Die Wettbewerbsfähigkeit: Täuschung der Relation

Wenn die Wettbewerbsfähigkeit betrachtet wird, gerät häufig in den Hintergrund, dass es sich hierbei um eine Relation handelt. Die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes, Unternehmens oder auch Sportlers hängt von der jeweiligen Konkurrenz ab. Je stärker die Konkurrenten sind, desto schwächer ist die eigene Position.

Sehr gut lässt sich das an der Fußball-Bundesliga darstellen. Je größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass der FC Bayern deutscher Fußballmeister wird, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine andere Mannschaft den Titel holt. Die Wettbewerbsfähigkeit der anderen Mannschaften hängt also vom FC Bayern ab und umgekehrt. Ist ein anderes Team in der Liga besonders stark, dann sinkt auf die Meisterschaft bezogen deshalb auch die Wettbewerbsfähigkeit des FC Bayern.

Nicht anders verhält es sich im wirtschaftlichen Wettbewerb. Kann ein Unternehmen seine Wettbewerbsfähigkeit steigern, so sinkt diese umgekehrt bei den Konkurrenten. Genauso ist dies bei Staaten. Die Lohnzurückhaltung in Deutschland macht den hiesigen Standort nicht nur wettbewerbsfähiger, sondern führt auch zu einem Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit in anderen Staaten. Auch die niedrigen Zinsen für deutsche Staatsanleihen hängen unter anderem mit diesem Effekt zusammen. Nachdem einige Euro-Staaten für Anleger nicht mehr so attraktiv sind, steigt im Verhältnis zu diesen Staaten die Attraktivität deutscher Anleihen.

Doch häufig wird genau dieser Zusammenhang bei der Diskussion um die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes oder Unternehmens nicht berücksichtigt. So wird die deutsche Lohndiskussion in aller Regel nicht mit Blick auf die übrigen Staaten geführt, genauso wie die Diskussion um den Finanzplatz Deutschland oder um höhere Umweltstandards.
Nachdem oftmals aber auch die konkurrierenden Staaten ähnliche agieren, entsteht dadurch für das einzelne Land nur die Täuschung einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Veranschaulichen lässt sich auch das wieder an einem Sportwettbewerb. Nimmt ein Fahrer bei der Tour de France Dopingmittel, so kann er sich damit einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Greifen aber auch andere Fahrer zu solchen Mitteln, dann schwindet der Wettbewerbsvorteil des Einzelnen und übrig bleiben lauter gedopte Radsportler. Für sich alleine genommen, glaubt zwar jeder Fahrer seine Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, doch in der Relation zu den anderen ebenfalls gedopten Fahrern verändert sich gar nichts.

Ähnlich verhält es sich im Wettbewerb der Staaten zum Beispiel bei der Diskussion um die Lohnentwicklung. Während jedes Land für sich betrachtet durch Sozialabbau oder Lohnzurückhaltung seine Wettbewerbsfähigkeit steigern kann, führt dies bei einer Betrachtung aller Länder zusammen am Ende nur zu einem weltweiten Lohnverfall für Arbeitskräfte, ohne dass sich an der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Länder etwas verändert.
Auch bei der Diskussion um Steuern auf Kapitalanlagen oder bei der Frage von Umwelt- oder Arbeitsschutzstandards erliegen wir immer wieder der Täuschung, die Wettbewerbsfähigkeit völlig unabhängig von anderen Staaten beeinflussen zu können.
Während es im ersten Augenblick verständlich erscheint, dass strengere Abgasnormen für Fahrzeuge oder höhere Energiekosten durch eine Verknappung der CO2-Zertifikate zu einem Rückgang der deutschen Wettbewerbsfähigkeit führen, lässt sich im Vergleich zu den anderen Staaten tatsächlich gar nicht sagen, in wie weit dies Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit hat. Verzichten gerade deshalb auch andere Staaten auf höhere Umweltstandards, dann kann dies sogar zu einem Rückgang der deutschen Wettbewerbsfähigkeit führen. Umgekehrt können Maßnahmen, die zu einer weiteren Einsparung von CO2 führen, auch andere Staaten unter Druck setzen, den Umweltschutz voranzutreiben.
Ein anderes Beispiel ist Fracking. Immer mehr Länder greifen auf diese Technik zurück, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaftsstandorte mit günstiger Energie zu steigern. Doch wenn immer mehr Länder diese Technik verwenden, dann schwindet auch wieder der Wettbewerbsvorteil.

Aber nicht nur wenn es um die Wettbewerbsfähigkeit von Staaten geht, spielt dieser Effekt eine Rolle, sondern auch bei Unternehmen.
Betrachtet man ein einzelnes Unternehmen, welches bislang Arbeitnehmer unterhalb der neuen Mindestlohngrenze beschäftigt, dann verliert dieses zukünftig auf Grund der steigenden Löhne an Wettbewerbsfähigkeit. Sind aber auch Konkurrenten von höheren Lohnkosten betroffen, dann ändert sich an der Wettbewerbsfähigkeit für die jeweiligen Unternehmen nichts.
Das betrifft zum Beispiel das Gastgewerbe oder das Friseurhandwerk, bei denen sich die Konkurrenz ebenfalls in Deutschland befindet. Zwar kann sich der Markt insgesamt entweder durch höhere Preise negativ oder durch eine höhere Kaufkraft der Arbeitnehmer positiv entwickeln, auf die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Unternehmen hat dies aber keinen Einfluss.

Unabhängig davon ob der Mindestlohn bei Unternehmen, die Umweltschutzstandards auf globalen Märkten oder die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Eurozone betrachtet wird, muss stets dieser Zusammenhang zwischen der Wettbewerbsfähigkeit des einzelnen Unternehmens oder Staates und seiner jeweiligen Konkurrenz berücksichtigt werden.
Dann stellt sich auch die Frage, zu welchen Wechselwirkungen zum Beispiel die Lohnzurückhaltung der Krisenstaaten in der Finanzkrise oder der Verlust des Anlegervertrauens in einzelnen Euro-Staaten führen. Auch die Landwirtschaftssubventionen der Industriestaaten werfen dann die Frage auf, welchen Einfluss diese auf die Wettbewerbsfähigkeit der Entwicklungsländer in dem für sie wichtigen Markt haben.
Unterlässt man aber diese Betrachtung der Wettbewerbsfähigkeit als Relation, dann läuft man Gefahr, der Täuschung zu erliegen, die eigene Wettbewerbsfähigkeit völlig autark verändern zu können.

Glossar: Wettbewerbsfähigkeit (www.mister-ede.de)

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