Deutschland braucht einen Politikwechsel

Eine zentrale Aufgabe der Parteien ist es, eine Vorstellung der Zukunft der Gesellschaft zu entwickeln. Aber sowohl bei Union und FDP, als auch bei SPD und Linken fehlt aus meiner Sicht genau diese Zieldefinition. Wie soll sich die Gesellschaft nach deren Politikvorstellungen ändern? Als Gegenbeispiel zeichnen hingegen die Grünen relativ erfolgreich eine Vision der ökologischen Gesellschaft mit sauberer Luft, grünen Wiesen und klarem Wasser. Und auch die Piraten schaffen es, trotz aller Schwierigkeiten, die Vorstellung einer digitalen Zukunft in Verbindung mit einer neuen Lern- und Wissensgesellschaft zu verbreiten. Es sind Kernelemente dieser beiden Parteien, die klar sagen, wohin die Reise gehen soll.

Umgekehrt ist die Außenwirkung an die Bevölkerung fatal, wenn gerade die Sozialdemokraten bei ihrem Rentenkonzept über 43% oder 50% Rentenniveau diskutieren und das bei einem aktuell höheren Rentenniveau. Selbst die Partei der Arbeiter plant nicht einmal die Situation bei den Renten zu verbessern – so oder so ähnlich muss das klingen. Mit positiven Zukunftsaussichten wird dies sicher nicht verbunden werden. Meine Erwartung ist, dass die Parteien mit sozialem Anspruch hier klar formulieren, dass ein Mensch ab einem gewissen Alter es verdient hat eine finanziell gesicherte Existenz zu haben und zwar ohne zu arbeiten.

Auch bei der Diskussion um den Mindestlohn fehlt meines Erachtens der klare Wille zur Zukunftsgestaltung. Schwarz-Gelb lehnt das völlig ab, und auch SPD, Linke, Grüne oder Piraten bieten nur eine fixe Marke an. So etwas ist aber nicht viel mehr, als die Zementierung der Perspektivlosigkeit. Es fehlt ein Weg, der klar darauf abzielt die Ausbeutung von Arbeitnehmern zu stoppen. Es muss darum gehen, den Reallohn zu steigern und nicht auf einem gewissen Niveau einzufrieren. Ein Mindestlohn von nur 8 €, aber dafür mit einer festen jährliche Steigerung von 50 ct. in den nächsten vier Jahren, würde meines Erachtens zeigen, dass ein Weg heraus aus Lohndumping hin zu einem würdevollen Umgang mit Arbeitnehmern gegangen wird. Dann würde für die kommenden Jahre gelten, dass sich die Situation kontinuierlich verbessert, Jahr für Jahr. Eine solche positive Perspektive für viele Arbeitnehmer fehlt aber im Angebot der zur Wahl stehenden Parteien. Mit einer festen Marke empfinde ich den Mindestlohn aber als Fixierung des Lohnniveaus im Niedriglohnsektor. Welche Perspektiven böte ein solcher Mindestlohn denn für die Jahre nach der Einführung? Verbesserung wären dann zumindest nicht mehr zu erwarten – eine psychologisch sicherlich nicht vorteilhafte Situation.

Die Einführung eines Mindestlohns (www.mister-ede.de – 24.04.2012)

Bei der europäischen Zukunft sehe ich dieses Problem der fehlenden Perspektive ebenfalls. Dass Luxemburg mit Niedrigsteuern als Kapitalhort Europas genauso die Solidargemeinschaft gegen die Wand fährt wie Deutschland mit Dumpinglöhnen, kann jedenfalls nicht das Ziel der europäischen Staatengemeinschaft sein. Eine positive Aussicht wäre die demokratische Erneuerung Europas, z.B. durch die Umgestaltung und Aufwertung des europäischen Parlamentes. Ein anderes Ziel könnte die Aufwertung des Wirtschaftsraums zu einem Lebensraum mit Sozialcharta, Ökocharta und Kulturcharta sein.

Schaut man auf die Kulturrevolution durch das Internet, dann vermisse ich auch hier Plan und Ziel bei der Netzpolitik. Wieso gibt es ein Recht auf ein Bankkonto, aber nicht auf einen schnellen Internetzugang? Der Ausbau von mobilem und netzabhängigem Internet muss vorangetrieben werden, so dass nicht der Stillstand verlängert, sondern die Zukunft gestaltet wird. Die Netzinfrastruktur hinkt dem europäischen Standard deutlich hinterher und so ist ein gezielter und koordinierter Ausbau des Netzes kein „Kann“ sondern ein „Muss“. Würden Internetanschlüsse mit KiTa-Plätzen im Rechtsanspruch gleichgestellt, vielleicht könnte durch Heimarbeit oder Home-Office sogar der ein oder andere KiTa-Platz direkt unnötig werden.

Insgesamt erwarte ich, dass für die Bundestagswahl 2013 die Parteien klare Perspektiven entwickeln um die Probleme zu lösen und nicht nur die Problemlösung auf unbestimmte Zeit zu vertagen. Ich wünsche mir eine Politik, die bereit ist für eine solidarische und liberale Gesellschaft mit gut ausgebildeten, innovativen und informierten Bürgern, einer ökologischen und wohlstandsfördernden Wirtschaft, einer gerechten Arbeitswelt und mit einer Einbettung in ein soziales und demokratisches Europa aktiv einzutreten.

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