Für Merkel rücken die Zeitpunkte der Wahrheit näher

Am 22. September war Bundestagswahl. An diesem Tag wurde die bisherige schwarz-gelbe Regierung auf Grund des schlechten Abschneidens der FDP abgewählt. Diese Tatsache ist bei der Freude der Union über ihr hervorragendes Bundestagswahlergebnis bislang eher untergegangen.
Allerdings wird sich die Union nicht auf Dauer vor dieser Wahrheit verstecken können. So wird von Tag zu Tag deutlicher, dass trotz erheblich gestiegener Stimmenanteile das Regieren für Merkel in den nächsten vier Jahren nicht einfacher wird.
Auch nach drei Wochen und einer Reihe von Sondierungstreffen, gibt es noch immer wenig Bewegung in der Koalitionsfrage. Nach dem gestrigen Treffen mit der SPD und der heutigen Sondierung mit den Grünen wird sich die Union allmählich entscheiden müssen mit welcher Partei sie Koalitionsverhandlungen führen will. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wird klar sein, dass die bisherige Regierungskoalition die Wahl verloren hat und nun die Zeit der Kompromisse folgen muss.

Aber nicht nur hier muss sich die Union der Wahrheit stellen. Anders als im Wahlkampf, in dem das Thema der Finanzkrise ausgespart wurde, wird sich die Union in Koalitionsverhandlungen mit ihrer bisherigen Euro-Rettungspolitik auseinandersetzen müssen.
Dabei wird es darum gehen, die bisherigen Kosten der Rettungspolitik zu benennen, die Entwicklung und Lage der Krisenländer nach fünf Jahren der Krisenintervention zu analysieren und vor allem auch die Risiken für die Zukunft offen auf den Tisch zu legen.

Eine Bilanz nach fünf Jahren Euro-Rettungspolitik (www.mister-ede.de – 15.10.2013)

Bei einer ehrlichen Betrachtung könnten sich aber weitere unangenehme Fragen in Bezug auf die Euro-Rettungspolitik und ihre Wirksamkeit ergeben. Zum einen stellt sich die Frage nach dem tatsächlichen Ausmaß der Krise in Staaten wie Spanien oder Griechenland, zum anderen drängt sich die Frage auf, was außer der Bereitstellung von Hilfskrediten von den angekündigten Maßnahmen tatsächlich umgesetzt wurde.
Das betrifft die Bankenaufsicht und die noch immer fehlende Abwicklungsmechanismen für Großbanken, das betriff aber auch die Finanzmarktsteuer, die man trotzt aller Beteuerungen immer noch vergeblich sucht.

Neben dem Thema der Finanzkrise und dem Fakt, dass die bisherige Regierungspolitik nicht fortgesetzt werden kann, blendet die Union auch fast vollständig aus, dass sie bereits acht Jahre regiert. Im Gegensatz zu 2005 kommt die Union nicht mehr aus der Opposition und damit werden Veränderungen, z.B. beim Mindestlohn oder bei der Rente, auch immer gleichzeitig Kritik an der bisherigen Regierungspolitik sein. Dabei ist es auch unerheblich, ob es zu einer Neuauflage der Großen Koalition kommt oder ein schwarz-grünes Bündnis auf das bisherige schwarz-gelbe folgt.
Dazu kommt, dass es im Unterschied zu 2005 und 2009 auch im Bundesrat andere Mehrheitsverhältnissen zu Ungunsten der Union gibt. Anders als 2009, als die schwarz-gelbe Koalition von einer Mehrheit im Bundesrat unterstützt wurde, hat heute rot-grün im Bundesrat einen Vorsprung.
Egal mit wem die Union am Ende eine Regierungskoalition bildet, die Regierungspolitik wird sich stärker an den Interessen der rot-grünen Bundesratsmehrheit orientieren müssen. Auch dieser Tatsache wird sich die Union nicht auf Dauer verschließen können.

Insgesamt darf man nicht verkennen, dass die Hürden für eine Regierungsbildung nicht fünf Sitze im Bundestag sind sondern die inhaltlichen Differenzen zwischen der Union und möglichen Koalitionspartnern. Auch dies ist ein Unterschied zu 2009, als Union und FDP vor allem die Gemeinsamkeiten betonten.
So wird es diesmal Auseinandersetzung über die Fragen der Euro(pa)-Politik geben und auch die Arbeitsmarktpolitik ist nicht weniger konfliktträchtig. Ähnlich ist das auch beim Thema einer gerechteren Steuerverteilung. Ebenso machen der Streit um das Elterngeld oder die Fragen nach der doppelten Staatsbürgerschaft deutlich, dass sich auch bei der Familien- oder Integrationspolitik ziemlich gegensätzliche Gesellschaftsmodelle gegenüber stehen.
Wie lange es noch dauert, bis sich die Union mit dieser Situation abfindet und sich auch innerparteilich auf neue Linien verständigt, weiß ich zwar nicht, aber auf Dauer werden sich SPD und Grüne nicht mit unverbindlichen Sondierungsgesprächen zufrieden geben. Der Zeitpunkt an dem sich Merkel den Wahrheiten stellen muss rückt näher.

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