Eine gesamteuropäische Agenda

Eine gesamteuropäische Agenda muss das friedliche Zusammenleben der Europäer auf Basis menschenrechtlicher Grundstandards als oberstes Ziel haben. Sie darf sich deshalb nicht nur an die 28 EU-Länder richten, sondern muss die gesamte europäische Gesellschaft mit allen 50 Staaten bzw. den dort lebenden Menschen in den Blick nehmen.

Europarat / EGMR / EMRK / OSZE

Die institutionelle Grundlage Europas ist der Europarat, dessen 47 Teilnehmerländer die EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) ratifiziert und sich der Rechtsprechung des EGMR (Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte) unterstellt haben. Ziel einer gesamteuropäischen Agenda muss sein, diesen Bereich funktionsfähig zu halten bzw. zu gestalten, für den Kosovo eine Lösung zu finden und mit Weißrussland und dem Vatikan die letzten beiden nicht eingebundenen europäischen Staaten zur Annahme der EMRK, zur Unterstellung unter den EGMR und zum Beitritt zum Europarat zu bewegen. Nachdem bereits alle diese europäischen Staaten, außer dem Kosovo, in der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) eingebunden sind, wären dann zumindest der Schutz grundlegender Menschenrechte, die Zusammenarbeit bei globalen Themen und ein Forum für Sicherheit und Frieden gewährleistet – und zwar von Wladiwostok bis Gibraltar und von Reykjavik bis Baku.

EWR (Europäischer Wirtschaftsraum)

Der europäische Wirtschaftsraum sollte als privilegierter Status im Vorraum der EU verstanden werden. Europäische Länder, die für den Marktzugang nur die für den EU-Markt notwendigen Regeln, z.B. die Arbeitnehmerfreizügigkeit, akzeptieren wollen, allerdings ansonsten keine weiteren Verpflichtungen übernehmen bzw. kein Teil der EU sein möchten, sollen diesen Marktzugang gegen eine finanzielle Entschädigung erhalten. Dies wäre möglicherweise auch ein Modell, das Großbritannien angeboten werden könnte.

EU (Europäische Union)

Der Regelfall sollte im Rahmen einer gesamteuropäischen Agenda allerdings bleiben, Länder zu einer Vollmitgliedschaft in der EU zu führen, sofern diese Länder dies wollen. Abseits des Binnenmarktes, dessen Freiheiten und dessen ständige Harmonisierung für seine Existenz zwingend sind, sollte die EU jedoch stärker als heute auf die nationale Souveränität der einzelnen EU-Länder abstellen. So könnte die EU-Ebene vor allem als Grundlage dafür dienen, bei gleichgelagerten Interessen der einzelnen EU-Länder (z.B. bei der polizeilichen Zusammenarbeit) demokratisch legitimiert und parlamentarisch kontrolliert zusammenzuarbeiten. Dort wo diese Einstimmigkeit fehlt, gibt es dann, außer dort, wo es der Binnenmarkt erforderlich macht, auch keine weitere Integration, bis diese Einigkeit hergestellt wurde.

EF (Europäische Föderation)

Diejenigen Länder, die bei der europäischen Integration schneller voranschreiten wollen, sollten hingegen in einer Europäischen Föderation mit gemeinsamer Verfassung vereinigt werden. Damit könnte dann auch der Konstruktionsfehler der EU beseitigt werden, nämlich der Aufbau auf von Regierungen geschlossenen Verträgen anstelle einer vom Volk getragenen Verfassung. Neben der Zustimmung der nationalen Parlamente zu einer gemeinsamen europäischen Verfassung sollte deshalb in jedem Land auch die Zustimmung der Mehrheit der Wahlberechtigten bei einer Volksabstimmung für die Teilnahme an einer solchen Europäischen Föderation verpflichtend sein.

Die gesamteuropäische Agenda

Eine solche gesamteuropäische Agenda kann natürlich nicht im Rahmen einer einzelnen Institution verfolgt werden. Vielmehr muss sie Maßgabe des tagtäglichen politischen Handelns sein und sich z.B. in der Ausgestaltung und Weiterentwicklung der unterschiedlichen Ebenen und Institutionen der europäischen Zusammenarbeit ausdrücken. Gelingt auf diese Weise eine Stärkung des Europarats, eine Umgestaltung der EU, die Öffnung des EWR oder die Gründung einer Europäischen Föderation, wären dies wieder Schritte hin zu einem friedlichen Miteinander auf Basis menschenrechtlicher Grundstandards in Europa.

Die europäische Gesellschaft in Zahlen
- 50 Staaten
- Rund 840 Millionen Menschen (ca. 1/8 der Weltbevölkerung)
- Knapp 20 Billionen Euro BIP (ca. 1/3 der weltweiten Wirtschaftsleistung)
- 3 ständige Sitze im UN-Sicherheitsrat (3/5)


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Diskussion:

2 Gedanken zu “Eine gesamteuropäische Agenda

  1. Erstmal ganz allgemein gesprochen. Ich halte die Gleichsetzung im Sprachgebrauch Europäische Union = Europa für absolut legitim, genauso wie USA = Amerika. Denn ich als Geowissenschaftler sehe keine wissenschaftlich solide geographische Definition von Europa als Kontinent und kulturell kann man Europa auch nicht eingrenzen, weil seine Kultur sich bis nach Amerika erstreckt. Überhaupt haben wir in Europa ein Kulturkontinuum, dass kulturell letztlich nicht abgrenzbar ist. Deshalb ist es absolut legitim, die machtpolitisch bedeutendste politische Manifestation Europas, die Europäische Union intuitiv als “Europa” zu bezeichnen!

    Dennoch ist es sinnvoll sich Gedanken über eine geopolitische Ordnung Europas im größeren Sinne zu machen, die die Union umgibt und flankiert, so wie sie das getan haben.

    • Gerade jetzt wo GB die EU verlassen wird, muss man anerkennen, dass nur noch etwa die Hälfte der 840 Millionen Einwohner europäischer Länder EU-Bürger sein werden. Und es ist ja auch nicht ausgeschlossen, dass es in nächster Zeit noch weniger werden.

      Ich werbe daher zum einen für eine Reform der EU, um ihre Einheit zu erhalten, aber eben auch dafür, andere Strukturen der Zusammenarbeit (z.B. Europarat) zu stärken oder ergänzende Strukturen (z.B. die Europäische Föderation) zu schaffen, um den neuen Realitäten Europas gerecht zu werden.

      Es nützt nichts, wenn die Progressiven in urkonservativer Manier einfach nur versuchen, die kaum funktionierende EU zu erhalten. Vielmehr müssten Lösungen für ein gutes Miteinander in Europa gesucht werden und ich denke, eine solche gesamteuropäische Agenda wäre deshalb ein guter Schritt.

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