mister-ede.de » Euro-Gruppe http://www.mister-ede.de Information, Diskussion, Meinung Fri, 01 Dec 2023 14:44:02 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.4.2 Griechenland-Krise: Die späte und daher teure Einsicht der Union http://www.mister-ede.de/politik/spaete-und-teure-einsicht/4422 http://www.mister-ede.de/politik/spaete-und-teure-einsicht/4422#comments Sun, 20 Sep 2015 09:32:38 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4422 Weiterlesen ]]> Es war ein langer Weg, bis die Union endlich zu der Einsicht gelangte, dass im Falle eines Scheiterns der Griechenland-Rettung für die Eurozone viel mehr auf dem Spiel steht als für Griechenland selbst.

Zunächst hielt die Euro-Gruppe nach der Wahl von Alexis Tsipras zum griechischen Ministerpräsidenten an ihrer Forderung fest, dass Griechenland das zweite Hilfsprogramm bis zum 28.2. erfolgreich abschließen muss, um eine letzte Tranche von 7,2 Mrd. Euro zu erhalten und Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm zu ermöglichen [1]. Nachdem Syriza dazu aber nicht bereit war und bei einer Nicht-Einigung ein immenser Schaden für die Eurozone entstanden wäre, musste diese Linie Ende Februar verlassen werden. Griechenland wurde daher eine weitere Verlängerung des Programms bis zum 30.6. gewährt und auch bei den Auflagen sollte es ein Entgegenkommen geben.

Dennoch gelang es Tsipras nicht, innerhalb dieser neuen Frist eine Reformliste vorzulegen, die von den Gläubigern akzeptiert wurde, was vor allem an den Hardlinern in der Euro-Gruppe und ihren überzogenen Forderungen an Griechenland lag. Im Gegenzug kam es daher auch nie zur Auszahlung der Tranche von 7,2 Mrd. Euro aus dem zweiten Hilfspaket und stattdessen wurden bis in den Mai die letzten Reserven in Griechenland zusammengekratzt und Verpflichtungen mit kurzfristigen Krediten erfüllt, bevor dann im Juni der IWF nicht mehr bedient werden konnte. Fristgerecht, aber eben unabgeschlossen, lief dann am 30.6. das zweite Hilfsprogramm nach der Ankündigung des Referendums durch Alexis Tsipras aus.
Doch obwohl die EZB den Liquiditätszufluss stoppte und damit das Schließen der Banken und Kapitalverkehrskontrollen in Griechenland erzwang, unterstützte das griechische Volk mit seinem „Oxi“ auch weiterhin genau diesen Kurs des Ministerpräsidenten. Wie schon im Februar musste die Euro-Gruppe deshalb einlenken, damit Griechenland nicht in den Staatsbankrott oder gar in den Grexit rutscht und der Eurozone ein gewaltiger Schaden entsteht. Und so wurde auch ohne Abschluss des zweiten Programms ein drittes Paket mit deutlich milderen Auflagen und einem deutlich höheren Volumen von bis zu 86 Milliarden Euro vereinbart.

Wenn nun aber der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion Ralph Brinkhaus in der Bundestagsdebatte zum dritten Hilfspaket begründet, „Griechenland bleibt so oder so auf unserem Deckel“ [2], und Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, in einer Diskussion auf Phoenix [3] feststellt, dass die neuen Kredite sowieso zu einem großen Teil nur dazu dienen, die alten Kredite samt Zinsen bei uns zu bezahlen, fragt man sich, warum diese Einsicht erst so spät kommt.
Die grundlegende Situation ist dieselbe wie vor sieben Monaten und schon im Januar hätten diese Schlüsse gezogen und so die milliardenteure Hängepartie vermieden werden können.
Hätte man sich nach der Tsipras‘ Wahl zeitnah auf ein ähnliches Programm wie das jetzt vereinbarte geeinigt, wäre die griechische Wirtschaft in diesem Jahr schon wieder gewachsen und der griechische Staat hätte aller Voraussicht nach selbst bei zusätzlichen Sozialmaßnahmen noch einen niedrigen Primärüberschuss erzielt. Selbst die Schuldenquote Griechenlands wäre schon 2015 rückläufig gewesen, wenn man frühzeitig auf eine faire Vereinbarung gesetzt hätte. Überdies wäre es vermutlich nie zu jener massiven Kapitalflucht gekommen, die nun eine bis zu 25 Milliarden Euro schwere Bankenrekapitalisierung notwendig macht.

So aber wurde durch das Pokern von Schäuble und Co. in den letzten Monaten vieles von dem zerstört, was zuvor mühsam aufgebaut wurde und nun wieder aufgebaut werden muss. Das einzige was aus deutscher Sicht positiv anzumerken ist: Die Kosten für die vorwiegend von Schäuble begangenen Fehler tragen zu über 70% nicht wir hier in Deutschland, sondern die Bevölkerungen unserer Euro-Partner z.B. in der Slowakei, in Slowenien, im Baltikum, in Österreich oder Belgien.


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[1] Artikel bei FAZ-Online vom 12.02.2015 (Link zum Artikel auf www.faz.net)

[2] Bundestagsdebatte vom 19.08.2015 ab Minute 29:30 (Link zum Video auf www.youtube.com)

[3] Phoenix Runde vom 19.08.2015 ab Minute 10:30 (Link zum Video auf www.youtube.com)

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http://www.mister-ede.de/politik/spaete-und-teure-einsicht/4422/feed 0
Griechenland-Krise: Herr Schäuble, Sie haben sich verzockt! http://www.mister-ede.de/politik/schauble-hat-sich-verzockt/4397 http://www.mister-ede.de/politik/schauble-hat-sich-verzockt/4397#comments Sun, 20 Sep 2015 09:28:36 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4397 Weiterlesen ]]> Vor rund acht Monaten verkündete Wolfgang Schäuble nach der Wahl von Alexis Tsipras zum neuen griechischen Ministerpräsidenten die Linie der Union. Syriza sollte das zweite Hilfsprogramm erfolgreich bis zum 28.2. umsetzen, um die letzte Tranche aus diesem Paket zu erhalten. Dann erst wollte man evtl. über ein neues Programm reden [1].

Offenkundig fühlte sich Schäuble im Verbund der Eurogruppe sicher, weshalb er versuchte, Griechenland den Geldhahn zuzudrehen, so dass Tsipras entweder ein hartes Auflagenpaket hätte akzeptieren müssen oder das Land aus dem Euro führen. Doch wie wir heute wissen, kam es gänzlich anders.
Denn Schäubles griechisches Pendant Varoufakis machte eine andere Rechnung auf. Nachdem Griechenland nahe einem Primärüberschuss ist, brauchte und braucht es neue Kredite nur, um alte Kredite samt Zinsen begleichen zu können. Wäre Griechenland in den letzten Monaten in den Staatsbankrott bzw. zu einem Grexit gedrängt worden, dann hätten die Gläubiger auf die Rückzahlung von ein paar hundert Milliarden Euro verzichten müssen, während sich Griechenland mit deutlich weniger Schulden innerhalb oder außerhalb des Euros hätte stabilisieren können. Zwar glaube ich Varoufakis, wenn er sagt, dass er den Grexit nicht wollte. Klar ist aber, und das hat er selbst mehrfach geäußert, dass er ihn als gangbaren Weg empfand und somit ohne Weiteres in Kauf genommen hätte.

Schäuble, der nur stellvertretend für die Austeritäts-Hardliner der Eurogruppe steht, hatte somit nie eine Chance diesen Poker zu gewinnen, denn entweder musste er Griechenland nachgeben oder die Eurogruppe wäre vor einem Scherbenhaufen gestanden. Trotzdem kämpfte er verbissen auf verlorenem Posten, bis das „Nein“ der griechischen Bevölkerung Juncker, Hollande und Merkel zum Einlenken zwang. Während damit Varoufakis seine Aufgabe erfüllt hatte und Tsipras sein Hauptziel, nämlich ein deutliches Entgegenkommen der Gläubiger, erreichte, musste sich Schäuble geschlagen geben, weil er wohl nicht mit einem solchen Rückhalt für Syriza und diesem außerordentlichen Durchhaltevermögen des griechischen Volkes rechnete.

Ginge es dabei nur um eine politische Niederlage unseres Finanzministers, könnte der Vorgang einfach abgehakt werden. Doch dieses Pokerspiel bzw. der Bluff von Schäuble und den anderen Hardlinern der Eurogruppe war nicht nur sinnlos, sondern auch immens teuer. Neben dem Vertrauen, das auf politischer Ebene zerstört wurde, hat die 6-monatige Hängepartie das Wachstum in Griechenland gekostet und die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone gebremst. Überdies wurde eine Kapitalflucht ausgelöst, welche die Intra-Euro-Verbindlichkeiten Griechenlands von Anfang Januar bis Ende Juli 2015 um rund 75 Milliarden Euro steigen ließ und im Vergleich zum Vorjahresmonat sogar um 90 Mrd. Euro [2]. Wenn also heute griechische Banken mit 25 Mrd. Euro rekapitalisiert werden müssen, so ist dies eine der direkten und teuren Folgen des fatalen Pokerspiels der Austeritäts-Hardliner.

Egal wie die heutige Wahl in Griechenland ausgeht, bleibt damit im Ergebnis festzuhalten: Herr Schäuble, Sie haben sich gnadenlos verzockt!


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[1] Artikel bei FAZ-Online vom 12.02.2015 (Link zum Artikel auf www.faz.net)

[2]
Stand der Intra-Euro-Verbindlichkeiten am 31.07.2014 38,2 Mrd. Euro (Link zur PDF auf www.bankofgreece.gr)
Stand der Intra-Euro-Verbindlichkeiten am 31.12.2014 54,5 Mrd. Euro (Link zur PDF auf www.bankofgreece.gr)
Stand der Intra-Euro-Verbindlichkeiten am 31.07.2015 128,2 Mrd. Euro (Link zur PDF auf www.bankofgreece.gr)

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http://www.mister-ede.de/politik/schauble-hat-sich-verzockt/4397/feed 0
Griechenland-Krise: Die Vereinbarung von Primärüberschüssen http://www.mister-ede.de/politik/vereinbarung-primaersaldo/4243 http://www.mister-ede.de/politik/vereinbarung-primaersaldo/4243#comments Fri, 14 Aug 2015 13:20:14 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4243 Weiterlesen ]]> In der Verhandlung zwischen Griechenland und den europäischen Institutionen über die Auszahlung weiterer Hilfsgelder stehen als griechische Gegenleistung für zusätzliche Kredite immer wieder Zielvorgaben für den griechischen Primärsaldo der kommenden Jahre im Blickpunkt. Noch vor einigen Monaten wurden in der öffentlichen Debatte Forderungen von einem Primärüberschuss in Höhe von 4% pro Jahr laut, während im Laufe der Verhandlungen dann nur noch 1% für die Jahre 2015 und 2016 im Gespräch waren. Nach aktuellen Meldungen [1] sollen als Zielwerte für den Primärsaldo nun -0,25% für 2015, 0,5% für 2016, 1,75% für 2017 und 3,5% für 2018 vereinbart werden.
Aus ökonomischer und politischer Sicht ist die Fokussierung auf diesen Unterpunkt allerdings nur begrenzt sinnvoll. Trotzdem gibt es einen Grund, warum diese Vereinbarung eine so wichtige Rolle bei den Verhandlungen spielt.

Warum ist die Vereinbarung von Primärüberschüssen aus politischer Sicht nur eingeschränkt tauglich?

Für die Entwicklung des Primärsaldos gibt es viele Faktoren und nur einen Teil kann eine Regierung selbst beeinflussen. Wächst die griechische Wirtschaft wieder und steigt damit das Steueraufkommen, so ergibt sich eine gänzlich andere Finanzsituation als bei einem erneuten langanhaltenden Wirtschaftsabschwung mit noch weiter steigender Arbeitslosigkeit.
Es ist Griechenland natürlich zu wünschen, dass sich die Wirtschaft schnell erholt und ein ausgeglichener Primärsaldo oder gar Überschüsse möglich werden. Ob es 2017 dann aber für 1,75% oder 2018 sogar für 3,5% reicht, kann heute noch niemand sagen. Insofern hat die Vorgabe von Primärüberschüssen ein wenig etwas von der Forderung nach einer Schönwettergarantie und daran ändert sich auch nichts, wenn nun vorübergehend auf allzu hohe Primärüberschüsse verzichtet wird.

Nachdem also die Wirtschaftentwicklung ähnlich wie das Wetter stets ungewiss ist, wäre aus politischer Sicht die Vereinbarung konkreter Maßnahmen als Gegenleistung für die weitere Bereitstellung von Finanzmitteln sinnvoller. Voraussetzungen für weiter Kredite könnten dann z.B. der Abschluss einer Kooperation mit einem Partnerland zur Verbesserung der Steuereintreibungskompetenzen sein oder ein Vertrag mit der EU-Kommission zum gemeinsamen Aufbau eines digitalen Grundbuchwesens. Insofern kann auch der Privatisierungsfonds, wenn er denn ordentlich ausgestaltet ist, die wirtschaftliche Entwicklung in Griechenland mehr beeinflussen als eine vertraglich festgehaltene Zielvorgabe für den Primärsaldo.
Als Ergänzung macht die Vereinbarung solcher Ziele zwar durchaus Sinn, der Fokus sollte aus politischer Sicht aber auf jene Punkte gerichtet sein, die von der griechischen Regierung auch aus eigener Kraft erfüllt werden können.

Warum ist die Vereinbarung von Primärüberschüssen aus ökonomischer Sicht nur teilweise hilfreich?

Wenn mit der griechischen Regierung Zielvorgaben vereinbart werden sollen, stellt sich die Frage, welche Kennzahlen hierfür überhaupt geeignet sind.
Sieht man davon ab, dass kurzfristig vor allem etwas gegen Armut und Arbeitslosigkeit unternommen werden muss, sollte mittelfristig das Ziel sein, Griechenlands Volkswirtschaft auf einen Wachstumspfad zu führen und dabei gleichzeitig die Verschuldung abzusenken. Für die nächsten beiden Jahre muss daher darauf hingewirkt werden, dass die griechische Wirtschaft wieder wächst und dabei die Schuldenquote zumindest nicht weiter ansteigt. Letzteres ist ganz allgemein immer dann der Fall, wenn ein Land folgende Gleichung erfüllt:

Haushaltssaldo in Prozent der Schuldenlast < nominales Wirtschaftswachstum der Volkswirtschaft

Dabei ist völlig irrelevant, wie diese Gleichung erfüllt wird, ob z.B. durch ausreichend hohe Primärüberschüsse, durch einen Rückgang der Zinslast oder durch ein entsprechendes Wachstum der griechischen Volkswirtschaft. Daher sollten die Zielvereinbarungen für die nächsten Jahre (2015 – 2017) aus ökonomischer Sicht auch auf die Erfüllung dieser Gleichung und nicht alleine auf Primärüberschüsse ausgerichtet sein.

Würde es gelingen, die nominale Wirtschaftsleistung um 3% zu steigern, kann Griechenland bei seiner aktuellen Schuldenquote von rund 180% ein Haushaltsdefizit von ca. 5,4% seines BIP aufweisen, ohne dass sich dadurch die Schuldenquote des Landes weiter verschlechtert. Ob nun aber ein solches Haushaltsdefizit von 5,4% durch einen Primärüberschuss von 1% des BIP und Zinskosten in Höhe von 6,4% (1 – 6,4 = -5,4) entsteht oder durch ein Primärdefizit in Höhe von 2% des BIP und Zinskosten von 3,4% (-2 – 3,4 = -5,4), ist hierfür nicht von Bedeutung.
Aus ökonomischer Sicht sollte daher vor allem abgewogen werden, ob es zielführender ist, das reale Wachstum in Griechenland anzukurbeln und z.B. um 1% zu erhöhen oder im griechischen Staatshaushalt einen zusätzlichen Primärüberschuss, in diesem Fall in Höhe von ca. 1,8% des BIP, zu erreichen. Beides führt zu demselben Ergebnis bei der Schuldenquote, wobei der Weg über den Primärüberschuss weitere Einschnitte im griechischen Staatshaushalt bedeutet, während ein zusätzliches Wachstum helfen könnte die hohe Arbeitslosigkeit zu reduzieren.

Wieso sind Primärüberschüsse dennoch ein Knackpunkt in den Verhandlungen?

Aus politischer Sicht sollten Vereinbarung getroffen werden, welche die griechische Seite auch aus eigener Kraft einhalten kann und aus ökonomischer Sicht sind der Haushaltssaldo und die Wachstumsrate die wesentlicheren Kennziffern. Dennoch spielen die Primärüberschüsse eine wichtige Rolle.

Der Haushaltssaldo setzt sich aus dem Primärsaldo und den Zinskosten zusammen. Umso höher der Primärüberschuss ist, umso höher können auch die Zinskosten sein, ohne dass sich am Haushaltssaldo etwas ändert. Nachdem Griechenland seine Verbindlichkeiten aber zu einem großen Teil bei Gläubigern außerhalb Griechenlands hat, fließen die Zinszahlungen regelmäßig aus Griechenland bzw. der griechischen Volkswirtschaft ab. Blickt man also auf die Zahlungsströme, wird deutlich, warum die griechische Seite ungerne einen großen Primärüberschuss vereinbaren will, sondern auf ein Entgegenkommen der Gläubiger bei den Zinskonditionen drängt. Hierdurch verblieben mehr Finanzmittel in Griechenland, die dann im Haushalt Spielräume für andere Maßnahmen eröffnen würden.
Umgekehrt wird so aber auch die Position der übrigen Euroländer und anderen Geldgeber verständlich, weil diese Griechenland bereits jetzt vergünstigte Zinskonditionen gewähren und damit schon einen Teil dazu beitragen, dass die Erfüllung der obigen Gleichung nicht allzu fern ist. Für die Geldgeber ist die Vereinbarung von Primärüberschüssen daher vor allem eine Festlegung für die griechische Regierung, damit auch diese durch die Konsolidierung des Staatshaushaltes zur Erfüllung der obigen Gleichung beiträgt.

Eine Faire Vereinbarung von Primärüberschüssen:

Betrachtet man die hinter der Vereinbarung von Primärüberschüssen stehende Verteilungsfrage, so kommt man auf der Suche nach Objektivität nicht umher, die Entstehungsgeschichte dieser Kredite kurz zu beleuchten.
Griechenland war 2010 aus diversen Gründen pleite und üblicherweise wäre in diesem Fall ein Schuldenschnitt durchgeführt worden. In der damaligen Situation sollte dies jedoch unter allen Umständen vermieden werden, weshalb Griechenland jene Kredite bekam, die heute z.B. bei EZB oder IWF abgelöst werden müssen. Es wäre daher unfair, Griechenland nun mit diesen Verbindlichkeiten alleine zu lassen, allerding ebenso unfair wäre es, würde die griechische Regierung ganz aus der Pflicht genommen.
Nachdem sich die Rettungsschirme ihrerseits sehr günstig finanzieren können, würde eine faire Vereinbarung wohl ein gewisses Entgegenkommen bei den Zinskonditionen vorsehen und auf allzu hohe Primärüberschüsse verzichten. Der Ansatz für 2015 und 2016 kann deshalb durchaus als fair angesehen werden, allerdings 2017 und vor allem 2018 fällt er zu hoch aus. Ein Zielwert von 1,5% – 2% für 2018 wäre hier sicherlich angemessener.


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[1] Aufstellung auf Tagesschau.de vom 12.08.2015 (Link zum Beitrag auf www.tagesschau.de)

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http://www.mister-ede.de/politik/vereinbarung-primaersaldo/4243/feed 0
Griechenland-Krise: Das ungelöste Schuldenproblem http://www.mister-ede.de/politik/ungeloestes-schuldenproblem/4245 http://www.mister-ede.de/politik/ungeloestes-schuldenproblem/4245#comments Fri, 14 Aug 2015 13:15:40 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4245 Weiterlesen ]]> Zurzeit wird zwar ein neues Hilfspaket für Griechenland auf den Weg gebracht, allerdings bleibt dabei ein wesentlicher Themenkomplex wieder ausgespart. Erneut wird es kein Konzept für den Umgang mit jenem Schuldenberg geben, den das Land seit Jahren vor sich herschiebt. Obwohl es in allseitigem Interesse wäre, diesen Unsicherheits- und Störfaktor endlich durch eine für alle Beteiligten akzeptable und tragfähige Lösung zu beseitigen, wird dieses Thema ein weiteres Mal vertagt.

Schuldenschnitt vs. Schuldenumstrukturierung:

Würde die Verzinsung der griechischen Staatsschulden auf 0% gesenkt, könnte das Land die Zinsen für jede beliebige Schuldenlast tragen. Mit diesem simplen Beispiel wird deutlich, dass ein nominaler Schuldenschnitt, also z.B. ein Forderungsverzicht von 50% niemals erforderlich ist, solange der Zinssatz politisch festgelegt werden kann, so wie dies bei der Konstruktion über den ESM / die EFSF der Fall ist.
Zielführend ist daher, die Spielräume bei der Zinsgestaltung zu verwenden und die Schulden entsprechend umzustrukturieren. Zu Nutze können sich die Euroländer dabei weiterhin machen, dass sie gemeinsam deutlich günstigere Zinskonditionen erhalten als Griechenland für sich alleine. Die EFSF erhält zurzeit Kredite unter 2%, kurzfristig sogar unter 1%, und wenn sich die Zinsanforderungen an Griechenland in diesem Rahmen bewegen, was sie zum Teil ja auch bereits machen, dann wird die Schuldenlast durch die niedrigeren Zinsen tragbar.
In diesem Fall kann man nun streiten, ob es sich um einen Schuldenschnitt handelt oder nicht. Geht man von den Konditionen aus, die Griechenland am Markt zahlen müsste, dann würde ein solcher vergünstigter Zinssatz für Griechenland tatsächlich eine Art strukturellen Schuldenschnitt darstellen. Legt man hingegen jenen Zinssatz zugrunde, zu dem sich die Geldgeber, also z.B. die EFSF, selbst mit Finanzmittel versorgen können, so verzichten diese mit der Weitergabe der günstigen Konditionen lediglich darauf, bei der Rettung Griechenlands auch noch Gewinn zu machen.

Die Zinslast:

In den vergangen beiden Jahren hatte Griechenland eine Zinslast in Höhe von ca. 4% des BIP, allerdings wurde dieser Wert nur mit Hilfe vergünstigter Zinskonditionen erreicht. In diesem Jahr könnte die Zinslast etwas ansteigen, sofern allerdings das dritte Hilfspaket zustande kommt und die üblicherweise teureren Kassenkredite wieder durch reguläre Kredite abgelöst und die etwas teureren Verbindlichkeiten gegenüber IWF und EZB durch günstigere ESM-Kredite ersetzt werden, könnte 2016 bei einer Schuldenquote von 180% und einer durchschnittlichen Verzinsung der Schulden von knapp unter 2% eine Zinslast in Höhe von 3 – 4% des BIP erreicht werden. Dies wäre ein für Griechenland durchaus akzeptabler Wert, der in etwa der Zinslast entspricht, die das Land ohne vergünstigte Hilfskredite nach einem nominalen Schuldenschnitt von 50 oder 60% zu zahlen hätte.

Eine Faire Vereinbarung für die Schuldenlast:

Um die Frage nach einer fairen Vereinbarung beantworten zu können, kommt man nicht umhin, die Entstehungsgeschichte dieser Kredite kurz zu betrachten.
Griechenland war 2010 aus diversen Gründen pleite und üblicherweise wäre in diesem Fall ein Schuldenschnitt durchgeführt worden. In der damaligen Situation sollte dies jedoch unter allen Umständen vermieden werden, weshalb Griechenland jene Kredite bekam, die heute z.B. bei EZB oder IWF abgelöst werden müssen. Es wäre daher unfair, Griechenland nun mit diesen Verbindlichkeiten alleine zu lassen, allerdings ebenso unfair wäre es, würde die griechische Regierung ganz aus der Pflicht genommen.

Eigentlich wäre es am besten, es würde ein hoher Zinssatz für die Hilfskredite vereinbart und gleichzeitig ein entsprechender Finanztransfer eingerichtet, weil so die griechische Regierung einen großen Anreiz hätte, die Rettungsschirme wieder zu verlassen.
Nachdem eine solche Gestaltung mit Finanztransfers innerhalb der aktuellen Euro- bzw. EU-Konstruktion nicht möglich ist, sollte als Alternative die günstige Refinanzierungsmöglichkeit der Rettungsschirme genutzt werden, um Griechenland eine vertretbare Zinskonditionalität anzubieten. Bei einer angestrebten Inflationsrate von 2% kann so der Realwert der Schulden bei einem etwas darunterliegenden Zinssatz kontinuierlich abgebaut werden. Werden alte Kredite abgelöst oder eine Schuldenrestrukturierung durchgeführt, sollte bei neuen Hilfskrediten ein Zinssatz von 1% – 1,75% für die nächsten zehn bis zwanzig Jahre angestrebt werden. Hierdurch würde die Zinslast auf ca. 2,5% – 3,5% des BIP sinken, was für Griechenland ein tragbarer Wert ist.
Gelingt es gleichzeitig, in Griechenland einen Primärüberschuss von 0,5% – 1% des BIP zu erreichen, würde das Haushaltsdefizit bei 1,5% – 3% liegen. Aufgrund der hohen Schuldenquote würde damit schon ein nominales Wachstum (reales Wachstum plus Inflation) von 1% – 2% reichen, um die Schuldenquote zumindest konstant zu halten. Wächst die griechische Wirtschaft kräftiger, z.B. die nächsten 10 Jahre nominal um jährlich 3%, würde die Schuldenquote selbst bei jährlichen Haushaltsdefiziten in Höhe von 3% des BIP in diesem Zeitraum von 180% auf rund 160% abnehmen.


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Schäuble gefährdet die Zukunft Europas http://www.mister-ede.de/politik/schaeuble-gefaehrdet-europa/4031 http://www.mister-ede.de/politik/schaeuble-gefaehrdet-europa/4031#comments Tue, 14 Jul 2015 17:10:01 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4031 Weiterlesen ]]> Das Gipfeltreffen vom Wochenende macht deutlich sichtbar, dass der Zuchtmeister der Austerität und Dompteur der Krisenländer, Wolfgang Schäuble, eine Gefahr für die Zukunft des gemeinsamen Europas ist.

Der Finanzminister jenes Volkes, das eine gewisse Tradition darin hat, zu versuchen Europa zu unterjochen, fordert den Rücktritt des gewählten griechischen Ministerpräsidenten und droht Griechenland mit dem Grexit, wohlwissend, dass dies nach den aktuellen Verträgen gleichzeitig den Ausstieg aus der Europäischen Union bedeuten würde. Damit gab Schäuble am Wochenende kurzerhand das historisch gewachsene kontinentale Friedensprojekt der EU preis, um Deutschland mit neoliberaler Politik zum europäischen Hegemon zu machen. Mit seinem Verhalten hat er daher nicht nur Griechenland gedemütigt, die italienische Regierung irritiert und verärgert und den wichtigsten deutschen Partner Frankreich brüskiert, sondern auch das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit der Europäischen Union und die Zuverlässigkeit Deutschlands schwer beschädigt.

Die EU ist eine Gemeinschaft gleichberechtigter Demokratien und keine Versammlung von Vasallenstaaten um eine Hegemonialmacht herum. Entsprechend hat der nationale Egoismus, den Wolfgang Schäuble in Brüssel präsentierte, den deutsch-französischen Motor abgewürgt und einen Riss durch die Europäische Union provoziert. Ob Deutschland und Frankreich künftig bei Problemen noch eine gemeinsame Linie finden werden, wenn schon der Streit um Griechenland die beiden Nationen so stark auseinandertreibt, bleibt fraglich. Daneben stellt sich nach dem gescheiterten Versuch, durch ein hartes Strafprogramm für Griechenland oder einen Grexit die neoliberale Doktrin für die gesamte Eurozone durchzusetzen, die Frage, welche Zukunft eine angezählte Währungsunion bei solch unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Mitgliedsländer überhaupt noch hat.

Auch die Reputation des wiedervereinigten Deutschlands und sein Ruf als friedliches Land, guter Partner in der Welt und verlässlicher Freund in Europa wurden durch Schäuble in Mitleidenschaft gezogen. Wie bei Putin, der sich ebenfalls gerne auf Kosten außenpolitischer Verhandlungspartner innenpolitisch profiliert, steigen zwar Schäubles Beliebtheitswerte hierzulande, allerdings genauso auch das Unverständnis über die deutsche Haltung im Ausland.
Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, wenn mittlerweile daran gezweifelt wird, dass Schäuble noch ernsthaft für einen Erhalt der EU und ihrer Demokratie kämpft, wie das durch die internationale Kampagne #ThisIsACoup deutlich wurde.

Schäuble ist durch sein Verhalten für Deutschland genauso untragbar geworden wie Varoufakis für Griechenland. Er sollte daher ebenso anständig wie dieser die Konsequenzen ziehen und den Posten als Finanzminister einer Person überlassen, die glaubwürdig für den Erhalt des Euro und der EU steht und diese Errungenschaft des friedlichen Zusammenlebens nicht irgendeiner neoliberalen Ideologie unter deutscher Hegemonie opfert.


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sagt dort: „Nein!
Es ist aus!“
Und rollt raus.


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Der Riss der Währungsunion geht mitten durch die EZB http://www.mister-ede.de/politik/der-riss-der-waehrungsunion/4001 http://www.mister-ede.de/politik/der-riss-der-waehrungsunion/4001#comments Fri, 10 Jul 2015 10:00:30 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=4001 Weiterlesen ]]> Es ist die Hüterin der Währung selbst, die zurzeit im eigenen Haus mit ansehen muss, wie das europäische Finanzsystem zerrissen wird. Denn, neben der normalen Tätigkeit einer Notenbank ist die EZB seit Ende letzten Jahres bzw. Anfang dieses Jahres auch für den Single Supervisory Mechanism (SSM) [1], also die europäische Bankenaufsicht über die großen europäischen Finanzinstitute, und den Single Resolution Mechanism (SRM) [2], also die Abwicklung dieser Großbanken im Insolvenzfall, zuständig.

Unter diese Geldinstitute fallen allerdings auch die vier größten Banken in Griechenland, die Alpha Bank, die Eurobank, die National Bank of Greece (die trotz des Namens nicht die Zentralbank, sondern auch eine normale Geschäftsbank ist) und die Piraeus Bank [3]. Alle diese Institute haben derzeit einen massiven Liquiditätsengpass und, falls Griechenland als Staat ausfallen sollte, wahrscheinlich auch Probleme beim Eigenkapital. Kommt es auf der politischen Ebene nicht binnen weniger Tage zu einer Einigung, ist die EZB wie schon in den vergangen Monaten wieder in der misslichen Lage, entweder die Liquidität der ausgebluteten Banken über eine Ausweitung der ELA-Kredite aufrechterhalten zu müssen, um weitere Auszahlungen zu gewährleisten und einen Ausfall des griechischen Staates durch kurzfristige Anleihen zu verhindern, oder die vier größten griechischen Banken abwickeln zu müssen. Egal wie sich die EZB dabei entscheidet, entstehen allerdings Risiken für die Währungsunion als Ganzes.

Belässt die EZB die ELA-Hilfen auch weiterhin auf dem aktuellen Niveau, werden die griechischen Banken nach einigen Tagen nicht mehr in der Lage sein auch nur noch einen Cent auszuzahlen. In diesem Fall wäre die EZB gezwungen, die Banken wegen Illiquidität unter Zwangsverwaltung zu stellen und mit einer Abwicklung zu beginnen. Ein ähnliches Szenario droht auch im Falle eines griechischen Staatsbankrotts, dann allerdings nicht wegen fehlender Liquidität, sondern aufgrund mangelnden Eigenkapitals, weil Abschreibungen notwendig werden.
In beiden Fällen kann der Schaden jedoch über Griechenland hinausgehen, denn auch Banken in anderen kriselnden Ländern, bei denen ein ähnliches Szenario bis hin zu einer Abwicklung durch die EZB vorstellbar ist, könnten so wieder in den Blick geraten. Ähnlich wie nach der Lehman-Pleite könnte damit erneut das Spiel losgehen, dass sich Banken nur noch bedingt Kredite gewähren und einzelne Institute dann tatsächlich in die Illiquidität rutschen.
Daneben entsteht eine Gefahr für die Glaubwürdigkeit der Sicherungsmechanismen. Geraten die Banken tatsächlich in die Pleite, sollte eigentlich der griechische Staat nach dem Mechanismus der harmonisierten europäischen Einlagensicherung [4] die Einlagen bis 100.000 Euro garantieren, was bei einem gleichzeitigen Staatsbankrott des Landes in der Praxis schwer umsetzbar ist. Wird der Sicherungsmechanismus allerdings hinfällig, könnte das auch bei normalen Sparern dazu führen, dass diese sich dann veranlasst sehen, ihr Geld doch lieber auf eine deutsche oder niederländische Bank zu bringen als auf eine italienische oder spanische. Auch dies könnte dann zu Problemen bei der Liquidität von Instituten führen.

Entscheidet sich die EZB hingegen auch bei einer fehlenden Einigung, den Geldhahn durch eine weitere zumindest langsame Ausweitung der ELA-Hilfen zu öffnen, hat auch das Konsequenzen für die Währungsunion.
Spätestens wenn die EZB den griechischen Banken bei einem Mittelzufluss durch ELA-Hilfen gleichzeitig auch die Ausweitung der Kredite an den griechischen Staat erlaubt, würde das dem strikten Verbot der direkten Staatsfinanzierung zuwiderlaufen. Die EZB würde damit aber nicht nur ihr eigenes Mandat überschreiten und ihre eigenen Regeln ad absurdum führen, sondern auch den anscheinend leider notwendigen Einigungsdruck von der politischen Ebene nehmen, die dann wieder endlos ohne Lösung weiterverhandeln kann.
Aber auch ohne eine Ausweitung der Kreditlinien von griechischen Banken an den griechischen Staat, droht der EZB ein erheblicher Vertrauensschaden. Immerhin ist sie, wie oben erwähnt, auch für die Kontrolle und gegebenenfalls Abwicklung der systemrelevanten Banken zuständig. Wenn sie nun aber im klaren Fall der Illiquidität nicht eingreift, wirkt das ohnmächtig und es stellt sich die Frage, ob die EZB in Bezug auf ihre Aufsichts- und Abwicklungsfunktion im Krisenfall überhaupt handlungsfähig ist.

Die EZB hat damit bei einer fehlenden Einigung auf politischer Ebene die Auswahl zwischen einer schlechten und einer noch schlechteren Möglichkeit.
Denkbar ist, dass die EZB noch bis zum 20. Juli, also dem Datum, an dem Griechenland auch der EZB über 3 Mrd. Euro zurückzahlen müsste, die Liquidität der Banken gewährleistet und bei fehlender Einigung an diesem Tag dann endgültig den Zahlungsausfall Griechenlands und damit die Insolvenz der vier Banken feststellt. In der Folge würden dann die Finanzinstitute vom Markt genommen werden und es bliebe für Griechenland nur noch zu hoffen, dass die Syriza-Regierung einen Plan B hat, wie sie den Geldfluss im Land ohne einen Mittelzufluss von außen wieder zum Laufen bringt.


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Ausnahmezustand in Griechenland: Welche Optionen gibt es jetzt? (www.mister-ede.de – 08.07.2015)


[1] Wikipedia-Eintrag zum einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus

[2] Wikipedia-Eintrag zum einheitlichen Bankenabwicklungsmechanismus

[3] Liste der aktuell von der Bankenaufsicht überwachten Institute (Link zur PDF auf www.bankingsupervision.europa.eu)

[4] Erläuterung des Bundesfinanzministeriums zur harmonisierten europäischen Einlagensicherung (Link zur Erläuterung auf www.bundesfinanzministerium.de)

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Ausnahmezustand in Griechenland: Welche Optionen gibt es jetzt? http://www.mister-ede.de/politik/ausnahmezustand-in-athen/3993 http://www.mister-ede.de/politik/ausnahmezustand-in-athen/3993#comments Wed, 08 Jul 2015 18:49:43 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3993 Weiterlesen ]]> Nachdem der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras nicht der Aufforderung aus Brüssel, das Referendum abzusagen und stattdessen das Angebot der Euro-Gruppe anzunehmen, nachgekommen ist, wurde Griechenland erwartungsgemäß in den Ausnahmezustand gezwungen (www.mister-ede.de – Griechische Demokratie vs. europäisches Diktat).

Dijsselbloem verkündete als Vorsitzender der Euro-Gruppe, dass das Gremium die von Tsipras gewünschte Fristverlängerung bis zum Referendum verweigert hat, woraufhin die EZB dann auch ihre ELA-Hilfen begrenzte (www.mister-ede.de – Dijsselbloem verkündet Zahlungsstopp für Griechenland). Die IWF-Kredite wurden daher bereits nicht mehr bedient, wodurch die Eurozone die Problemlösung mittlerweile sogar auf Kosten der gesamten Welt hinauszögert (www.mister-ede.de – Ausfall der IWF-Kredite an Griechenland: Eurozone lässt sich von dritter Welt aushalten). Daneben ist das griechische Finanzwesen durch die fehlende Liquidität zusammengebrochen und kann nur noch durch Kapitalverkehrskontrollen über ein paar Tage gerettet werden. Handel und Wirtschaft sind entsprechend auch zum erliegen gekommen und der Tourismus wird für dieses Jahr kräftig geschädigt.

Lange wird Griechenland diesen Zustand nicht mehr durchhalten können, weshalb nun gehandelt werden muss, wenn keine ernsthafte humanitäre Katastrophe ausgelöst werden soll – sofern es die in Teilen nicht bereits schon gibt.
Die Möglichkeiten zu handeln bleiben allerdings auf zwei Optionen begrenzt. Die eine Option sind weitere Liquiditätszuflüsse durch die geldgebenden Institutionen, sei es durch einen Notkredit, ein ausgehandeltes Hilfsprogramm oder ELA-Nothilfen. Unterbleibt dies, gibt es nur die zweite Option, nämlich einseitige Maßnahmen Griechenlands zur Stabilisierung und Restrukturierung, z.B. die Verhängung eines Schuldenmoratoriums oder eine Zwangsverwaltung für die völlig überschuldeten Banken.


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Die Lage nach dem griechischen Referendum http://www.mister-ede.de/politik/die-lage-nach-dem-referendum/3982 http://www.mister-ede.de/politik/die-lage-nach-dem-referendum/3982#comments Tue, 07 Jul 2015 18:06:34 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3982 Weiterlesen ]]> Wer darauf blickt, wie die Verhandlungen zwischen Griechenland und den geldgebenden Institutionen von der jeweiligen Verhandlungsseite betrachtet wurden, muss den Eindruck gewinnen, als hätten beide Seiten über komplett unterschiedliche Dinge gesprochen. So ging es für die Geldgeber, markant vertreten von Wolfgang Schäuble, der nicht von Griechenland in diese hervorgehobene Position gedrängt wurde, sondern sich selbst als Hardliner in dieser Frage profilierte, bei den Verhandlungen bis Ende Juni lediglich um eine letzte Tranche von 7,2 Mrd. Euro aus dem aktuellen Hilfspaket und im Gegenzug von Griechenland umzusetzende Maßnahmen. Aus Sicht von Syriza wäre ein solcher Deal aber erneut eine vollständige oder zumindest teilweise Fortsetzung des Austeritätskurses gewesen, nur um mit den neuen Hilfskrediten dann weitere ein, zwei oder drei Monate die fälligen alten Hilfskredite von EZB und IWF oder Kredite privater Gläubiger bedienen zu können. Entsprechend ging es Syriza von Anfang an darum, ein neues Programm aufzusetzen, das den bisherigen Austeritätskurs ablöst. Während also Schäuble über die Konditionen verhandeln wollte, versuchte Syriza immer wieder über den Vertragsgegenstand selbst, nämlich die Rettungssystematik, zu sprechen. Und an dieser grundsätzlichen Systematik ändert sich für Syriza eben auch dann nichts, wenn ein noch höheres Volumen an Hilfskrediten angeboten oder zumindest ein drittes Hilfsprogramm in Aussicht gestellt wird oder wenn zwei, drei bislang vorgesehene Sparmaßnahmen ersetzt werden.

Was bedeutet das Referendum für die griechische Regierung?

Zunächst zeigt das Referendum sehr deutlich, dass weiterhin eine Mehrheit der Griechen hinter der Verhandlungsposition ihrer Syriza-Regierung steht. Während eine Zustimmung zum Brüsseler Angebot die noch immer deutlich weitergehende Forderung der Syriza nach einer Schuldenumstrukturierung gebremst und Tsipras vermutlich dem Rücktritt sehr nahe gebracht hätte, wird das Ergebnis vom Sonntag die griechische Regierung auf ihrem Weg bestärken. Innenpolitisch ist Tsipras damit im Aufwind, aber auch außenpolitisch verleiht das Votum seines Volkes den Forderungen des griechischen Ministerpräsidenten Nachdruck.

Was bedeutet das Referendum für den griechischen Staat?

Für Griechenland als Staat bedeutet das klare „Nein“ bei der Abstimmung, dass weiterhin die Alternativen darin gesehen werden, entweder eine tragfähige Kreditvereinbarung zu erzielen oder das Land in den Staatsbankrott schlittern zu lassen.

Was bedeutet das Referendum für weitere Verhandlungen?

Wie zu erwarten, hat die Euro-Gruppe mit einem heftigen Sturmlauf versucht, für ein „Ja“ in Griechenland zu werben oder Tsipras gar vom Referendum abzubringen. Zwischen neuen Verhandlungsangeboten, der Aussicht auf Investitionshilfen, einem dritten Hilfspaket aber auch der Drohung des Grexits und der Verbannung ins Grexil bei einem „Nein“ wurde viel versucht, um die Griechen zur Zustimmung zu den Brüsseler Vorschlägen zu bewegen.
Zwar wären auch bei einem „Ja“ weitere Verhandlungen mehr oder weniger ad absurdum geführt worden, weil auch bei einer formalen Einigung niemand mehr auf die Einhaltung der Zusagen durch Syriza vertraut hätte, aber zumindest hätte es die Chance auf einen Rücktritt von Tsipras und neue Verhandlungspartner gegeben.
Das „Nein“, das aus Brüsseler Sicht gerne vermieden worden wäre, macht die Gespräche nun allerdings noch deutlich schwieriger, denn damit ist klar, dass ohne eine wirkliche Bereitschaft der geldgebenden Institutionen zu einem wie auch immer gearteten neuen Weg, z.B. durch eine Schuldenumstrukturierung, kaum eine Einigung erzielt werden kann.

Was bedeutet das Referendum für die Euro-Mitgliedschaft?

Die Entscheidung über eine Euro-Mitgliedschaft ist eine rein politische, weshalb es keinen Determinismus gibt. Wenn Griechenland die Euro-Mitgliedschaft nicht aufgeben und der Rest der Euro-Gruppe Griechenland nicht gehen lassen will, wird die Euro-Mitgliedschaft sicher fortgeführt. Umgekehrt wird es recht sicher einen Austritt aus der Währungsunion geben, wenn beide Seiten das am Ende von Verhandlungen möchten.

Was bedeutet das Referendum für die griechischen Banken?

Bargeld dürfte in Griechenland zwar recht viel vorhanden sein, allerdings trägt es zurzeit natürlich niemand mehr zu einer Bank. Die Geldversorgung der Banken dürfte daher ohne eine Einigung oder zumindest die Bereitschaft der EZB, den Banken diese Liquidität zur Verfügung zu stellen, demnächst zum erliegen kommen. Offen bleibt allerdings, wie die Bankenaufsicht dann reagiert, denn eigentlich müsste in diesem Falle die Insolvenz festgestellt werden.

Was bedeutet das Referendum für die Bürger?

Für die Bürger ist entscheidend, dass das Finanzwesen normal funktioniert und der Staat seinen Verpflichtungen gegenüber den Bürgern nachkommt, also Löhne, Renten, Sozialhilfe und offene Rechnungen bezahlt. Nachdem allerdings das Referendum für sich alleine genommen, auch bei einem anderen Ausgang, nichts an der grundlegenden Situation ändert, bleibt die prekäre Finanzlage weiterhin erhalten. Einfluss hat das Referendum also weniger auf die akute Situation der Menschen in Griechenland, sondern mehr auf die Frage, wie in Athen, Brüssel oder Frankfurt in den nächsten Tagen auf die Krise reagiert wird.


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Das griechische Referendum und die Spieltheorie http://www.mister-ede.de/politik/referendum-und-spieltheorie/3957 http://www.mister-ede.de/politik/referendum-und-spieltheorie/3957#comments Tue, 30 Jun 2015 13:48:21 +0000 MisterEde http://www.mister-ede.de/?p=3957 Weiterlesen ]]> Wie Spieltheorie funktionieren kann, hat einst Ulrich Wickert in Paris bei der Überquerung der Champs Élysées demonstriert. Einfach draufloslaufen, dann müssen die Autofahrer aufpassen, dass es keinen Unfall gibt [1]. Ähnlich verhält sich wohl auch die griechische Regierung, der klar ist, dass ohne Einigung ein gehöriger Schaden in der Eurozone verursacht wird, der weit größer ist als das, um was es in den Verhandlungen eigentlich geht. Mit seiner Ankündigung eines Referendums im vorletzten Moment ist Tsipras einfach losgelaufen und hat so die Eurogruppe unter Zugzwang gesetzt, weil die Regierungschefs nun damit konfrontiert werden, ihren Wählern den Verlust von vielleicht 300-400 Milliarden Euro zu erklären. Daneben wird die Eurozone auch zur Kenntnis nehmen, dass an den Zinsmärkten erste Konsequenzen spürbar sind.

In der Folge dieser Ankündigung hat die Euro-Gruppe am Samstag mit ihrer schnellen Positionierung gegen Überbrückungshilfen für Griechenland dann allerdings in mehrerlei Hinsicht einen taktischen Fehler begangen.
So wurde das griechische Volk wieder einmal vor den Kopf gestoßen, denn erneut entscheidet damit Brüssel über das Schicksal Griechenlands und nicht die Griechen selbst. Scheitern die Gespräche jetzt endgültig und kommt es zum Staatsbankrott, wird diese Ablehnung der Überbrückung entsprechend auch die Grundlage der griechischen Erzählung von der Schuld der Euro-Finanzminister und der EZB sein.
Aber auch mit Hinblick auf eine angestrebte Einigung war die schnelle Festlegung ein Fehler, weil die Euro-Gruppe damit ihren Handlungsspielraum unnötig eingeschränkt hat. Hätten die Regierungschefs sich den Weg des Referendums offengehalten und würden heute erklären, dass eine Fristverlängerung gewährt wird, sofern das Referendum definitiv bindend ist und die Regierung in Athen bei einer Zustimmung zu den Brüsseler Vorschlägen entsprechend die politische Konsequenz zieht und zurücktritt, wäre den Spieltheoretikern um Tsipras wohl ein gehöriger Strich durch die Rechnung gemacht worden.
Doch, anstatt die Gunst der Stunde zu nutzen und die Syriza-Regierung mit Hilfe ihres eigenen Vorschlags aus dem Spiel zu nehmen, bei einem Referendum sind ja nur noch das Angebot aus Brüssel und das griechische Volk relevant, hat die Euro-Gruppe mit ihrem Beschluss den Ball wieder an die Regierung in Athen zurückgespielt. Dort aber kann man nun auf den Sturmlauf der Regierungschefs warten, die bei den Entwicklungen an den Finanzmärkten mit steigenden Zinsen für Spanien und Italien und den Blick auf den näher kommenden Schaden wohl gerne wieder an den Ball kämen.


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[1] Ulrich Wickert in Paris (Link zum Video auf www.youtube.com)
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