Schorschi, der Horrorfilm und warum man die Freiheitsrechte von jüngeren Menschen nicht einschränken darf – eine Glosse

Es begab sich eines Morgens, als Georg – von seinen Freunden liebevoll Schorschi genannt – an seinem Küchentisch durch seine Zeitung blätterte. Viel Neues war dieser Tage in der Welt wohl nicht passiert. Und eigentlich wollte Schorschi seine Morgenlektüre auch schon wieder weglegen, als er plötzlich zusammenzuckte und seinen Augen nicht mehr zu trauen glaubte. „Kein Einlass unter 18-Jahren!“, stand da in großen Lettern auf Seite 12 der heutigen Ausgabe der WILD-Zeitung. Was sollte das sein? Wie konnte es soweit kommen? Die Kinder dürfen nicht mehr ins Kino? Und das nur, weil der neueste Horrorstreifen „Der greise Kai“ abends über die Leinwand flimmern wird? Dafür sollen also jetzt die Freiheitsrechte von jüngeren Menschen eingeschränkt und der Zutritt zum Kino untersagt werden? So etwas gab es ja noch nie, eine Ungeheuerlichkeit! Schorschi war aufgebracht. Es brodelte in ihm. Klar, er verstand natürlich, dass junge Menschen durch einen solchen Film gefährdet würden. „Aber wer brauchte denn bitte so etwas Nutzloses wie einen Horrorfilm?“, fluchte Schorschi vor sich hin. Und sogleich kam ihm da auch eine Idee. Er war ja Mitglied in einer dieser großen Partei mit einem Kinderanteil von 80%. Und so ging er zu seiner CSDPU und forderte: „Freiheit, Freiheit für die Kinder!“ Und alle stimmten ein: „Man darf die Freiheitsrechte von jüngeren Menschen nicht einschränken. Verbieten wir Horrorfilme, dann gibt es keinen Grund mehr, Kinder nicht ins Kino zu lassen!“

Bis tief in die Nacht hinein feierten die Mitglieder der CSDPU ihren Schorschi als Helden und Freiheitskämpfer und gleich am nächsten Tag änderten sie die notwendigen Gesetze und Vorschriften. Und wenn sie sich sonst nirgendwo zu Tode erschrocken haben, dann sitzen sie noch immer in irgendeinem Kinosaal und lachen darüber, dass im ganzen Lande keine Horrorfilme gezeigt werden dürfen.


Text als PDF: Schorschi, der Horrorfilm und warum man die Freiheitsrechte von jüngeren Menschen nicht einschränken darf – eine Glosse

Hintergrund: DPA-Artikel via Süddeutsche vom 6.4. zur Diskussion über unterschiedliche Corona-Regelungen für verschiedene Bevölkerungsgruppen (Link zum Artikel auf www.sueddeutsche.de)


Ähnliche Artikel:
Der europäische Schwarzbau oder die Geschichte vom Hobbyhandwerker Helmut K. (www.mister-ede.de – 14.12.2016)

Euro-Gruppen-Treffen: Schäubles langer Kampf für den Euro (www.mister-ede.de – 12.07.2015)

Das Wählerunser (Gebet für Parteien zum Wahltag) (www.mister-ede.de – 14.06.2016)

Diskussion:

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>