Der Euro und seine falsche Einstufung als Landeswährung (The Euro and the wrong classification as a domestic currency)

Dieser Beitrag stellt dar, was der Euro bzw. eine Landeswährung (domestic currency) ist und warum der Euro finanzökonomisch keine Landeswährung von beispielsweise Deutschland sein kann.

Der Euro:

Der Euro ist das offizielle Zahlungsmittel der Euroländer. Er wird von der Europäischen Zentralbank ausgegeben, die eine Institution des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) ist, also der Gesamtheit der Zentralbanken der Euroländer.

Der Begriff „Landeswährung“:

Als Landeswährung wird zum einen das Zahlungsmittels eines Landes (engl. „local currency“) bzw. das offizielles Zahlungsmittel (engl. „offical currency“) verstanden und zum anderen die Währung der Zentralbank des jeweiligen Landes (engl. „domestic currency“). Der Begriff „Landewährung“ hat somit unterschiedliche Bedeutungen, für die es im Englischen auch verschiedene bzw. präzisere Begriffe gibt.

Der Euro als Landeswährung:

Unstreitig ist der Euro unsere local und official currency und in dieser Bedeutung ist seine Bezeichnung als Landeswährung auch unproblematisch. Hingegen ist die Einordnung des Euro als domestic currency von beispielsweise Deutschland, Frankreich oder Italien zumindest finanzökonomisch falsch. Es geht hier also nicht darum, dass der Euro in Deutschland als Landeswährung bezeichnet wird oder der deutschen Sprache die Wörter fehlen, sondern um die Tatsache, dass der Euro fälschlicherweise als domestic currency eingestuft wird, was z.B. zu Lücken bei der Bankenregulierung führt.

Der Begriff „domestic currency“:

Die domestic currency ist die Währung der Zentralbank des jeweiligen Landes und damit im Normalfall auch die official currency dieses Landes. Ob sie darüber hinaus auch in anderen Ländern als local currency genutzt wird oder in diesem Land parallel noch andere local currencies existieren, ist für die domestic currency unerheblich. Das Gegenstück zur domestic currency (Landeswährung) ist in Statistiken und in der Finanzökonomie die foreign currency (Fremdwährung), wobei die jeweilige Betrachtung als Fremd- oder Landeswährung natürlich subjektiv ist. Für die USA ist der Dollar die Landeswährung und der Rubel die Fremdwährung, für Russland ist es genau andersherum.
Der Grund für die Aufteilung zwischen domestic und foreign currency liegt in den unterschiedlichen Risiken, wie z.B. dem Risiko eines sich zu Ungunsten ändernden Wechselkurses, das es so natürlich nur bei einer Fremdwährung gibt. Ein US-amerikanisches Unternehmen, das nur in Dollar (der dortigen „domestic currency“) Geschäfte macht, hat diese Fremdwährungsrisiken nicht, genauso wie ein in Deutschland ansässiges Unternehmen, das nur in Euro handelt. Bis zu den Wechselkursrisiken hat der Euro damit die Eigenschaften einer „domestic currency“, allerdings enden hier die Parallelen.

Warum der Euro keine domestic currency ist:

Als Währung der Zentralbank des jeweiligen Landes ist die domestic currency eine besondere Währung. Die Zentralbank kann sie beeinflussen und mit geldpolitischen Maßnahmen, z.B. durch eine Änderung des Leitzinses, auf die wirtschaftliche Situation im jeweiligen Land reagieren. Beim Euro ist aber genau diese Einflussmöglichkeit für ein einzelnes Euroland bzw. seine Zentralbank im EZB-System so nicht mehr gegeben. Im Gegensatz zu einer echten domestic currency ist es sogar möglich, Euro aus einem Land in großem Stil abzuziehen, ohne dabei über den Wechselkurs stabilisierende Effekte auszulösen. Während also bei einer Krise in Japan dort liegende Yen nicht ohne einen den Wechselkurs drückenden Umtausch in einem anderen Land investiert werden können, ist dies bei Euroländern möglich. Im Falle Japans würde der Letzte, der Yen z.B. in Euro umtauschen will, kaum noch Euro für seine Yen bekommen. Hingegen kann aus dem griechischen oder italienischen Finanzwesen problemlos sämtliches Kapital z.B. Richtung Deutschland oder den Niederlanden abgezogen werden, ohne einen solchen Wechselkurseffekt zu erzeugen. Auch der letzte Euro, der aus Griechenland geholt wird, hat den Wert eines in Deutschland verwendeten Euros. Wenn aber, anders als bei einer echten domestic currency, dem Finanzwesen eines Eurolandes ohne dämpfende Wirkung das Vertrauen entzogen werden kann, so ist der Euro folgerichtig keine domestic currency.
Deutlich wird dies auch in fiskalischer Hinsicht, also beim Blick auf die Staatsfinanzen. Üblicherweise geht das nominale Kreditausfallrisiko bei Staatsanleihen, die in einer echten „domestic currency“ eines Landes ausgegeben wurden, gegen null, weil im Zweifelsfall einfach Scheine mit beliebig hohen Nominalwerten gedruckt werden können. Hingegen hat ein Euroland nicht diese Möglichkeit, einfach die Geldpresse anzuwerfen, wie man auch am Beispiel des griechischen Zahlungsausfalls gesehen hat.
Ein weiterer Unterschied zwischen einer domestic currency und dem Euro ist hinsichtlich der Zinsen für Staatsanleihen zu erkennen. Nachdem in Ländern mit einer echten domestic currency die Zinssätze für die Staatschulden über die Zentralbank einigermaßen gesteuert werden können, kann dort die Staatsverschuldung, zumindest im Inland, relativ weit ausgedehnt werden. Am Ende ist es für den Staatshaushalt unerheblich, ob der Staat bei einem Zinssatz von 5% pro Jahr mit 50% des BIP oder bei einem Zinssatz von 0,5% pro Jahr mit 500% des BIP verschuldet ist, weil in beiden Fällen Zinsen in Höhe von 2,5% des BIP fällig werden. Einem Euroland fehlt hingegen dieser Einfluss auf den Zins, so dass durch die Euroeinführung für diese Länder und ihre Finanzsysteme nun Zinsänderungsrisiken hinzugekommen sind, die es bei den vorherigen echten domestic currencies so natürlich nicht gab.

Die Folgen der falschen Einordnung:

Die fälschliche Einordnung des Euro als „domestic currency“ hat diverse Folgen. Bei der Bewertung der Staatsverschuldung bzw. der Bonität von Staaten werden die Ausfallrisiken und die Gefahren, die im Auseinanderlaufen der Schuldenquoten in der Eurozone liegen, erheblich unterschätzt. Dies spiegelt sich beispielsweise in der Finanzmarktregulierung wieder, die die auf Euro lautenden italienischen Staatsanleihen genauso behandelt [1] wie die auf Pfund lautenden britischen Staatsanleihen. Obwohl durch den Euro das Kreditausfallrisiko Italiens bzw. die Gefahr eines Zusammenbruchs des italienischen Finanzsystems gegenüber Großbritannien mit seiner echten „domestic currency“ erhöht ist, müssen Banken auch für italienische Staatskredite kein Eigenkapital hinterlegen.
Daneben kann die falsche Einstufung auch zu Fehlern bei Ratings von Banken führen oder zu einer Fehlregulierung von Lebensversicheren und anderen Finanzdienstleistern. Auch an den europäischen Stabilitätskriterien, die für die Euroländer schärfer sein müssten als für die Nicht-Euroländer, kann man die Folgen der falschen Einstufung des Euro als domestic currency sehen genauso wie am Fehlen von geeigneten Steuerungsinstrument für eine Konvergenz der Schuldenquoten.

Wie lässt sich der Euro klassifizieren?

Grundsätzlich ist es schon möglich, dass der Euro eine domestic currency wird, sofern ein passender Eurozonen-Staat entsteht, in dem dann Stabilitätsmechanismen (Finanztransfers, gemeinsame Budgets) implementiert werden können. In diesem Fall wäre der Euro für Deutschland dann wie früher die D-Mark für ein einzelnes Bundesland. Nachdem ein solcher Staat aber in den nächsten Jahren nicht existieren wird, handelt es sich beim Euro um so etwas wie eine „partial domestic currency“, die für die einzelnen Euroländer zwar einige Eigenschaften einer Landeswährung besitzt, aber eben nicht alle.

Mögliche Konsequenzen:

Neben einer grundsätzlichen Überprüfung von Regulierungsvorschriften und Stabilitätskriterien sollten vor allem die oben erwähnten Ausnahmen von der Eigenkapitalhinterlegung bei Staatskrediten in Landeswährungen nicht auf den Euro bzw. die Euroländer übertragen werden. Anstatt aber hierzu die Regulierungsvorschriften zu ändern [2], was unnötigerweise auch z.B. Großbritannien oder Polen betreffen würde, sollte der Euro in der Anwendungspraxis einfach nicht mehr als domestic currency der Euroländer eingestuft werden.
Darüber hinaus wäre natürlich auch die Entwicklung eines entsprechenden Staates mit dem Euro als domestic currency, z.B. die Europäische Föderation, eine logische Schlussfolgerung. Wenig ratsam scheint hingegen, einfach weiter so zu tun, als sei der Euro eine vollwertige Landeswährung für die Euroländer, und abzuwarten bis es irgendwann mal richtig kracht.


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Rechenbeispiel zur Eigenkapitalanforderung für Banken nach Basel III (www.mister-ede.de – 30.08.2014)

Warum Banken das Fremdkapital suchen (www.mister-ede.de – 21.04.2014)

Das einheitliche Zinsniveau (www.mister-ede.de – 07.04.2012)


[1] Art. 114 IV EU-Verordnung Nr. 575/2013 (CRR) (Link zum PDF auf eur-lex.europa.eu)

[2] Vorschlag findet sich u.a. im DIW-Wochenbericht vom 13.5.2015 (Link zum PDF auf www.diw.de)

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