Das griechische Referendum und die Spieltheorie
Wie Spieltheorie funktionieren kann, hat einst Ulrich Wickert in Paris bei der Überquerung der Champs Élysées demonstriert. Einfach draufloslaufen, dann müssen die Autofahrer aufpassen, dass es keinen Unfall gibt [1]. Ähnlich verhält sich wohl auch die griechische Regierung, der klar ist, dass ohne Einigung ein gehöriger Schaden in der Eurozone verursacht wird, der weit größer ist als das, um was es in den Verhandlungen eigentlich geht. Mit seiner Ankündigung eines Referendums im vorletzten Moment ist Tsipras einfach losgelaufen und hat so die Eurogruppe unter Zugzwang gesetzt, weil die Regierungschefs nun damit konfrontiert werden, ihren Wählern den Verlust von vielleicht 300-400 Milliarden Euro zu erklären. Daneben wird die Eurozone auch zur Kenntnis nehmen, dass an den Zinsmärkten erste Konsequenzen spürbar sind.
In der Folge dieser Ankündigung hat die Euro-Gruppe am Samstag mit ihrer schnellen Positionierung gegen Überbrückungshilfen für Griechenland dann allerdings in mehrerlei Hinsicht einen taktischen Fehler begangen.
So wurde das griechische Volk wieder einmal vor den Kopf gestoßen, denn erneut entscheidet damit Brüssel über das Schicksal Griechenlands und nicht die Griechen selbst. Scheitern die Gespräche jetzt endgültig und kommt es zum Staatsbankrott, wird diese Ablehnung der Überbrückung entsprechend auch die Grundlage der griechischen Erzählung von der Schuld der Euro-Finanzminister und der EZB sein.
Aber auch mit Hinblick auf eine angestrebte Einigung war die schnelle Festlegung ein Fehler, weil die Euro-Gruppe damit ihren Handlungsspielraum unnötig eingeschränkt hat. Hätten die Regierungschefs sich den Weg des Referendums offengehalten und würden heute erklären, dass eine Fristverlängerung gewährt wird, sofern das Referendum definitiv bindend ist und die Regierung in Athen bei einer Zustimmung zu den Brüsseler Vorschlägen entsprechend die politische Konsequenz zieht und zurücktritt, wäre den Spieltheoretikern um Tsipras wohl ein gehöriger Strich durch die Rechnung gemacht worden.
Doch, anstatt die Gunst der Stunde zu nutzen und die Syriza-Regierung mit Hilfe ihres eigenen Vorschlags aus dem Spiel zu nehmen, bei einem Referendum sind ja nur noch das Angebot aus Brüssel und das griechische Volk relevant, hat die Euro-Gruppe mit ihrem Beschluss den Ball wieder an die Regierung in Athen zurückgespielt. Dort aber kann man nun auf den Sturmlauf der Regierungschefs warten, die bei den Entwicklungen an den Finanzmärkten mit steigenden Zinsen für Spanien und Italien und den Blick auf den näher kommenden Schaden wohl gerne wieder an den Ball kämen.
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Dijsselbloem verkündet Zahlungsstopp für Griechenland (www.mister-ede.de – 27.06.2015)