„log in“ zum Netz-Boulevard

Gestern war also wieder „log in“. Das Thema Piratenpartei stand  zum zweiten Mal in Folge an, ob das mit guten Quoten zusammenhängt weiß ich nicht. Diese wären zumindest nicht verwunderlich, weil das Zielpublikum der Sendung sicherlich eine hohe Überschneidung mit den Piratenwählern hat. Aus meiner Sicht kam die Informationssendung aber nicht über den Status eines Boulevardtalks mit etwas Wahlwerbung für die Piraten hinaus.

Gäste waren Beck von den Grünen und Lauer von den Piraten, sowie eine Journalistin der „taz“. Aber schon die Überschrift der Sendung  ist zwischen Nonsens und gezielter Polemik einzuordnen. „Sind die Piraten die besseren Grünen“ ist für mich ein genauso fragwürdiger Titel wie „Sind Berliner die besseren Bayern“.

Eigentlich ist es daher auch nicht verwunderlich, dass die unbeantworteten Fragen der letzten Sendung  erneut keinen Platz fanden. Vor zwei Wochen schrieb Frau Weisband im Chat auf die Frage, womit z.B. das BGE finanziert werden soll, „mit Geld“. Das blieb in dieser Sendung, obwohl ja wieder zu den Piraten, einfach so stehen.

Nach den Eingangsstatements wurden die ersten Zuschauerpostings vorgelesen: „Die Grünen haben Angst vor den Piraten“ und „Die Piraten haben Inhalte“. Besonders beeindruckt hat mich hier die „Intelligenz der Masse“ noch nicht, aber was flach beginnt, sollte eigentlich besser werden.

Nachdem Beck klarstellte, was Inhalte bedeuten und man gesehen hat wo die Probleme bei den Piraten liegen, versuchte Lauer den ticketlosen Bahnverkehr zu erklären. Bevor aber das Ganze zu Information ausarten konnte, wurde Lauer abgewürgt.

Ich hätte es sehr begrüßt, wenn Pirat Lauer hätte zu Ende reden können, dafür aber inhaltliche Kritik gekommen wäre. Ich habe zeitnah in den Chat geschrieben, dass dies bedeuten würde, dass dann auch Jugendliche zu kleinen Rundfahrten und einem Bier nach der Schule einsteigen können. Auch dem Moderator hätte kommen können, dass in diesem Fall evtl. die Nachfrage auch exorbitant steigen würde und die Zuteilung von Fahrplätzen evtl. nötig ist. Man hätte dort wo es konkret wird viele inhaltliche Kritikpunkte anbringen können, aber es schien nicht im Interesse des Moderators zu liegen, nachzuhaken und Information zu fördern.

Beim Thema Nazis in der Piratenpartei hätte mich aus aktuellem Anlass interessiert, wie die Piraten innerhalb der Partei damit umgehen wollen. Das konnte oder wollte Lauer nicht darstellen. Auch bei der Frage der Demos, hätte ich mich gefreut, wenn z.B. auf den Beitrag des Foristen Markus Meister eingegangen worden wäre, der ja beschrieben hat, wie das mit der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nazi-Terrors gelaufen ist. Auch hier wäre es wahrscheinlich in Information und Niveau ausgeartet, was konsequent vermieden wurde.

Auch zur wichtigen Frage der Grundwerte der Piratenpartei habe ich keine neuen Erkenntnisse. Evtl. sind die Grundwerte ja einfach transparent, und man sieht sie deshalb nicht. Lauer sagt nicht ob oder welche Werte die Piraten eigentlich vertreten. Ich hätte in der Situation Herrn Lauer gefragt, ob die angestrebte „Ideologiefreiheit“ nicht Grundwerte ausschließt? Oder ob  das nicht dazu führt, dass eine wertfreie Bürgermasse Politik macht? Eine ähnliche Feststellung eines anderen Foristen vor der Sendung blieb auch hier ungenutzt.

Neben die fehlende Bereitschaft durch Herrn Ulrich „echte“ Fragen zu stellen hat sich dann auch die fehlende Bereitschaft des Herrn Lauer gesellt, „echte“ Antworten zu geben. Herr Beck und Frau Winkelmann von der „taz“ haben hingegen einen guten Eindruck hinterlassen.

Eine Zuschauerin im Studio durfte dann noch erklären, wie mutig sie ist, die Piratenpartei zu wählen, womit die 3 Minuten eher an Realsatire grenzten, denn an Information. Auch zum Thema Sexismus oder „post-gender“ (Schwanz ab?) gibt es nichts Neues.

Während sich die Gäste im Studio bei Kritik gegenüber dem Zuschauer eigentlich zurückhalten, musste sich die Redaktion gefallen lassen, dass sogar ein Zuschauerbeitrag unisono als „albern“ bezeichnet wurde, was auch für die schlechte Auswahl der Zuschauerbeiträge durch die Redaktion spricht.

Insgesamt offenbart die Sendung noch viel Verbesserungspotenzial, wenn das Ziel eine Informationssendung und nicht der Boulevard sein soll.

Volker Beck (Note: 1,5): Er überzeugte durch Engagement und Sachwissen. Leider hat er zu wenige Möglichkeiten bekommen die Punkte der Grünen darzustellen. Auch hier war der Moderator schneller.

Christopher Lauer (Note: 4,5): Er hat kaum Antworten geben können und schien bisweilen auch nicht daran interessiert.

Ulrike Winkelmann (Note: 2,0): Mit wenig Sprechzeiten aber dann inhaltsvollen Kommentaren konnte Sie mich überzeugen.

Moderator Wolf-Christian Ulrich (Note: 5,5): Durch eine ungezielte Gesprächsführung und wenig empfinden für den Inhalt des Gesagten hat er viele Diskussionen zu früh beendet. Es fehlte an Flexibilität für die Diskussion und dem Willen kritisch nachzuhaken, dort wo es notwendig gewesen wäre.

Moderatorin Jeannine Michaelsen (ohne Note): Die Auswahl der Netzbeiträge fand ich nicht sonderlich geglückt, wobei die Chat-Beiträge während der Sendung aufgrund der Kürze meist eh nicht viel hergeben.

Insgesamt (Note: 4,5): Zwei gute Gäste machen eben noch keine Sendung. Zu wenig Information, zu viel Boulevard.  Für das Sendungskonzept wirklich schade.

Link zur „log in“ Sendung vom 18.04.2012 (blog.zdf.de)

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