Der Klimabeitrag für Kohlekraftwerke und die Bedenken der Gegner

Als Ende vergangenen Jahres die Bundesregierung beschlossen hat, zusätzliche Maßnahmen zur Einsparung von 70 Millionen Tonnen CO2 zu ergreifen, war der Widerstand auch im Energiesektor, der hierzu eine Reduktion von 22 Millionen Tonnen CO2 beitragen soll, noch gering. Seit jedoch Wirtschaftminister Gabriel seine Pläne für den Energiebereich konkretisiert hat, ist die Branche wegen der vorgeschlagenen Klimaabgabe in heller Aufregung. Mit zum Teil fadenscheinigen Argumenten wettern die durch die Energiewende vor Herausforderungen gestellten Stromriesen gegen die Abgabe, die ihnen nun zusätzliche Anstrengungen zur Emissionsreduktion abverlangt. So wurde zunächst von einer einseitigen Belastung der Kohleindustrie gesprochen, auch wenn offensichtlich ist, dass der Energiesektor eben nur 22 von 70 Millionen Tonnen Emissionseinsparungen beitragen muss. Für einen kurzen Moment wurde dann die Aushöhlung des europäischen Emissionshandels beklagt, bis auch den Gegnern der Abgabe auffiel, dass der Klimabeitrag das europäische System eher stärken würde.
Daneben wurden mit Hilfe des Arguments „Arbeitsplätze“ die Gewerkschaften mobilisiert, allen voran die IGBCE, obwohl gar nicht von einem Arbeitsplatzverlust ausgegangen werden kann. Zum einen werden insgesamt nur jene 10% des Kohlestroms, die am dreckigsten produziert werden, von dem Klimabeitrag erfasst sein, zum anderen werden zurzeit neue Kohlekraftwerke gebaut, die in den ersten 20 Jahren nach Inbetriebnahme überhaupt nicht von dieser Abgabe betroffen sein werden. Damit erlaubt gerade das Instrument des Klimabeitrags einen flexiblen Übergang, um Arbeitsplätze und Arbeitnehmer zu schützen, während umgekehrt andere Optionen zur Erreichung des Einsparziels von 22 Millionen Tonnen CO2 im Energiesektor, z.B. feste Emissionsgrenzwerte für Kraftwerke, ähnlich wie es diese auch für Autos gibt, tatsächlich die Gefahr von Strukturbrüchen beinhaltet hätten. Auch hier wendete sich damit das Argument der Abgaben-Gegner gegen sie selbst.

Nächste Runde: Juristische Bedenken

Doch die Reihe der haltlosen Argumente lässt sich weiter fortsetzen, z.B. wenn zurzeit vermehrt verfassungs- und europarechtliche Bedenken gegen die Klimaabgabe ins Feld geführt werden [1]. Zwar sind de facto nur alte Braunkohlekraftwerke von solchen neuen Emissionsgrenzen betroffen, hieraus alleine kann aber noch keine Diskriminierung abgeleitet werden, ähnlich wie auch die Pflicht, Heizungsanlagen prüfen und gegebenenfalls erneuern zu lassen, noch keine Diskriminierung von Immobilienbesitzern darstellt. Ferner sieht das Grundgesetz ausdrücklich vor, dass sich aus dem Eigentum auch Pflichten ergeben und der Gebrauch des Eigentums gesetzlichen Schranken unterliegen darf.
Etwas stichhaltiger scheinen hingegen die europarechtlichen Bedenken, wobei sich auch hier ein genauerer Blick lohnt. So wurde Art. 24, Absatz 1 der entsprechenden Richtlinie im Jahr 2009 insoweit abgeändert, dass die Mitgliedsstaaten auch ergänzende nationale Maßnahmen in Verbindung mit dem Gemeinschaftssystem durchführen können, sofern diese Maßnahmen von der Europäischen Kommission genehmigt werden [2]. Würde die EU-Kommission die Aufnahme der folgenden Tätigkeit, „Stromerzeugung mit einer Emission über X Tonnen CO2 je Gigawattstunde, unbeschadet anderer Verpflichtungen zum Erwerb von Emissionszertifikaten“, für Deutschland akzeptieren, könnten in Deutschland ab einem gewissen Grenzwert X zusätzliche Zertifikate von den Kraftwerksbetreibern für die Emission verlangt werden.
Dies dürfte auch im Einklang mit Sinn und Zweck der Richtlinie stehen, deren Ziel es ist, die Treibhausgas-Emissionen in der EU zu reduzieren und nicht Emissionszertifikate mit bestimmten Eigenschaften zu erschaffen! So sieht schon die ursprüngliche Richtlinie die Möglichkeit vor, mit Hilfe von CO2-Äquivalenten neben CO2 auch andere Treibhausgase durch den Emissionshandel zu erfassen. Daneben erlaubt Absatz 2 der neuen Fassung des Artikels 24, dass die Kommission im Falle ergänzender nationaler Maßnahmen zusätzliche Zertifikate vergeben darf, woraus sich im Umkehrschluss ergibt, dass eine Verknappung der Emissionszertifikate durch nationale Maßnahmen nicht im Widerspruch mit der Richtlinie steht. Desweiteren ist auf europäischer Ebene geplant, durch eine Rückstellung von CO2-Zertifikaten den aktuellen Überschuss an Zertifikaten im Emissionshandel einzudämmen [3]. Auch hierdurch sollte Raum für die Integration nationaler Maßnahmen in das europäische Gemeinschaftssystem entstehen.
Sollte sich die Kommission dennoch wider Erwarten gegen die Verknüpfung einer solchen nationalen Zusatzmaßnahme mit dem europäischen Emissionshandel aussprechen, könnte anstelle einer Verpflichtung zum Erwerb von Emissionszertifikaten auch eine CO2-Steuer, ähnlich der Brennelemente-Steuer, erwogen werden. Selbst wenn also die europarechtlichen Bedenken Bestand hätten, könnte der Klimabeitrag insoweit abgeändert werden, dass er auch unabhängig vom Emissionshandel funktioniert. Und ob dann nach einer Emissionseinsparung ein Stromkonzern keine Emissionszertifikate mehr erwerben oder keine Steuer mehr zahlen muss, macht nun wirklich keinen Unterschied.

Zwar versuchen die Gegner der Klimaabgabe, insbesondere die großen Stromkonzerne, die bei einer Einführung der Abgabe bei den dreckigsten Kohlekraftwerken eine niedrigere Rentabilität zu erwarten haben, weiterhin die Umsetzung zu verhindern, bislang laufen ihre Argumente aber konsequent ins Leere. Egal wie es gedreht und gewendet wird, bleibt die Klimaabgabe die gesellschaftlich verträglichste Form, um das vorgegebene Einsparziel von 22 Mio. Tonnen CO2 im Energiesektor zu erreichen. Auch die rechtlichen Bedenken stellen keinen Hinderungsgrund für die Einführung einer CO2-Abgabe dar, entweder verknüpft mit dem europäischen Emissionshandel oder eben als eigenständige nationale Steuer.


Ähnliche Artikel:
Offener Brief an die Gewerkschaften zur Diskussion um die CO2-Abgabe (www.mister-ede.de – 17.04.2015)

Vorstoß des Wirtschaftsministers zur CO2-Reduktion bei alten Kohlekraftwerken (www.mister-ede.de – 29.03.2015)

Konzept einer Emissions-Besteuerung im Energiesektor (www.mister-ede.de – 24.11.2014)


[1] Artikel von Welt-Online vom 03.05.2015 zu juristischen Bedenken gegen den Klimabeitrag (Link zum Artikel auf www.welt.de)

[2] Durch die Richtlinie 2009/29/EG wurde die ursprüngliche Richtlinie 2003/87/EG abgeändert (PDF der Richtlinie 2009/29/EG auf eur-lex.europa.eu) (PDF der Richtlinie 2003/87/EG auf eur-lex.europa.eu)

[3] Artikel der WirtschaftsWoche vom 06.05.2015 (Link zum Artikel auf www.wiwo.de)

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