Heuchelei, Werbung und Zuschauertäuschung bei ZDF „log in“

Die ZDF-Sendung „log in“ ist mir vor etwa einem Jahr aufgefallen. Das Internet-Forum war relativ frei und es gab die Möglichkeit ohne große Schwierigkeiten diverse Themen zu diskutieren ohne gleich eine Anmeldung zu benötigen.

Das Konzept des Interaktiven sollte die Zuschauer in die Sendung einbinden und ich hatte die Hoffnung, dass es so durchaus möglich ist z.B. Fragen zu stellen oder Themen einzubringen. Ich nutzte die Möglichkeit des Forums, weil ich es interessant fand die Themen mit anderen Nutzern zu diskutieren, obwohl ich von Anfang an von den Themeninhalten und der Sendungsgestaltung nicht sonderlich begeistert war

Als störend und bisweilen einfallslos empfand ich z.B. die polarisierende Themenstellung „Pro / Contra“. Hieran hat sich, obwohl dies von vielen Nutzern kritisiert wurde, nichts geändert. Auch der Moderationsstil von Wolf-Christian Ulrich war mir zu wenig journalistisch, zu sehr Boulevard. Auch hieran hat sich nichts geändert.

Inhaltlich ist die Sendung z.B. vor der Europameisterschaft auf die politische Lage in der Ukraine eingegangen, allerdings zu den mehrfach im Forum angesprochenen Parlamentswahlen im Oktober gab es keine Sendung. Das Vortäuschen von Mitgefühl scheint auch vor einer Interaktiven Sendung nicht zu stoppen. Auch bei der Gästeauswahl kann man eine gewisse Dominanz von zwei Gästegruppen feststellen. Zum einen sind das FDP-Politiker und zum anderen Gäste die zufällig gerade ein Buch veröffentlicht haben.

FDP erreicht bei log in 36% – Tendenziöse Gästeauswahl (www.mister-ede.de – 12.11.2012)

Alleine in den 10 Sendungen seit der Sommerpause waren 6 Gäste eingeladen, die gleich ein neu erschienenes, eigenes Buch mitbrachten. So lässt sich eine Informationssendung schnell zur Dauerwerbesendung umgestalten.

Dies nun als ein Problem von „log in“ alleine darzustellen ist falsch, was mich aber dann doch ziemlich ernüchtert ist die Tatsache, dass diese Heuchelei von Informationssendung auch die Interaktivität selbst betrifft. Zwar werden immer mal wieder Fragen und Beiträge der Zuschauer aus dem Forum eingebracht, aber eine wirkliche Interaktivität scheint gar nicht erwünscht. Nur in Ausnahmefällen meldet sich die Redaktion zu Wort, wodurch eine Interaktion schon im Vorfeld konterkariert wird. Der Chat ist, so er denn funktioniert, häufig langsam, weil er moderiert wird. Kommentare werden so erst nach Minuten freigeschaltet, was der Diskussion natürlich nicht förderlich ist. Allerdings muss man dem Sendungsformat zugestehen, dass es anders als gewöhnliche TV-Produktion mit zusätzlichen Schwierigkeiten wie Spam-Attacken leben muss.

Unabhängig davon ist ein weiteres Problem von „log in“, dass die kommerziellen Anbieter (Facebook, Twitter, Google+), welche „log in“ nutzt, von einigen abgelehnt werden. Die Diskussion wird durch „log in“ aber gerade auf diese Anbieter gelenkt, die nicht den deutschen Datenschutzstandards entsprechen und zudem Geld verdienen wollen. Werbung sogar noch nach 23 Uhr fragt man sich, aber auch hier scheint sich die Redaktion, trotz Kritik mehrere Zuschauer, nicht dran zu stören.

Link zum „log in“ Forum mit entsprechender Kritik (blog.zdf.de – 29.04.2012)

Ferner werden die Themen, die vorab im Forum diskutiert wurden, kaum bis gar nicht in die Sendung eingebunden. Das Auseinanderdriften geht soweit, dass im Forum hoch interessante Diskussionen zu einzelnen Bereichen des Themas stattfinden können, die Sendung aber völlig andere Bereiche behandelt. Nachdem dies mittlerweile dazu führt, dass die Diskussion im „hauseigenen“ Forum kaum noch was mit der Sendung zu tun hat, sollte dies eigentlich zu denken geben.

Es geht aber noch weiter, bis hin zur Zuschauertäuschung, wenn man sich das Versprechen der Interaktivität und die dazugehörige Realität anschaut. In der letzten Sendung konnten zum Thema US-Wahl die Zuschauer Fragen an den CDU-Politiker Ruprecht Polenz stellen.
Log in schreibt: „Du hast Fragen an Polenz? Zum Bespiel zum Wahlausgang oder zur deutsch-amerikanischen Freundschaft? Dann her damit, aber bitte kurz und kompakt: denn Polenz hat nur zwei Minuten Zeit, um möglichst viele Fragen zu beantworten!“

Auch ich habe natürlich ein paar Fragen formuliert, da mich z.B. die US-Atomwaffen in Deutschland interessierten. Die schwarz-gelbe Regierung hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, in den USA auf einen Abzug zu drängen. Wie das ARD-Magazin Fakt berichtet, ist hiervon nun nichts mehr zu hören. Die Atomwaffen verbleiben wohl hier und Stellungnahmen der Regierung sind rar.
Ich wollte daher von Ruprecht Polenz wissen, ob die Koalition ihr Wahlversprechen gebrochen hat, oder der Verbündete USA, trotz „deutsch-amerikanischer Freundschaft“, die Waffen einfach nicht abziehen will: „Herr Polenz, der Abzug der Atomwaffen ist ein Ziel des Koalitionsvertrags. Wieso hat die schwarz-gelbe Regierung auf dem letzten NATO-Gipfel nicht die Verbündeten gebeten die Atomwaffen abzuziehen? Haben die Verbündeten nicht auf unsere Bitte reagiert oder hat schwarz-gelb ein weiteres Mal den Koalitionsvertrag nicht umgesetzt?“
Natürlich kommt nicht jede Frage aus dem Forum auch in die Sendung, aber neben meinen insgesamt 3 Fragen gab es auch z.B. von anderen Nutzern gute Fragen, z.B. zur Verschuldung der USA.

Link zum „log in“ Forum zu Ruprecht Polenz (blog.zdf.de)

Hiervon war allerdings in der Sendung nicht mehr viel zu hören. Zwar wurden Fragen von einem Bjoern, Philipp, Manfred, André und Christian gestellt, diese stehen aber gar nicht im Forum (siehe Link). Was bringt also die Aufforderung zur Interaktivität, wenn gar keine Fragen aus dem Forum einfließen. Wie viel Zuschauertäuschung kann sich eine Sendung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens leisten?
Ob die Fragen aus Twitter, Facebook oder wo auch immer kamen, kann ich nicht sagen, aber es ist weder journalistisch noch informationsorientiert, wenn nur gefragt wird, ob die USA nicht eher Deutschland satt hat, oder ob Romney oder Obama besser für die Wirtschaft ist.

Während ich die Diskussion im Forum als recht ordentlich empfinde, muss ich der Fernsehsendung log in ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Von dem Versprechen der Interaktivität ist nicht viel mehr als der Schein vorhanden, der Informationsgehalt niedrig, die Themen und Gästeauswahl bisweilen fragwürdig.

Sendungsbeschreibung von „log in“ auf www.mister-ede.de

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