Das unbeirrte und alternativlose „Weiter so!“ in der Eurokrise

Seit Beginn der Eurokrise ist klar, dass eine Reformpolitik für die Eurozone nicht alleine auf die Probleme in den Krisenstaaten fokussiert sein darf, sondern auch die Fehlentwicklungen in den finanz- und wettbewerbsstarken Euro-Staaten in den Blick nehmen muss. Dennoch werden auch heute noch, nachdem 2014 die populistischen Ränder schon gestärkt aus der Europawahl hervorgingen und seit Januar in Griechenland ein Regierungschef einer Linksaußen-Partei im Amt ist, fast ausschließlich die Anpassungsmöglichkeiten in den Krisenstaaten betrachtet. Anstatt die schwache Binnennachfrage und die Importdefizite Deutschlands zu thematisieren und darauf aufbauend Maßnahmen für eine Steigerung der Reallöhne hierzulande zu ergreifen, wird, entsprechend der einseitigen Betrachtung der Krise, weiterhin nur auf eine Kürzungs- und Sparpolitik in den finanz- und wettbewerbsschwachen Staaten der Eurozone gesetzt. Obwohl sich mittlerweile mehr als deutlich gezeigt hat, dass diese Form des Austeritätswettlaufs ein wenig erfolgversprechendes Konzept für die Rettung der Eurozone ist und nicht zu mehr Wettbewerbsfähigkeit, sondern in eine Rezessionsspirale und zu politischen Verwerfungen führt, gilt diese offensichtlich gescheiterte Politik im Kanzleramt noch immer als alternativlos.

Auch die Probleme der Währungsunion selbst, also das Fehlen an- und ausgleichender Mechanismen, wie gemeinsame Budgets der Euro-Staaten oder Konvergenzanreize, spielen in der aktuellen politischen Debatte, die sich im Wesentlichen um die Frage eines Schuldenschnitts in Griechenland dreht, kaum eine Rolle. Anstatt über den zum Teil ungesunden Steuerwettbewerb in der Eurozone zu sprechen oder darüber, dass z.B. Frankreich und Italien bereits eine Finanztransaktionssteuer eingeführt haben, nicht jedoch das vorbildliche Deutschland, das sich auf diese Weise wieder einen Wettbewerbsvorteil sichert, werden Anpassungsmöglichkeiten weiterhin ausschließlich in den Krisenstaaten gesucht. Und so heißt die Parole auch im Hinblick auf die Probleme der Gemeinschaftswährung offensichtlich nur „weiter so wie bisher!“

Aber auch wenn es um größere Wachstumspakete geht, bleiben die Regierungen der finanzstärkeren Euro-Staaten, allen voran die deutsche Bundesregierung, stur bei ihrer ablehnenden Haltung. Versucht jedoch weiterhin über die Hälfte der Eurozone ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Lohn-, Renten- und Sozialkürzungen zu steigern und Haushaltsdefizite durch Ausgabensenkungen abzubauen und wird nach wie vor die hierdurch wegfallende Wirtschaftleistung nicht angemessen kompensiert, werden auch in den nächsten Jahren Stagnation und Rezession die Eurozone dominieren, insbesondere wenn Frankreich und Italien künftig ihre Sparbemühungen nochmals verstärken. Doch anstatt jetzt endlich die auch nach Jahren der Austeritätspolitik desolate Haushalts- und Schuldenlage in vielen Euro-Staaten, die Massenarbeitslosigkeit in Griechenland und Spanien, die immer noch hohe Arbeitslosenquote in Portugal und Irland oder die steigende Arbeitslosigkeit in Frankreich zum Anlass zu nehmen, um über andere Auswege aus dieser Krisensituation nachzudenken, wird weiter an der bisherigen Austeritätslogik festgehalten.
Und so bleibt auch manch richtiger Ansatz weitestgehend ohne Unterstützung, wenn er dieser Logik eben nicht entspricht, wie das von EU-Kommissionschef Juncker vorgeschlagene Investitionspaket. Gerade einmal 20 Milliarden Euro, was im Vergleich zu rund 50 Milliarden Euro jährlichen EU-Landwirtschaftssubventionen wie ein Witz klingt, bekam Juncker für sein Konjunkturprogramm zusammen und das anscheinend zum Teil sogar nur durch die Einbeziehung von Mitteln aus anderen schon vorhandenen Fördertöpfen. Daher darf zumindest angezweifelt werden, dass es dieses halbherzige EU-Projekt mit seiner bescheidenen Mittelausstattung tatsächlich vermag, die Folgen der flächendeckenden und einseitigen Austeritätspolitik in der Eurozone wirksam abzufedern.

Insgesamt bleiben damit weiterhin die Konstruktionsfehler der Währungsunion unbeachtet genauso wie die fatalen ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen des bisherigen Spar- und Kürzungskurses. Beibehalten wird nach aktuellem Stand aber auch die falsche Konzentration der Rettungspolitik auf die Fehlentwicklungen der Krisenstaaten. Und so ist, obwohl die Austeritätspolitik die Eurokrise bislang erkennbar nicht lösen konnte, der Kurs der Bundesregierung in der Eurokrise ein unbeirrtes und alternativloses „Weiter so!“


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Diskussion:

Ein Gedanke zu “Das unbeirrte und alternativlose „Weiter so!“ in der Eurokrise

  1. Na ja, nach meiner Analyse ist das Hauptübel schlicht die grenzenlose Gier einiger Alphatiere in einer entsolidarisierten Gesellschaft. Alles weitere folgt daraus. Keine Schulden zu machen (sondern Investitionen aus laufenden Steuereinnahmen zu finanzieren) ist in einem gesunden Umfeld im Prinzip eine vernünftige Sache. Das geht natürlich nicht, wenn man die globale Wirtschaft aus betriebswirtschaftlichem Blickwinkel betrachtet und sich in einen unsinnigen Wettbewerb um die niedrigsten Steuerquoten und zugleich höchsten Wachstumsraten begibt. Aber unter den Bedingungen eines neoliberalen Manchester- Kapitalismus wird jede Politik zwangsläufig scheitern, egal welche Rezepte man anwendet.

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