Welchen Weg geht Griechenland?

Nachdem Griechenland die ersten Kreditraten nicht mehr bedienen kann, die Geldversorgung der griechischen Banken mehr oder weniger zusammengebrochen ist, in der Folge auch Wirtschaft und Handel weitestgehend zum erliegen gekommen sind und in der Hochsaison der Tourismus einbricht, ist in den nächsten Tagen zwingend ein Handeln der politischen Akteure in Athen erforderlich.
Hierfür stehen kurzfristig allerdings nur zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Entweder wird der Weg der Einigung, der in der Gipfelnacht von Sonntag auf Montag eingeschlagen wurde, heute im Athener Parlament konsequent weitergegangen, so dass es ab Ende der Woche zu neuen Mittelzuflüssen von außen kommt, oder die griechische Regierung wird einseitig intervenieren müssen, um die Krise abzumildern und eine humanitäre Katastrophe abzuwenden .

Variante „Einseitige Krisenintervention“:

Hierfür müsste zunächst das Finanzwesen wieder zum Laufen gebracht werden. Um dies zu erreichen, kann Griechenland beginnen, alle insolventen Banken endgültig zu schließen und abzuwickeln, so wie dann auch die EZB die vier größten griechischen Geldinstitute, für deren Kontrolle und Abwicklung sie zuständig ist, vom Markt nehmen müsste.
Die solventen Banken, die noch über ausreichend Eigenkapital und Liquidität verfügen, können dann zeitnah wieder eröffnen, wobei weiterhin Kapitalverkehrskontrollen notwendig wären, um eine erneute Kapitalflucht aus Griechenland zu verhindern. Auch die Einführung einer Kapitalverkehrssteuer wäre eine Maßnahme, um einen erneuten Liquiditätsabfluss zu bremsen. Weitere Möglichkeiten um das Finanzwesen zu stabilisieren sind die Neugründung einer solventen staatlichen Bank, in die z.B. Staatsunternehmen, Grundstücke oder Immobilien als Sicherheiten eingelegt werden, oder die Ansiedlung solventer ausländischer Institute. Auf diese Weise kann das in den letzten Monaten eilig im Land abgehobene Bargeld durch die solventen Banken wieder in einen Geldkreislauf überführt werden.
Die Verluste der abgewickelten Banken entstehen dabei im Wesentlichen bei der griechischen Zentralbank und bei den noch vorhandenen Sparern und Kontoinhabern. Letzteren könnte aber angeboten werden, dass bei einem freiwilligen Forderungsverzicht von 30% die restlichen 70% der Sparguthaben auf eine solvente Bank übertragen werden. Griechenland bliebe damit übrigens vollwertiges Euro-Mitglied und solvente griechische Banken könnten sich weiter im Rahmen des EZB-Systems mit Geld versorgen.

Würden die insolventen Banken abgewickelt werden, bliebe der griechische Staat zumindest in diesem Punkt schadlos, weil die Banken dann nicht weiter rekapitalisiert werden müssen. Dennoch müsste Griechenland auch seine Staatsfinanzen neu ordnen, wobei ohne eine Einigung in Brüssel ein Schuldenmoratorium bzw. der Verzicht auf den Schuldendienst zwingend erforderlich wären. Überdies müsste der griechische Staat seine Liquidität und Finanzlage verbessern. Durch die Einführung einer Kapitalverkehrssteuer könnten zusätzliche Einnahmen generiert werden wie auch durch die Eintreibung von Steuerschulden im Ausland. Neben einer schnellen Abwicklung des russischen Pipeline-Deals ist die Beleihung zur Privatisierung vorgesehener Objekte eine weitere Möglichkeit, um rasch an Geldmittel zu kommen. Wenn es für 14 Flughäfen ein Angebot über 1,3 Milliarden Euro gibt, könnten diese z.B. mit 800 Mio. Euro beliehen werden. Auch die Vorausabtretung von Steuereinnahmen, ein kurzzeitiger Verkauf von Staatseigentum mit Rückkaufoption oder Sale-Lease-Back-Gestaltungen für Verwaltungsgebäude könnten Maßnahmen sein, um kurzfristig Finanzmittel zu beschaffen.

Gelingt es, das Finanzwesen zu stabilisieren und den Staatshaushalt so zu gestalten, dass nach einem Schuldenmoratorium Einnahmen und Ausgaben übereinstimmen, dürfte sich Griechenland zunächst wirtschaftlich erholen, auch wenn die Schulden, die ja einfach nicht bezahlt würden, wie ein Damoklesschwert über Griechenland hingen. Die Euromitgliedschaft und die EU-Mitgliedschaft wären dabei weiterhin existent, allerdings dürfte das Klima zwischen den Mitgliedsländern dann gänzlich vergiftet sein.

Variante „Einigung mit Brüssel“:

Sollte es hingegen gelingen, die ersten Reformen im griechischen Parlament auf den Weg zu bringen, dürfte zeitnah die EZB ihre ELA-Kredite ausweiten. Die Kapitalverkehrskontrollen sollten allerdings auch in diesem Fall bestehen bleiben, damit die griechischen Banken nicht weiterhin in dieser Geschwindigkeit ausbluten. Daneben sollte auch eine Kapitalverkehrssteuer für Auslandsüberweisungen eingeführt werden, um insgesamt den Liquiditätsabfluss zu bremsen und auch die Importe etwas zu verteuern. Dies würde die heimische Produktion beleben und dem griechischen Staat würde eine solche Steuer zusätzliches Geld einbringen, welches er dringend benötigt. Wird eine Kapitalverkehrssteuer eingeführt, sollten die dadurch zur Verfügung stehenden Mittel dazu genutzt werden, Investitionen zu fördern und den Verwaltungsapparat neu zu strukturieren.

Daneben muss in den kommenden Tagen eine Lösung für die ausstehenden Kredite bei EZB und IWF gefunden werden. Um schnell an Finanzmittel zu kommen, stehen Griechenland dieselben Maßnahmen zur Verfügung wie bei einer einseitiger Intervention. Zusätzlich sind bei einem Weg der Einigung aber auch Überbrückungshilfen der europäischen Partner möglich. In den nächsten Wochen müssen dann weitere Reformen durch das griechische Parlament umgesetzt werden, während im Gegenzug die Refinanzierung Griechenlands durch den ESM abgesichert wird.
Im weiteren Verlauf muss dann eine Schuldenumstrukturierung angepackt werden, um das Zinsniveau für Griechenland auf ein vertretbares Maß zu reduzieren. Gegebenenfalls können hierzu auch teure Kassenkredite durch langfristige ESM-Kredite abgelöst werden. Außerdem sollte in nächster Zeit über die Restrukturierung des griechischen Finanzwesens nachgedacht werden, auch wenn die Liquidität im Land vorerst durch eine Erhöhung der ELA-Hilfen abgesichert würde.


Ähnliche Artikel:

Griechenland-Krise: Befristete Kapitalverkehrssteuer für Auslandsüberweisungen (www.mister-ede.de – 11.07.2015)

Ausnahmezustand in Griechenland: Welche Optionen gibt es jetzt? (www.mister-ede.de – 08.07.2015)

Die Lage nach dem griechischen Referendum (www.mister-ede.de – 07.07.2015)

Diskussion:

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>