Ein Update für die Soziale Marktwirtschaft

Ein Wirtschaftssystem dient dazu, die Ressourcen und Produkte unter den Menschen zu verteilen. Man spricht hierbei von der Allokation der Ressourcen. In einer Planwirtschaft wird, wie der Name schon sagt, die Produktion und Verteilung durch einen Plan geregelt. Bei der Marktwirtschaft hingegen werden Rohstoffe, Güter oder Dienstleistungen in einem Wechselspiel von Angebot, Nachfrage und Preis über den Markt verteilt. Diese Verteilungsformen haben aber auch verschiedene Probleme. So ist in der Planwirtschaft die Innovationsfähigkeit beschränkt. Neue Produkte verdrängen vorhandene Produkte nur zögerlich. Grund dafür ist, dass durch die fehlende Konkurrenz eine wesentliche Triebfeder für Innovation fehlt.
Auch bei der Marktwirtschaft gibt es solche Schwierigkeiten. So können im freien Handel z.B. die Anbieter oder die Nachfrager eine zu starke Position und damit zu großen Einfluss auf den Markt und in der Folge den Preis haben. Als problematisch kann auch der Zusammenhang zwischen Bonität und Rentabilität gesehen werden, da er zu einer Bevorteilung von Vermögenden führt.

Die Struktur unserer Wirtschaft (www.mister-ede.de – 02.06.2012)

Macht und Marktwirtschaft (www.mister-ede.de – 02.06.2012)

Der Zusammenhang von Bonität und Rentabilität (www.mister-ede.de – 08.06.2012)

Sowohl bei der Plan- als auch bei der Marktwirtschaft fehlt überdies der Blick für die Externalitäten, also die Auswirkungen des Wirtschaftens auf Dritte. Hierdurch werden weder negative Umweltauswirkungen, noch der Ressourcenverbrauch berücksichtigt. Sofern es leichter (Planwirtschaft) oder billiger (Marktwirtschaft) ist z.B. Energie aus Kohle zu erzeugen als durch Windkraft, werden beide Systeme, ungeachtet der tatsächlichen volkswirtschaftlichen Kosten, dazu tendieren die umweltschädliche Kohle zu verbrauchen.

Um nun diese negativen Auswirkungen zu berücksichtigen, haben wir in Deutschland oder Europa keine freie Marktwirtschaft, sondern eine soziale Marktwirtschaft etabliert. Um z.B. die Probleme bei der Marktmacht zu bremsen, gibt es Verbote von Kartellen und Preisabsprachen. Auch Umweltgrenzwerte, Energiesteuern, ein Mietspiegel oder eine solidarisch finanzierte Krankenversicherung ergänzen die Marktwirtschaft um den sozialen, also gesellschaftsdienlichen, Faktor. Auf diese Weise setzt die Gesellschaft sich selbst einen Rahmen für das Wirtschaften.
Betrachtet man die negativen Externalitäten, dann gibt es bei der Rahmensetzung nun zwei Möglichkeiten, um diese zu begrenzen. Entweder werden Produkte einfach verboten oder die schädlichen Auswirkungen werden durch eine Abgabe eingepreist. Die zweite Variante, die ich bevorzuge, lässt hierbei den Freiraum, dass alle Produkte dann dennoch verfügbar bleiben, aber die Allgemeinheit durch die Abgaben entschädigt wird.
Mit einem Beispiel lässt sich der Unterschied gut verdeutlichen. Das Ziel soll die Senkung des Benzinverbrauchs bei Autos sein. Man könnte nun Autos mit einem Verbrauch von über 10l/100km verbieten. Möglich ist aber auch eine Steuer auf Benzin zu erheben. Im Gegensatz zum Komplettverbot hat die Besteuerung nun den Vorteil, dass z.B. ein Sportwagen immer noch genutzt werden kann und vor allem, dass genau diejenigen die meisten Steuern zahlen, die auch den größten Verbrauch haben. Gleichzeitig hat der Staat hierdurch eine Einnahmequelle und kann mit dem Geld z.B. Umweltprojekte fördern. Bei einem Verbot würden sowohl die Freiheit einen Sportwagen zu fahren als auch die Steuereinnahmen für den Staat entfallen.

Bei einer Neuausrichtung der sozialen Marktwirtschaft sollte daher verstärkt auf solche Mechanismen bei der Rahmensetzung zurückgegriffen werden. Die Umsetzung bei der Beschränkung des CO2-Ausstoßes mit CO2-Zertifikaten ist deshalb auch sehr lobenswert. Ähnlich wie bei einer Steuer, müssen die Unternehmen für den CO2-Ausstoß auf diese Weise bezahlen. Überdies bieten die Zertifikate noch weitere Vorteile, denn zusätzlich werden die Investitionen bei der CO2-Reduktion gelenkt. Hierbei sollte aber die europäische Union aus meiner Sicht bei dem eigenen, abgeschlossenen System bleiben, damit Überwachung und Kontrolle leichter möglich sind. Gleichzeitig sollte die EU aber weiterhin dafür eintreten, dass in allen Teilen der Welt solche Abgaben in entsprechender Höhe erhoben werden.
Auf einer völlig anderen Ebene wäre die Einführung einer europaweiten Abgabe ebenfalls sinnvoll. Eine Finanzmarktsteuer würde die Spekulation bremsen, ohne diese zu verbieten. Gleichzeitig hätte der Staat wieder einen finanziellen Ausgleich für die negativen Folgen durch Spekulationen. Mit ähnlichen Gestaltungen könnte für die Beschäftigung von Leiharbeitern eine zusätzliche Gebühr erhoben werden. Auch im Bereich von Sportwetten und Glücksspiel hätte ich statt dem jetzigen Staatsvertrag eine Regelung bevorzugt, die ebenfalls nach diesem Muster die Freiheit der Bürger fördert und gleichzeitig die Staatsfinanzen verbessert.

Auch durch den technischen Fortschritt und die gesellschaftliche Entwicklung wird eine Anpassung dieses Rahmens immer wieder nötig werden. So können Umweltauflagen oder Umweltsteuern heute höher sein, weil der Fortschritt mittlerweile schonender Produktionsverfahren ermöglicht oder neue und verbrauchsärmere Produkte gefertigt werden. Auch gesellschaftliche Entwicklungen, wie der demografische Wandel, führen zur Notwendigkeit von Anpassungen. Die Finanzierung der Sozialversicherung über die Lohnkosten ist ein Beispiel, wo sich der Rahmen an die heutige Realität anpassen muss. Durch die hohe Arbeitslosigkeit und den wachsenden Anteil an Rentnern im Vergleich zur Gesamtgesellschaft, steigen die Lohnnebenkosten und verteuern so den Faktor Arbeit. Eine Entkopplung der Sozialversicherung vom Faktor Arbeit wäre daher in gewissem Maße wünschenswert.

Absenkung der Lohnnebenkosten (www.mister-ede.de – 26.12.2012)

Umgekehrt gehören auch die vergleichsweise niedrigen Steuern auf Kapitalerträge auf den Prüfstand, genauso wie die Regelungen des EEG, die dazu führen, dass die Energiekosten für Unternehmen sinken. Während der Faktor Arbeit durch hohe Lohnnebenkosten verteuert wird, werden so die Faktoren Kapital und Energie zusätzlich verbilligt. Auch dies ist ein Problem des sozialen Rahmens den die Gesellschaft der Marktwirtschaft setzt.

Im Ergebnis ist daher aus meiner Sicht ein Update der sozialen Marktwirtschaft in vielen Bereichen notwendig geworden, um die Allokation von Gütern oder Dienstleistungen gemeinwohlfördernder auszugestalten. Dort wo die negativen Externalitäten nicht oder nicht mehr genügend berücksichtigt werden, muss der Rahmen für die Marktwirtschaft neu justiert werden. So macht die Geschwindigkeit des Datenaustausches eine Finanzmarktsteuer notwendig und die Erkenntnisse zum Klimawandel die CO2-Besteuerung. Auch die Probleme am Arbeitsmarkt müssen zu Anpassungen führen, damit die Produktionsfaktoren Arbeit, Energie und Kapital wieder in das richtige Verhältnis gerückt werden.
Deutschland braucht hierfür kein neues Wirtschaftssystem, aber der marktwirtschaftliche Rahmen muss an die veränderten Bedingungen angepasst werden. Was wir brauchen ist ein Update der sozialen Marktwirtschaft.

Diskussion:

2 Gedanken zu “Ein Update für die Soziale Marktwirtschaft

  1. Ein Update der Marktwirtschaft??? Dieser Ansatz greift leider viel zu kurz, weil unerkannt bleibt, dass die Dynamik der abstrakten “Verwertung des Wertes” auf den Märkten auf einem grundlegenden Spannungsverhältnis zwischen stofflichem und wertmäßigen Reichtum basiert.

    Da wertmäßiger Reichtum, der sich im Geld ausdrückt, theoretisch auf dem Papier (als juristisch verbriefte Geldforderung der Gläubiger) unendlich wachsen kann, Kaufnachfrage (endliche Märkte) und stoffliche Ressourcen jedoch naturgemäß begrenzt bleiben müssen, ist eben real kein unendliches Wachstum möglich. Die Marktlogik muss und wird zwangsläufig begrenzt bleiben.

    Kapitalismus (=Marktwirtschaft, egal ob sozial oder nicht…) müssen historisch überwunden und abgelöst werden durch eine Wirtschaftslogik, die auf der Ebene der menschlichen Bedürfnisse sowie Handlungsmöglichkeiten funktioniert – also direkt, anstatt indirekt vermittelt über Warenform und Geld.

    Entsprechende Konzepte, wie so etwas in etwa aussehen könnte, gibt es bereits – siehe Ressourcenwirtschaft / Wirtschaftsvision von DIE VIOLETTEN:
    http://www.hh-violette.de/wp-content/uploads/2013/11/Wirtschaftsvision_Die-Violetten_Okt.2013.pdf

    • Sehr geehrter Herr Roloff,

      vielen Dank für Ihren Beitrag. Ich finde es gut, dass Sie sich für eine nachhaltige Form des Wirtschaftens einsetzen. Zur Frage, ob Wachstum und Ressourcenschonung grundsätzlich unvereinbar sind, habe ich allerdings eine andere Auffassung.

      Beste Grüße
      Mister Ede

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