Die Lage nach dem griechischen Referendum

Wer darauf blickt, wie die Verhandlungen zwischen Griechenland und den geldgebenden Institutionen von der jeweiligen Verhandlungsseite betrachtet wurden, muss den Eindruck gewinnen, als hätten beide Seiten über komplett unterschiedliche Dinge gesprochen. So ging es für die Geldgeber, markant vertreten von Wolfgang Schäuble, der nicht von Griechenland in diese hervorgehobene Position gedrängt wurde, sondern sich selbst als Hardliner in dieser Frage profilierte, bei den Verhandlungen bis Ende Juni lediglich um eine letzte Tranche von 7,2 Mrd. Euro aus dem aktuellen Hilfspaket und im Gegenzug von Griechenland umzusetzende Maßnahmen. Aus Sicht von Syriza wäre ein solcher Deal aber erneut eine vollständige oder zumindest teilweise Fortsetzung des Austeritätskurses gewesen, nur um mit den neuen Hilfskrediten dann weitere ein, zwei oder drei Monate die fälligen alten Hilfskredite von EZB und IWF oder Kredite privater Gläubiger bedienen zu können. Entsprechend ging es Syriza von Anfang an darum, ein neues Programm aufzusetzen, das den bisherigen Austeritätskurs ablöst. Während also Schäuble über die Konditionen verhandeln wollte, versuchte Syriza immer wieder über den Vertragsgegenstand selbst, nämlich die Rettungssystematik, zu sprechen. Und an dieser grundsätzlichen Systematik ändert sich für Syriza eben auch dann nichts, wenn ein noch höheres Volumen an Hilfskrediten angeboten oder zumindest ein drittes Hilfsprogramm in Aussicht gestellt wird oder wenn zwei, drei bislang vorgesehene Sparmaßnahmen ersetzt werden.

Was bedeutet das Referendum für die griechische Regierung?

Zunächst zeigt das Referendum sehr deutlich, dass weiterhin eine Mehrheit der Griechen hinter der Verhandlungsposition ihrer Syriza-Regierung steht. Während eine Zustimmung zum Brüsseler Angebot die noch immer deutlich weitergehende Forderung der Syriza nach einer Schuldenumstrukturierung gebremst und Tsipras vermutlich dem Rücktritt sehr nahe gebracht hätte, wird das Ergebnis vom Sonntag die griechische Regierung auf ihrem Weg bestärken. Innenpolitisch ist Tsipras damit im Aufwind, aber auch außenpolitisch verleiht das Votum seines Volkes den Forderungen des griechischen Ministerpräsidenten Nachdruck.

Was bedeutet das Referendum für den griechischen Staat?

Für Griechenland als Staat bedeutet das klare „Nein“ bei der Abstimmung, dass weiterhin die Alternativen darin gesehen werden, entweder eine tragfähige Kreditvereinbarung zu erzielen oder das Land in den Staatsbankrott schlittern zu lassen.

Was bedeutet das Referendum für weitere Verhandlungen?

Wie zu erwarten, hat die Euro-Gruppe mit einem heftigen Sturmlauf versucht, für ein „Ja“ in Griechenland zu werben oder Tsipras gar vom Referendum abzubringen. Zwischen neuen Verhandlungsangeboten, der Aussicht auf Investitionshilfen, einem dritten Hilfspaket aber auch der Drohung des Grexits und der Verbannung ins Grexil bei einem „Nein“ wurde viel versucht, um die Griechen zur Zustimmung zu den Brüsseler Vorschlägen zu bewegen.
Zwar wären auch bei einem „Ja“ weitere Verhandlungen mehr oder weniger ad absurdum geführt worden, weil auch bei einer formalen Einigung niemand mehr auf die Einhaltung der Zusagen durch Syriza vertraut hätte, aber zumindest hätte es die Chance auf einen Rücktritt von Tsipras und neue Verhandlungspartner gegeben.
Das „Nein“, das aus Brüsseler Sicht gerne vermieden worden wäre, macht die Gespräche nun allerdings noch deutlich schwieriger, denn damit ist klar, dass ohne eine wirkliche Bereitschaft der geldgebenden Institutionen zu einem wie auch immer gearteten neuen Weg, z.B. durch eine Schuldenumstrukturierung, kaum eine Einigung erzielt werden kann.

Was bedeutet das Referendum für die Euro-Mitgliedschaft?

Die Entscheidung über eine Euro-Mitgliedschaft ist eine rein politische, weshalb es keinen Determinismus gibt. Wenn Griechenland die Euro-Mitgliedschaft nicht aufgeben und der Rest der Euro-Gruppe Griechenland nicht gehen lassen will, wird die Euro-Mitgliedschaft sicher fortgeführt. Umgekehrt wird es recht sicher einen Austritt aus der Währungsunion geben, wenn beide Seiten das am Ende von Verhandlungen möchten.

Was bedeutet das Referendum für die griechischen Banken?

Bargeld dürfte in Griechenland zwar recht viel vorhanden sein, allerdings trägt es zurzeit natürlich niemand mehr zu einer Bank. Die Geldversorgung der Banken dürfte daher ohne eine Einigung oder zumindest die Bereitschaft der EZB, den Banken diese Liquidität zur Verfügung zu stellen, demnächst zum erliegen kommen. Offen bleibt allerdings, wie die Bankenaufsicht dann reagiert, denn eigentlich müsste in diesem Falle die Insolvenz festgestellt werden.

Was bedeutet das Referendum für die Bürger?

Für die Bürger ist entscheidend, dass das Finanzwesen normal funktioniert und der Staat seinen Verpflichtungen gegenüber den Bürgern nachkommt, also Löhne, Renten, Sozialhilfe und offene Rechnungen bezahlt. Nachdem allerdings das Referendum für sich alleine genommen, auch bei einem anderen Ausgang, nichts an der grundlegenden Situation ändert, bleibt die prekäre Finanzlage weiterhin erhalten. Einfluss hat das Referendum also weniger auf die akute Situation der Menschen in Griechenland, sondern mehr auf die Frage, wie in Athen, Brüssel oder Frankfurt in den nächsten Tagen auf die Krise reagiert wird.


Ähnliche Artikel:
Das griechische Referendum und die Spieltheorie (www.mister-ede.de – 30.06.2015)

Der europapolitische Blindflug von Schwarz-Rot (www.mister-ede.de – 28.11.2013)

Die zwei Krisen der Finanzkrise (www.mister-ede.de – 21.01.2015)

Griechische Demokratie vs. europäisches Diktat (www.mister-ede.de – 27.06.2015)

Diskussion:

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>