Die wirtschaftsliberale Marktgläubigkeit wurde abgewählt

Am Sonntag hat sich die deutsche Bevölkerung ganz klar für einen neuen Kurs in der Wirtschaftspolitik ausgesprochen. Dafür ist das Ausscheiden der FDP genauso ein Beleg wie der Fakt, dass drei Parteien, die sich dezidiert gegen Lohndumping und Prekärbeschäftigung, gegen eine weitere Vermögensungleichverteilung, sowie für einen anderen Kurs in der Finanzkrise ausgesprochen hatten, die Parlamentsmehrheit im Bundestag errungen haben.
Auch wenn ich aus Sicht von rot-grün nicht verstanden habe, wieso sich beide Parteien auf dieselben Themen konzentriert haben, hat es auf jeden Fall geholfen die Fehlentwicklung in diesen Bereichen zu verdeutlichen.

Heute ist es in der breiten Masse der Bürger nicht mehr vermittelbar, dass Unternehmen legal Arbeitsplätze mit 4 oder 5 Euro Stundenlohn anbieten dürfen. Es ist nicht mehr vermittelbar, dass selbst große Konzerne mit Leiharbeit und Werkverträgen das komplette Lohn- und Tarifgefüge in Deutschland aushebeln. Und es ist vor allem nicht mehr vermittelbar, dass Banken mit Steuergeld gerettet werden, ohne sich nur im Geringsten an den Kosten dieser Stabilisierungsmaßnahmen zu beteiligen.

Insgesamt steht die Bevölkerung einer einseitigen Ausrichtung der Wirtschaftspolitik auf die Interessen von großen Unternehmen eher skeptisch gegenüber. Ob Urheberrecht, ACTA oder der Verkauf von Daten der Meldebehörden an Unternehmen – es lassen sich zahlreiche Beispiele finden, bei denen sich erheblicher Widerstand regte. Betrachtet man die Energiewende, dann wurde zu Lasten der Verbraucher eine stärkere Beteiligung der Unternehmen an der Finanzierung durch das FDP-geführte Wirtschaftsministerium verhindert. Im Interesse der Wirtschaft blockte die Kanzlerin höchstpersönlich in Brüssel schärfere Grenzwerte beim Schadstoffausstoß von Autos ab. Alles dies war nicht gerade der Wunsch der Bürger.
Und auch Waffenexporte auf Kosten von Unterdrückten, Fracking auf Kosten der Umwelt oder genveränderte Lebensmittel auf Kosten der Verbraucher sind nicht im Interesse der Mehrheit.

Ähnlich zurückhaltend sind die Bürger heute, wenn es um den Verkauf von Sozialwohnungen oder kommunalen Versorgungsbetrieben geht. Eine Bahnprivatisierung ist in weiter Ferne und exemplarisch kauft Hamburg sogar sein Stromnetz zurück. Man kann feststellen, dass die wirtschaftsliberale Marktgläubigkeit, die das Deutschland der Jahrtausendwende prägte, heute kaum noch Platz in der Bevölkerung findet.
Ich gehe davon aus, dass wir deshalb auch nicht mehr so schnell Sätze wie „der Markt wird es schon regeln“ oder „Privatwirtschaft geht vor Staatswirtschaft“ aus dem Mund von Politikern hören werden.

Eine Bundesregierung, egal welcher Couleur, die diese Entwicklung nicht berücksichtigt und weiter die Wirtschaftspolitik einseitig auf die Interessen der Unternehmen und Großkonzerne ausrichtet, dürfte es schwer haben, ihre Politik zu erklären. Zumal mindestens eine der Parteien, die für Veränderungen in dieser Ausrichtung angetreten sind, mit in einer Regierungskoalition sitzen wird.


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