Eine Betrachtung der geringfügigen Beschäftigung
Von geringfügiger Beschäftigung spricht man bei Beschäftigungsverhältnissen, die von einem begrenzten Umfang sind. Ferienjobs, Studentenjobs oder eine Nebenbeschäftigung gehören in diese Kategorie. Mittlerweile müssen sich aber auch immer mehr Menschen, die keine Vollzeitstelle finden, mit solchen Jobs behelfen. Gleichzeitig ist es für Arbeitgeber finanziell attraktiv, genau solche Beschäftigungsverhältnisse zu nutzen.
Die Grundproblematik:
Arbeitgeber müssen neben dem Lohn auch die Sozialbeiträge bezahlen. Die Lohnnebenkosten sind daher von entscheidender Bedeutung für die Lohnkosten. In Deutschland liegt dieser Anteil der Lohnebenkosten zurzeit bei etwa 35% der gesamten Lohnkosten, die ein Arbeitgeber zu tragen hat.
Daneben gibt es gesetzlich geregelt schon seit über hundert Jahren Formen von Nebenbeschäftigungen, die zum Teil von den Sozialabgaben und Steuern befreit sind. Die sogenannte geringfügige Beschäftigung, wobei es den Namen erst später gab, ist die Möglichkeit zum Zuverdienst in einem begrenzten Umfang [1].
Die Auswirkungen von hohen Lohnnebenkosten (www.mister-ede.de – 23.12.2012)
Die Entwicklung:
Solange es genügend reguläre Beschäftigung gibt, stellen die Zuverdienstregelungen kein Problem dar. Im Deutschland der 60er Jahre nutzten höchstens Schüler, Studenten oder Hausfrauen diese Möglichkeit des Nebenjobs. Fehlende Sozialbeiträge konnten in der Zeit der Vollbeschäftigung nicht festgestellt werden, und wer eine reguläre Beschäftigung suchte, der hatte gute Chancen diese auch zu finden.
Bei der Harmonisierung der unterschiedlichen Sozialversicherungszweige im Jahr 1976 spielte somit hauptsächlich die Vereinheitlichung der unterschiedlichen Vorschriften eine Rolle [2]. Die aus dem Kaiserreich stammende Reichsversicherungsordnung und viele Einzelregelung sollten in einem gemeinsamen Sozialgesetzbuch vereinheitlicht werden. Bei der abschließenden Debatte des Bundestages waren somit Sozialdumping, Schwarzarbeit oder Probleme bei den Sozialkassen kein Thema, weder für die Regierung, noch für die Opposition [3]. In der Folge bestand auch weiterhin die Möglichkeit zur sozialversicherungsfreien Beschäftigung.
Die Fehlentwicklungen:
Erst durch die seit den 70er Jahren steigende Arbeitslosigkeit entwickelte sich hier ein zunehmendes Problem. Zum einen mussten immer mehr Arbeitslose finanziert werden, zum anderen gingen die Einnahmen der Sozialversicherung zurück. Steigende Lohnnebenkosten [4] und damit eine Verteuerung regulärer Arbeit waren die Folge.
Außerdem hat sich durch die freien Arbeitskräfte und den fehlenden Arbeitsplätzen eine Situation ergeben, in der Arbeitgeber auch bei schlechten oder gar ungesetzlichen Arbeitsbedingungen leichter an Mitarbeiter kamen, und Arbeitnehmer sich bei den Forderungen an die Arbeitgeber gegenseitig unterboten. Insgesamt ist so die Schattenwirtschaft seit den 70er Jahren deutlich angestiegen [5]. Überdies haben die Ausfälle von Sozialbeiträgen zu einer weiteren Erhöhung der Lohnnebenkosten geführt, wodurch die Schwarzarbeit finanziell zusätzlich an Attraktivität gewonnen hat.
Weiter steigende Arbeitslosigkeit und Sozialabgaben haben die Wirtschaftlichkeit Deutschlands immer mehr geschwächt. Mitte der 90er Jahre waren bei gleichzeitig explodierender Schattenwirtschaft Millionen Menschen arbeitslos. Die schwachen Sozialversicherungssysteme führten zu Beruhigungsaussagen wie „die Rente ist sicher“ von Norbert Blüm. Eine Triebfeder dieser Entwicklung ist die Finanzierung vieler Sozialleistungen über die Beschäftigten, wodurch der Faktor Arbeit konsequent verteuert wird.
Die Lösungsversuche:
Im Jahr 1999 hat daher die rot-grüne Regierung mit der Einführung der 630-Mark-Jobs versucht diese Probleme abzumildern. Nachdem immer mehr Menschen in sozialversicherungsfreie Beschäftigungsverhältnisse gedrängt wurden, sollte durch die Einführung der 630-DM-Jobs damit Schluss sein. Seitdem muss der Arbeitgeber auch bei geringfügig Beschäftigten einen Beitrag zur Sozialversicherung leisten. Zum einen sollte der Anreiz für Arbeitgeber reduziert werden, reguläre Arbeit in kostengünstigen Nebenjobs umzuwandeln, zum anderen sollte Finanzierungsbasis der Sozialkassen gestärkt werden. Gleichzeitig wurde durch eine stärkere Steuerfinanzierung der Sozialkassen versucht die Lohnnebenkosten insgesamt abzusenken um die regulär Beschäftigten wieder etwas zu entlasten.
Allerdings konnte so lediglich eine Stabilisierung des Lohnnebenkostenniveaus erreicht werden. Überdies boten auch die 630-DM Jobs durch die niedrigeren Sozialabgaben, immer noch eine gewisse Attraktivität für die Arbeitgeber. Insgesamt hat sich der Bereich der geringfügig Beschäftigten sogar noch weiter ausgeweitet.
[1] Wikipedia-Eintrag zur geringfügigen Beschäftigung (Link zum Eintrag auf de.wikipedia.org)
[2] Bundestag-Drucksache 7/5457 vom 23.06.1976 (Link zur Drucksache als PDF-File auf dip21.bundestag.de)
[3] Plenarprotokoll der 256. Bundestagssitzung der 7. Wahlperiode am 01.07.1976 (Link zum Plenarprotokoll als PDF-File auf dip21.bundestag.de)
[4] Gutachten für das Sächsische Ministerium für Wirtschaft und Arbeit aus dem August 2006, S. 20 (Link zum Gutachten als PDF-File auf www.sozialpolitik-aktuell.de)
[5] Untersuchung des IAW und RWI im Auftrag des BMAS, “Abschätzung des Ausmaßes der Schwarzarbeit”, 2010, S. 91 (Link zum Forschungsbericht als PDF-File auf www.bmas.de)