Verwaltungs- und Polizeiversagen bei G20 in Hamburg? Eine Nachbetrachtung
Wer die Geschehnisse rund um den G20-Gipfel in Hamburg verfolgte, hörte von Zerstörung, sah Bilder mit Rauchschwaden über Hamburg und las von dutzenden Verletzten. Ein solches Chaos, das zum Teil sogar in einem völligen Kontrollverlust der Sicherheitskräfte mündete, wirft unweigerlich die Frage auf, was hier schief gelaufen ist.
Schon vor dem Gipfel lieferten Polizei und Verwaltung kein allzu gutes Bild ab. So gerieten z.B. Polizeibeamte, die aus Berlin zur Verstärkung angereist waren, mit einer ausgearteten Party in die Schlagzeilen. Und auch verschiedene Entscheidungen der Hamburger Verwaltung bestimmten immer wieder die Berichterstattung zum G20-Treffen, weil sie das Demonstrationsrecht über das zulässige Maß hinaus einschränkten und deshalb von Gerichten gekippt werden mussten. Ein wenig wirkte es daher so, als ob die Einsatzkräfte der Polizei und die restriktive Hamburger Verwaltung dem Gipfel mehr entgegen taumelten, als gut vorbereitet auf ihn zu warten.
Je näher dann das Gipfel-Wochenende rückte, umso deutlicher wurde auch die ziemlich seltsam anmutende Eskalationsstrategie der Polizei. So wurden beispielsweise Zelte aus einem prinzipiell genehmigten Protestcamp weggetragen, was nicht nur unzählige Einsatzkräfte gebunden hat, sondern auch unnötig die Stimmung unter den G20-Gegnern anheizte. Und während die Polizei so auf der einen Seite die Hamburger „Verordnung zum Schutz der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen“ knallhart durchsetzte, konnte sie auf der anderen Seite nicht mehr verhindern, dass überall in Hamburg Autos brannten und in manchen Straßenzügen sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten. Wenn hinter diesem Vorgehen der Polizei tatsächlich irgendeine Strategie gestanden hat, dann ging sie entweder nicht auf oder – noch viel schlimmer – der Schutz der Bürger war von Anfang an gar kein Ziel des Polizeieinsatzes beim G20-Treffen in Hamburg.
Aber nicht nur die völlige Ohnmacht der Polizei, die Hoheit über Straßen und Stadtviertel wiederzuerlangen, war absolut inakzeptabel, sondern auch die bemerkenswerte Allmacht der Sicherheitskräfte gegenüber den Pressevertretern. Dass Polizeibeamte ohne nähere Begründung akkreditierten Journalisten den Zugang zum Pressebereich auf dem Gipfelgelände verweigerten, ist eines Rechtsstaats einfach unwürdig. Der G20-Termin ist ja nicht gerade vom Himmel gefallen und daher wäre ausreichend Zeit gewesen, einzelne Akkreditierungen abzulehnen und dem betroffenen Journalisten dann den ordentlichen Rechtsweg gegen diese Entscheidung zu eröffnen. So allerdings drängt sich der Verdacht auf, dass das Ziel der kurzfristigen Einlassverweigerung gerade war, eine rechtzeitige gerichtliche Überprüfung unmöglich zu machen.
Am vergangenen Wochenende ist in Hamburg also viel schief gelaufen. Nachdem jedoch dem einzelnen Verwaltungsmitarbeiter bzw. den eingesetzten Polizeibeamten in den allermeisten Fällen kein Vorwurf zu machen ist, muss meines Erachtens umso mehr gefragt werden, ob die obere Etage der Verwaltung und der Sicherheitsorgane, bis hin zu den verantwortlichen Politikern, nicht grobe Fehler gemacht hat.
Warum wurde nicht frühzeitig mit Demoveranstaltern gemeinsam nach Lösungen gesucht, um etwaige Probleme aus der Welt zu räumen? Wieso hat die Polizeiführung nicht auf Deeskalationsstrategien zurückgegriffen, die in anderen Teilen Deutschlands längst erfolgreich umgesetzt werden? Wie konnte man sich so dermaßen verschätzen, was die Zahl der erforderlichen Polizeibeamte angeht? Und weshalb war es nicht möglich, die Akkreditierung von Journalisten so durchzuführen, dass es am Gipfel-Wochenende nicht plötzlich zu Ausschlüssen von Pressevertretern kommt? All diese Fragen müssen in der kommenden Zeit beantwortet werden, wenn die Geschehnisse rund um den G20-Gipfel nicht zu einem herben Vertrauensverlust in Politik, Verwaltung und Sicherheitsorgane führen sollen.
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Zum Polizeieinsatz in der Silvesternacht in Köln (www.mister-ede.de – 05.01.2017)