mister-ede.de » EU https://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Vertrag zur friedlichen Koexistenz zwischen der Allianz und der Russischen Föderation und zur Beilegung des Grenzstreits in der Ukraine https://www.mister-ede.de/politik/vertrag-friedliche-koexistenz/9253 https://www.mister-ede.de/politik/vertrag-friedliche-koexistenz/9253#comments Tue, 17 May 2022 19:59:55 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9253 Weiterlesen ]]> In Anerkennung des jahrelangen Leidens der Menschen in der Ostukraine, den Grausamkeiten der letzten Monate und der inzwischen größten humanitären Katastrophe im Europa des 21. Jahrhunderts verpflichten sich alle Beteiligten zum Ende sämtlicher Feindseligkeiten.
In Anerkennung der unüberbrückbaren Differenzen zwischen der Allianz und der Russischen Föderation verpflichten sich alle Beteiligten, eine Ordnung der friedlichen Koexistenz zu etablieren und damit ein, trotz dieser Differenzen, funktionierendes und angstfreies Zusammenleben in Europa und der Welt zu ermöglichen.

1) Die Allianz verpflichtet sich, die Integrität und völkerrechtliche Souveränität der Russischen Föderation zu achten und das Selbstbestimmungs- und Selbstorganisationsrecht der Russischen Föderation in keiner Weise zu berühren oder zu unterlaufen.

2) Die Allianz verspflichtet sich, allen Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die über den Vertrag zur kollektiven Sicherheit mit der Russischen Föderation verbunden sind, z.B. Belarus oder Kasachstan, dieselben unter Punkt 1 genannten Garantien zu gewähren.

3) Die Russische Föderation verpflichtet sich, die Integrität und völkerrechtliche Souveränität aller Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die nicht über den Vertrag zur kollektiven Sicherheit mit der Russischen Föderation verbunden sind, z.B. Aserbaidschan oder Georgien, zu achten und deren Selbstbestimmungs- und Selbstorganisationsrecht in keiner Weise zu berühren oder zu unterlaufen. Im Gegenzug verpflichten sich diese Länder, auf die offizielle Mitgliedschaft in anderen Militärbündnissen sowie die Beschaffung und den Besitz von ABC-Waffen oder anderen künftigen Waffensystemen zur Massenvernichtung zu verzichten. Die bestehenden NATO-Mitgliedschaften von Estland, Lettland und Litauen bleiben hiervon unberührt.

4) Die Allianz beendet sämtliche Sanktionen bezüglich Luft- und Raumfahrt und des internationalen Finanzwesens und gibt eingefrorene russische Vermögenswerte wieder frei. Sämtliche Sanktionen gegen Einzelpersonen, die im Zusammenhang mit dem heutigen oder den vergangenen Konflikten in der Ukraine verhängt wurden, werden aufgehoben. Die Russische Föderation verpflichtet sich zu selbigem gegenüber der Allianz.

5) Die Russische Föderation erkennt die völkerrechtliche Souveränität der Ukraine in ihren neuen, unter Punkt 6 beschriebenen Grenzen an. Die Russische Föderation erkennt explizit die Zugehörigkeit der Ukraine zur Allianz sowie eine potentielle, künftige Mitgliedschaft der Ukraine in der EU vollumfänglich an. Die Ukraine verpflichtet sich im Gegenzug, auf eine Mitgliedschaft in der NATO oder in anderen Militärbündnissen sowie auf die Beschaffung und den Besitz von ABC-Waffen oder anderen künftigen Waffensystemen zur Massenvernichtung zu verzichten.

6) Die Ukraine stimmt im Einklang mit dem Völkerrecht der Übertragung der Krim an Russland zu. Ferner erkennt die Ukraine die völkerrechtliche Souveränität der von den Separatisten vor dem 22.2.2022 kontrollierten Gebiete in den bisherigen Oblasten Donezk und Luhansk an. Es bleibt den neuen Volksrepubliken freigestellt, sich im Anschluss per Referendum der Russischen Föderation anzuschließen. Alle weiteren bisherigen ukrainischen Staatsgebiete bilden das neue, völkerrechtlich anerkannte ukrainische Staatsgebiet.

7) Die Russische Föderation und die Allianz vereinbaren außerdem eine friedliche Koexistenz. Es besteht beidseitig kein Anspruch auf den freien Verkehr von Personen und Gütern oder auf einen sonstigen Austausch zwischen der Allianz und der Russischen Föderation. Im gegenseitigen Einvernehmen kann von dieser friedlichen Koexistenz jederzeit zugunsten von Handel, Wissenschaft, Kultur und der Völkerverständigung abgewichen werden.

8) Die Russische Föderation wird wieder vollständiges Mitglied im Europarat. Sie verpflichtet sich, mit Ernsthaftigkeit die Regeln der Europäischen Menschenrechtskonvention zu befolgen sowie Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umzusetzen.

9) Für den Fall eines Angriffs von außen auf die Territorien oder sonstigen Einrichtungen der Allianz oder der Russischen Föderation verpflichten sich beide Seiten zum gegenseitigen Beistand.

10) Als Entschädigung und zur Beseitigung der materiellen Kriegsschäden erhält die Ukraine eine Reparationszahlung in Höhe von 500 Mrd. Euro. Geleistet wird diese Zahlung zu 35% von der Russischen Föderation, zu 35% von der EU, zu 20% von den USA, zu 5% von Großbritannien, zu 2% von der Schweiz und jeweils zu 1% von Norwegen, Kanada und der Türkei.


Text als PDF: Vertrag zur friedlichen Koexistenz zwischen der Allianz und der Russischen Föderation und zur Beilegung des Grenzstreits in der Ukraine


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Putins Krieg in der Ukraine und wie es dazu kam https://www.mister-ede.de/politik/putins-krieg-in-der-ukraine/9234 https://www.mister-ede.de/politik/putins-krieg-in-der-ukraine/9234#comments Thu, 31 Mar 2022 21:53:36 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=9234 Weiterlesen ]]> Text als PDF: Putins Krieg in der Ukraine und wie es dazu kam

Es sind schwere Tage und Wochen, sicher für viele von uns – und doch sind wir damit in Deutschland noch sehr gut bedient, im Gegensatz zu all den Menschen, die in der Ukraine Tod, Not und Leid erfahren und um ihre Familien, ihr Leben, ihre gesamte Existenz bangen müssen.
Der von Wladimir Putin befohlene Überfall auf die souveräne, freiheitlich-demokratische Ukraine führt zu menschlichen Tragödien, natürlich zuvörderst in der Ukraine selbst, aber auch durch zu erwartende Versorgungsengpässe weit darüber hinaus, insbesondere in den ärmsten Regionen der Welt. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg durch Russland wirft überdies die gesamte Sicherheitsordnung in Europa und weltweit durcheinander. Die Vereinten Nationen wurden schwer geschädigt, Jahrzehnte des Dialogs mit Russland sind auf einen Schlag Makulatur und gerade in Europa müssen wir uns fragen, ob wir an manchen Abzweigungen in der Vergangenheit einen anderen Weg hätten einschlagen sollen oder gar müssen. Wie konnte es nur so weit kommen, dass dieser seit mindestens 20 Jahren schwelende Konflikt über einen eigenständigen Weg der freien Ukraine nun in diesem grauenhaften Krieg mündete?

Übersicht:

Die Vorgeschichte

Die Sowjetunion (UdSSR – Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken)

Der Zusammenbruch

Die Ukraine

Das Völkerrecht

Die Geopolitik

Vom Maidan bis Minsk II

Die Entwicklung ab 2015

Der Territorialkonflikt

Die Entwicklung seit 2020

Die Monate vor dem Krieg

Meine Fehleinschätzung

Putins Fehleinschätzung

Die Reaktionen auf Putins Angriff

Wie geht es weiter?

Die Vorgeschichte

Was vor 1945 geschah, liegt so lange zurück, dass es heutzutage höchstens noch als Narrativ dient, real also nichts mit der heutigen Situation zu tun hat, außer vielleicht, dass Vladimir Putin (englische Schreibweise) hieraus gerne Ausreden für seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine bastelt. Genauso gut könnte man aus den von Putin selbst dargelegten historischen Abrissen schlussfolgern, dass Russland eigentlich nur ein Ableger der Ukraine sei, also gar keine Eigenständigkeit verdiene und Kiew nun über Moskau herrschen solle. Es ist insofern völlig müßig, sich näher mit diesen Einlassungen Putins zu beschäftigen.
Nicht ganz so einfach darf man es sich aber mit jener Zeit machen, die von den aktiven Entscheidungsträgern – je nach Alter mal mehr, mal weniger lange zurückreichend – bewusst erlebt wurde und diese geprägt hat. Wer im Kalten Krieg aufgewachsen ist, schaut tendenziell anders auf die Welt, auf die USA, auf Russland oder China als eine Person, die 1990 geboren wurde. Und ein Vladimir Putin, der in der Sowjetzeit ja nicht irgendwo, sondern im KGB sozialisiert wurde, also im sowjetischen Geheimdienst, dem Herzstück der damaligen kommunistischen Diktatur, wird seinen ganz eigenen Blick auf die Geschichte haben. Die nachfolgende Analyse setzt daher bereits in der Sowjetunion ein und versucht, aus geopolitischer Perspektive die Entwicklung Russlands und der Ukraine nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Sowjetimperiums bis hin zum jetzigen Krieg zu beschreiben.

Die Sowjetunion (UdSSR – Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken)

Bis 1991 existierte die 1922 gegründete Sowjetunion (ca. 290 Mio. Einwohner im Jahr 1990), die sich aus verschiedenen Teilrepubliken zusammensetzte. Die wichtigste Teilrepublik war dabei die Russische SFSR (Sozialistische Föderative Sowjetrepublik), die sowohl flächenmäßig (ca. 75% des sowjetischen Territoriums) als auch vom Bevölkerungsanteil (51%) mit Abstand größte Sowjetrepublik innerhalb der Sowjetunion. Weitere Teilrepubliken innerhalb der UdSSR waren nach Bevölkerungsanteil: Die Ukraine (18%), Usbekistan (7%), Kasachstan (6%), Belarus (3,6%), Aserbaidschan (2,5%), Georgien (1,9%), Tadschikistan (1,8%), Kirgisien, Moldawien, Litauen, Turkmenistan, Armenien, Lettland und die kleinste Teilrepublik Estland (0,5%) [1]. All diese heutzutage souveränen Länder waren vor 1991 Teil der UdSSR und ihrerseits selbstverständlich ebenfalls als SSR, also „Sozialistische Sowjetrepublik“, organisiert. Formal waren Russland, die Ukraine und die anderen SSR also keine Staaten, sondern Bundesländer innerhalb des gemeinsamen Staates „UdSSR“ mit seiner Hauptstadt Moskau.
Der Einfluss Moskaus reichte im Kalten Krieg aber weit über die Grenzen der UdSSR hinaus. So waren vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion auch die ganzen Warschauer-Pakt-Staaten, also Polen (37 Mio.), Rumänien (22 Mio.), die DDR (17 Mio.), die Tschechoslowakei (16 Mio.), Ungarn (11 Mio.) und Bulgarien (9 Mio.), Teil der sozialistischen bzw. kommunistischen Welt. Zwar blieben diese Länder formal, also völkerrechtlich, stets souverän, gleichwohl standen sie allesamt über die jeweils vor Ort herrschenden kommunistischen Staatsparteien unter der direkten Kontrolle Moskaus.
Lose verbunden mit der UdSSR waren außerdem in Europa das ebenfalls kommunistische Jugoslawien (24 Mio. Einwohner) sowie weltweit eine Vielzahl „Sozialistischer Bruderstaaten“ wie z.B. Kuba oder Mosambik.

Der Zusammenbruch

All dies zerbrach infolge des Kollaps der Sowjetunion – Putins Trauma und auch objektiv kein ausnahmslos positives Ereignis. Wäre die UdSSR zwischen 1989 und 1991 einfach nur demokratisch geworden, wäre das für die Welt vermutlich tausendmal besser gewesen.
So aber stolperten all die verbündeten sozialistischen Länder samt ihren Machthabern weltweit in einen Zustand der Schutzlosigkeit und eigener Instabilität. In manchen sozialistischen Diktaturen gelang es den Herrschenden an der Macht zu bleiben und Scheindemokratien zu etablieren. Andere Länder versanken in Bürgerkrieg und wieder andere wurden durch das Fehlen einer Schutzmacht zum Angriffsziel für die Nachbarstaaten. Insgesamt waren die 90er-Jahre unter anderem mit dem zweiten Golfkrieg, den Jugoslawien-Kriegen oder auch dem Völkermord in Ruanda, der fast so viele Opfer forderte wie der komplette Vietnamkrieg, wohl das kriegerischsten Jahrzehnt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Für viele Menschen bedeutete das Ende der sozialistischen Diktatur daher gar nicht Freiheit, sondern oftmals nur Krieg oder das Weiterleben unter irgendwelchen kapitalistischen Diktatoren.

Deutlich besser lief es hingegen für die Warschauer-Pakt-Staaten, deren Bevölkerungen sich zwar weitestgehend mit dem Kommunismus abfanden, aber nie damit glücklich wurden. Diese Länder rissen sich natürlich sofort nach dem Zusammenbruch der UdSSR aus jenen Fängen Moskaus los, die zuvor auch dank der Protestbewegung in diesen Staaten gesprengt wurden. Beim folgenden Demokratisierungsprozess wurden die ehemaligen Warschauer-Pakt-Länder dann auch massiv von den westlichen Demokratien unterstützt, z.B. im Rahmen der langjährigen Aufnahmeprozesse in die EU. Es ist übrigens genau der Grund, warum in diesen EU-Ländern heute ein Gefühl vorhanden ist, von Brüssel bevormundet zu werden. Es ist der EU nicht vorzuwerfen, aber freilich ist es schon so, dass Polen und andere Länder in den letzten 20, 30 Jahren sehr, sehr weite Wege gehen mussten, um fit für den Beitritt zur EU zu werden, alle Vorgaben aus Brüssel zu erfüllen und die nationalen Regelwerke und Verfahren mit dem EU-Recht zu harmonisieren. Natürlich war dies alles notwendig, aber daran sieht man gut, wie das, was man in Deutschland oder Frankreich als Hilfe für diese Länder empfindet, in Polen oder der Slowakei als Bevormundung wahrgenommen werden kann. Und ja, so sehr mich selbst der Verlauf der Geschichte freut, für einen KGB-Mann im Kreml muss das alles so wirken, als ob ein „Bruder“(Volk) nach dem nächsten von der schönen Europa verführt und dann von Uncle Sam in die NATO verschleppt wurde. Was Putin offenbar nicht sehen kann oder will, ist, dass es sich dabei stets um wahre Liebe handelte, die Liebe der Menschen zur Demokratie und zur Freiheit (und sicher auch zum Wohlstand).

Es waren Anfang der 90er-Jahre aber nicht nur die Verbündeten der UdSSR, die sich von Moskau lossagten, sondern die UdSSR löste sich 1991 auch selbst auf. Die Rechtsnachfolge ging dabei auf die Russische SFSR über, die sich im Anschluss in die Russische Föderation umformte, während die restlichen Sowjetrepubliken, von der Ukraine bis Estland, nach Jahrzehnten die Eigenstaatlichkeit zurückerlangten und unabhängig wurden. Viele dieser SSR blieben in der Folge aber trotzdem in enger Verbindung zu Russland, wurden z.B. Teil der GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten – was ein interessanter Name für eine Gemeinschaft aus weitestgehend von Russland abhängiger Staaten ist) und schlossen sich militärisch über den Vertrag über kollektive Sicherheit zusammen. Einen anderen Weg schlugen allerdings die drei kleinen baltischen Länder ein, Estland, Lettland und Litauen. Diese schafften, ähnlich wie die Warschauer-Pakt-Staaten, in den 90er-Jahren den demokratischen Übergang und wurden ein gutes Jahrzehnt später, im Jahr 2004, Teil der EU und der NATO. Und mich freut das natürlich wieder riesig, weil dort gut 6 Mio. Menschen inzwischen in Demokratie, Freiheit und wachsendem Wohlstand leben können. Vladimir Putin dürfte das hingegen heute wohl ganz und gar nicht mehr freuen. Unklar ist jedoch, ob Putin zum damaligen Zeitpunkt des Beitritts noch anders dachte und mit Russland tatsächlich auch noch selbst in die NATO wollte. So ganz fern liegt der Gedanke ja nicht, immerhin handelt es sich bei der NATO um ein Militärbündnis, dessen wichtigstes Mitglied, die USA, es gewohnt ist, das Völkerrecht bei Bedarf ungestraft zu brechen, z.B. 2003 mit einer Lüge über Massenvernichtungswaffen im Irak.
Entweder hat Putin damals also wirklich nicht geahnt, dass sein Weg und der Weg Russlands einmal in die Fundamental-Opposition zur NATO und zur EU führen. Oder Putin hat zu diesem Zeitpunkt schlicht noch nicht die politische Macht oder militärische Kraft gehabt, um diese Osterweiterung von EU und NATO zu verhindern. Dass ein Teil der früheren UdSSR heute zu einem rivalisierenden Machtblock gehört, dem freien Westen, dürfte Putin mittlerweile aber durchaus als Schmach empfinden, für die er nun keine ukrainische Wiederholung braucht.

Der Zerfall der kommunistischen Welt war in den 1990ern jedoch nicht auf die UdSSR und ihre Verbündeten beschränkt, sondern auch innerhalb der Russischen SFSR bzw. der nachfolgenden Russischen Föderation gab es Sezessionsbestrebungen einzelner „Provinzen“. Zur Vorstellung daher mal ein Vergleich: Wenn sich als erstes die EU-Verbündeten verabschieden, z.B. Kanada und Japan, dann Norwegen als EWR-Staat (Europäischer Wirtschaftsraum) die Segel streicht, bevor sich die EU gänzlich auflöst und sich anschließend auch noch Bayern von Deutschland lossagen will, dann wäre die Bundesrepublik Deutschland in etwa in der Situation, in der sich die Russische Föderation Ende der 90er-Jahre politisch befand. Selbst russische Provinzen wie Dagestan und Tschetschenien strebten damals nach der Unabhängigkeit von Moskau, obwohl sie völkerrechtlich eigentlich fester Bestandteil der Russischen Föderation waren und gar kein Recht zur Sezession hatten.
Dass allerdings auch Völkerrechtssubjekte von der Realität zerlegt werden können, hatten die Jugoslawien-Kriege der 90er-Jahre Putin aber eindrücklich vor Augen geführt. Und so wurde bereits Mitte der 90er unter Putins Vorgänger im Präsidentenamt, Boris Jelzin, im ersten Tschetschenien-Krieg heftig gekämpft, um wenigstens die Integrität Russlands zu erhalten und zu verhindern, dass das Land zu einem großen Jugoslawien wird und ebenfalls komplett auseinanderbricht. Die Situation in Tschetschenien befriedete sich allerdings kaum und so startete Putin im Jahr 1999 schon kurz nach seinem Amtsantritt als Ministerpräsident, damals noch unter Präsident Jelzin, einen jahrelang andauernden zweiten Tschetschenienkrieg, um die Kontrolle Moskaus über die abtrünnige Kaukasus-Provinz zurückzuerlangen.

Mit seiner Übernahme des Präsidentenamtes im Jahr 2000 erbte Putin insofern ein politisch zerfallendes Russland, das sich überdies wirtschaftlich in der Hand von Oligarchen befand. Ich hätte dieses Land definitiv nicht von innen heraus retten können – schon alleine, weil ich Skrupel gehabt hätte, einfach mal so ein paar Oligarchen liquidieren zu lassen, aber auch, weil ich keine loyalen Vertrauten in den russischen Geheimdiensten gehabt hätte. Bei Putin hingegen war es genau umgekehrt, gute Verbindungen zu den Geheimdiensten hatte er zahlreiche, Skrupel dafür umso weniger. Und so ist es ihm mit einer eisernen (und blutigen) Hand tatsächlich gelungen, das Land zu stabilisieren und zumindest wieder ein „staatliches“ Gewaltmonopol in Russland herzustellen – territorial und ökonomisch. Das heißt natürlich nicht, dass Putin die Oligarchie beseitigt hat – im Gegenteil, viele in seinem Umfeld sind sehr reich geworden – aber die Oligarchen hören jetzt wieder auf jemanden und bekämpfen sich zumindest nicht mehr gegenseitig mit ihren „Privat-Armeen“. Putin hat es also mit Brutalität geschafft, dass die meisten Oligarchen inzwischen lieber mit ihm leben, als bei Brot und Wasser in einem Straflager zu sterben – Ausnahmen wie Nawalny bestätigen die Regel. Und dasselbe gilt für die lokalen und regionalen politischen Machthaber, die ja auch wirklich gut mit ihrem Putin leben, solange sie nicht aufmüpfig werden. Auf diese Weise – und selbstverständlich durch die Unterdrückung der Presse, die Kontrolle der Justiz und viele weitere Repressalien – hat Putin seit etwa 10 bis 15 Jahren eine im gesamten Territorium der Russischen Föderation gesicherte Herrschaft mit stabiler Verwaltung und durchkontrollierter Öffentlichkeit geschaffen (bei der es unterm Deckel aber weiterhin ganz schön brodelt).

Die Ukraine

Innerhalb der Sowjetunion war die Ukraine mit ihren gut 50 Mio. Einwohnern nach der Russischen SFSR die mit Abstand wichtigste Sowjetrepublik. Mit riesigen landwirtschaftlichen Flächen und großer Stahlindustrie war sie ein zentraler Baustein der Sowjetwirtschaft und dazu mit ihren großen Schwarzmeerhäfen auch von strategischer Bedeutung.
Nach dem Zerfall der UdSSR haben sich dann in der Ukraine – wie in Russland – viele der einstigen kommunistischen Funktionäre einen Stück Staatsbesitz unter den Nagel gerissen und fortan als Oligarchen Karriere gemacht. In den 90er-Jahren näherte sich die Ukraine außerdem dem Westen etwas an und die Machthaber in Kiew versuchten eine freundschaftliche Distanz zu Moskau zu halten. Das änderte sich auch nicht, als im Jahr 2000 Putin in Russland das Ruder übernahm.

Schon seit Beginn seiner Präsidentschaft ist Putin, der es als Aufgabe sieht, „seine Sowjetunion“ zu erhalten, daher mit der Situation konfrontiert, verhindern zu müssen, dass die Ukraine den gleichen Weg geht wie die baltischen Staaten und damit ein aus seiner Sicht integraler Bestandteil der ehemaligen UdSSR für immer an den (freiheitlich-demokratischen, respektive US-amerikanischen) Systemrivalen verloren geht. Mit Wahlfälschungen sollte daher 2005 der Moskau-treue Wiktor Janukowytsch zum Präsidenten gemacht werden, was jedoch an Protesten der Bevölkerung und einem nicht-linientreuen Gerichtshof in der Ukraine scheiterte, so dass bereits von 2005 bis 2010 mit Wiktor Juschtschenko ein Präsident in der Ukraine an der Macht war, der ganz klar eine NATO-Mitgliedschaft für sein Land anstrebte. Durch das Zudrehen des Gashahns und unverhohlene Drohungen gegen die Ukraine ist es Putin damals allerdings gelungen, die europäischen NATO-Mitglieder davon zu überzeugen, dass eine Aufnahme der Ukraine in das westliche Bündnis mehr Nachteile als Vorteile für Europa (und die Ukraine) mit sich bringen könnte. Deutschland war daher eine treibende Kraft gegen die damalige Aufnahme, zumal auch in der Ukraine selbst die Stimmung noch eine ganz andere, deutlich russlandverbundenere war.
2010 gelang es dem aus dem Donbas stammenden Janukowytsch dann im zweiten Anlauf mit einer massiven Wahlkampagne, finanziert sicherlich auch aus Russland, Juschtschenko im Präsidentenamt nachzufolgen. Damit steckte Janukowytsch aber seit seinem Amtsantritt in der Zwickmühle, auf der einen Seite die Ukraine stärker an den Westen anbinden zu müssen, wie es das Volk mehrheitlich von ihm verlangte, und gleichzeitig Putins Wünschen folgend genau diese Westbindung zu verhindern. Als Janukowytsch daraufhin im Jahr 2013 das bereits ausgehandelte Assoziierungsabkommen mit der EU stoppte, nahmen die Proteste im Land, die Maidan-Bewegung in Kiew und der Umsturz ihren Lauf. Dass dieser Umsturz vom Westen zusätzlich befördert wurde, sei es durch staatliche Akteure, politische Stiftungen, gemeinnützige Vereine oder Privatleute, ist dabei unzweifelhaft – und für uns als überzeugte Demokratinnen und Demokraten auch keineswegs unredlich. Putin oder auch die chinesische, iranische oder nordkoreanische Führung dürften das naturgemäß jedoch anders sehen.

Das Völkerrecht

Einen Punkt hat Putin dennoch. Keinen letztlich validen, aber einen, der für jene erkennbar ist, die in Gesetzen das „Willkürliche“ sehen. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele, z.B. die Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr. Warum beträgt diese innerorts genau 50 km/h, warum nicht 40 km/h? Natürlich muss sich eine Gesellschaft auf eine Regelung einigen, es ist aber völlig willkürlich, also nicht rational begründbar, warum man sich letztlich genau auf diese eine bestimmte Höchstgeschwindigkeit einigt.
Und genauso ist die völkerrechtliche Einteilung, welche Gebiete man als Völkerrechtssubjekte behandelt, also als eigenständige, souveräne Staaten, in einem gewissen Maße willkürlich. So ist beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland ein einziges Völkerrechtssubjekt und wenn Markus Söder morgen die Unabhängigkeit von Bayern erklärt, dürfte Berlin im selben Moment die Bundespolizei schicken und ihn verhaften lassen. Vom Völkerrecht her wäre es sogar erlaubt, in einem solchen Fall die Bundeswehr mit Soldaten, Panzern und Düsenjets nach Bayern zu schicken, um eine Sezessionsbestrebung gewaltsam niederschlagen zu lassen – ein solcher Militäreinsatz im Inneren ist nur in Deutschland aufgrund der speziellen deutschen Historie vom Grundgesetz verboten.
Würde sich die BRD jedoch morgen auflösen und alle 16 Bundesländer erhielten die Unabhängigkeit und wären fortan eigenständige Völkerrechtssubjekte – so wie es damals mit den einzelnen Teilrepubliken der UdSSR geschah – dann wäre ein solcher Militäreinsatz nicht mehr zulässig. Würde es einem modernen Bismarck in der Folge gelingen, 15 der 16 Bundesländer wieder zu vereinigen, hätte er also trotzdem kein Recht mehr, das 16. Bundesland gewaltsam wieder in das neugeschaffene Deutschland zu integrieren. Derselbe Bundeswehr-Einsatz, der heute noch gegen ein separatistisches Bundesland vom Völkerrecht her erlaubt ist, wäre dann ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg gegen einen souveränen Staat. In den meisten Fällen versuchen Staaten daher, unter allen Umständen eine Loslösung von einzelnen Landesteilen zu verhindern, damit es nicht zu so einem unumkehrbaren Kontrollverlust kommt – China entlässt Taiwan nicht in die Unabhängigkeit, Spanien nicht Katalonien und Italien nicht Südtirol.
Insofern muss für Putin aber die damalige Aufspaltung der UdSSR wie eine vom Westen, genauer den USA, über die „Marionette Gorbatschow“ initiierte Selbstzerstörung der Sowjetunion wirken. Es dürfte auch einer der maßgeblichen Gründe sein, warum Putin den damaligen Zerfallsprozess der UdSSR als Katastrophe empfindet. „Sein“ russisches Volk, das in der Sowjetunion in einem einzigen gemeinsamen Völkerrechtssubjekt versammelt war, wurde durch fremde Mächte auf ein Dutzend souveräner Völkerrechtssubjekte zerstreut und damit erheblich geschwächt. Natürlich ist das eine extreme Verzerrung der Wahrheit, denn letztlich war alles Geschehen in der UdSSR der Kontrolle Moskaus unterworfen und insofern war der innerstaatliche Frieden bis 1991 kein freiwilliger, sondern ein von Moskau mit Gewalt erzwungener Frieden zwischen den einzelnen Landesteilen. Gleichwohl stimmt aber auch, dass der heutige völkerrechtswidrige Angriffskrieg von Putin gegen die souveräne Ukraine vor 31 Jahren noch ein völlig legaler militärischer Durchgriff der russischen Staatsmacht gegen ihre abtrünnige „Provinz“ Ukraine gewesen wäre.

Die Geopolitik

Nachdem die sowjetischen Teilrepubliken in die Unabhängigkeit entlassen wurden, sind die Beziehungen von Russland zu diesen Ländern heute nicht mehr Teil der Innenpolitik, sondern Teil der Geopolitik. Das ist ein fundamentales Problem für Putin, auch wenn sich in vielen Nachfolgestaaten der Sowjetunion autoritäre Regime entwickelt haben, deren innen- und außenpolitisches Überleben sowieso vom guten Willen Putins abhängen.
Dort wo es aber nicht ganz so läuft, wie Putin das möchte, und wo die UdSSR die Aufstände einst einfach hat niederschlagen können, berufen sich heutzutage nun „halbseidene Staatsführer“ auf die UN und das Völkerrecht und bandeln auch gerne mal mit anderen Weltmächten an, z.B. mit China oder den USA. Man stelle sich nur vor, das „16. Bundesland“ aus dem Beispiel oben wollte nicht nur nicht mehr zu den anderen 15 zurück, sondern würde seine neugewonnene völkerrechtliche Souveränität für ein Verteidigungsbündnis mit Nordkorea nutzen – natürlich wären wir schockiert! Insofern dürfte für Putin das Ziel sein, einige der ehemaligen Sowjetrepubliken wieder so weit unter seine (russische) Kontrolle zu bringen, dass sie nur noch auf dem Papier Völkerrechtssubjekte darstellen, de facto aber wieder zur innenpolitischen Angelegenheit Moskaus werden. Dies ist auch deshalb für Putin von Bedeutung, um sich im Konfliktfall zu 100% auf die Loyalität dieser Länder verlassen zu können und diese nicht plötzlich an der Seite einer fremden Macht agieren oder gar kämpfen zu sehen.

War die Rote Armee in der UdSSR einst die hochgerüstete Armee eines 300 Mio. Einwohner Staates mit vielen Verbündeten, waren die russischen Streitkräfte der 90er-Jahre nur noch die schwächelnde Armee eines 150 Mio. Einwohner Staates und im Konfliktfall war auch keine nennenswerte Unterstützung durch die GUS-Partner bzw. über den Vertrag über kollektive Sicherheit zu erwarten. Entsprechend wenig Hilfe konnte Putin anfänglich auch seinen weltweiten Partnern, oftmals korrupte Diktatoren, im Krisenfall bereitstellen und so schwand der russische Einfluss in der Welt massiv – eine Lücke, in die ab den 2000ern oftmals China stieß.
Bis dahin aber war es vor allem der Siegeszug der Demokratie, der z.B. alle ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten in EU und NATO brachte oder zu einem Zerfall Jugoslawiens in einzelne Republiken führte. Auch weltweit stürzten in den 90er-Jahren einige ehemalige sowjettreue Verbündete ab, z.B. Daniel Ortega, der seit einer linken Revolution Ende der 70er-Jahre (gegen einen US-treuen Diktator) in Nicaragua herrschte und 1990 in demokratischen Wahlen wieder von US-freundlicheren Kräften abgelöst wurde.
Als Putin im Jahr 2000 an die Macht kam, musste er dann zuerst erleben, wie in Folge des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs der USA gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein die Ordnung im Nahen Osten militärisch verschoben wurde. Kurze Zeit später gab es die westlichen Demokratisierungsbestrebungen in Afghanistan und 2003 fand dann mit der Rosenrevolution ein Umsturz in Georgien statt, gegen den Putin nichts unternehmen konnte. Nach der Orangenen Revolution 2004 in der Ukraine konnte er 2005 ebenfalls nicht verhindern, dass dort ein dem Westen zugewandter Präsident Juschtschenko an die Macht kommt. 2008, Putin hatte Russland inzwischen stabilisiert, die Armee gestärkt und den Krieg in Tschetschenien zu seinen Gunsten entschieden, kam es dann zum Kaukasuskrieg gegen Georgien, den Putin mit deutlichem Einflussgewinn in der Region beendete. Und kurze Zeit später, im Jahr 2010, gelang mit russischer Hilfe außerdem, den Putin-freundlichen Janukowytsch ins ukrainische Präsidentenamt zu bringen. Allerdings konnte weder der Krieg gegen Georgien noch der neue Präsident in der Ukraine etwas daran ändern, dass sich die Menschen in diesen Ländern immer weiter Richtung Westen entwickelten.

Mit dem arabischen Frühling 2011 und der Demokratiebewegung in Nordafrika und dem Nahen Osten drohte kurze Zeit später dann außerdem an anderer Stelle Ungemach für Russlands Einfluss in der Welt. So stürzte im Frühjahr 2011 zunächst der ägyptische Diktator Hosni Mubarak, im Sommer verlor Putin – nach völkerrechtlich mindestens fragwürdigen Luftschlägen von NATO-Mitgliedern – mit dem libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi einen weiteren langjährigen Verbündeten Russlands. Und kurz darauf drohte dann auch noch dem syrischen Regime, das ebenfalls eng verbunden mit Russland ist, dasselbe Schicksal. Diesmal konnte Putin allerdings den „Regime-Change“ verhindern, indem er den dortigen Machthaber Baschar al-Assad militärisch massiv unterstützte und gleichzeitig im UN-Sicherheitsrat deckte, als dieser die Aufstände gewaltsam niederschlagen ließ. In einem bis heute andauernden Bürgerkrieg, in dessen Verlauf auch die Terrororganisation IS (Islamischer Staat) große Territorien im Nahen Osten einnehmen konnte, eroberte sich das Assad-Regime dann mit Hilfe Russlands weite Teile des Landes zurück und ist nun wieder weitestgehend stabil im Amt, wenn auch in einem heute deutlich geschwächten Syrien.
Und ein ähnliches Vorgehen, also das blutige Niederschlagen eines Volksaufstandes, hätte Putin dann wohl auch gerne 2013 in der Ukraine von Janukowytsch und seinem Apparat gesehen. Dort allerdings lief es anders.

Vom Maidan bis Minsk II

Als Ende 2013 die Menschen in der Ukraine auf die Straße gingen, weil Janukowytsch die Annäherung an die EU auf Druck des Kremls stoppte, reagierte der „gewählte“ ukrainische Präsident zunächst mit Repressionen. Diese konnten die Proteste jedoch nicht stoppen und Anfang 2014 hatten sie ein solches Level erreicht, dass nur noch ein brachiales Vorgehen das politische Überleben des Regimes hätte sichern können. Hierfür standen, außer ein paar Spezialkräften, allerdings weder Militär- noch Polizeiapparat zur Verfügung und auch die Oligarchen, die die ukrainische Wirtschaft kontrollierten und um gute Geschäfte im Westen fürchteten, gingen auf Abstand zum gewählten Präsidenten. Unter diesem Eindruck gelang es dann der Opposition, einen Teil der bisherigen Unterstützer Janukowytschs von der Ernennung eines Übergangspräsidenten zu überzeugen. Noch vor seiner offiziellen Absetzung floh Janukowytsch nach Russland, ein Übergangs-Nachfolger wurde vom Parlament gewählt und die Geschichte nahm ihren bekannten Lauf. Noch am selben Tag gingen nun dort, wo Janukowytsch viele Anhänger hatte, die Menschen gegen seine Absetzung auf die Straße und die lokalen und regionalen Machthaber verweigerten Kiew die Gefolgschaft. Kurz darauf folgten „grüne Männchen“, also irreguläre russische Truppen, die die örtlichen Separatisten (man könnte sie auch als „Konterrevolutionäre“ bezeichnen) unterstützten und keinen Monat später erfolgte auf der Krim ein Referendum, durch das die Halbinsel seither de facto Teil der Russischen Föderation und damit für die ukrainische Armee unangreifbar geworden ist. In der restlichen Ostukraine setzten sich die Kämpfe zwischen dem ukrainischen Militär und den Separatisten, die sich zum Teil ja auch aus ehemals ukrainischem Militär rekrutierten, jedoch unvermindert fort und insbesondere in den Gebieten um Donezk und Luhansk, die sich zu unabhängigen Volksrepubliken erklärten, hatte die Kiewer Zentralregierung nun keinen Durchgriff mehr. Erst mit zunehmender Stabilisierung der neuen Macht- und Verwaltungsstrukturen im Kiewer Staatsapparat, insbesondere nach der Wahl von Poroschenko im Sommer 2014 zum Ukrainischen Präsidenten, gelang es der Armee allmählich, die von Russland inoffiziell unterstützten Separatisten in die Enge zu treiben, bis sich beide Seiten 2015 auf einen Waffenstillstand und den Minsk-Prozess verständigten.

Hätte sich Poroschenko damals nicht darauf eingelassen und versucht, die Separatisten zu besiegen, wäre Russland vermutlich schon 2015 offiziell in die Ukraine einmarschiert, um einen solchen „Genozid“ (das wäre wohl auch damals schon der Vorwand gewesen) zu verhindern. Poroschenko hat deshalb die Bedingungen akzeptiert, wohlwissend, dass mit diesem schwelenden Konflikt für die Ukraine die Mitgliedschaften in der EU und der NATO verbaut sein würden.
Putin wiederum konnte damit vorerst seine größte Sorge beseitigen, dass mit der Ukraine die nächste und so bedeutende ehemalige Sowjetrepublik endgültig an die westlichen Systemrivalen verloren geht. Außerdem verschaffte er sich auf diese Weise Zeit, um zum einen die eigenen Streitkräfte zu stärken – kurz zuvor sprach Obama von der „Regionalmacht Russland“ – und um zum anderen sein Hauptproblem bei Kriegen zu lösen, nämlich die Proteste und Widerstände im eigenen Land. Heute nun sind ihm die Oligarchen und sein „Inner circle“ dank Zuckerbrot und Peitsche höriger denn je zuvor. Und durch Einschränkung der Pressefreiheit, Dezimierung der Opposition und mit einem brutalen Polizeiapparat ist für Putin auch die Gefahr eines Volksaufstandes wegen des Krieges heute deutlich geringer als 2015 – wenn auch immer noch nicht null, wir sehen ja die Proteste.

Die Entwicklung ab 2015

Es war sicher nicht Putins Wunschergebnis, welches er 2015 mit dem Waffenstillstand und dem Minsker-Prozess in der Ukraine erzielte. Aber in der damaligen Situation hatte er vermutlich geringe militärische Spielräume, war seine Armee zu diesem Zeitpunkt doch stark im Syrien-Krieg engagiert und mit der Bombardierung der dortigen Bevölkerung beschäftigt. Einen zweiten kriegerischen Großkonflikt wollte Putin daher zunächst vermeiden, zumal er sich damals auf dem Höhepunkt seines weltweiten Ansehens befand. Mit dem Platzen der Immobilienblase 2007, der anschließenden Subprime-Krise und dem Zusammenbruch von Lehman Brothers 2008 schlitterten die USA in eine massive Wirtschaftskrise und im Anschluss seit 2010 viele EU-Länder in eine lang anhaltende Eurokrise. Zeitgleich wurden von Wikileaks immer mehr US-amerikanische Kriegsverbrechen aufgedeckt und spätestens seit dem NSA-Skandal und der spektakulären Flucht von Edward Snowden im Jahr 2013 nach Russland war das globale Sympathiekonto von Putin prall gefüllt, während die USA ökonomisch wie moralisch entblößt dastanden und der Westen in sich völlig zerrissen war.
Statt auf ein militärisches Vorgehen in der Ukraine, setzte Putin daher auf eine andere Karte, seine ebenfalls zunehmenden Erfolge auf der hybriden Ebene der Auseinandersetzung zwischen seiner Autokratie und dem freiheitlich-demokratischen, rechtstaatlichen Gesellschaftsmodell, sei es in anglo-amerikanischer, europäischer oder ostasiatischer Prägung. So beförderte Putin bereits seit Jahren die un- und antidemokratischen Kräfte in den verschiedenen Ländern dieser Bündnisse und mit Russia Today und anderen von Moskau abhängigen Medien nahm Putin Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung. Daneben wurden rechte und staatszersetzende Publikationen oder auch Kampagnen wie die „Leave Campaign“ der Brexiteers direkt oder indirekt aus Russland unterstützt – gut möglich, dass ohne diesen Support aus Moskau das Vereinigte Königreich heute noch Teil der EU wäre!
Dazu pflegten Putin, sein Umfeld und sein Apparat seit Jahren enge Beziehungen zu Parteien, wie der FPÖ oder der AfD, und zu Politikern und Politikerinnen, wie Marine Le Pen in Frankreich oder Viktor Orbán in Ungarn. Und auch wenn die Situation in der Ukraine für Putin nicht ideal war und es in Syrien nur schleppend vorranging, sah die Welt für ihn schon wieder deutlich besser aus, als die EU ab 2016 mit den Brexit-Folgen kämpfte und in den USA 2017 Donald Trump sein Amt als US-Präsident antrat.

Während Putin aber in den letzten vier, fünf Jahren die Situation in Syrien allmählich zu seinen Gunsten drehen konnte – Assad sitzt heute wieder fest im Sattel – hat sich die Situation in der Ukraine auch unter den geopolitisch günstigen Umständen mit einem selbstbeschäftigten Europa und nicht minder selbstbeschäftigten USA nicht im Sinne Putins entwickelt. 2018 trat die Ukraine aus der GUS aus und ist damit nach Estland, Lettland, Litauen und Georgien nun die 5. Ehemalige Teilrepublik der UdSSR, die nicht mehr Teil des sowjetischen Nachfolgebündnisses ist. Auch kulturell hat sich mit der Etablierung von Russland unabhängiger Medien in der Ukraine viel getan und überdies ist mit der Entstehung einer eigenständigen Ukrainisch-Orthodoxen Kirche und damit der Abspaltung von der Russisch-Orthodoxen Kirche auch der religiöse Einfluss Moskaus in der Ukraine geschwunden.
Gleichwohl war Petro Poroschenko immer so schlau, die Volksrepubliken im Donbas weitestgehend in Ruhe zu lassen, obwohl es stets Provokationen und Zusammenstöße, auch Verletzte und Tote gab. Bei der Präsidentschaftswahl 2019 schaffte es Poroschenko mit dieser Politik dann aber auch nur haarscharf in die Stichwahl, bei der er letztlich dem Komiker und Schauspieler Wolodymyr Selenskyj, der im Wahlkampf mit vollmundigen Versprechen auftrumpfte, haushoch unterlag.

Im Amt angekommen bekräftigte Selenskyj dann zunächst sein zentrales Wahlversprechen, die Ukraine von den alten Eliten zu befreien und in die EU und die NATO zu führen. Aber auch er stand nun wieder vor dem (einst von Diplomaten bewusst geschaffenen) Hindernis, dass eine solche Mitgliedschaft ausgeschlossen ist, bis die Situation in der Ostukraine abschließend in einen stabilen und friedlichen Zustand überführt ist – so wie das früher mal bei BRD und DDR der Fall war oder wie man das heute für Zypern und Nordzypern sagen kann. Zwar hatte Selenskyj hierzu im Wahlkampf angekündigt, mit Putin zu sprechen und diese Probleme im Dialog mit Russland auszuräumen. Jedem halbwegs politischen Menschen war aber klar, dass das nicht gelingen kann. Da Putin unter allen Umständen eine Westbindung der Ukraine verhindern wollte und will, hatte und hat er seinerseits natürlich niemals ein Interesse an einer solchen Streitbeilegung – zumindest nicht zu realistischen Konditionen. Selbst wenn Selenskyj angeboten hätte, die Krim abzutreten und die Volksrepubliken in die Eigenständigkeit zu entlassen, wäre das für Putin ja nicht hinnehmbar gewesen, weil er damit den Weg für die restlichen 95% der Ukraine in EU und NATO freigemacht hätte und dadurch zementiert wäre, was er ja eigentlich zu revidieren versucht.

Doch anstatt in dieser Situation einzulenken und dem ukrainischen Volk endlich mal reinen Wein einzuschenken, dass eben auch der gewählte Präsident einer souveränen Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, sein Land nicht gegen den Willen eines Moskauer Despoten in EU und NATO führen können wird, versuchte er genau das: Die Armee wurde gestärkt, bekam Kampfdrohnen, und auch verbal bereitete Selenskyj sein Land darauf vor, über kurz oder lang die Kontrolle über die Separatistengebiete militärisch zurückzuerlangen. Allerdings blieb ihm auch kaum eine andere Chance, denn einem Verzicht auf sein zentrales Wahlkampfversprechen der Westbindung, für welches ihn viele Menschen in der Ukraine gewählt hatten, wäre wohl sein baldiges politisches Ende gefolgt. Letztlich – und das ist ja gerade der Unterschied zu Putins Autokratie – hängt die Politik in der demokratischen Ukraine eben nicht in erster Linie von den verqueren Wünschen eines durchgeknallten Präsidenten ab, sondern vor allem vom Willen des ukrainischen Volkes. Und spätestens bei der nächsten Präsidentschaftswahl hätte sich dieser Volkswille vermutlich wieder durchgesetzt und Selenskyj wäre es ähnlich ergangen wie zuvor Poroschenko.
Insofern stellte sich „dem geneigten Beobachter“ schon im Jahr 2020 die Frage, ob eine militärische Eskalation in diesem Territorialkonflikt überhaupt noch zu verhindern ist.

Der Territorialkonflikt

Viele Konflikte kann man dadurch lösen, dass man von außen für die Konfliktlösung bezahlt. Wenn sich zwei Länder über Schürf- oder Fischereirechte streiten, kann ein unbeteiligtes Land oder die Weltgemeinschaft den Streit lösen, indem man jene Streitpartei, die auf ihre Rechte verzichtet, kräftig entschädigt. Es reicht bei solchen Konflikten also schon aus, eine der beiden Seiten von einem anderen Weg und einem Nachgeben zu überzeugen.
Bei Territorialkonflikten, also der Frage, wem ein spezielles Stück Land gehört, wer dort die Kontrolle und die Gestaltungshoheit hat, ist das hingegen oft anders, weil es jeden Flecken der Erde halt nur einmal gibt und finanzielle Entschädigungen in diesen Fällen meist für keine der Streitparteien eine akzeptable Alternative sind. Insofern kann eine Lösung bei Territorialkonflikten aber nur von den Beteiligten selbst unter gegenseitigem Verzicht und nicht von außen herbeigeführt werden. Aus diesem Grund beschäftige ich mich auch selten mit dem Gaza-Konflikt. Nicht, weil mir das Leid der Israelis egal wäre, die von der Hamas mit Raketen beschossen werden. Nicht, weil mir das Leid der Palästinenser egal wäre, wenn die israelische Armee Gaza-Stadt bombardiert. Sondern weil ich weiß, dass Außenstehende zwar Hilfe anbieten können, eine (dauerhafte) Befriedung aber alleine vom Einigungswillen der Akteure vor Ort und auf beiden Seiten gleichermaßen abhängig ist.

Und das gilt ähnlich in der Ukraine. Auf der einen Seite steht das ukrainische Volk, das eine starke, eigenständige, faktisch und völkerrechtlich souveräne Nation ist (mit allen Rechten und Pflichten) und als Staat eine Westbindung anstrebt und Teil der EU sein möchte. Und auf der anderen Seite steht Putin – freilich nicht mit dem Recht im Rücken, dafür aber mit einer umso stärkeren russischen Armee – der all das verhindern will und am liebsten mindestens zurück in den Zustand vor 2014 möchte mit einem Moskau-treuen Präsidenten in Kiew.
Um einen friedlichen Weg einzuschlagen, hätte man also spätestens 2020 handeln müssen und versuchen, zwischen dem ukrainischen Volk und Putin zu vermitteln – genau das wäre der Job von Selenskyj gewesen, aber auch allen Verantwortlichen in EU und NATO. Stattdessen hat westliche Politik aber lieber damit kokettiert, wie interessant man doch für die Ukraine sei und hat Selenskyj auf seinem Weg zur Westbindung eher bestärkt als gebremst. Und nun weiß man zwar nicht, wie weit die Forderungen von Putin letztlich reichen. Wenn er mehr will als den Verzicht auf die NATO-Mitgliedschaft, z.B. eine völlige Demilitarisierung, oder bei den Gebietsforderungen über Krim und die von den Separatisten bislang kontrollierten Gebiete hinausgeht, dann ist das einfach für die Ukraine nicht erfüllbar. Gleichwohl wäre es dennoch sinnvoll gewesen, zumindest zu versuchen, der Entwicklung der Ukraine im Dialog mit Putin einen Rahmen zu geben, z.B. mit einem vertraglich zugesicherten Verzicht auf eine offizielle NATO-Mitgliedschaft oder auch durch Rüstungsbeschränkungen für die ukrainische Armee.
Anstatt Selenskyj zu vermitteln, man begrüße seine Schritte zur Westbindung, hätte man für Zurückhaltung werben und Selenskyj helfen müssen, von seinem hohen Wahlversprechens-Ross herabzusteigen und beim ukrainischen Volk Verständnis für die komplizierte außenpolitische Lage zu schaffen. Mit Blick auf die weitreichenden geostrategischen Forderungen von Putin – man lese, was er zu Georgien denkt, man schaue, was er in Transnistrien macht, und man höre, wie er über das Baltikum spricht – ist allerdings fraglich, ob eine solche „Appeasement-Politik“ wirklich eine dauerhafte Stabilität zur Folge gehabt hätte. Gut möglich, dass eine für Putin zufriedenstellende Lösung in dem einen territorialen Konflikt, nur zur Verschärfung anderer territorialer Konflikte geführt hätte – etwas, was uns jedoch nach einem für Putin zufriedenstellenden militärischen Ergebnis in der Ukraine genauso passieren kann.

Die Entwicklung seit 2020

Die regelmäßigen Menschenrechtsverstöße, das Bomben in Syrien, der Tiergartenmord 2019, der Umgang mit Journalisten – die Sympathien, die Putin während und nach dem NSA-Skandal und Snowdens Flucht aus den USA einige Jahre lang genoss, hatte er bis 2020 wieder vollständig verspielt. Und seitdem hat sich das Blatt für Putin auch in anderer Hinsicht weiter verschlechtert. So drohte ab Sommer 2020, dass sich in Minsk das 2014er Schauspiel von Kiew wiederholt. Nach einer unfairen und gefälschten Wahl waren es diesmal die Belarussen, die gegen ihren „demokratisch gewählten“ Präsidenten Lukaschenko auf die Straße gingen, um nach ukrainischem Vorbild einen Umsturz und einen demokratischen Neuanfang im Land herbeizuführen. Anders aber als in der Ukraine, war der Staatsapparat in Weißrussland jedoch bereit, den Befehlen der Führung zu folgen und auf die eigene Bevölkerung zu schießen.
Im Ergebnis dürfte sich Putin zwar gefreut haben, konnte er doch in dieser Zeit Lukaschenko mit Rat und Tat zur Seite stehen, z.B. wenn es um das Abfedern von Sanktionen ging, und damit die Zügel bei seinem belarussischen Vasallen wieder so richtig fest anziehen – Minsk ist nun abhängiger von Moskau denn jemals zuvor seit der Eigenständigkeit im Jahr 1991. Gleichwohl wurde Putin damit aber ein weiteres Mal vor Augen geführt, wie fragil seine eigene Autokratie und sein eurasischer Autokraten-Verbund in Wahrheit sind. Denn nicht nur in Belarus, sondern auch dem fast zeitgleich stattfindenden Konflikt um Bergkarabach zeigte sich diese Brüchigkeit. Dort kämpften mit Armenien und Aserbaidschan sogar zwei Nachfolgestaaten der UdSSR bzw. zwei GUS-Mitglieder gegeneinander. Daran sieht man auch, wie wertlos dieser Zusammenschluss inzwischen ist. Und im wichtigeren, engeren Verteidigungsbündnis mit Russland, also dem Vertrag über kollektive Sicherheit, stehen von den ehemaligen Sowjetrepubliken heute sowieso nur noch Belarus, Kasachstan, Armenien, Kirgisistan und Tadschikistan an der Seite von Putin.

Hinzu kam dann der neue Präsident in Kiew, der sich ob der ukrainischen Anliegen und Forderungen wenig verhandlungsbereit zeigte. Und während überdies durch Europa und Russland die große Corona-Winterwelle zog, zog mit Joe Biden im Januar 2021 dann auch noch im Weißen Haus ein anderer Schlag von Präsident und US-amerikanischer Außenpolitik ein. Und auch wenn wir in Deutschland in dieser Zeit dem wachsenden Druck nach Waffenlieferungen in die Ukraine stets standgehalten haben, waren natürlich die USA und andere NATO-Mitglieder schon längst dabei, die ukrainische Wehrfähigkeit zu erhöhen – die Türkei lieferte Drohnen, aus den USA kamen Panzerabwehrraketen und bei der Aus- und Fortbildung der Streitkräfte war „der Westen“ der Ukraine auch gerne behilflich. Für Putin lief die Zeit für eine militärische Lösung in diesem Konflikt damit eindeutig gegen ihn, denn mit jedem Monat wurde die Ukraine nun stärker.
Von seinem persönlichen Alter mal ganz zu schweigen, läuft die Zeit aber auch auf wirtschaftlicher Ebene rasend schnell gegen Putin und Russland, denn mit der Reduktion der CO2-Emissionen wird auch die Nachfrage nach den russischen Hauptexportgütern Öl und Gas in den nächsten 20 Jahren nicht mehr groß steigen, also kein reales Wachstum mehr erzeugen, und irgendwann dann sinken, also Einnahmeausfälle und wachsende Arbeitslosigkeit hervorrufen. Und als wäre das nicht genug, haben über die letzten Jahre niedrige Rohstoffpreise sowie Sanktionen wegen diverser russischer Vergehen sowie russische Gegensanktionen die dortige Volkswirtschaft gebremst. Gleichzeitig – das muss man sehen – hat der erschwerte Handel mit Europa und den USA die russische Wirtschaft aber auch ein Stück weit autarker gemacht bzw. zu einer Verlagerung des Außenhandels hin zu strategischen Partnern geführt. Gingen 2013 noch 25% der russischen Exporte nach Deutschland, Italien und in die Niederlande, sank dieser Anteil bis 2019 auf 19%. Und umgekehrt stieg der Anteil der Exporte nach China, Indien, Belarus und in die Türkei im selben Zeitraum von 15,5% auf 25% an. Auch Brasilien und Ägypten waren mit einem Anteil von 2% im Jahr 2019 doppelt so wichtige Abnehmer wie noch 2013. Und beim Import gibt es ähnliche Verschiebung. Hier nahm der Anteil der Importe aus China, Indien, Belarus und der Türkei von 22,7% im Jahr 2013 auf 28,5% im Jahr 2019 zu [2]. Es ist anzunehmen, dass sich diese Entwicklung in den letzten Jahren fortgesetzt hat, auch wenn Europa weiterhin der zentrale Markt sowohl für den Absatz von Rohstoffen als auch den Einkauf z.B. von Maschinen und Spezialgeräten geblieben sein dürfte. Dass die Öl- und Gaspreise 2021 wieder deutlich gestiegen sind, hat die wirtschaftliche Lage für Putin nun zwar kurzfristig wieder deutlich verbessert, langfristig bleibt für Russland die Problematik der grünen Energiewende aber bestehen und setzt Putin damit auch ökonomisch unter Handlungsdruck.

Die Monate vor dem Krieg

Auch wenn es für die russische Volkswirtschaft in den letzten Jahren weniger vorwärts, sondern eher in eine zunehmende Abhängigkeit von China ging, konnte Russland mit der Zeit große Geldreserven aufbauen und die steigenden Rohstoffpreise der letzten Monate haben Putins ökonomischen Handlungsspielraum noch einmal zusätzlich erweitert. Umgekehrt hat Putin (mit kräftiger Hilfe europäischer und vorneweg deutscher Politikerinnen und Politiker) in der Vergangenheit vieles dafür getan, um insbesondere bei der Gasversorgung den Handlungsspielraum Europas zu verringern, z.B. durch die Entwicklung neuer Pipeline-Routen (beileibe nicht nur Nordstream I und II), durch den Erwerb strategischer Infrastruktur (z.B. Gasspeicher) oder durch die Verhinderung einer europäischen Diversifizierung im Energiebereich mittels politische Einflussnahme (prominentester Fall, aber nicht der einzige: Gerdgas-Schröder). Ökonomisch war Russland damit schon 2021 für einen Feldzug gut gewappnet und das Anziehen der globalen Wirtschaft nach den tiefen Dellen der Corona-Pandemie würde unter normalen Umständen auch für die nächsten Jahre eine deutlich positive Entwicklung für Russland erwarten lassen.

Politisch brodelt es da hingegen schon mehr in Putins Welt. Nawalny sitzt zwar seit seiner Rückkehr nach Russland Anfang 2021 im Gefängnis, innenpolitisch allerdings Putin dennoch weiterhin im Nacken – vielleicht auch symbolisch, weil Putin zunehmend Angst haben muss, mal selbst dort zu landen, wo sich Nawalny gerade befindet. Daneben bekommt Putin das Nachbarland Belarus nur über die massive Gewalt von Lukaschenkos Staatsapparat kontrolliert und im Kaukasus hält er auch nur mit Müh und Not den Deckel auf den Konflikten. Gleichwohl hat er in all diesen Fällen noch die Kontrolle und droht diese bislang auch noch nicht zu verlieren.
Was die Ukraine anbelangt, sah das jedoch anders aus. Auf dem Verhandlungswege war für Putin gegen Selenskyj kein Blumentopf zu gewinnen und mit jeder westlichen Rüstungshilfe verschlechterte sich die militärische Position Putins. Er hat zwar noch bei weitem die absolute Oberhand, kann die Ukraine also problemlos in Schutt und Asche legen (ob er damit seine politischen Ziele erreicht, steht auf einem anderen Blatt), aber auf Dauer wäre diese militärische Drohung gegenüber der Ukraine immer schwächer geworden.
Das Afghanistan-Debakel der NATO hat dann womöglich Putins Hoffnung zusätzlich genährt, dass eine militärische Lösung in der Ukraine zurzeit noch mit recht geringem Aufwand möglich sei – wenn schon die Taliban „Sleepy Joe“ mit drei Raketenwerfen und ein paar Maschinengewehren vertreiben können und so in Kabul die Macht übernehmen, dann sollten die russischen Streitkräfte das doch allemal schaffen, wenigstens in der Ostukraine, vielleicht auch in Kiew. Und was die NATO anbelangt, hat Putin ja letztlich auch Recht behalten: Die NATO-Länder kämpfen ja gerade nicht in der Ukraine, sondern haben ihr Personal schleunigst abgezogen – mit der Erfahrung aus Afghanistan hat es diesmal bei der Evakuierung dann ja auch ganz gut geklappt. Womit Putin, ich und so ziemlich alle anderen Beobachter aber nicht gerechnet haben, waren der riesige Widerstandswille und die unglaubliche Kampfleistung der Ukrainerinnen und Ukrainer. Vielleicht hat Putin in dem Punkt auch mehr Recht, als ihm lieb sein kann, dass nämlich die Ukrainer sehr viel Ähnlichkeit mit den Russen haben – ein gutes Stück irre und mit Todesmut und Kampfgeist, wenn es um die Verteidigung ihre Heimat geht. Nur mal zum Vergleich: In Afghanistan sind bewaffnete „Berufssoldaten“ vor den Taliban weggerannt, in der Ukraine haben sich unbewaffnete Zivilisten vor russische Panzer gestellt.

Insofern könnte es im Herbst 2021 für Putin aber tatsächlich noch so ausgesehen haben, als wäre es für ihn möglich, mit einer kurzen und begrenzten „Militäroperation“ in der Ukraine all jene Ziele zu erreichen, die er auf diplomatischem Wege sonst niemals gegen Selenskyj durchbekommen würde. Wenn die NATO kuscht wie in Afghanistan, werden die „vaterlandslosen Marionetten“ der Kiewer Regierung möglichst schnell das Weite suchen und dann wird die breite Masse der Bevölkerung den Machtwechsel eingeschüchtert von russischen Panzern und beschwichtigt von russischer Propaganda schon über sich ergehen lassen – so oder so ähnlich könnte Putins Plan ausgesehen haben.
Und als hätte es noch eines finalen Beleges bedurft, dass schon ein paar Spezialkräften ausreichen können, um ein ganzes Volk zum Stillhalten zu bringen, gelang es Putin im Januar 2022 binnen weniger Tage die aufflammenden Proteste gegen die Regierung im verbündeten Kasachstan, ein Land mit immerhin knapp 20 Mio. Einwohnern, bereits im Keim zu ersticken. Der Preis für die dortige Bevölkerung waren nach offiziellen Angaben über 200 tote, über 4.000 verletzte und über 7.000 verhaftete Protestierende [3].
Möglicherweise hat dieser Einsatz in Kasachstan aber auch Putins Zeitplan nochmal durcheinandergeworfen. Zumindest hinsichtlich der Gasversorgung Europas wäre Putins Erpressungspotential bei einem Einmarsch zum Jahresbeginn nochmal deutlich größer gewesen und der Ukraine hätten – möglicherweise entscheidende – Wochen und vielleicht auch manch eine Waffenlieferung für die Vorbereitungen zur Verteidigung gefehlt.

Meine Fehleinschätzung

Nachdem an den Händen von Putin bereits das Blut von Tschetschenen und Georgiern, von zehntausenden Syrerinnen und Syrern, zuletzt hunderten Kasachen und über Jahre hinweg von unzähliger Journalisten und Oppositionellen hängt, habe ich mir spätestens seit den Fassbomben auf Aleppo keinerlei Illusionen mehr gemacht: Für Putin ist das Töten von Zivilisten offenkundig ein Mittel zur Zielerreichung und zwar noch nicht mal das letzte Mittel, sondern einfach nur eines von vielen. Insofern habe ich die Drohung eines Einmarsches von Anfang an ernst genommen und war überzeugt, dass er zu einem Krieg gegen die Ukraine grundsätzlich bereit ist.
Genauso wenig mache ich mir Illusionen, dass es Putin auf Dauer nur um die Ukraine oder die NATO-Mitgliedschaft einzelner Länder geht. Sein strategisches Fernziel ist mindestens die Sicherung des Moskauer Einflusses in den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion, z.B. im Kaukasus oder in Moldawien, das sich seit 2010 kontinuierlich und zuletzt in immer größeren Schritten von Moskau entfernte. Mit seiner Unterstützung unter anderem von Transnistrien, Südossetien, Abchasien oder Arzach macht Putin ja bereits seit langem unmissverständlich klar, dass er auch dort die völkerrechtliche Situation nicht anerkennt und jene Länder, zu denen diese Gebiete offiziell gehören, als dauerhaftes russisches Einflussgebiet ansieht. Das heißt zwar nicht, dass er demnächst auch in Georgien, Moldawien oder gar dem Baltikum einmarschieren wird. Aber er wird militärisch auf jeden Fall alle (konventionellen) Mittel einsetzen, um einen weiteren Einflussverlust in diesen Ländern zu verhindern – und anders als 2000 oder 2010 sind die russischen Streitkräfte heute dazu auch in der Lage, vielleicht abgesehen vom NATO-geschützten Baltikum.
Allerdings halte ich Putin auch für äußerst rational, extrem auf die Sicherung seiner eigenen Position in Russland bedacht und auch sehr eitel und damit – anders als beispielsweise Xi Jinping – auch an einem hohen persönlichen Ansehen außerhalb Russlands interessiert. Insofern gehe ich bis heute davon aus, dass Putin bei seinen politischen Entscheidungen stets abwägt zwischen den strategischen Zielen und den Vor- und Nachteilen für seine innen- sowie außenpolitischen Positionen (Letzteres ist in vielen Fällen gleichzusetzen mit dem außenpolitischen Gewicht Russlands). Rückschläge bei seinen strategischen Zielen sind für ihn inakzeptabel, aber vom Status quo ausgehend überlegt er, wie er innen, außen und strategisch die größtmöglichen Gesamtfortschritte erzielt.

Was sein großes Fernziel anbelangt, musste Putin sich tatsächlich in der Ukraine sorgen machen. Die selbsternannten Republiken Donezk und Luhansk haben im aktuellen, irregulären Zustand wenig Chancen auf wirtschaftliche Prosperität und eine solide Zukunft. Und mit dem neue Präsident Selenskyj und der Militärhilfe der NATO war im „Gesamtkomplex Ukraine“ für Putin ohne Intervention auch keine positive Entwicklung zu erwarten. Zudem musste der Alleinherrscher Putin befürchten, dass ein Verzicht auf Gegenmaßnahmen, innenpolitisch sowie von all den Moskau-treuen Vasallen in fremden Hauptstädten als Schwäche interpretiert werden könnte. Es war daher anzunehmen, dass Putin nicht einfach zusehen und abwarten würde.
Gleichzeitig konnte und kann ich mir bis heute nicht vorstellen, dass man mit 200.000 Mann die Ukraine einnehmen und stabil kontrollieren kann – wäre im Vorfeld von 600.000 Soldaten die Sprache gewesen, wäre ich vielleicht zu einer anderen Einschätzung gekommen. So aber kommt gerademal ein Soldat auf drei Quadratkilometer Fläche bzw. auf 200 Ukrainerinnen und Ukrainer und das auch nur dann, wenn kein einziger Soldat im Kampf fällt und niemand mit Organisation, Transport oder Versorgung betraut ist – und Essen und Schlafen müssen die russischen Soldaten zwischendurch ja auch mal.
Hochgerechnet entspricht diese Personalstärke gerademal der Polizeidichte in Deutschland – und da wird mir jeder zustimmen, dass das einfach zu wenig Personal ist, um damit einen ordentlichen Polizeistaat aufzuziehen. Und das dürfte umso mehr bei einem ukrainischen Volk gelten, das in den letzten 20 Jahren zweimal den Russland-treuen Janukowytsch verhindert bzw. vertrieben hat, und einen ukrainischen Staatsapparat, der mit Rückgrat an der Seite dieses Volkes steht. Selbst wenn Selenskyj eine bedingungslose Kapitulation unterschreiben würde, fällt die Ukraine nicht einfach an Putin, weil die Menschen das dort einfach so nicht mitmachen würden. Das Land käme wohl von einem Generalstreik in den nächsten Generalstreik und vermutlich gäbe es auch eine Untergrundbewegung und immer wieder Anschläge auf die russischen Besatzer – ein Tschetschenien (1,2 Mio. Einwohner) in riesig.

Insofern erschien mir der Gedanke, dass Putin auch nur im Entferntesten einen Angriff auf die Gesamtukraine und eine anschließende Übernahme plant, als völlig absurd. Gut vorstellen konnte ich mir hingegen, dass Putin nach der „militärischen Unterstützung der Volksrepubliken“ einen Krieg in der Ostukraine provoziert, um dann mit zehntausenden Soldaten in einer gezielten Aktion zunächst Geländegewinne zu erreichen, z.B. den Landzugang zur Krim oder in den ländlichen Regionen der Nordostukraine, und diese dann in einem aufgezwungenen Friedensvertrag gegenüber einer neutralen, NATO-freien Restukraine abzusichern. Das hätte nach meiner Analyse die aus Sicht Putins rationale Entscheidung sein müssen. Er konnte seine (faktisch und völkerrechtlich unberechtigten) Forderungen gegenüber der Ukraine nur militärisch durchsetzen und mit einem solchen Angriff hätte er auch aller Welt (und seinen eigenen Leuten) zeigen können, dass er in der Lage ist, selbst ein 40 Mio. Einwohner Land problemlos militärisch in die Knie zu zwingen und seine Interessen brachial durchzusetzen.
Die Restukraine, aber auch NATO und EU hätten erst einmal einen schweren Schlag zu verdauen gehabt – das Leid, die Vertreibung und Migrationsbewegung aus der Ostukraine, die ökonomischen Folgen, die Niederlage. Gleichzeitig hätte Putin nach einem „begrenzten Militäreinsatz“ noch einigermaßen leicht behaupten können, es sei nur um die Verhinderung von Russophobie, den Schutz russischsprachiger Minderheiten und zentrale Sicherheitsinteressen gegangen – (Schein)Argumente, die nach dem jetzigen „full scale“ Angriff auf die Gesamtukraine, im Norden auf Kiew oder im Südwesten auf Odessa, den letzten Rest an Substanz verloren haben. Und nun mag man in Europa fragen, ob das überhaupt eine Rolle spielt, aber in einer Welt, in der Putin nicht nur von China und glasklaren Autokraten unterstützt wird, sondern eben auch gute Beziehungen zu Indien, in den Nahen Osten, zu jemandem wie Erdogan (da ist die NATO-Mitgliedschaft interessanterweise nachrangig) oder zu semi-demokratischen Ländern in Afrika, Süd- oder Mittelamerika hat, macht das schon einen Unterschied, ob Russland unter Vorwänden eine 2-wöchige „militärische Intervention“ durchführt oder einen offenkundigen Angriffskrieg gegen ein souveränes Land startet, dessen Bevölkerung sich im wahrsten Sinne des Wortes mit Händen und Füßen gegen diese Invasion stemmt.

Am Abend des 23. Februar 2022 hatte Putin daher noch eine bombastische Verhandlungssituation („wenn Waffenlieferungen nicht gestoppt werden, greife ich an“; „wenn NATO-Mitgliedschaft nicht ausgeschlossen wird, greife ich an“) und in den nächsten Wochen hätte er den Konflikt mit vielen Nadelstichen weiter eskalieren können und mit seinen Spielchen am Rande des Erlaubten und über diesen Rand hinaus in der EU und in der NATO sowohl Diskussionen als auch Risse heraufbeschwören.
Die Option zur militärischen Durchsetzung der Territorialforderungen hätte er zwar trotzdem noch ziehen müssen, weil die ukrainische Seite ja niemals im vorauseilenden Gehorsam Gebiete an Russland abgetreten hätte. Aber eingepackt in eine kurze Militäraktion innerhalb eines längeren Konfliktes, hätte er sich vermutlich einiges an außenpolitischem (und ökonomischem) Ärger erspart – nicht bei der EU oder der NATO, aber vielleicht bei der Schweiz oder auch der Türkei.
Der breitflächige Angriff auf die Ukraine, insbesondere von Belarus aus Richtung Kiew, hätte nach meiner Einschätzung also nie stattfinden dürfen, weil es eine irrationale Entscheidung war – der Angriff hat jedoch stattgefunden! Entweder habe ich mich in Putin getäuscht und er ist gar nicht rational, wogegen zwar Vieles aus der Vergangenheit spricht, was ja aber nicht zwangsläufig auch in der Gegenwart noch gelten muss – Nero soll am Ende Rom angezündet und anschließend Harfe gespielt haben, vielleicht tanzt bald auch Putin mit der Balalaika durch den Kreml. Oder Putin ist schlicht und ergreifend von falschen Tatsachen ausgegangen, beispielsweise, weil ihm geschönte Berichte über die Stimmung in der Ukraine vorgelegt wurden oder man im Kreml die nicht sonderlich hohen Zustimmungswerte für Selenskyj als schwelenden Wunsch der ukrainischen Bevölkerung nach einer Rückkehr in die Zeit vor 2014 fehlinterpretiert hat. Meiner Fehleinschätzung bezüglich des breitflächigen Angriffs auf die Ukraine könnten daher auch einfach falsche Annahmen auf Seiten der russischen Geheimdienste zugrunde liegen.

Meine viel größere Fehleinschätzung war deshalb, dass ich nach dem Komplettangriff auf die Ukraine keinen Pfifferling darauf gewettet hätte, dass die Ukraine nach einem Monat noch als eigenständiges Land existiert. Vielleicht hätte es noch in Kiew und in ein paar Städten im Westen militärischen Widerstand gegeben, aber von den meisten Rathäusern hatte ich schon russische Flaggen wehen sehen. Und das tut mir unendlich leid, weil ich dem ukrainischen Volk meine eigene Verweichlichung unterstellt und damit viel Unrecht getan habe. Ich kann hier nur um Verzeihung bitten!

Putins Fehleinschätzung

Eine ähnliche Fehleinschätzung bezüglich der militärischen Stärke könnte aber auch im Kreml vorgelegen haben, sodass sich Putin durchaus erhofft haben könnte, mit Hilfe seiner Streitkräfte zwar nicht die gesamte Ukraine, aber doch wenigstens weite Gebiete rechts des Dnepr, vielleicht die Hauptstadt Kiew und dazu noch einen Korridor nach Moldawien bzw. Transnistrien relativ zügig erobern zu können. Zusammen mit der Fehlannahme, dass er in manchen Landesteilen noch einige Anhänger habe und vielen Menschen auch gleichgültig sei, ob nun ein Putin im fernen Moskau oder ein Selenskyj im fernen Kiew regiert, könnte es auf Putin in diesem Moment tatsächlich rational gewirkt haben, einen Feldzug in dieser Form zu starten, um damit seine territorialen Forderungen durchzusetzen. Und vielleicht wäre sein Plan dann auch aufgegangen, denn die ersten fünf Kriegswochen hat er innenpolitisch ja nun tatsächlich gut überstanden und außenpolitisch hat sich trotz des breitflächigen Angriffs leider gezeigt, dass Israel noch immer keine Waffen an die Ukraine liefert, Indien sich über Discount-Öl aus Moskau freut – das Öl ist sozusagen subventioniert, zum Teil bezahlt mit dem Blut der Ukrainerinnen und Ukrainer – und China sowieso weiterhin fest zu Putin steht. Eine solche „kurze Militäroperation“, wie es die russische Propaganda der Welt anfangs verkaufen wollte, hätte zwar NATO und EU erzürnt, Putin de facto aber wohl wenig auf dem internationalen Parkett geschadet und ihn bei seinen strategischen Zielen dafür sehr weit vorangebracht.

Doch es kam, wie es kommen musste, nämlich ganz anders. Seit Kriegsbeginn vor fünf Wochen haben die russischen Streitkräfte nicht annährend die territorialen Gewinne erzielen können, die Militärexperten im Vorfeld des Krieges erwartet hatten, und vermutlich schon gar nicht das, was russische Geheimdienste und Armeeführung ihrem Chef in Moskau versprochen haben.
Offenkundig wurde die Ukraine sowohl im militärischen Bereich als auch hinsichtlich der Zivilbevölkerung maßlos unterschätzt und die russischen Fähigkeiten gründlich überschätzt. Putin kann zwar die Städte einnehmen, aber nur nach schweren Bombardements und unter heftigen Verlusten im Häuserkampf – ein absolutes Fiasko, angesichts der Tatsache, dass er diese Landesteile ja eigentlich samt Bevölkerung in sein Reich eingliedern wollte. Stattdessen schließen sich die Menschen dort nun der ukrainischen Armee an, werden im Kampf oder durch Putins Bomben verletzt oder getötet oder packen das Nötigste und verlassen die Region, zumindest die, die noch können. Zurück bleiben komplett zerstörte Städte und eine gnadenlos ausgedünnte Bevölkerung.
Und dadurch, dass Russland an vielen Fronten gleichzeitig auf solchen erbitterten Widerstand stößt, sowohl in den Städten, in Mykolajiw im Süden, in Mariupol im Südosten, im Nordosten bei Charkiw (englisch Kharkiv) und Sumy, als auch im ländlichen Raum, z.B. auf dem Weg nach Kiew, droht inzwischen sogar ein völliges Scheitern des russischen Feldzugs in der Ukraine. Um seine Ziele militärisch noch halbwegs durchzusetzen, müsste Putin entweder noch gewaltsamer vorgehen oder noch höhere Verluste in den eigenen Reihen in Kauf nehmen. Letzteres könnte aber innenpolitisch schwierig werden, zumal auch russische Offiziere und Generäle Kinder und Enkel haben, die dann in diesem (idiotischen) Krieg verheizt werden. Und Ersteres, also ein noch gewaltsameres Vorgehen, würde die internationalen Partner der Ukraine noch einmal stärker zusammenrücken lassen und könnte überdies dann tatsächlich dazu führen, dass auch in Indien, Israel und vielleicht noch manch einem weiteren Land umgedacht wird. Natürlich würde das Putin auch nicht direkt stoppen, aber es wäre schon eine Demütigung für ihn, wenn der im Jahr 2000 einst demokratisch frei gewählte Präsident eines unabhängigen Russlands, Vladimir Putin, als brüllender sibirischer Tiger gestartet, nun im Jahr 2022 nichts mehr weiter darstellen würde als Chinas Schoßhündchen – ein kleiner kläffender Köter, an der kurzen Leine von Xi Jinping. Und abgesehen davon, wäre eine so weitgehende Isolation für die russische Volkswirtschaft mittel- und langfristig natürlich schon ein ernsthaftes Problem.

Mit dem breitflächigen Angriff auf die Ukraine am Morgen des 24. Februars hat Putin somit seine bombastische Verhandlungsposition vom Abend des 23. Februars auf einen Schlag zerstört und gegen Proteste im Inland, Belastungen der internationalen Beziehungen und möglicherweise ein militärisches Debakel in der Ukraine eingetauscht. Welche Risiken er dabei bewusst in Kauf genommen hat und auf welche er sich möglicherweise wegen Fehlannahmen eingelassen hat, lässt sich derzeit nicht klären. Weiterhin gehe ich allerdings davon aus, dass Putin auch bei Kenntnis des Kriegsverlaufs der letzten Wochen nicht auf einen Angriff auf die Ukraine verzichtet hätte – er wäre vermutlich nur anders vorgegangen.

Die Reaktionen auf Putins Angriff

Die wichtigste Reaktion auf die russische Aggression ist mit Abstand das grandiose Aufbäumen der Ukrainerinnen und Ukrainer, mit dem vielleicht nicht mal Selenskyj oder das ukrainische Volk selbst in diesem Maße gerechnet haben. Falls Putins Erzählung doch stimmen sollte, dass die Ukraine nur eine Erfindung von Lenin war, dann ist Putin mit seinem Angriff nun auf jeden Fall zum Vollender dieser Nation geworden. Und dank der Aufopferungsbereitschaft der Bevölkerung und dem Kampfeswillen der Soldatinnen und Soldaten hat die Ukraine auch nach fünf Wochen verheerender Luftschläge und blutiger Kämpfe noch immer kaum Boden verloren.

Im Vergleich zu dieser Antwort des ukrainischen Volkes sind alle anderen Reaktionen auf den russischen Überfall nahezu bedeutungslos. Und dennoch waren auch die übrigen getroffenen Maßnahmen gegen Putins Krieg in ihrer Originalität, Intensität, und Massivität für Beobachter überraschend, vielleicht auch für den ein oder anderen Beteiligten und vor allem wohl auch für den Kreml und Putin.
So gelang es Europa und Amerika, in nur wenigen Stunden die informationellen Massenvernichtungswaffen des Kremls, „Sputnik News“ und „Russia Today“, auszuschalten sowie einen erheblichen Teil der professionellen Desinformationsnetzwerke, z.B. auf Social-Media-Plattformen oder bei YouTube, lahmzulegen. Zwar ist zu erwarten, dass sich Putins Propagandisten zügig reorganisieren werden, zunächst wurde ihre Schlagkraft damit aber deutlich eingedämmt.
In umgekehrter Richtung wurden dafür alle erdenklichen Kanäle genutzt, um die russische Bevölkerung wachzurütteln, denn klar ist, wenn morgen alle 140 Mio. Russen auf die Straße gehen, wird es in russischen Gefängniszellen zwar recht eng, aber um Putin auch ziemlich leer. Anders als 2014/2015, sind meine Hoffnungen heute jedoch gering, dass aus Russland selbst ausreichend politischer Druck auf Putin erzeugt wird, um die Kämpfe in der Ukraine zu beenden. Zwar bleibt die russische Öffentlichkeit das größte Risiko für Putin und der Widerstand dürfte mit zunehmender Kriegsdauer auch wachsen, allerding eine echte Gegenöffentlichkeit zu den russischen Staatsmedien gibt es heute so nicht mehr und auch die früher wenigstens noch leise wahrnehmbare russische Opposition dringt mittlerweile nur noch selten zu den Menschen durch.
Umso wichtiger ist daher vielleicht, dass mit der globalen Hackergruppe „Anonymous“ eine weitere Kraft das Regime in Moskau ins Visier genommen hat. Sollte es dem weltweiten Hackerkollektiv beispielsweise gelingen, auf russischen Regierungswebseiten Informationen über Putins Krieg in der Ukraine und zu den willkürlichen Verhaftungen in Moskau zu verbreiten oder gar russische Staatsmedien zu kapern und dort z.B. die Selenskyj-Ansprachen zu übertragen, könnte das durchaus Teile der russischen Bevölkerung zum Umdenken bringen. Schon jetzt ist ein gewisser Exodus an hochqualifizierten Personen zu beobachten und gerade jene, die im Ausland ein schönes Leben führen könnten, werden sich zunehmend Gedanken machen, ob sie wirklich mit ihren Familien in einem isolierten Überwachungs-Russland versauern wollen.

Neben den Reaktionen seitens der EU, den USA und anderer Staaten auf der Informations-Ebene und im Cyberspace sind aber auch die wirtschaftlichen Gegenmaßnahmen und Sanktionen erstaunlich zielsicher und beeinträchtigen die russische Volkswirtschaft und das Leben in Russland durchaus erheblich. So wurden beispielsweise nicht nur die Lufträume über Europa und Nordamerika für russische Flugzeuge gesperrt, sondern wurden auch Leasingflugzeuge aus Russland zurückbeordert und für den Betrieb notwendige Wartungen und Ersatzteile verweigert, um die russische Luftfahrt auch im Inland hart zu treffen. In einem Land, das mehrere Zeitzonen umfasst und dessen Wirtschaft und Bevölkerung auf den Flugverkehr zwischen den Städten und ins Ausland angewiesen sind, bedeutet das mittelfristig auf jeden Fall herbe Einschnitte.
Hinzu kommen das Einfrieren der Nationalbankgelder, der teilweise SWIFT-Ausschluss und zumindest seitens der USA das vollständige Energieembargo. Auch viele Unternehmen ziehen an dieser Stelle mit und haben ihren Geschäftsbetrieb in und Handelsbeziehungen zu Russland auf eigenes Betreiben hin eingeschränkt, unterbrochen oder beendet.
Um die Oligarchen zu treffen, wurden außerdem erstmals in großem Stil Vermögenswerte eingefroren und Sanktionen verhängt, die das Leben für die ökonomischen Stützpfeiler des Putin-Regimes künftig deutlich unbequemer machen werden. Dass sich diesen Maßnahmen auch Länder wie die Schweiz und Singapur angeschlossen haben, wirkt dabei zwar wie eine Randnotiz, ist tatsächlich aber fast schon historisch – natürlich noch immer kein Vergleich zum historischen Kampf der Ukrainerinnen und Ukrainer um ihr Land.

Daneben haben Kulturschaffende und internationale Sportverbände reagiert und so wurde Russland beispielsweise vom IOC, von der UEFA und der Fifa ausgeschlossen. Und mal ganz ernsthaft, wenn Du sogar von der Fifa gemieden wirst, dann musst Du wirklich schon extrem böse sein – üblicherweise lässt sich die Fifa von Krieg und Menschenrechtsverletzungen nämlich nicht das Geschäft verderben. Insofern ist das vielleicht sogar ein stärkeres Signal als all die Friedensaufrufe vom Papst oder anderen Vertretern der großen Religions- und Glaubensgemeinschaften, auch wenn das natürlich ebenfalls alles gut, richtig und zu begrüßen ist.
Auch die „diplomatische“ Reaktion auf der Ebene der Vereinten Nationen ließ nicht lange auf sich warten. Letztlich ist Putins völkerrechtswidriger Angriff auf die Ukraine auch ein Krieg gegen eben diese UN-Weltordnung freier und souveräner Staaten. Und dass Putin den Einmarsch in die Ukraine zeitgleich zur Tagung des UN-Sicherheitsrates startete, macht ja nur noch einmal mehr deutlich, welchen Stellenwert Putin der UN und ihren Gremien beimisst.
Entsprechend hat aber eine große Mehrheit der UN-Länder – von den Bevölkerungen her die halbe Menschheit – Russlands Krieg gegen die Ukraine bei der UN-Vollversammlung verurteilt und einer entsprechenden Resolution zugestimmt. Auch Brasilien oder die Vereinigten Arabischen Emirate, die eigentlich ganz gute Beziehungen zu Russland haben, schlossen sich dem an und selbst die Taliban, die ja nun wirklich keine Freunde der US-Regierung oder der NATO sind, haben der Vorlage bei den Vereinten Nationen zugestimmt und damit das Verhalten Russlands aktiv verurteilt.
Enttäuschend ist jedoch das bis heute zögerliche Verhalten Israels und auch die Zurückhaltung Mexikos. In beiden Ländern hätte man sich mit einer klaren Verurteilung von Putins Krieg echt keinen Zacken aus der Krone gebrochen. Einfach nur peinlich ist bislang hingegen das Verhalten von Indien, das zu Kriegsbeginn erst alle einspannte, um indische Studierende aus den von Russland umzingelten Städten rauszuholen, und danach dann die russischen Bomben auf Zivilisten mit einem Schulterzucken hinnahm und jetzt auch noch jenes Öl aus Russland zu Billigpreisen importieren will, das andere Länder mühsam zu boykottieren versuchen.

Wie geht es weiter?

Nachdem ich mich so grundlegend getäuscht habe, was den flächendeckenden Angriff auf die Ukraine anbelangt, will ich mich mit Prognosen über den weiteren Verlauf zurückhalten. Natürlich sollten wir alle die Daumen drücken, dass der ukrainische Widerstand und die internationalen Sanktionen wirken und Putin schnellstmöglich ein Einsehen hat und seine Truppen aus der Ukraine abzieht. Vorbereiten müssen wir uns aber auf einen langen und erbitterten Stellungskrieg.
Militärisch sieht es zum jetzigen Zeitpunkt nicht so aus, als würde eine der Seiten zügig ihre Ziele erreichen und auch eine Verhandlungslösung scheint momentan von beiden Seiten aus betrachtet noch in weiter Ferne. Selenskyj kann und will die weitreichenden territorialen Forderungen von Putin keinesfalls erfüllen und Putin wiederum hat keinerlei Interesse, bei den bislang unstrukturierten Geländegewinnen stehen zu bleiben oder diese gar wieder herzugeben. Insofern ist leider zu befürchten, dass die Kämpfe in der Ukraine vorerst unvermindert weitergehen (hoffentlich täusche ich mich auch diesmal).
Da Selenskyj für seine aktuelle Politik breiten Rückhalt genießt, ist außerdem nicht zu erwarten, dass sich an der ukrainischen Position in nächster Zeit viel verändert. Umgekehrt ist aber auch ein Umsturz in Moskau – es wäre vermutlich die beste Lösung für alle, außer natürlich für Putin – relativ unwahrscheinlich. Theoretisch möglich, vielleicht sogar etwas wahrscheinlicher, ist ein Umsturz in einem von Putins Vasallenstaaten. Was würde denn passieren, wenn die zweite Staatsebene in Minsk oder das belarussische Volk die Gunst der Stunde nutzt? Viele Reaktionsmöglichkeiten hätte Putin aktuell auf jeden Fall nicht.

All diese Gedankenspiele setzen aber stets voraus, dass die Ukraine im Kampf gegen die russischen Streitkräfte weiter durchhält. Zu befürchten ist hier zwar, dass Russland in den nächsten Wochen weitere Geländegewinne macht, vielleicht auch Mariupol oder Charkiw einnimmt und danach einen Großangriff auf Kiew startet. Genauso gut lässt sich nach den Meldungen der letzten Tage aber auch hoffen, dass sich das Blatt auf dem Schlachtfeld durch Versorgungsprobleme bei russischen Truppen, die Waffenhilfe für die ukrainische Armee und die seit Wochen laufende Rekrutierung ukrainischer Soldaten allmählich doch wendet. Gelingt es der ukrainischen Armee tatsächlich, die russischen Truppen zurückzuschlagen, wird es für Putin zunehmend eng. Zwar hat er noch einige weitere Optionen, jede aber ihrerseits mit neuen, unberechenbaren Risiken für ihn und seine Herrschaft behaftet. So könnte er zu nochmals brutaleren Methoden greifen, womit er aber eventuell bei seinen bisherigen Partnern in Fernost den Geduldsfaden überstrapaziert. Putin könnte auch weitere russische Truppen in die Ukraine entsenden, was aber womöglich die Stabilität in anderen Landesteilen oder auch in den von Moskau abhängigen Ländern negativ beeinflusst und dort zum Widerstand animieren könnte. Überdies könnte Putin auch seine Marionette Lukaschenko auffordern, in den Krieg einzutreten, jedoch auch hier mit der Gefahr, damit in Belarus ganz neue Dynamiken auszulösen. Aber auch die für uns beste Lösung, Putin hat ein Einsehen und beendet den Krieg, wäre für seine Herrschaft in Moskau mit erheblichen Gefahren verbunden. Vorstellbar ist daher, dass Putin nach dem gescheiterten „Blitzkrieg“ nun zunächst versucht, sich mit den vorhandenen Mitteln auf die leichter erreichbaren Kriegsziele zu fokussieren, um am Ende trotz des militärischen Debakels noch einige Erfolge für sich aus diesem Krieg herausziehen zu können. Auf diplomatischer Ebene könnte das zunächst ein Verzicht der Ukraine auf eine NATO-Mitgliedschaft sein, anstatt gleich die „vollständige Demilitarisierung“ zu verlangen. Und militärisch könnte Putin vorerst auf einen Angriff auf Odessa oder Kiew verzichten und seine Streitkräfte östlich des Dnepr konzentrieren, um dort den Druck z.B. auf Charkiw und Mariupol zu erhöhen. Gelingt es Putin, diese Städte einzunehmen und damit ein „konsolidiertes“ von Russland besetztes Gebiet in der Ostukraine zu schaffen, werden die ukrainischen Streitkräfte an diesem Zustand so schnell vermutlich nichts mehr ändern können. Das wäre dann wohl auch der Zeitpunkt, an dem Putin bereit ist, unter Bedingungen den Konflikt vorerst einzufrieren – um seine strategischen Fernziele zu einem für ihn günstigeren Zeitpunkt weiterzuverfolgen.

Auf internationaler Ebene stellt sich hingegen die Frage, ob es den USA, der EU, Japan und anderen Verbündeten mit zunehmender Kriegsdauer und Brutalität vielleicht doch noch gelingt, weitere UN-Mitgliedsstaaten von einem strikteren Kurs gegenüber Putins Russland zu überzeugen. Möglicherweise hätte die EU als direkt betroffene Region einen besseren Zugang zur mexikanischen Regierung als die in Mexiko nicht sonderlich beliebten USA. Eventuell könnten dafür die USA als enger Partner von Israel oder Pakistan nochmal mit diesen Ländern sprechen. Und wenn es Japan oder Australien gelingen würde, Indien davon zu überzeugen, im Vergleich zu den Vorjahren wenigstens kein zusätzliches Öl oder andere Rohstoffe aus Russland zu importieren, würde das die Handlungsspielräume Putins ebenfalls nachhaltig reduzieren.
Gleichzeitig ist die Verlagerung von Handelsströmen auch eine Chance und kann als Verhandlungsmasse seitens Europas und Nordamerikas genutzt werden. Wenn die USA und Venezuela tatsächlich wieder miteinander reden und einen besseren Umgang finden, kann daraus für Millionen Menschen in Südamerika eine neue Perspektive erwachsen. Und wenn die EU mit Ländern des Nahen Ostens redet, kann dabei auch über die Zeit fossiler Energieträger hinausgedacht werden, z.B. mit Blick auf Sonnenenergie und die Herstellung von Wasserstoff. Europa müsste aus meiner Sicht auch gar nicht so arg weit in die Ferne schauen. Tunesien ist ein Land, das in den letzten Jahren sehr viel geleistet hat, z.B. hinsichtlich der eigenen Transformation oder auch bei der Bewältigung von Flüchtlingsströmen, und längst mehr Unterstützung aus Europa verdient hätte. Die in Folge des Ukraine-Krieges entstandene Notwendigkeit, neue Energiequellen für Europa zu erschließen, könnte hier nun zu mehr Augenhöhe und einer neuen Form gegenseitiger Partnerschaft führen. Auch in Algerien könnte die EU helfen, den augenscheinlich notwendigen gesellschaftlichen Transformationsprozess – es kommt regelmäßig zu Protesten gegen den verkrusteten algerischen Staatsapparat – abgesichert durch eine gute ökonomische Perspektive in einen friedlichen Rahmen einzubetten. Das wäre etwas, was man sich als EU eh überlegen sollte und wozu die jetzige Situation in der Ukraine dann nur ein weiterer Anlass wäre.

Neben all diesen Überlegungen, werden wir uns in Deutschland und der EU demnächst aber auch fragen müssen, wie mit Vertriebenen aus der Ukraine umgegangen werden soll. Noch sind wir in einer akuten Phase, also bei der Notversorgung mit Schlafplätzen, Lebensmitteln und Gesundheitsleistungen. Bei einem Fortgang des Krieges wird jedoch bald auch die Frage nach der Integration dieser Menschen in den Arbeitsmarkt drängend werden. Und so sehr es dabei zu wünschen ist, dass möglichst viele Ukrainerinnen und Ukrainer in der EU schnell zu einem Job finden – das hilft diesen wie auch den jeweiligen Gastländern – so ärgerlich ist es natürlich, dass die Ukraine damit umgekehrt zumindest einen Teil gerade auch der gut qualifizierten Arbeitskräfte verliert.
Überdies darf Europa jetzt nicht nur auf sich, auf den Krieg in der Ukraine und die Folgen für uns Europäerinnen und Europäer schauen. Auch die Hilferufe der UN bezüglich der weltweiten Versorgung, insbesondere mit Lebensmitteln, müssen in Europa gehört werden. Das Welternährungsprogramm und andere UN-Programme müssen ausreichend finanziert sein und bleiben. Auch dieser Herausforderung muss sich Europa stellen, nicht nur aus humanitären Gründen, sondern alleine schon, um nicht noch mehr Länder in ihrer Not in die Arme von Putins Russland oder den nicht intervenierenden Chinesen zu treiben.

Wie es am Ende kommt, müssen wir abwarten. Was mir zum Abschluss daher nur noch bleibt, ist den Ukrainerinnen und Ukrainern für den mutigen Kampf um ihr Land viel Erfolg und möglichst wenige Opfer zu wünschen und ihnen dafür, dass sie nicht nur ihr Land, sondern damit auch Europa, unsere freie Welt und die gesamte Friedensordnung souveräner Staaten verteidigen, von ganzem Herzen zu danken – Slawa Ukrajini!


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[1] Genaue Zusammensetzung und Zahlen zur Sowjetunion, zum Warschauer-Pakt sowie weitere Länderdaten und Ähnliches von Wikipedia entnommen: https://de.wikipedia.org/wiki/Sowjetunion

[2] Außenhandelsdaten von oec.world (Ein Datenprojekt zu Handelsströmen): https://oec.world/en/home-b

[3] Zahlen von Wikipedia übernommen: https://de.wikipedia.org/wiki/Unruhen_in_Kasachstan_2022

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https://www.mister-ede.de/politik/putins-krieg-in-der-ukraine/9234/feed 0
Wie wird sich die Corona-Pandemie in Deutschland, Europa und der Welt weiterentwickeln? https://www.mister-ede.de/politik/corona-deutschland-europa/8963 https://www.mister-ede.de/politik/corona-deutschland-europa/8963#comments Tue, 31 Mar 2020 20:56:21 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8963 Weiterlesen ]]> Viele Menschen treibt aktuell diese eine Frage um: Wie wird sich die Corona-Pandemie weiterentwickeln? Eine Antwort auf diese Frage kann aktuell aber niemand seriös geben. Es ist noch ungewiss, wie das Virus auf sommerliche Temperaturen reagiert. Und sollten beispielsweise Impfstoffe oder Medikamente verfügbar werden, ändert sich die Situation ebenfalls schlagartig. Aber auch wenn man solche Wendungen außen vor lässt, ist es aktuell schwierig, eine einigermaßen zuverlässige Aussage über den Fortgang der Seuche zu treffen.

Eine Ursache hierfür sind die grundsätzlichen Probleme, die sich aus diesem speziellen Katastrophen-Ereignis ergeben. Das Coronavirus selbst ist nicht wahrnehmbar, aber eben auch viele Infizierte haben keine oder kaum Symptome, fallen also nicht auf.
Würden die Erkrankten direkt am ersten Tag blaue Punkte im Gesicht bekommen, wäre es viel einfacher. So aber kann es über mehrere Tage oder, wenn die ersten Fälle als Grippe oder Erkältung fehlinterpretiert werden, auch über Wochen zu einem unbemerkten breitflächigen Seuchenausbruch kommen. Anfang Februar tobte das Coronavirus bereits kräftig in Norditalien und dennoch erahnte dort niemand die Gefahr. Während man also beispielsweise nach einem nuklearen Super-GAU recht genau die Kontamination einer Gegend messen kann, ist es bei Covid-19 damit schon schwer, die Ausgangsfrage zu beantworten, wie viele Infizierte es zu einem gewissen Zeitpunkt an einem bestimmten Ort gibt.
Die einzige Möglichkeit, um eine Aussage über die Verbreitung des Coronavirus in der Bevölkerung und seine Ausbreitungsgeschwindigkeit zu treffen, ist daher über Tests, die aktuell jedoch nur mit labortechnischen Untersuchungen möglich sind. Sofern Tests durchgeführt werden, kann damit auf mehreren Wegen die Verbreitung des Corona-Virus untersucht werden:
Man kann alle Menschen in einem Gebiet testen und bekommt damit einen sehr schnellen und präzisen Überblick über die aktuelle Verbreitung des Virus und bei regelmäßiger Wiederholung auch über die Ausbreitungsgeschwindigkeit. Sofern es irgendwann Schnelltests gibt, wird das sicherlich eine Überlegung wert sein. Solange jedoch Labore nötig sind, wird man die für solche Massentests nötigen Kapazitäten aber nur in Einzelfällen, z.B. für eine kleine Stadt, bereitstellen können.
Was in Deutschland stattdessen praktiziert wird, ist deshalb eine selektive Testung z.B. symptomatischer Patienten oder von Kontaktpersonen bestätigter Covid-19-Fälle. Bei dieser Variante ist allerdings völlig klar, dass es eine gewisse Zahl an unentdeckten Infektionen gibt. Man kann also nicht genau auf die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung schließen. Nachdem sich aber in Deutschland durch die von Anfang an vielen Tests das Verhältnis der unbekannten zu den bekannten Infektionen im Verlauf der Epidemie nur geringfügig verändern sollte, kann aus diesen Daten dennoch recht schnell und präzise auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit geschlossen werden.
In vielen Ländern der Welt reichen die Testkapazitäten aber selbst hierfür nicht bzw. nicht mehr aus. In diesem Fall kann dann nur noch auf Basis der an Corona verstorbenen Menschen näherungsweise zurückgerechnet werden, wie viele Infizierte es etwa zwei Wochen zuvor gab. Aber auch dafür ist es natürlich zwingend erforderlich, dass zumindest auf das Virus getestet wird.

Gerade jedoch in China, wo es offenkundig am Willen mangelt, aber auch in den vielen Entwicklungs- und Schwellenländern mit deutlich schwächerer Diagnostik als in Europa, fehlt es an solchen umfassenden Tests und validen Daten. Daher lassen sich im Moment selbst aus den jeweiligen Todeszahlen solcher Länder keine Rückschlüsse auf den dortigen Stand der Corona-Ausbreitung ziehen. So könnte es abweichend zu den offiziellen Zahlen in Mexiko-Stadt, Bogota oder Nairobi auch bereits dutzende Corona-Tote und tausende Infizierte geben und es bekommt im Moment nur noch niemand mit, weil es einfach an ausreichenden Tests fehlt.
In Europa hingegen dürften zumindest die Todeszahlen einigermaßen stimmen, was für die Welt allerdings nichts Gutes erahnen lässt. Bei etwa 30.000 Toten und einer angenommenen durchschnittlichen Letalität (Sterberate) von 2,5% haben sich seit Beginn der europäischen Corona-Epidemie Ende Januar über 1 Mio. Menschen in Europa infiziert. Und da das eine Rückwärtsrechnung ist, handelt es sich bei dieser Zahl um den geschätzten Stand der Infektionen Mitte März. Innerhalb von 8 Wochen haben also ein paar dutzend Flugreisende aus China diese enorme Infektionswelle ausgelöst.
Und nun ist Europa bestimmt nicht das Maß aller Dinge. Insbesondere was Pandemien anbelangt, sind ostasiatische Staaten wesentlich erfahrener und Länder wie Süd-Korea oder Singapur sind überdies straffer organisiert und uns auch technisch weit voraus. Dass aber die Entwicklung ebenso in Amerika, Indien oder gar Afrika wesentlich anders und besser sein sollte als in Europa, kann ich mir jedoch kaum vorstellen. Und einen Beleg dafür, dass diese Einschätzung nicht ganz falsch zu sein scheint, haben in den letzten Tagen die USA geliefert. So zeigte sich dort nach dem Hochfahren der Testungen innerhalb kürzester Zeit ein ganz anderes Ausmaß der Seuchenverbreitung, als es die Zahlen bis dahin hätten vermuten lassen.
Was heißt das aber nun für die Frage, wie sich die Corona-Pandemie weiterentwickeln wird? Natürlich wäre es möglich, dass außer den USA, dem Iran und Europa die Welt ansonsten den Erreger gut im Griff hat. Vielleicht fühlt sich das Coronavirus ja nur in diesen Breitengraden der nördlichen Hemisphäre wohl. Womöglich fehlt es in vielen Ländern der Welt aber auch einfach nur an der Ausrüstung, um die Corona-Epidemie frühzeitig vor einem Überquellen der Krankenhäuser zu bemerken. Und ob China oder auch Japan die Corona-Pandemie wirklich schon hinter sich haben, ist zurzeit leider ebenfalls nicht sicher. So könnten am Ende Süd-Korea und Singapur mit ihrem sehr frühen und energischen Handeln zu den wenigen Ausnahmen gehören, falls es tatsächlich in einigen Wochen zu einer weltweiten Katastrophe kommen sollte.

Während man aber auf der globalen Ebene wegen der schlechten Datenlage nur Vermutungen anstellen kann, sind für Europa zumindest rudimentäre Einschätzungen möglich. So sind bis heute in Italien 12.500 Menschen und in Spanien über 8.000 Menschen an Covid-19 verstorben. Für Mitte März – kurz zuvor spielte Atalanta Bergamo noch in der Champions League auswärts in Valencia – lässt sich damit für diese beiden Länder eine gute halbe Million Infizierter errechnen, was einem Anteil von ca. 0,5% der dortigen Bevölkerung entspricht. Sowohl Italien wie auch Spanien sind somit noch weit weg von einer schützenden Herdenimmunität, während gleichzeitig die Situation dort schon jetzt höchst kritisch, geradezu chaotisch ist. Und leider ist für Italien und insbesondere für Spanien auch in den nächsten Tagen keine Verbesserung der Lage in Sicht. Zum einen werden die dort getroffenen Maßnahmen – in Italien früher als in Spanien – erst mit einiger Verzögerung die Infektionen reduzieren und noch später die Zahl der Intensivpatienten und Toten. Zum anderen sind in beiden Ländern die Kapazitätsgrenzen für eine adäquate Versorgung bereits jetzt erreicht und dürften nun sukzessive in immer mehr Landesteilen gesprengt werden.
Eine ähnliche Entwicklung könnte auch in anderen europäischen Staaten folgen. Das gilt insbesondere für Frankreich, das zwischen den beiden aktuell am härtesten betroffenen europäischen Ländern liegt, genauso wie für Österreich und die Schweiz mit der Nähe zu Norditalien und auch für Großbritannien, das erst äußerst spät reagierte und ein sehr schwaches Gesundheitssystem hat. Alleine aus der Rückrechnung der Todeszahlen kann man jedoch noch keine Aussage darüber treffen, ob es auch im Rest Europas so schlimm wird wie in Italien oder Spanien.
Blickt man zusätzlich auf die Zahl der Neuinfektionen, geben die Daten aus der Schweiz aber zumindest etwas Anlass zur Hoffnung. Nach dem frühen Shutdown des Landes bleibt dort die Zahl der Neuinfektion inzwischen relativ konstant. Sollte sich dieser Trend auch in anderen Teilen Europas einstellen, könnte manche europäische Region noch einmal knapp an der Katastrophe vorbeischrammen und mit einem blauen Auge davonkommen. Das allerdings wird man wohl erst in ein, zwei Wochen sehen können und muss man sich dann auch von Land zu Land noch einmal genauer anschauen.

Ähnliches gilt für Deutschland. Zwar gibt es hierzulande eine ausreichend gute Datenlage, um eine Verlangsamung des mittleren täglichen Anstiegs der Infektionen von über 30% Mitte März, auf 20% Ende letzter Woche und aktuell unter 10% relativ verlässlich messen zu können.

Aber auch hier ist es für eine Aussage zu früh, denn selbst ein täglicher Anstieg der Infektionen von 2% würde nach nur wenigen Wochen zu italienischen Zuständen führen. Man wird daher noch die nächsten Tage abwarten müssen, um sagen zu können, ob sich der Anstieg nur einem niedrigen Niveau annähert oder tatsächlich zeitnah eine Trendwende gelingt und aus dem Anstieg ein Rückgang wird. Wäre das der Fall und die Zahl der Corona-Infektionen würde wieder deutlich abnehmen, könnte man allerdings für Deutschland recht zuverlässig sagen, dass zumindest unter Beibehaltung der strikten Shutdown-Maßnahmen die Epidemie hierzulande kontrolliert werden kann.
Gleichwohl wird sich die Zahl der schweren Erkrankungen und der Verstorbenen auch bei diesem Szenario in den nächsten zwei, drei Wochen noch deutlich erhöhen, weil sich der Anstieg dieser Fallzahlen erst mit zeitlicher Verzögerung zum Anstieg der Neuinfektionen vollzieht. Und während die Gesundheitsbehörden bis zum 16.3. noch weniger als 10.000 Personen meldeten, bei denen die Testergebnisse positiv ausfielen, waren es in den darauf folgenden zwei Wochen mehr als 50.000 Menschen, die untersucht und positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Diesen Zahlen gegenüber standen am 31.3. innerhalb des RKI-Meldesystems 1.486 Covid-19-Erkrankte in intensivmedizinischer Betreuung [1]. Es ist nun zu erwarten, dass sich ihre Anzahl im Laufe der nächsten Tage entsprechend dem Infektionsanstieg vervielfachen wird. Bei über 7.000 im Rahmen dieses Systems sofort belegbaren Intensivbetten sollten die Kapazitäten bis Ende nächster Woche aber reichen und weitere Intensivplätze sind auch noch in der Hinterhand. Es ist daher absolut richtig, einen Teil der Betten jetzt zu nutzen, um Erkrankte aus den stark betroffenen Ländern Europas zu versorgen. Klar wird damit allerdings auch, dass der Anstieg der Fallzahlen in Deutschland nicht mehr allzu lange andauern darf, weil ansonsten selbst diese großen Kapazitäten nicht mehr ausreichen werden.
Darüber hinaus wird sich Deutschland darauf einstellen müssen, schwer erkrankte Personen bundesweit auf die vorhandenen Intensivplätze zu verteilen. Denn wie für die Welt und Europa gilt auch für Deutschland, dass es bei der Ausbreitung des Coronavirus große regionale Unterschiede gibt. Besonders in Süd- und Westdeutschland ist das Virus aktuell deutlich weiter verbreitet, was dazu führen könnte, dass die Kapazitäten des Gesundheitssystems dort trotz Verlangsamung des Infektionsgeschehen nicht mehr ausreichen, während in anderen Teilen der Republik noch über längere Zeit Intensivbetreuungsplätze zur Verfügung stehen. Für ein solches Szenario, also eine Verlegung von täglich hunderten Erkrankten über weitere Strecken, sollten sich die entsprechenden Organisationen und Institutionen (Luftrettung, Bundeswehr) daher vorbereiten, um im Ernstfall genügend Transportkapazitäten bereitstellen zu können.
Daneben wird man auch beobachten müssen, inwiefern es Unterschiede zwischen großen Metropolen und weniger dicht besiedelten Gegenden gibt. Es wäre zum Beispiel nicht sonderlich verwunderlich, wenn das in weiten Teilen eher ländlich strukturierte Mecklenburg-Vorpommern weniger stark von der Epidemie getroffen werden würde als die Bundeshauptstadt Berlin. Auch in diesem Fall sollten die ungenutzten Kapazitäten in diesen Regionen konsequent zur Entlastung stärker betroffener Gebiete genutzt werden.

Die erheblichen regionalen Unterschiede führen allerdings auch dazu dass eine Prognose für Deutschland schwer ist. Klar, solange die Zahl der bundesweiten täglichen Neuinfektionen weiter mehr oder weniger schnell steigt, befindet sich Deutschland auf dem Weg in die schlimmste humanitäre Katastrophe seit der Nachkriegszeit. Aber auch wenn die Zahl der Neuerkrankungen im bundesschnitt konstant bliebe oder zurückginge, sollte das nicht zu einer zu frühen Entwarnung führen. Wenn die aktuellen Ausgangsbeschränkungen in weiten Teilen des Landes eine schnelle Abnahme der Neuinfektionen bewirken, kann das nämlich überdecken, dass es in einzelnen Bundesländern, Städten, Kreisen oder auch Dörfern weiterhin zu einem Anstieg der Fallzahlen kommt. So liegt beispielsweise der durchschnittliche tägliche Anstieg der Neuinfektionen in NRW seit Mitte März stets 2 bis 5 Prozentpunkte unter dem Bundesschnitt.

Umgekehrt müssen dann aber auch andere Regionen über diesem Bundesschnitt liegen. Und genauso gibt es innerhalb der einzelnen Bundesländer erhebliche Unterschiede. Während nur jeder 16. Nordrhein-Westfale in Köln lebt, kommen 10% der Corona-Fälle des Landes von dort – Tendenz steigend. Selbst zwischen direkt benachbarten und strukturell ähnlichen Landkreisen und, wie man an Gangelt sieht, sogar Gemeinden kann es riesige Unterschiede geben. Bei einer Lockerung der aktuellen Maßnahmen könnte daher sehr schnell eine neue zweite Infektionswelle über eine noch immer weitestgehend nicht immune Bevölkerung rollen. Ein Ischgl hat ja für ein solches Szenario offenkundig ausgereicht und das nächste Ischgl könnte genauso gut auf Sylt liegen.

Was aber heißt das nun für Deutschland? Sowohl die Daten aus der Schweiz wie auch die spürbare Verlangsamung des Anstiegs in Deutschland deuten an, dass eine Trendwende schaffbar ist. Dafür allerdings muss der Shutdown noch mindestens ein, zwei Wochen weitergehen und auch danach wird es erheblicher Einschränkungen bedürfen. Möglicherweise wird es dabei auch zu der Situation kommen, dass die Epidemie zwar in weiten Teilen des Landes unter Kontrolle ist, es aber immer wieder zu verschiedenen regionalen Ausbrüchen der Seuche kommt. Auch hierauf wird man sich vorbereiten müssen, sobald erkennbar wird, dass sich die Lage in Deutschland insgesamt allmählich wieder verbessert. Während man für die Welt nur vermuten kann und für weite Teile Europas nur hoffen, ist für Deutschland damit zumindest ein ganz vorsichtiger Optimismus erlaubt.


Text als PDF: Wie wird sich die Corona-Pandemie in Deutschland, Europa und der Welt weiterentwickeln


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[1] Täglicher Lagebericht des RKI vom 31.3.2020 (Lagebericht als PDF auf www.rki.de)

]]>
https://www.mister-ede.de/politik/corona-deutschland-europa/8963/feed 0
Eine erste Einschätzung zur bundesweiten Corona-Kontaktsperre https://www.mister-ede.de/politik/corona-kontaktsperre/8955 https://www.mister-ede.de/politik/corona-kontaktsperre/8955#comments Tue, 24 Mar 2020 17:40:14 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8955 Weiterlesen ]]> Bereits vor zwei Wochen hatte ich neben Grenzschließungen verschiedene Maßnahmen innerhalb Deutschlands vorgeschlagen, um der Ausbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken. Zusätzlich zur Einstellung weiter Teile des innerdeutschen öffentlichen Personenverkehrs (Züge, Busse, Flüge) hatte ich schon zu diesem Zeitpunkt angeregt, in besonders betroffenen Gebieten alle nicht notwendigen Aktivitäten einzustellen und die Versammlungs- und Bewegungsfreiheit erheblich einzuschränken.
Insofern halte ich die von den Bund und Ländern inzwischen getroffenen Maßnahmen durchaus für sinnvoll. Und auch die Entscheidung der Politik, darüber hinaus KiTas und Schulen bundesweit zu schließen oder zumindest auf eine Notbetreuung umzustellen, ist sicher ebenfalls gut und richtig.
Das flächendeckende Kontaktverbot hingegen ist aus meiner Sicht problematisch, weil damit pauschal fundamentale Grundrechte auf ganz massive Art und Weise eingeschränkt werden. Natürlich kann eine solche Kontaktbeschränkung in stark betroffenen Regionen ein sinniges Mittel sein. Aber selbst dort lässt sich über die tatsächliche Wirkung streiten, solange es nur völlig unzureichende Schutzvorkehrungen an den wesentlichen Knotenpunkten der Gesellschaft (Supermarkt, Arzt, ÖPNV usw.) gibt. Und klar ist eben auch, dass es der Seuchenbekämpfung im süddeutschen Mitterteich recht wenig hilft, wenn auf Rügen Schulen geschlossen und den Rügenern ein Kontaktverbot oder eine Ausgangssperre auferlegt wird.
Die aktuell seitens der Landes- und Bundespolitik vorgetragene Begründung für diese Maßnahme läuft insofern ins Leere. Nur weil es stark betroffene Gebiete gibt, in denen die Einschränkung der Grundrechte wirklich notwendig ist, muss man deshalb noch lange nicht die Grundrechte in anderen Teilen Deutschlands außer Kraft setzen.
Zu beantworten ist daher vielmehr die Frage, ab wie vielen Infizierten in einer Region solche Maßnahmen sinnvoll und zulässig sind. Eines kann man dabei jedoch ausschließen, nämlich dass in Stadt- und Landkreisen mit einigen wenigen Infizierten, deren Infektionswege sich oftmals noch nachvollziehen lassen, eine so einschneidende Maßnahme wie ein solches Kontaktverbot verhältnismäßig ist. Das gilt insbesondere dann, wenn gleichzeitig in vollen Bussen und Läden, am Arbeitsplatz oder in Behörden ein Vielfaches an Übertragungsrisiken lauert.

Mit Blick auf das bayerische Mitterteich und eine Infektionsquote von 1% sieht das natürlich anders aus. Dort ist ein solches Kontaktverbot mehr als angebracht. Und sinnvoll wäre es vermutlich auch, zusätzlich wirklich alle Geschäfte einschließlich Arztpraxen und Apotheken zu schließen und eine Notversorgung der Bevölkerung in ihren Häusern und Wohnungen durch Bundeswehr, THW, DRK oder auch sonstigen ehrenamtlichen Kräfte zu organisieren. Nachdem von weiteren bislang unerkannten Infizierten in dem Dorf auszugehen ist und auch davon, dass es in häuslicher Quarantäne weitere Ansteckungen gibt, könnte die Zahl der Erkrankten dort sogar trotz solch strikter Maßnahmen schnell auf 5% ansteigen. So etwas hält unser Gesundheitssystem vielleicht noch bei einer kleinen Gemeinde aus, aber nicht flächendeckend.
Insgesamt ist die Situation in vielen Teilen Süd- und Westdeutschlands und – wie zu erwarten – insbesondere auch in den Metropolen äußerst gefährlich. Ob es hier in den letzten Tagen gelungen ist, die Verbreitung signifikant zu verlangsamen, kann man aktuell noch nicht beurteilen. Meine große Befürchtung ist allerdings, dass gerade in Berlin, Hamburg, München oder Köln die verschiedenen Maßnahmen – inklusive der Kontaktsperre – eine vergleichsweise geringe Verlangsamung bewirken könnten, weil dort der ÖPNV-Anteil und auch der Anteil von Berufspendlern sehr hoch ist und es in den Geschäften des täglichen Lebens einfach einen viel höheren Durchlauf an Menschen gibt. Und genau dort liegen die Hauptgefahrenquellen und eben nicht bei vier Leuten, die zusammen im Park sitzen.
Umgekehrt habe ich dafür aber noch immer die Hoffnung, dass mit den jetzt getroffenen Maßnahmen in weiten Teilen Deutschlands, insbesondere in den eher schwächer besiedelten Gebieten mit etwas Abstand zu den Metropolregionen, die Infektionsketten in einigen Fällen auch wieder gestoppt werden können. Bei den aktuell 52 bestätigten Fällen in unserem hiesigen Kreisgebiet ist meines Wissens nach von 50 bekannt, auf welchem Wege diese sich infiziert haben, nämlich allesamt in Italien oder Österreich oder über Rückkehrer von dort. Gelingt es in den nächsten Wochen, auch die Infektionswege weiterer Fälle zu identifizieren und vielleicht sogar einen Zusammenhang zu den beiden bislang unbekannten Übertragungswegen herzustellen, wäre das eine ganz andere Situation, als wenn sich jetzt nach und nach immer mehr Fälle mit ungeklärten Infektionswegen auftun.

Selbstverständlich machen bundesweite Maßnahmen an vielen Stellen Sinn, z.B. der Verzicht auf größere Versammlungen oder auch die Begrenzung von Gruppengrößen in der Öffentlichkeit auf wenige, vielleicht fünf oder sechs Personen. Zielführend wäre außerdem, in ganz Deutschland besondere Gefahrenpunkte, wie Autobahntankstellen oder den ÖPV, in den Blick zu nehmen. Es sollten so viele Busse wie möglich eingesetzt werden, um so wenige Fahrgäste wie möglich je Bus zu haben. Dazu routinemäßige Desinfektionen von Zügen und Bussen nach ein oder zwei Touren und auch regelmäßige Desinfektion von Taxen. Außerdem sollte über eine Mundschutzpflicht für Fahrgäste nachgedacht werden. Daneben sind auch Taxi-Gutscheine oder ein Shuttle-Service z.B. für Klinikpersonal überlegenswert, das sonst auf Bus und Bahn angewiesen wäre. Beim Einkaufen in Supermärkten, Apotheken oder anderen Geschäften bräuchte es deutschlandweit mehr Ansteckungsschutz z.B. durch Trennschreiben aus Plexiglas im Kassenbereichen. Und sinnvoll wären sicher auch viel mehr Möglichkeiten, sich vor Geschäften oder an Bushaltestellen die Hände zu waschen. In Bahnhöfen wäre es sicher kein Problem, in bahnsteignähe mobile Waschbecken aufzustellen, um die Hygiene zu verbessern. All das macht auch in der Fläche Sinn, weil es sich zwar um weiche, aber dennoch seuchenhemmende Maßnahmen handelt.
Ob darüber hinaus eine noch härtere Kontaktsperre oder gar eine Ausgangssperre notwendig ist, sollte allerdings in den jeweiligen Regionen von der Situation abhängig gemacht und nicht zentral von Bundes- oder Landesregierungen festgelegt werden. Denn in dieser Pauschalität wird eine solche Maßnahme sonst weder der Situation noch den Anforderungen des Infektionsschutzgesetzes und des Grundgesetzes gerecht.
Und wenn am Ende in den schwach betroffenen Regionen die Kollateralschäden solcher harten Maßnahmen höher sind, als der beabsichtigte Nutzen, ist niemandem geholfen. Schon jetzt verlassen Pflegekräfte scharenweise das Land was für hunderttausende Ältere und Pflegebedürftige eine nicht minder lebensgefährliche Situation darstellen kann wie die Corona-Epidemie selbst. Und auch für die zig Millionen Menschen, die schon jetzt durch das Raster unseres Staates fallen – Obdachlose, Minirentner, Flaschensammler – beginnt in den nächsten Tagen bei Lieferengpässen, steigenden Preisen und geschlossenen Tafeln ein Lebenskampf – Corona hin, Corona her. All das muss Politik deshalb jetzt im Blick haben, damit es am Ende nicht heißt, in Deutschland starben 20.000 Menschen an Corona und 100.000 Obdachlose, Alte und Hilfsbedürftige an den Corona-Schutzmaßnahmen der Politik.


Text als PDF: Eine erste Einschätzung zur bundesweiten Corona-Kontaktsperre


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Corona-Epidemie in Deutschland: Es braucht wesentlich restriktivere Maßnahmen! https://www.mister-ede.de/politik/corona-epidemie-deutschland/8950 https://www.mister-ede.de/politik/corona-epidemie-deutschland/8950#comments Thu, 12 Mar 2020 08:37:24 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8950 Weiterlesen ]]> Um einen massiven Corona-Ausbruch, wie wir ihn in Italien aktuell erleben, in Deutschland zu verhindern, braucht es unverzügliches und konsequentes Handeln. Folgendes ist jetzt zwingend erforderlich:

Nachdem wir es in den letzten Wochen in Italien bereits mit mehreren zehntausenden oder gar hunderttausenden Infizierten zu tun hatten, ist zuvörderst an die Vernunft insbesondere von Italien-Rückkehrern der letzten Tage zu appellieren, sich selbst zu isolieren, um nicht Ausgangspunkt eines weiteren Infektionsgeschehens zu werden! Genauso wichtig sind neben individuellen Schutzmaßnahmen aber auch effektive staatliche Maßnahmen gegen die Corona-Epidemie in Deutschland.
Die Grenzen nach Österreich und in die Schweiz sind mit sofortiger Wirkung partiell zu schließen und zeitnah auch alle anderen Grenzen inklusive der Seegrenzen. Die partielle Schließung soll die Einstellung des grenzüberschreitenden Zug- und Busverkehrs, die Schließung kleinerer Grenzübergänge und Einreisekontrollen an den großen Grenzübergängen beinhalten. Im Personenverkehr dürfen in nächster Zeit nur noch deutsche Staatsbürger und Personen mit Wohnsitz in Deutschland unter der Auflage einer zweiwöchigen häuslichen Quarantäne einreisen. Alle anderen Ankommenden müssen hingegen auf eigenen Kosten am jeweiligen Grenzübergang für zwei Wochen in Quarantäne bleiben, bevor sie nach Deutschland einreisen dürfen. Im Güterverkehr können hiervon abweichende Regelungen getroffen werden und für Berufspendler von diesseits und jenseits der Grenze kann es unter Auflagen ebenfalls Ausnahmen geben.
Zusätzlich zu Einreisen über den Land- und Seeweg ist der Flugverkehr einzuschränken. Aus allen Teilen der Welt dürfen, wie an den Land- und Seegrenzen, deutsche Staatsbürger und Personen mit Wohnsitz in Deutschland nur noch unter der Auflage einer zweiwöchigen häuslichen Quarantäne einreisen und alle anderen Ankommenden nur noch nach zweiwöchiger Quarantäne auf eigene Kosten am jeweiligen Flughafen.
Diese Maßnahmen sollten für mindestens 30 Tage gelten und auch alle anderen west- und mitteleuropäischen Länder innerhalb und außerhalb der EU sollten unverzüglich dieselben Maßnahmen ergreifen, um in Europa einzelne Cluster zu bilden und die allzu schnelle Ausbreitung einzudämmen.

Des Weiteren müssen innerhalb Deutschlands Maßnahmen zur Verlangsamung oder Unterbindung der Seuchenausbreitung getroffen werden: Alle Großveranstaltungen in Deutschland sind abzusagen, denn das Risiko solcher Veranstaltungen mit Besuchern aus dem ganzen Bundesgebiet liegt vor allem darin, dass ein einzelner und bis dahin unerkannter Infizierter dort leicht zum Ausgangspunkt für dutzende neuer Infektionsherde in ganz Deutschland werden kann. In den besonders betroffenen Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern und NRW müssen zusätzlich aber auch unbedingt kleinere Veranstaltungen abgesagt werden, insbesondere wenn es sich um überregionale Veranstaltungen handelt, wie z.B. Fußballspiele der Regionalliga und höherer Ligen.
Darüber hinaus ist der länderübergreifende öffentliche Personenverkehr mit diesen drei Bundesländern sowie den Metropolen Berlin und Hamburg einzustellen. Das gilt ebenso für den innerdeutschen Flugverkehr mit diesen fünf Hotspots. Auch hier geht es um eine zielführende Clusterbildung zur Bekämpfung der Verbreitung und zum Schutz der bislang noch weniger stark betroffenen Regionen in Nord- und Ostdeutschland.
Außerdem sollten die Universitäten und Hochschulen deutschlandweit bis 30.4. alle Lehraktivitäten aussetzen, damit studienbedingte Reiseaktivitäten entfallen. Unternehmen, Behörden und Organisationen sind aufzufordern, nicht zwingend erforderliche Reisen, z.B. Lehrgänge, zu verschieben. Auf generelle Schul- und KiTa-Schließungen sollte hingegen verzichtet werden. Zwar gibt es dort ein erhöhtes Ansteckungsrisiko, aber da die meisten Schüler und Lehrer aus der näheren Umgebung kommen, gibt es kein übermäßiges zusätzliches Verbreitungsrisiko. Ob sich ein Schüler nun morgens in der Schule bei einem Mitschüler oder bei demselben Mitschüler abends in der Disco ansteckt, macht halt keinen Unterschied.

Weitere Maßnahmen für die besonders betroffenen Kommunen sollten, wie im Fall Heinsberg, je nach Bedarf hinzukommen. Denkbar sind die Schließung von Schulen, KiTas und öffentlichen Einrichtungen, die Absage aller Veranstaltungen wie z.B. Gottesdiente oder Vereinsabende, Anordnungen zur häuslichen Quarantäne, Ausgangssperren oder auch die vollständige Abriegelung einer Gebietsköperschaft.

Sicher, all diese Maßnahmen sind hart und schränken das Leben in Deutschland erheblich ein. Aber Ziel muss sein, für die nächste Zeit weitere Neuinfektionen aus dem Ausland zu verhindern und die Infektionsherde innerhalb Deutschlands lokal in den Kommunen und regional in den Bundesländern einzudämmen.
Dass solche harte Maßnahmen nun notwendig sind, hängt damit zusammen, dass vor vier Wochen nicht adäquat gehandelt wurde. Und ob wir in vier Wochen noch viel härtere Maßnahmen brauchen, z.B. einen kompletten Shut-down wie in Italien, hängt davon ab, ob wenigstens jetzt adäquat reagiert wird. Es ist also höchste Zeit zu handeln.


Text als PDF: Corona-Epidemie in Deutschland: Es braucht wesentlich restriktivere Maßnahmen!


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Diese mindestens 20.000 Infizierten standen Mitte Februar noch einem riesigen Reservoir an Corona-freien Menschen gegenüber, die zu diesem Zeitpunkt völlig arglos waren. Hierdurch dürfte die Zahl der Erkrankten in Italien in den letzten Wochen noch erheblich gestiegen sein. Zwar gab es schon kurz darauf erste Quarantäne-Maßnahmen und Sperrzonen, die das Infektionsgeschehen sicher verlangsamt haben, dennoch gehe ich davon aus, dass es in Italien inzwischen weit über 100.000 Menschen gibt, die den Corona-Virus in sich tragen.

Aus meiner Sicht ist es daher absolut unverständlich, dass Deutschland und andere EU-Länder den Flugverkehr mit Italien nicht längst komplett eingestellt haben. Das muss nun schleunigst erfolgen und selbiges gilt für Zug- und Fernbusverbindungen. Daneben sollte auch der Flug-, Zug- und Fernbusverkehr mit den bereits ebenfalls stark betroffenen Nachbarländern Schweiz und Österreich ausgesetzt werden.
Zur Kontrolle und Erfassung sowohl der Italien-Rückkehrer wie auch von Einreisenden aus der Schweiz und Österreich sollten alle Autobahnübergänge mit umfassenden Kontrollen ausgestattet werden und alle anderen Grenzübergänge zur Schweiz und nach Österreich geschlossen werden. Desweiteren sollte die Bundesregierung die Schweizer und Österreich bitten, ihrerseits die Durchreise für Deutsche aus Italien ebenfalls nur nach Kontrolle und Erfassung zu erlauben, um eine Umgehung der Grenzkontrollen für Italienrückkehrer deutlich zu erschweren. Für die erfassten Rückkehrer aus Italien, der Schweiz und aus Österreich ist im Anschluss an die Einreise eine obligatorische zweiwöchige häusliche Quarantäne anzuordnen. Deutsche, die durch die Einstellung des öffentlichen Personenverkehrs aus Italien, Österreich und der Schweiz dort stranden, sollten zentral vom Bund zurückgeholt und ebenfalls kontrolliert, erfasst und in häusliche Quarantäne geschickt werden. Bereits jetzt sollten diese Maßnahmen ebenso für die westlichen Grenzen zu den Benelux-Ländern und Frankreich angekündigt werden, um über die nächsten Tage noch ein Zeitfenster für eine eigenständige quarantänefreie Rückreise offen zu halten. Spätestens zu Beginn der nächsten Woche, sollte dann allerdings auch hier der (Personen-)Grenzverkehr auf ein Minimum reduziert werden.

Nachdem wir es in den letzten Wochen in Italien bereits mit mehreren zehntausenden oder gar hunderttausenden Infizierten zu tun hatten, wäre es ein großes Wunder gewesen, wenn nicht bereits jetzt zahlreiche Infizierte aus Italien nach Deutschland zurückgekehrt wären. Und tatsächlich lassen sich viele Infektionsherde in Deutschland auf Italien-Aufenthalte zurückführen, wobei davon auszugehen ist, dass es noch einige weitere Infizierte gibt, die das nicht mal merken, weil sie weitgehend ohne Symptome sind.
Es ist daher an die Vernunft insbesondere von Italien-Rückkehrern der letzten Tage zu appellieren, sich selbst zu isolieren, um nicht Ausgangspunkt eines weiteren Infektionsherdes zu werden. Da es allerdings bereits jetzt einige unkontrollierte Ausbrüche in Deutschland gibt, müssen überdies auch hierzulande Gegenmaßnahmen getroffen werden, um die Verbreitung einzudämmen. Zentral ist dabei die Absage aller Großveranstaltungen, denn das Risiko solcher Veranstaltungen mit Besuchern aus dem ganzen Bundesgebiet liegt insbesondere darin, dass ein einzelner und bis dahin unerkannter Infizierter dort leicht zum Ausgangspunkt für dutzende neue Infektionsherde in ganz Deutschland werden kann.
Daneben sollten in den besonders betroffenen Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern und NRW auch kleinere Veranstaltungen abgesagt werden, insbesondere dann, wenn es sich nicht um rein lokale Veranstaltungen handelt, wie z.B. Fußballspiele der Regionalliga und höherer Ligen.
Außerdem gilt es, stark betroffene Gemeinden, Landkreise oder auch Bundesländer frühzeitig von ihrer Umgebung abzukoppeln. Die Aussetzung des innerdeutschen Flugverkehrs von und nach Baden-Württemberg, Bayern und NRW sowie des länderübergreifenden Zug- und Busverkehrs mit diesen drei Bundesländern sollte deshalb dringend geprüft werden.
Auch über eine präventive Abkopplung von Berlin und Hamburg vom öffentlichen Verkehr sollte nachgedacht werden, um die umliegenden Regionen vor den Infektionsgefahren des jeweiligen Ballungszentrums zu schützen.
Desweiteren sollten in allen besonders stark betroffenen Kommunen nach dem Vorbild Heinsberg Geschäfte nur unter besonderen Schutzvorkehrungen geöffnet bleiben und alle Schulen und KiTas geschlossen, die öffentliche Verwaltung auf ein Minimum reduziert und jegliche Versammlungen, wie Gottesdiente oder Vereinsabende, abgesagt werden.

Es ist natürlich unglaublich ärgerlich, dass die Bundesregierung nicht schon vor 2 oder 3 Wochen durch eine konsequente Beschränkung des Reiseverkehrs mit Italien und obligatorischer häuslicher Quarantäne von Italienrückkehrern zahlreiche Infektionsherde in Deutschland verhindert hat. Viele Maßnahmen, die jetzt zusätzlich zur konsequenten Abriegelung Deutschlands von anderen betroffenen Ländern und Weltregionen notwendig werden, hätte man sich damit erspart. Aber mit der Reduzierung von Veranstaltungen und der Eindämmung des Virus zum einen in den besonders betroffenen Kommunen und darüber hinaus in den drei am stärksten betroffenen Bundesländern kann die Ansteckungsgefahr innerhalb Deutschlands weiterhin gering gehalten werden.
Allerdings muss dieser Weg nun auch zügig und konsequent beschritten werden, denn ansonsten geht es uns in Deutschland in zwei Wochen so wie den Italienern heute.


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Hiervon entfallen auf Italien 9.172 Erkrankungen, auf Frankreich 1.412, auf Spanien 1.231, auf Deutschland 1.224 und auf die weiteren EU-Länder ca. 1.400 Erkrankungen – insgesamt sind das rund 14.500 Fälle in der EU [1]. Fast jeder zweite Corona-Infizierte außerhalb Chinas lebt somit in der Europäischen Union. Hier gibt es mehr Infizierte als in ganz Südostasien zusammen, obwohl von Bombay über Jakarta bis Tokio 2 Mrd. Menschen zum Teil in direkter Nachbarschaft zum Ausbruchsland China leben. Gut, vielleicht sind die Zahlen aus Vietnam nicht gar so zuverlässig wie aus Italien. Aber dass das Nachbarland Japan die Corona-Verbreitung mit 530 bestätigten Fällen im Gegensatz zum viel weiter entfernten Europa so einigermaßen unter Kontrolle hat, sollte einem dann doch zu denken geben.

Die EU liegt rund 10 Flugstunden von China entfernt. Das heißt, der Personenverkehr beschränkt sich fast ausschließlich auf den Luftverkehr. Es wäre daher vergleichsweise leicht gewesen, alle Flugreisende aus Risikoländern – Anfangs aus China, recht schnell auch aus Südkorea – für 72 Stunden samt Flugzeug in Quarantäne zu nehmen und in dieser Zeit einen Abstrich zu machen. Sobald man einen infizierten Fluggast findet, hätte man dann die übrigen Passagiere länger in Quarantäne behalten und das Flugzeug gründlich desinfizieren können.
Natürlich wäre das bei täglich alleine in Deutschland rund 5.000 Einreisen aus China ein gewisser Aufwand gewesen. Und natürlich hätte auch das nicht gänzlich ausgeschlossen, dass sich jemand kurz vor dem Flug ansteckt und so durch die Kontrollen rutscht. Aber die Zahl der Erstinfizierten in Europa hätte sich durch eine solche Vorsichtsquarantäne wohl um ein gutes Stück reduzieren lassen und mit etwas Glück hätten wir jetzt 10.000 Infizierte und ein gewaltiges Problem weniger.
Dass sich das Corona-Virus in der EU so breit niederlassen konnte, hängt insofern vor allem mit einer verantwortungslosen Überheblichkeit europäischer Politik zusammen, die durchweg den Eindruck vermittelte, das Virus stelle vielleicht für Schwellenländer ein Problem dar, aber keinesfalls für die hochentwickelten Staaten Europas.

Und dass sich das Virus anschließend zudem in so hoher Geschwindigkeit quer über den Kontinent ausbreiten konnte, liegt daran, dass sich hinter dieser völlig unangebrachten europäischen Überheblichkeit auch noch eine erschreckende Inkompetenz verbirgt.
Spätestens nachdem Mitte Februar klar war, dass sich das Corona-Virus unbemerkt in Italien verbreitet hat und keine Infektionsketten mehr feststellbar sind, hätten bei allen Verantwortlichen in Europa die Alarmglocken schrillen müssen – alleine sie taten es nicht. So lehnte man sich auch in der Bundesregierung erst nochmal zwei Wochen mit maximaler Naivität zurück, bevor man dann schließlich doch auf die Idee kam, einen Krisenstab einzurichten. Wie viele Menschen bis zu diesem Zeitpunkt schon infiziert aus Italien nach Deutschland oder in andere europäische Länder gereist waren – keiner weiß es. Und anstatt dann wenigstens sofort mit einer konsequenten Eindämmungspolitik wie in China, z.B. durch vorübergehende Reisebeschränkungen nach Italien, die weitere Verbreitung spürbar zu erschweren, hat man das Corona-Virus nochmal zwei Wochen munter durch Europa ziehen lassen. Eine denkbar schlechte Entscheidung angesichts der Tatsache, dass es sich bei Zentraleuropa um eines der am dichtesten besiedelten und stärksten vernetzten Gebiete der Welt handelt, mit hoher Mobilität der Bevölkerung, vielen öffentlichen Verkehren und einem veranstaltungsreichen öffentlichen Leben. Was zur Hölle haben sich Gesundheitsminister Spahn und Innenminister Seehofer dabei denn bitte gedacht? Dass es dem Virus in Italien so gut gefällt, dass es nicht nach Deutschland kommt?

Die wochenlange Arbeitsverweigerung deutscher und europäischer Politik rächt sich nun bitter. Durch die viel zu späten Reise- und Versammlungsbeschränkungen und das Fehlen routinemäßiger Kontrollen von Reisenden aus Italien und anderen Risikogebieten ist davon auszugehen, dass inzwischen zahlreiche unerkannte Corona-Infizierte in Deutschland und anderen mitteleuropäischen Ländern angekommen sind. Der Überblick über die Infektionsketten dürfte zumindest in Mitteleuropa gänzlich und dauerhaft verloren gegangen sein. Damit ist die Lage soweit außer Kontrolle, dass eine Epidemie nicht mehr zu verhindern ist, sondern nur noch ihr Ausmaß beeinflusst werden kann.
Selbst die vollständige Abriegelung Italiens würde die Ausbreitung in Deutschland und anderen Ländern Mitteleuropas nicht mehr stoppen. Gegebenenfalls könnten sich noch einige osteuropäische Staaten durch Grenzschließungen bzw. Einreisequarantänen weitgehend Corona-frei halten. Aber auch dafür könnte es schon zu spät sein.

In Frankreich, Deutschland, Spanien, den anderen mitteleuropäischen Ländern und besonders natürlich Italien haben wir es hingegen bereits mit einer unkontrollierten Ausbreitung zu tun. In einer solchen Situation helfen – solange es keine Impfung gibt – nur noch isolierende Maßnahmen, um die Verbreitung wenigstens zu reduzieren.
Halten sich alle Menschen vier Wochen lang innerhalb ihrer jeweiligen Kommune auf, so bleiben all jene Kommunen samt ihrer Einwohner Corona-frei, in denen es bislang keine Erkrankten gibt. Und bleiben alle Menschen die nächste Zeit gleich ganz zuhause, geht das Ansteckungsrisiko sogar fast überall gegen null.
Insofern führen natürlich auch die Absagen größerer Veranstaltungen, die Schließungen von Unis, Schulen und KiTas, der Verzicht auf Großraumbüros oder die Einstellung des öffentlichen Personenverkehrs zu einer Verlangsamung der Infektionswelle. Weiterhin bleibt es selbstverständlich zielführend, bei Einreisenden aus anderen Risikogebieten der Welt durch geeignete Maßnahmen, z.B. eine obligatorische Quarantäne, die Corona-Freiheit sicherzustellen.
Es war ein schwerer Fehler, das nicht direkt bei den täglich 5.000 Einreisenden aus China gemacht zu haben. Und es war ein nicht minder schwerer Fehler, Italien nach dem dortigen Ausbruch nicht frühzeitig abgekapselt zu haben. Den restlichen Ländern der Welt ist wohl zu raten, mit Blick auf die EU und die nun in Mitteleuropa grassierende Corona-Epidemie einen ähnlichen Fehler nicht zu wiederholen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Europäer weiterhin keine wirkungsvollen Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus treffen.

Nach den aktuellen Infektionszahlen erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass die Zahl der Corona-Infizierten in der EU in wenigen Wochen die Zahl der Infizierten in China übersteigt und Europa zum größten Corona-Risikogebiet wird. Sollte es soweit kommen, dürften Kontrollen und Quarantänen für Reisende aus Europa die Folge sein.
Nachdem bereits jetzt das Leben für 60 Mio. Italiener still steht, würden damit dann auch noch kollektive Ausreisesperren und ein völliger Shutdown der ganzen EU folgen. Und alles nur, weil man nicht rechtzeitig gehandelt und ein paar tausend Chinareisende für einige Tage sicherheitshalber in Quarantäne geschickt hat.


[1] Zahlen der John Hopkins Universität aufbereitet auf Tagesschau.de

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Vorläufige konsolidierte Sitzverteilung im Europaparlament 2019-2024 https://www.mister-ede.de/politik/sitzverteilung-europaparlament/8839 https://www.mister-ede.de/politik/sitzverteilung-europaparlament/8839#comments Wed, 29 May 2019 13:30:03 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8839 Weiterlesen ]]>

EVP (Konservative): 166 Sitze (22,1%)
S&D (Sozialdemokraten): 141 Sitze (18,8%)
ALDE&R (Liberale): 99 Sitze (13,2%)
Grüne/EFA: 69 Sitze (9,2%)
Rechtsaußen: 171 Sitze (22,8%)
Linksaußen: 40 Sitze (5,3%)
Fragwürdig: 43 Sitze (5,7%)
Sonstige: 22 Sitze (2,9%)

Erläuterung:

Die Konsolidierung bereinigt Fraktionen und Gruppen um jene Parteien, die zwar formal dieser Fraktion oder Gruppe angehören, politisch allerdings anderswo einzuordnen sind.

Zahlenbasis:

Hochrechnung des Europaparlaments vom 29.5.2019, 11:55 Uhr zur Sitzverteilung (https://europawahlergebnis.eu).

Zusammensetzung der konsolidierten Fraktionen und Gruppen:

EVP:

Die EVP setzt sich aus den Parteien der EVP-Fraktion (179) abzüglich der ungarischen Fidesz von Viktor Orbán (13) zusammen. Diese wird dem Rechtsaußen-Lager zugerechnet.

S&D:

Die S&D setzt sich aus den Parteien der S&D-Fraktion (153) abzüglich der rumänischen PSD (8) und der maltesischen Arbeiterpartei PL (4) zusammen. Beide Parteien sind in diverse Skandale verwickelt und sind als fragwürdig einzustufen.

ALDE&R:

Die ALDE&R setzt sich aus den Parteien der ALDE&R-Fraktion (105) abzüglich der tschechischen ANO2011 (6) zusammen. Auch sie gilt als fragwürdig, weil unter anderem von der EU gegen den Parteivorsitzenden, den aktuellen tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babiš, wegen Subventionsbetrugs ermittelt wird.

Grüne/EFA:

Keine Konsolidierung erforderlich.

Linksaußen:

Die Linksaußen-Gruppe setzt sich aus den Parteien der Linksfraktion GUE/NGL (38) zuzüglich der radikalkommunistischen KKE (2) aus Griechenland zusammen.

Fragwürdig:

Neben den bereits genannten Parteien ANO2011 (6), PSD (8) und PL (4) gehören hierzu die europakritische italienische Fünfsternebewegung M5S (14), eine christlich-konservative Koalition in den Niederlanden (2), die Neue Flämische Allianz aus Belgien (3), die verbliebenen Torries aus Großbritannien (4) und die Satirepartei von Martin Sonneborn aus Deutschland (2). Bei all diesen Parteien ist zumindest fraglich, ob sie zu einer sinnvollen und ordentlichen Europapolitik etwas beitragen wollen.

Rechtsaußen:

Diese Gruppe setzt sich aus nachfolgenden Parteien zusammen, die vom nationalpopulistischen Spektrum bis hin zu Hardcore-Rechtsradikalen reichen:
Brexit Party von Nigel Farage (Vereinigtes Königreich, 29 Sitze),
Lega Nord von Matteo Salvini (Italien, 28 Sitze),
PIS von Jaroslaw Kaczyński (Polen, 26 Sitze),
Rassemblement National von Marine Le Pen (Frankreich, 22 Sitze),
Fidesz von Viktor Orbán (Ungarn, 13 Sitze),
AfD (Deutschland, 11 Sitze),
Fratelli d’Italia (Italien, 5 Sitze),
Schwedendemokraten (Schweden, 3 Sitze),
Vox (Spanien, 3 Sitze),
FPÖ (Österreich, 3 Sitze),
FvD (Niederlande, 3 Sitze),
Vlaams Belang (Belgien, 3 Sitze),
Für Vaterland und Freiheit (Lettland, 2 Sitze),
Wahre Finnen (Finnland, 2 Sitze),
Freiheit und direkte Demokratie (Tschechien, 2 Sitze),
Sloboda a Solidarita (Slowakei, 2 Sitze),
Kotleba (Slowakei, 2 Sitze),
Bulgarische Nationale Bewegung (Bulgarien, 2 Sitze),
Goldene Morgenröte (Griechenland, 2 Sitze),
DUP (Nordirland, 1 Sitz),
Dänische Volkspartei (Dänemark, 1 Sitz),
Griechische Lösung (Griechenland, 1 Sitz),
Jobbik (Ungarn, 1 Sitz),
Menschliches Schild (Kroatien, 1 Sitz),
Koalition kroatischer Souveränisten (Kroatien, 1 Sitz),
OĽaNO (Tschechien, 1 Sitz),
EKRE (Estland, 1 Sitz)

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https://www.mister-ede.de/politik/sitzverteilung-europaparlament/8839/feed 0
Dauerhafte Sommerzeit- oder ewige Winterzeit – wofür sind die Nachbarn Deutschlands? https://www.mister-ede.de/politik/sommerzeit-winterzeit-eu/8828 https://www.mister-ede.de/politik/sommerzeit-winterzeit-eu/8828#comments Tue, 21 May 2019 18:50:56 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8828 Weiterlesen ]]> Im Jahr 2021 soll die Zeitumstellung enden. Auf Vorschlag der EU-Kommission haben Europaparlament und Rat deshalb beschlossen, dass die EU-Länder in den kommenden Monaten melden sollen, ob sie künftig die dauerhafte Sommerzeit (MESZ) oder die ewige Winterzeit (MEZ) einführen wollen. Es soll damit vermieden werden, dass ein Flickenteppich aus unterschiedlichen Zeitzonen in Europa entsteht. Für die Frage, wie sich Deutschland entscheiden soll, ist daher nicht nur ein Blick auf das hiesige Meinungsbild sinnvoll, sondern auch darauf, wie sich unsere Nachbarländer entschieden haben oder entscheiden werden.

Hierzulande gibt es eine klare Präferenz für die dauerhafte Sommerzeit. Millionen Deutsche hatten sich 2018 an der EU-Konsultation beteiligt und sich mit einer deutlichen Mehrheit für diese Variante entschieden [1]. Und auch in repräsentativen Umfragen von Meinungsforschungsinstituten werden immer wieder ähnliche Ergebnisse gemessen. Selbiges gilt für unsere Nachbarn Luxemburg und Österreich. Auch dort gab es eine rege Beteiligung an der EU-Konsultation und eine klare Mehrheit für die dauerhafte Sommerzeit. Die inzwischen zerbrochene österreichische Bundesregierung hatte deshalb bereits im März mitgeteilt, sie bevorzuge die Sommerzeit, auch wenn man sich in Österreich einem deutsch-italienischen Winterzeit-Regime zur Not unterordnen würde, um als kleines Land keine Zeitinsel zwischen den großen Nachbarn zu bilden [2].
In den übrigen Nachbarländern Deutschlands war die Beteiligungsquote an der EU-Konsultation zwar zu gering, um eine wirkliche Aussagekraft zu haben. In Frankreich hat allerdings das Parlament inzwischen eine eigene Bürgerbefragung durchgeführt, an der sich über 2 Mio. Franzosen beteiligt haben. Das Ergebnis ist auch dort, dass sich 59% der Franzosen eine dauerhafte Sommerzeit wünschen, nur 37% die ewige Winterzeit [3]. Und auch bei Polen ist bekannt, dass eine breite Mehrheit für die Einführung der dauerhaften Sommerzeit ist [4]. Der zuständige Ausschuss im polnischen Parlament stimmte hierfür bereits 2017 und war damit sogar einer der Auslöser für die jetzige EU-Gesetzgebung zur Abschaffung der Zeitumstellung.

Falls sich Deutschland nun ebenfalls für die dauerhafte Sommerzeit entscheidet, ist anzunehmen, dass sich auch die kleineren Nachbarländer einer solch großen französisch-deutsch-polnisch-österreichischen Sommerzeitzone anschließen würden. Es erscheint daher durchaus sinnvoll, diesen Weg zu beschreiten, um einen Flickenteppich in Europa zu verhindern und zu einer gemeinsamen Zeit für Deutschland und seine Nachbarländer zu gelangen.


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linked: „Ökonomie der Zeit: Does Time Matter?“ (www.mister-ede.de – 12.05.2019)

Wie Winterzeit-Befürworter die Sommerzeit mit Falschbehauptungen madig machen (www.mister-ede.de – 28.10.2018)


[1] Ergebnisse der EU-Konsultation zur Zeitumstellung (Link zur PDF auf eur-lex.europa.eu)

[2] Artikel auf Vienna.at vom 27.03.2019 zur österreichischen Haltung (Link zum Artikel auf www.vienna.at)

[3] Politico-Artikel vom 06.03.2019 zur Konsultation des franz. Parlaments (Link zum Artikel auf www.politico.eu

[4] ZDF-Beitrag vom 30.3.2019 zum Meinungsbild in Polen (Link zum Beitrag auf www.zdf.de)

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Wir haben in Europa viele nationale Narrative, aber nur eine gemeinsame europäische Geschichte https://www.mister-ede.de/kultur/die-geschichte-ist-europaeisch/8812 https://www.mister-ede.de/kultur/die-geschichte-ist-europaeisch/8812#comments Mon, 13 May 2019 07:47:18 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=8812 Weiterlesen ]]> Damit wir uns nicht falsch verstehen. Natürlich hat jede Gegend auf der Erdkugel ihre eigene Geschichte – Europa als Kontinent, aber auch die einzelnen Regionen, Landstriche bis hin zu Dörfern oder sogar Gebäuden. Ebenso lässt sich die Geschichte der Menschheit über Sippen und Familien bis hin zu einzelnen Personen herunter brechen. In beiden Fällen gilt allerdings gleichermaßen, je kleiner der betrachtete Ausschnitt gewählt wird, desto weniger lässt sich die jeweilige Geschichte ohne die Geschichte des Umfelds denken. Selbstverständlich ist die Relativitätstheorie untrennbar mit der Person Albert Einsteins verbunden. Und dennoch ist sie historisch betrachtet lediglich ein Glied in einer ganzen Kette wissenschaftlicher Erkenntnisse und Entdeckungen. Genauso verhält es sich mit Regionen oder Ländern. Die Entwicklung der Stadt Dresden ist nicht losgelöst von sächsischer, deutscher und europäischer Geschichte denkbar, genauso wie die Entstehung des Frankenreiches nicht ohne die vorherige Existenz des Römischen Imperiums.

Die Gemeinsamkeit der europäischen Vergangenheit lässt sich schon an der Entwicklung der europäischen Sprachen ablesen oder aus der Verbreitung von Genmustern in der Bevölkerung herleiten. Am einfachsten ist es jedoch, sich der einigermaßen gesicherten Geschichtsschreibung der letzten zwei Jahrtausende zu bedienen. Man denke nur an die Kirchengeschichte und den enormen Einfluss der katholischen bzw. orthodoxen Kirche auf die Entwicklung Europas – und zwar bis in jedes kleinste Dorf hinein. Der Kölner Dom gehört natürlich untrennbar zur Kölner Geschichte, aber er steht dort eben nicht als Zeichen für eine Kölner Provinzreligion, sondern als Monument eines europäischen Katholizismus. Ganz Europa weiß, was mit der Inquisition gemeint ist. Aber auch Wirtschaft und Handel sind schon seit zig Jahrhunderten nicht mehr regional oder national, sondern europäisch organisiert – man denke an die Anfänge des Bankwesens in Italien, die Hanse oder die Fugger. Genauso sind die Entwicklung von Wissenschaft und Bildung und konkret das Entstehen von Universitäten und Schulen gesamteuropäische Prozesse, die nicht auf eine Stadt oder Region begrenzt blieben. Und natürlich sind auch viele Kriege und Katastrophen ein Teil unserer kollektiven europäischen Geschichte.

Insgesamt sind die gesellschaftlichen Ordnungen und wesentlichen Machtstrukturen – weltliche wie kirchliche, ökonomische wie politische – schon seit langer Zeit europäisch und nicht national oder gar regional. Buchdruck, Aufklärung, Kolonialisierung, Demokratisierung, Industrialisierung oder im religiösen Bereich die Reformation und der Weg zu Religionsfreiheit und Laizismus sind dementsprechend paneuropäische Prozesse, die sich zumindest im Grundsatz in ganz Europa kaum unterscheiden und unsere heutige europäische Gesellschaft maßgeblich prägen. Natürlich ist ein Deutscher kein Franzose, genauso wie ein Bayer kein Berliner ist und ein Düsseldorfer kein Kölner. Aber von der Vergangenheit bis in die Gegenwart sind wir so tief miteinander verflochten – privat, familiär, beruflich, politisch, wirtschaftlich, kulturell – dass wir letztlich eine gemeinsame europäische Gesellschaft bilden. Der Feudalismus und die Verzahnungen des Adels haben dann noch ihr Übriges dazu beigetragen, dass die Geschichte keiner europäischen Region losgelöst von gesamteuropäischer Geschichte gedacht werden kann.

Warum ist es aber überhaupt so wichtig, zu verstehen, dass unsere Vergangenheit im Wesentlichen europäisch ist? Es ist notwendig, um von der europäischen Wirklichkeit die aufgesetzten nationalen Narrative lösen zu können. Natürlich hat Deutschland auch seine eigene Geschichte, die Bundesrepublik, die DDR, die Naziherrschaft, die Weimarer Republik, die Kaiserzeit. Aber schon davor wird es schwierig: Preußen? Hessen? Baden? Noch vor zweihundert Jahren haben die Bayern auf die Preußen geschossen und wäre Napoleon vor Moskau, dann bei Leipzig und final in Waterloo nicht untergegangen, würde ich – gebürtig im Rhein-Neckar-Raum – heute vielleicht Französisch sprechen und beim Fußball „Allez les Bleus!“ rufen. Im 18. Jahrhundert hat unser Kurfürst Karl Theodor übrigens mal versucht, das geerbte Bayern mit den Habsburgern gegen weite Teile des heutigen Belgiens einzutauschen [1]. Möglicherweise wäre Flämisch dann heute einfach ein deutscher Dialekt und in Brüssel und Antwerpen würde man stolz auf die gemeinsame deutsche Geschichte zurückblicken. Südöstlich von Deutschland läge dann vermutlich die Republik Österreich-Bayern. Und was ist eigentlich mit den Habsburgern oder Luxemburgern, sind die nicht auch deutsch? Oder umgekehrt? Ein etwas anderer Verlauf der Geschichte und wir wären heute vielleicht von der Nord- und Ostsee bis zum Balkan auf die lange Tradition der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie stolz.

Im Rhein-Neckar-Raum hatten zuerst die Römer das Sagen und im Anschluss die Franken. Ich fühle mich aber weder als Italiener noch als Franzose. Im Heiligen Römischen Reich hatten wir dann Kaiser aus ganz Mitteleuropa – nach heutiger Landkarte unter anderem aus Deutschland, Italien, Österreich, Luxemburg. Dennoch nehme ich italienische oder luxemburgische Geschichte nicht als deutsche Geschichte wahr. Danach kam dann Napoleon – ich fühle mich aber noch immer nicht als Franzose – und kurz darauf hatten vor allem die Preußen die Fäden der Macht in der Hand – als Preuße fühle ich mich allerdings noch weniger, dann doch lieber Franzose. Erst im Laufe des 19. Jahrhundert, insbesondere seit Bismarck und der Gründung des Deutschen Reiches, verändert sich dann etwas und zwar quer durch die Gesellschaft hindurch.
Durch die Etablierung einer nationalstaatlichen Ordnung, also die Vereinheitlichung des Rechtswesens, Hochdeutsch als Amtssprache, gemeinsame Währung, Armee, auch Medien, Kultur, Sport und noch vieles mehr, hat sich seit 1871 eine nationalstaatliche Realität in Deutschland herausgebildet, die sich selbstverständlich nicht nur gefühlt von der nationalstaatlichen Realität z.B. in den Niederlanden unterscheidet. Über die Zeit hinweg hat sich dadurch die Wahrnehmung und die Perspektive verändert und damit auch die Erzählung unserer Herkunft. Heute nehmen wir die Geschichte unserer Region, selbst wenn sie in die Zeit lange vor dem 19. Jahrhundert fällt, ganz selbstverständlich als einen Bestandteil deutscher Geschichte wahr. Es entsteht der Eindruck, als habe unserer Region seit vielen hunderten Jahren weit mehr mit anderen „deutschen“ Städten wie Hamburg oder Rostock gemein als beispielsweise mit dem „französischen“ Straßburg oder Luxemburg. Viel treffender wäre es allerdings, den Rhein-Neckar-Raum bzw. die Kurpfalz als eine europäische Region zu begreifen, die aktuell zur Bundesrepublik Deutschland gehört.

Der Unterschied zwischen diesen beiden Sichtweisen entsteht durch die nationalen Narrative, in diesem Fall unsere Erzählung Deutschlands, einer speziellen deutschen Nation, einer uns eigenen deutschen Geschichte, die am besten bis zu den Germanen zurückreicht. Zwar gibt es Ereignisse wie die Varusschlacht oder Personen wie Karl den Großen, die selbstverständlich hingeführt haben zur Ausgestaltung eines Europas, das schon im Mittelalter sprachliche und politische Grenzen kannte oder auch einen französischen König und einen römisch-deutschen Kaiser. Es gibt aber aus dieser Situation heraus keine Kontinuität hin zu unseren aktuellen Nationalstaaten. Dass Frankreich, Belgien, Deutschland, Österreich, Italien oder Polen heute eigenständige Länder sind und so aussehen wie sie aussehen, hängt mit wesentlich späteren Entwicklungen und Ereignissen zusammen.
Das gilt nicht nur in Zentral- oder Mitteleuropa, sondern auch auf dem Balkan, in Skandinavien, Richtung Russland und letztlich in ganz Europa. Dass England, Schottland, Wales und Nordirland heute ein Vereinigtes Königreich bilden, während Irland eigenständig ist, war vor zweihundert Jahren genauso wenig absehbar wie der heutige Zustand auf der iberischen Halbinsel mit Portugal als eigenem Nationalstaat und Katalonien als Teil Spaniens. Oder wer kennt eigentlich noch Jugoslawien oder die Tschechoslowakei? Und auch die Vorstellung, die Machtsituation nach dem zweiten Weltkrieg wäre so gewesen, dass Westdeutschland den Benelux-Ländern und Frankreich zugeschlagen worden wäre und „Deutschland“ würde heute aus Ostdeutschland und den früheren Ostgebieten bestehen, macht schnell deutlich, wie absurd es in manchen Fällen sogar schon bei einem Rückblick über nur ein paar Jahrzehnte wird, die davorliegende Geschichte als Teil einer wie auch immer definierten nationalen Geschichte zu begreifen.

Wer sich auf tausend Jahre deutsche Geschichte berufen wollte, müsste sich deshalb stets genauso auf tausend Jahre französische, skandinavische, russische und auf viele weitere europäische Geschichten berufen, um das heutige Deutschland damit zu erklären. Die Alternative dazu ist, anzuerkennen, dass wir eine europäische Vergangenheit haben, die lediglich seit der Entstehung der nationalstaatlichen Ordnung in Europa mit verschiedenen nationalen Narrativen ausgeschmückt wurde.
Klar, Bismarck ist ein Deutscher und Napoleon ein Franzose, aber dass ich mich und meine kurpfälzische Heimat heute ganz selbstverständlich als Teil Deutschlands ansehe, ist eben nur ein Zufall der Geschichte, so wie mit Belgien und Bayern. Insofern mögen wir Europäer zwar weiterhin eine Vielzahl nationaler Narrative pflegen, mit denen wir unsere heutigen Nationalstaaten erklären, allerdings eine Geschichte haben wir dennoch nur eine einzige, und zwar die gemeinsame europäische.


Text als PDF: Wir haben in Europa viele nationale Narrative, aber nur eine gemeinsame europäische Geschichte


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[1] Der Hinweis zum versuchten Tauschgeschäft findet sich unter anderem bei Wikipedia: Zum Wikipedia-Artikel über Kurfürst Karl Theodor

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