EU-Flüchtlingspolitik: Der Bumerang des deutschen Egoismus

Viel zu lange betrachtete das Deutschland der Schröders und Merkels die EU als eine Veranstaltung, von der man profitieren kann, ohne selbst etwas zur europäischen Integration oder zur Steigerung des gemeinsamen Wohlstands beizutragen. Das von Schröder praktizierte und von konservativer Seite bejubelte Lohndumping mit Hilfe von Hartz IV und Leiharbeit ist dabei nur eines von vielen Beispielen, wie Deutschland auf Kosten seiner EU-Nachbarn den eigenen Vorteil suchte und seinen Wohlstand mehrte. Genauso könnten auch Merkels Blockade gegen strengere Abgasgrenzwerte für Automobile, das von rot-grün betriebene Steuerdumping, z.B. durch die Einführung der Abgeltungssteuer, oder die Bankenrettung zu Lasten Irlands als Beispiele dieser deutschen Kirchturmpolitik angeführt werden. Selbst der griechische Bail-out zu Gunsten deutscher Banken, der uns hierzulande meist als Solidarität verkauft wurde, ist Ausdruck des nationalen Egoismus, der von Deutschland noch bis vor wenigen Monaten hochgehalten wurde – sehr hoch.

Wenn sich heute einige EU-Länder bei der Aufnahme von Flüchtlingen vornehm zurückhalten und Orbán, nach dem Bau von Zäunen an Ungarns Südgrenze, die katastrophale Lage der Flüchtlinge auf der Balkanroute nicht mehr als sein Problem ansieht, dann ist das nur jene Haltung gegenüber der gemeinsamen EU, die von Deutschland seit fast 20 Jahren konsequent vorgelebt wird. Daher ist es auch wenig verwunderlich, dass Merkels Appelle in der Flüchtlingsfrage auf taube Ohren stoßen, denn wie man in den Wald hineinruft, so schallt es am Ende auch wieder heraus.
Führt man sich z.B. vor Augen, dass Griechenland, von dem heute eine solidarische Zusammenarbeit bei der Bewältigung des Flüchtlingsstroms eingefordert wird, noch vor wenigen Monaten von Schäuble gerne aus dem Euro und damit auch aus der EU gekegelt worden wäre, so darf die dortige Prioritätensetzung nicht wirklich überraschen. Und auch Italien hätte genügend Gründe, Merkel und Juncker auflaufen zu lassen, nachdem es nicht nur bei seiner Rettungsmission „Mare nostrum“ im Stich gelassen wurde, sondern schon seit Jahren vergeblich um Unterstützung bei der Versorgung von Flüchtlingen bat.

Was also die deutsche Politik heute von links bis rechts in der Flüchtlingsfrage bei anderen EU-Ländern beklagt, ist genau jene Kirchturmpolitik, die sie über Jahre selbst gerne praktizierte und in die EU trug. Wenn also aktuell von anderen EU-Ländern hundertausende Flüchtlinge einfach nach Deutschland durchgewunken werden, so ist das lediglich der Bumerang des nationalen Egoismus, der nun hierher zurückkehrt.


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