Warum Banken das Fremdkapital suchen

Im Rahmen der Finanzkrise werden von Banken immer wieder höhere Eigenkapitalquoten gefordert, um die Sicherheit und Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten. Doch wenn Eigenkapital für mehr Sicherheit bei Banken sorgt, stellt sich die Frage, wieso Banken überhaupt zu niedrigen Eigenkapitalquoten neigen.
Grundsätzlich ist die Fremdfinanzierung im Wesen der Banken begründet. Sie sind für die Aufbewahrung und Verwaltung von Spareinlagen zuständig und diese Einlagen sind automatisch Fremdkapital für die Bank. Daneben greifen Banken aber auch noch zu weiteren Formen der Fremdfinanzierung. Dazu gehören zum Beispiel das Emittieren von Anleihen, zusätzliche Notenbankkredite oder auch Kredite aus dem Interbankengeschäft.

Die extrem niedrigen Eigenkapitalquoten lassen sich dabei vor allem durch das oberste Unternehmensziel, der Gewinnmaximierung, bzw. der Steigerung des Shareholder Value, begründen. Entscheidend für die Wahl der Finanzierungsform sind die Kosten des jeweiligen Finanzinstruments. Für eine Bank stellt sich also die Frage, wie sie sich am günstigsten finanzieren kann.
Um zu verstehen, wie sich der Preis für ein Finanzierungsinstrument zusammensetzt, muss die Anlegerseite betrachtet werden. Rendite und Risiko sind hierbei die wesentlichen Größen zwischen denen ein Anleger abwägen muss. Zu den Risiken können gesamtwirtschaftliche Währungsrisiken genauso zählen, wie konkrete Ausfallrisiken bei einer Rückzahlungen, Kursrisiken oder schwankende Dividenden. In jedem Fall gilt, je größer das Risiko einer Anlage, desto höher ist die geforderte Rendite, denn der Anleger möchte für jede übernommene Einheit an Risiko vergütet werden.
Wie hoch jedoch das Risiko einer Anlage ist, hängt von der jeweiligen Form der Anlage ab. Hierbei unterscheiden sich Fremd- und Eigenkapitalanlagen bei den Risiken erheblich. Während Fremdkapital, wie z.B. Spareinlagen, nicht für Verluste der Bank haftet, trägt das Eigenkapital per Definition das volle Verlustrisiko, z.B. im Falle einer Insolvenz. Das von den Anlegern getragene Ausfallrisiko wird demnach eingepreist. Wie groß jedoch das Risiko einer Insolvenz oder eines Ausfalles ist, hängt umgekehrt aber auch von der Menge der Eigenkapitalmittel ab. Je höher die Eigenkapitalquoten sind, desto geringer ist das Risiko eines Teil- oder Komplettausfalls. Aus Sicht einer Bank bedeutet dies, dass die Kosten des Eigenkapitals bei steigenden Eigenkapitalquoten sinken und sich an die Kosten des Fremdkapitals annähern sollten [1].

Jedoch gibt es neben dem höheren Ausfallrisiko auch noch zahlreiche weitere Gründe, wie zum Beispiel die Einlagensicherung für Privatanleger, die zu einer Bevorzugung der Fremdkapitalanlagen führen. Daneben spielt auch der leichtere Zugang zum Beispiel bei kleinen Summen oder auch die im Gegensatz zu Aktien bei Sparbüchern fehlenden Kursschwankungen eine Rolle. Aus demselben Grund wird auch das Interbankengeschäft mit Hilfe von Krediten und nicht mit Aktien oder ähnlichem abgewickelt.
Daneben dürfte aber auch das Handeln der Politik in den vergangenen Jahren einen Anreiz für das Fremdkapital gesetzt haben. So wurden konsequenterweise angeschlagene Banken gerettet. Auf der einen Seite erhöhte dies die Risikoneigung des Managements und auf der anderen Seite fühlten sich Fremdkapitalanleger gut geschützt. Diese Form der Bail-out Zusage ist somit ein weiterer Vorteil der Fremdkapitalanlagen.
Alle diese Faktoren führen dazu, dass es selbst bei höheren Eigenkapitalquoten eben nicht zu einer Gleichheit zwischen Fremd- und Eigenkapitalzins kommt. Der Preis, den eine Bank für Eigenkapital zu zahlen hat, wird in aller Regel über dem Preis für Fremdkapital liegen. Besonders in Krisensituationen erhöht sich aber der Preisaufschlag deutlich, weshalb es für Banken in einem solchen Fall besonders kostspielig bis gar unmöglich wird, notwendige Eigenkapitalmittel zu beschaffen.

Außer diesem Preisvorteil des Fremdkapitals, gibt es aber auf der Seite der Banken noch weitere Einflussgrößen auf die Finanzierungskosten. Das Emittieren neuer Aktien ist ein deutlicher höherer Aufwand und deshalb mit höheren Kosten verbunden, als die Aufnahme von Fremdkapitalmitteln, z.B. das Abrufen von Notenbankkrediten oder kurzfristige Darlehen im Interbankenbereich.
Neben all diesen Punkten, hat die Eigenkapitalfinanzierung aus Unternehmenssicht noch einen weiteren Makel. Während die Dividenden, die einen Großteil der Eigenkapitalkosten darstellen, aus den bereits versteuerten Gewinnen bezahlt werden, sind die Zinsen als Kosten des Fremdkapitals voll steuerlich abzugsfähig. Diese Abzugsfähigkeit, der sogenannte Tax-Shield, ist ein weiterer Vorteil des Fremdkapitals.
Insgesamt haben sowohl Banken als auch Anleger viele Gründe um das Fremdkapital gegenüber dem Eigenkapital zu bevorzugen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob sich unser Bankensystem vielleicht durch eine Anreizverschiebung, also einer Attraktivitätssteigerung des Eigenkapitals, nachhaltig stabilisieren lässt. Bislang setzen die Regulierer beim Eigenkapitalmanagement der Banken vorwiegend auf quotale Regelungen.

Basel III – Die Eigenkapitalregulierung (Fleer – www.mister-ede.de – 03.03.2014)

Doch eine derartige Regelung sorgt lediglich dafür, dass Banken das Eigenkapital, dessen durch die Regulierer gegebenen festen Proportionen nicht verletzt werden dürfen, als eine Art lästige Pflicht betrachten. Ein Eigenkapitalaufbau über diese Minimalquoten hinaus, findet so bei den wenigsten Banken statt.
Um das Problem des Eigenkapitalmangels nachhaltig zu lösen, muss es daher eine Attraktivitätsangleichung beider Finanzierungsformen geben, auch wenn eine vollständige Gleichheit sicherlich nicht zu erreichen sein wird.

Eine Möglichkeit bestünde in der Veränderung der Steuergestaltung. So könnte für Banken ein eigenständiges Besteuerungssystem eingeführt werden, das als Steuerbemessungsgrundlange nicht den Jahresüberschuss heranzieht, sondern den zu versteuernden Betrag über ein modifiziertes EBIT berechnet. Dies hätte zur Folge, dass der Steuervorteil, der beim Fremdkapital bislang durch die Abzugsfähigkeit von Zinskosten entsteht, gänzlich eliminiert würde. Eine andere Möglichkeit wäre es, die Bail-Out Zusagen der Politik zu lockern, damit nicht diese zusätzliche Sicherheit die Attraktivität des Fremdkapitals weiter erhöht.


[1] Modigliani, F., Merton, H. (1958): The Cost of Capital, Corporation Finance and the Theory of Investment. In: The American Economic Review, Jg. 48, H. 3, S. 261–297

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