NRW und der Glücksspielstaatsvertrag

Noch immer ist der neue Glücksspielstaatsvertrag politisch nicht unter Dach und Fach. Juristische Nachspiele sind sowieso zu erwarten, weil Schritte in diese Richtung von Seiten der privaten Glücksspielanbieter schon angekündigt wurden.  Eine Neuregelung wurde notwendig, nachdem der alte Glücksspielstaatsvertrag mit dem freien Wettbewerb der EU nicht vereinbar war. Dies resultiert daraus, dass in der EU alle Wettbewerber den gleichen Marktzugang haben sollen und kein Anbieter von staatlicher Seite bevorteilt werden darf. In Deutschland aber wird das Glücksspiel, abgesehen von Automaten, fast ausschließlich vom Staat selbst angeboten, der per Gesetz private Anbieter bislang vor dem Eintritt in den Markt abgehalten hat. Auf diese Art bevorteilt der Staat sich selbst. Aber auch ein solches Vorgehen kann mit EU-Recht vereinbar sein, wenn sonst keine andere angemessen Möglichkeit besteht, um den Schutz der Bürger, in diesem Fall vor Glücksspielsucht, umzusetzen. Mit Hinblick auf den letzten Staatsvertrag wurde aber gerade kritisiert, dass bei der Ausgestaltung des Glücksspielwesens in Deutschland das Monopol nur in Teilbereichen existierte und dort wo es existierte, die staatlichen Anbieter mit Werbung und Onlineangeboten, welche es damals schon kurzzeitig gegeben hatte, intensiv vertreten waren [1].

Nachdem sich dann im vergangen Jahr alle Bundesländer, mit Ausnahme von Schleswig-Holstein, auf einen neuen Glücksspielstaatsvertrag, bzw. eine Änderung des alten Vertrages, geeinigt haben, sollte in diesem Jahr die Ratifizierung in den Parlamenten stattfinden. Bislang haben alle anderen beteiligten Bundesländer außer NRW die Gesetzgebung abgeschlossen und dem Vertrag durch die Landesparlamente zugestimmt. Damit ist in diesen Bundesländern zum 01.07.2012 dieser neue Vertrag auch geltendes Recht geworden, während in NRW und Schleswig-Holstein noch altes Recht gilt. Neben den Problemen, die der neue Glücksspielstaatsvertrag mit sich bringt, wirft auch diese Spaltung der Republik zusätzliche Fragen auf. Allerdings sehe ich in diesem Zustand auch die Chance für einen generellen Neuanfang in der Debatte.

Aus meiner Sicht sollte es das eigentliche Ziel sein, ein neues Glücksspielrecht zu schaffen, welches eine verlässliche Basis für die Anbieter und die Konsumenten von Glücksspiel bietet. So könnte in diesem Zusammenhang gefragt werden, wie eine Selbstsperre für Spielsüchtige in Zeiten des Internets funktionieren kann. Man hätte die Möglichkeit zu fragen, wie die Transparenz von Anbietern sinnvoll den Verbraucherschutz fördern kann, oder wie in einer freien Gesellschaft eine Suchtprävention am besten umgesetzt wird. Und man könnte nebenbei fragen, ob die Scheinheiligkeit der politisch Handelnden, die stets die Steuern nicht wegen der Einnahmen erheben, wirklich nötig ist.

Das mit dem jetzigen Glücksspielstaatsvertrag verfolgte Ziel scheint mir hingegen zu sein, das staatliche Lotteriemonopol mit Hinblick auf EU-Recht abzusichern. Auf diese Weise aber bleiben die tatsächlichen Probleme vollständig ungelöst, teilweise nicht einmal betrachtet.

Einheitliche Kompetenzen:

Als wesentlichste Aufgabe eines neuen Glücksspielrechtes sehe ich die Vereinheitlichung der Kompetenzen auf Bundesebene. Aus meiner Sicht, kann nur hier sinnvoll eine Überwachung und Kontrolle, vor allem des Online-Marktes, organisiert werden. Desweiteren halte ich auch die Konstellation des Glücksspielstaatsvertrages für schwierig, weil fast alle Bundesländer beteiligt sind und sinnvollerweise auch sein müssen. Man könnte vermuten, wenn alle Parteien beteiligt sind, dann kommt schon ein guter Mittelweg heraus, allerdings befürchte ich, hier gilt eher das Sprichwort „Zu viele Köche verderben den Brei“.

Steuer auch zur Einnahmeerzielung:

Als weiteren wichtigen Schritt sehe ich eine Abkehr von der Haltung an, dass Steuern im Glücksspielwesen lediglich der Suchtvorbeugung und damit dem Wohl der Spieler und Tipper selbst dienen sollen. Eine Besteuerung des Glücksspiels auch zum Zweck der Einnahmeerzielung ist legitim und wünschenswert und hat gleichzeitig eine positive Lenkungswirkung. Es erscheint mir auch weder verwerflich noch exotisch, denn bei Glücksspiel handelt es sich definitiv um Unterhaltung, um Luxus. Ähnlich wie also Kaffee oder Tabak als Luxusgüter besteuert werden, könnte man Glücksspiel als „Luxusdienstleistung“ zusätzlich besteuern.

Onlinewetten sind Old-Economy:

Als drittes muss bei einer Regelung des Glückspiels den Realitäten des Internets begegnet werden.  Ein Glücksspielrecht, welches den hohen Anteil ausländischer Anbieter am deutschen Glücksspielmarkt via Internet nicht berücksichtigt ist untauglich. Man könnte z.B. prüfen, inwiefern solche ausländischen Gewinne zukünftig einer Art Abgeltungssteuer unterworfen werden können. Es erscheint mir aber zumindest nicht zielführend zu sein, einen Teil der Angebote (Onlinepoker) zu verbieten, während gerade den staatlichen Lotteriegesellschaften nun erneut der Weg ins Internet geöffnet wird. Im Hinblick auf Internetwetten oder Onlinecasinos stellt sich außerdem die Frage, ob eine Experimentierklausel nicht eine Dekade zu spät kommt, denn in anderen Ländern wie in Österreich oder Großbritannien gibt es bereits seit Jahren Erfahrungen in diesem Bereich.

EU-Recht konformes Gesetz:

Nicht zuletzt muss ein solches Gesetz natürlich europäischen Anforderungen genügen. Allerdings betrachte ich eine solche Ausgestaltung als Nebenbedingung, und nicht als das Hauptziel. Während die Hauptziele, z.B. Schutz vor Spielsucht, möglichst weitgehend erreicht werden sollen, reicht für die Nebenbedingung, dass sie irgendwie erfüllt wird. Hier aber kann man zweifeln ob die aktuelle Ausgestaltung gerade diese Nebenbedingung erfüllt.

Immerhin bleibt ein Teil des Glücksspielmonopols erhalten und dieses wird weiterhin vom Staat zusätzlich begünstigt. So kritisierte im Hauptausschuss des Landtages NRW Prof. Dr. Alber (Uni Hohenheim) die Beschränkung der Konzessionen für private Anbieter auf eine Zahl von 20. Er vergleicht diese Zahl mit Italien, welches 14.000 solcher Konzessionen vergeben hat, und fügt an „Interessant wird es dann, wenn der 21. Antragsteller abgelehnt wird“ [2].

In derselben Anhörung wies Dr. Uwer (Forschungsinstitut Glücksspiel und Wetten) auf die Diskrepanz bei den Annahmestellen von Sportwetten hin. Inwiefern sich eine Beschränkung für private Anbieter hier mit der Vielzahl der Lottoannahmestellen überein bringen lässt, ist zumindest mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz fraglich. So sollen in Bayern die privaten Anbieter nur wenige Annahmestellen eröffnen können (30) während es dort gleichzeitig 3.700 Lottoannahmestellen gibt [3].

Neuanfang oder Neuanfang:

Aus meiner Sicht wird aus den verschiedenen Gründen ein Neuanfang nötig sein. Bleiben NRW und Schleswig-Holstein außen vor, so führt dies zu einer seltsamen Situation in Deutschland, gerade bei Online-Angeboten. Übernehmen auch diese beiden Länder den neuen Glücksspielstaatsvertrag, dann gehe ich davon aus, dass europäische Gerichte dieses Gesetz wieder, zumindest in Teilen, kassieren werden.

Vielleicht würde aber der letzte Weg dazu führen, dass bei einem Neuanfang eine breitere gesellschaftliche Diskussion an den Beginn eines solchen Prozesses gestellt wird. Immerhin hätten die Wege der Parlamentarier dann wiederholt ins juristische Abseits geführt, während die tatsächlichen Fragen ungelöst blieben.


Ähnliche Artikel:
Neuer Glücksspielstaatsvertrag seit heute in Kraft (www.mister-ede.de – 01.07.2012)

Die Liberalisierung des Glücksspielmarktes (www.mister-ede.de – 24.04.2012)


[1] Artikel auf www.zeit.de vom 08.09.2010 (Link zum Artikel – www.zeit.de)

[2] Protokoll der Sitzung des Hauptausschusses des Landtages NRW 16/30, 06.09.2012, S. 12 (Link zum Ausschussprotokoll – www.landtag.nrw.de)

[3] Protokoll der Sitzung des Hauptausschusses des Landtages NRW 16/30, 06.09.2012, S. 15 (Link zum Ausschussprotokoll – www.landtag.nrw.de)

Diskussion:

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>