines Staates ins Verhältnis zu seiner Wirtschaftsleistung. Unerheblich ist dabei, ob die reale Staatsverschuldung zum realen BIP oder die nominale Verschuldung zur nominalen Wirtschaftsleistung ins Verhältnis gesetzt wird. Bei Verwendung der nominalen Werte befindet sich die Inflation in beiden Größen (Schulden und BIP) und kann somit heraus gekürzt werden.

Hat ein Land ein BIP in Höhe von 200 Euro und Schulden in Höhe von 100 Euro, so hat es eine Schuldenquote von 50%. Hat es einen ausgeglichenen Primärsaldo, ergibt sich bei einem jährlichen Zinssatz von 5%, einer Inflationsrate von 2% und einem realen Wachstum von 1% nach einem Jahr folgende Situation:
Nominal hat das Land ein BIP in Höhe von 200 Euro * 1,01 * 1,02 = ca. 206,0 Euro und Schulden in Höhe von 100 Euro * 1,05 = 105 Euro. Die nominale Wachstumsrate liegt bei ca. 3%. Real hat das Land ein BIP in Höhe von 200 Euro * 1,01 = 202 Euro und Schulden in Höhe von 100 Euro * 1,05 / 1,02 = ca. 102,94 Euro. Die Wachstumsrate der Realverschuldung liegt bei ca. 2,94%.
Sowohl aus den Nominalwerten (105 Euro / 206,0 Euro) als auch den Realwerten (102,94 Euro / 202 Euro) errechnet sich dann die neue Schuldenquote in Höhe von 50,96%.

Einflussfaktoren auf die Entwicklung der Staatsschuldenquote:

Die Entwicklung der Staatsschuldenquote ist abhängig vom Haushaltsdefizit und der nominalen Wachstumsrate. Dies sind die beiden einzigen Einflussfaktoren, sofern man von haushaltsunwirksamen Veränderungen des Schuldenstands, in Deutschland z.B. durch die Entwicklung der Bankenabwicklungsfonds, absieht.
Setzt man voraus, dass sich alle schuldenwirksamen Handlungen eines Staates im Haushalt befinden, so bleibt die Staatsschuldenquote im Laufe eines Jahres konstant, wenn gilt:

(-1) * Haushaltssaldo / Schulden = nominale Wachstumsrate

Bsp.: 5 / 100 = 5%

Ein Land mit Schulden in Höhe von 100 Euro und einem Haushaltsdefizit in Höhe von 5 Euro, verändert seine Schuldenquote also nicht, wenn die nominale Wachstumsrate seiner Volkswirtschaft bei 5% liegt.
Hätte das Land im ersten Beispiel nicht ca. 3% nominales Wachstum sondern 5%, wäre die Schuldenquote konstant bei 50% geblieben und nicht auf 50,96% angestiegen. Dies ist der Fall, weil ein ausgeglichener Primärsaldo angenommen wurde und damit das Haushaltsdefizit nur durch die Zinskosten von 5 Mrd. Euro (100 Mrd. Euro * 5%) bestimmt ist. Die Gleichung 5 Mrd. / 100 Mrd. = 5% wäre in der Folge erfüllt gewesen.

Die Einflussfaktoren können allerdings auch noch weiter unterteilt werden. Der Haushaltssaldo entspricht dem Primärsaldo plus Zinskosten. Daneben setzt sich die nominale Wachstumsrate aus der realen Wachstumsrate und der Inflation zusammen. Die Staatsschuldenquote ändert sich folglich nicht, wenn gilt:

((-1) * Primärsaldo / Schulden) + Zinskosten / Schulden = ((1 + reales Wachstum) * (1+ Inflation)) – 1

Der Term Zinskosten / Schulden entspricht dem Zinssatz, zu dem ein Staat seine Schulden verzinsen muss. Wird ein ausgeglichener Primärsaldo angenommen ergibt sich außerdem, dass (-1) * Primärsaldo / Schulden = 0 ist. Übrig bleibt in der Gleichung dann:

Zinssatz = ((1 + reales Wachstum) * (1+ Inflation)) – 1

Allgemein gilt damit unter der Voraussetzung eines ausgeglichenen Primärsaldos dass die Schuldenquote unverändert bleibt, wenn der Nominalzins (5%) auf der Höhe der nominalen Wachstumsrate liegt, also ebenfalls bei 5%.
Auf der realen Ebene gilt derselbe Zusammenhang, so dass die Schuldenquote unter der Voraussetzung eines ausgeglichenen Primärsaldos unverändert bleibt, sofern die Veränderungsrate der Realverschuldung, der Veränderungsrate der realen Wirtschaftsleistung entspricht. Wäre das reale Wirtschaftswachstum im Beispiel bei 2,94% gelegen, also auf der Höhe des Anstiegs der Realverschuldung, hätte sich die Schuldenquote nicht geändert. Bei einer Inflation von 2% entspricht ein reales Wachstum von 2,94% natürlich auch wieder einer nominalen Wachstumsrate von 5%.

Es gilt also, dass sich die Schuldenquote unter der Prämisse eines ausgeglichenen Primärsaldos nicht verändert, sofern folgende Gleichung erfüllt ist (die sich unterschiedlich ausdrücken lässt):

Zinssatz = nominales Wachstumsrate

Bsp.: 0,05 = 0,05

Bsp.: 5% = 5%

oder

1 + Zinssatz = (1 + Inflationsrate) * (1 + reale Wachstumsrate)

Bsp.: 1,05 = 1,02 * 1,0294

oder

Zinssatz = Inflationsrate + reale Wachstumsrate + (Inflationsrate * reale Wachstumsrate)

Bsp.: 0,05 = 0,02 + 0,0294 + (0,02 * 0,0294)

Bsp.: 5% = 2% + 2,94% + (2%*2,94%)

Irrelevant ist hierbei, ob die Schuldenquote bei 30% oder 130% liegt. Sobald diese Gleichung erfüllt ist, bleibt die Schuldenquote bei einem ausgeglichenen Primärsaldo konstant. Liegt der Zinssatz niedriger bzw. gilt beispielsweise Zinssatz < nominale Wachstumsrate, so sinkt die Staatsschuldenquote. Liegt der Zinssatz hingegen höher bzw. gilt beispielsweise Zinssatz > nominale Wachstumsrate, so steigt die Schuldenquote.

Weitere Zusammenhänge:

Unter der Voraussetzung eines ausgeglichenen Primärsaldos gilt, dass der Realwert der Schulden unverändert bleibt, sofern sich der Zinssatz auf der Höhe der Inflationsrate befindet. Liegt er unterhalb der Inflationsrate, so sinkt der Realwert der Schulden, liegt er darüber, so steigt der Realwert der Schulden.
Bleibt der Realwert der Schulden konstant, so bleibt die Staatschuldenquote bei einer realen Wachstumsrate von 0% konstant und liegt die reale Wachstumsrate darüber, so sinkt die Staatsschuldenquote bei konstantem Realwert der Schulden. Im Falle einer Rezession mit einer negativen Wachstumsrate steigt die Staatsschuldenquote bei einer konstanten Realverschuldung an.


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BIP, Finanzsaldo, Schulden und Zinsen der einzelnen Euroländer seit 2005 (www.mister-ede.de – 25.06.2015)

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