Der Zusammenhang zwischen Staatsschulden- und Zinslastquote
Die Zinslastquote eines Staates gibt an, wie viel Prozent der Wirtschaftsleistung ein Staat für seine Staatsschulden aufbringen muss. Entsprechend ist die Zinslastquote von der Wirtschaftsleistung, der Höhe der Staatsschulden und der durchschnittlichen Verzinsung abhängig. Die Schuldenquote, welche die Höhe der Staatsschulden in Relation zur Wirtschaftsleistung eines Staates ausdrückt, ist somit eng mit der Zinslastquote verbunden. Kommt es zu keiner Änderung des Durchschnittszinses, bedeutet eine Verdopplung der Schuldenquote auch eine Verdopplung der Zinslastquote.
Neben diesem Zusammenhang sind Schuldenquote und Zinslastquote allerdings auch über die Bonität eines Staates verknüpft. Zum einen ist die Schuldenquote als Relation von Schulden zur Wirtschaftsleistung eines Staates, ähnlich wie die Bonität, maßgeblich von der wirtschaftlichen Entwicklung der jeweiligen Volkswirtschaft abhängig, zum anderen führt eine hohe oder steigende Schuldenquote aufgrund erhöhter Ausfallrisiken tendenziell zu einer zusätzlichen Verschlechterung der Bonität. Bei einer Verschlechterung der Bonität werden sich in aller Regel dann aber auch die für neue Kredite zu zahlenden Zinsen und damit auch die Zinslastquote erhöhen.
Durch diesen Effekt des doppelten Einflusses steigt daher tendenziell die Zinslastquote bei einer Erhöhung der Schuldenquote überproportional an. Steigt die Schuldenquote auf ein zu hohes Maß, kann damit in der Folge der Zusammenbruch der Staatsfinanzen drohen.
Im umgekehrten Fall ist es aber auch möglich, diesen Effekt positiv zu nutzen. Bei rückläufigen Staatsschulden und dadurch steigender Bonität, vorausgesetzt, dass ein Land nicht schon die höchste Bonitätsstufe hat, sinkt die Zinsbelastung des Staates ebenfalls tendenziell überproportional.
Innerhalb der Eurozone ist der Zinseffekt, der bei einer Bonitätsveränderung eines Staates auftritt, zusätzlich erhöht, weil es sehr leicht möglich ist, Geldanlagen ohne Wechselkursverluste in andere Länder der Eurozone abzuziehen. Jedoch spielt innerhalb der Eurozone nicht nur die absolute Bonität eines Staates, sondern vor allem auch die Relation zur Bonität der übrigen Euro-Staaten eine große Rolle.
Sowohl im negativen wie im positiven handelt es sich bei diesem Effekt, der durch den doppelten Einfluss der Staatsschuldenquote auf die Zinslastquote entsteht, allerdings um einen eher schwachen Effekt. Zum einen steigt oder fällt der Durchschnittszins durch die häufig langen Laufzeiten bei Staatskrediten nur langsam, zum anderen kann der Zinseffekt bei veränderter Bonität durch andere Effekte zum Teil überlagert werden.
So wird das allgemeine Zinsniveau durch geldpolitische Maßnahmen regelmäßig genau in die zu diesem Effekt entgegengesetzte Richtung gelenkt. Ist die Wirtschaft im Aufschwung, führt dies zwar häufig zu einem Rückgang der Staatsverschuldung im Vergleich zur Wirtschaftsleistung, allerdings wird in diesem Fall auch üblicherweise das allgemeine Zinsniveau ansteigen. Die Zinsvorteile, die bei höherer Bonität entstehen, können somit durch ein insgesamt höheres Zinsniveau wieder aufgebraucht werden. Umgekehrt wird in einer Krise, bei der die Wirtschaft einbricht und die Staatsschulden ansteigen, mit einem allgemein niedrigen Zinsniveau und expansiver Geldpolitik versucht werden, die Wirtschaft zu beleben. Die wegen sinkender Bonität steigenden Zinsen von Staaten können in diesem Fall vom allgemein niedrigeren Zinsniveau abgefedert werden.
Durch die niedrigen Leitzinsen der EZB und durch die Bereitschaft der EZB, Anleihen der Krisenstaaten ungeachtet der Bonität als Einlagen zu akzeptieren, müssen von den Euro-Staaten trotz gestiegener Schuldenquoten bei einer Kreditaufnahme heute weniger Zinsen gezahlt werden als noch vor der Krise. Dennoch lässt sich der Zusammenhang von Schulden- und Zinslastquote, der unter bestimmten Umständen zu einem überproportionalen Anstieg der Zinslast führen kann, auch in der europäischen Finanzkrise beobachten, vor allem in den Jahren 2009-2011, also in der Zeit bevor die EZB massiv intervenierte.
Beispiele:
Um die durchschnittliche Verschuldung eines Jahres grob zu errechnen, sind die Jahresendstände des Vorjahres und des betreffenden Jahres gemittelt. Nachdem die Zinslast bereits das Resultat der im jeweiligen Jahr gezahlten Zinsen ist, bleibt dieser Wert hingegen unverändert. Quelle für die Jahresendstände der Verschuldung und der jährlichen Zinslast ist Eurostat: (Link zu den Datensätzen auf epp.eurostat.ec.europa.eu)
Irland:
Irland hatte Ende 2007 eine Verschuldung von 47,1 Mrd. Euro und Ende 2008 eine Verschuldung von 79,6 Mrd. Euro. Über das Jahr waren das im Schnitt grob 63,4 Mrd. Euro, wofür Irland 2,38 Mrd. Euro Zinsen zahlte (1,3% des BIP). Ende 2008 kam es zum Crash an den Finanzmärkten und Irland intervenierte mit staatlichen Rettungsprogrammen. Die Aufnahme neuer Kredite lies dabei die Schulden um 96% auf 124,4 Mrd. Euro im Schnitt des Jahres 2010 steigen. Wegen der verschlechterten wirtschaftlichen Situation stiegen aber auch die Zinsen für irische Staatsanleihen rapide an, wodurch sich die Zinslast im gleichen Zeitraum um 105% auf 4,92 Mrd. Euro (3% des BIP) erhöhte.
Deutlicher wird es, wenn man nur die Jahre 2009 und 2010 betrachtet. Hier stieg die durchschnittliche Verschuldung eines Jahres von 92,1 auf 124,4 Mrd. Euro um 35,1% an, während sich die Zinslast um 44,2% nach oben entwickelte, bevor im Herbst 2010 die ersten EU-Maßnahmen zur Entkopplung Irlands vom Finanzmarkt griffen.
Portugal:
Während Irland ähnlich wie Griechenland schon relativ früh einen Anstieg der Zinsen bei der Aufnahme von Krediten verkraften musste, waren Portugal und Spanien trotz steigender Neuverschuldung zunächst nicht so sehr im Blickfeld. Ab 2010 mussten allerdings auch dort für neue Kredite erhöhte Zinsen gezahlt werden. Deutlich wird dies in Portugal, das einen Anstieg der durchschnittlichen Verschuldung von 160 Mrd. Euro im Jahr 2010 auf 184 Mrd. Euro im Jahr 2011 (Ende 2009 146,7 Mrd. Euro; Ende 2010 173,1 Mrd. Euro; Ende 2011 195,7 Mrd. Euro) um das 1,15-fache zu verzeichnen hatte. Im gleichen Zeitraum stieg die Zinslast von 5,27 auf 7,6 Mrd. Euro jedoch deutlich stärker um das 1,44-fache an, wodurch sich die Zinslastquote von 2,9% des BIP (2010) auf 4,3% des BIP (2011) erhöhte, bevor Portugal Mitte 2011 zum Teil vom Finanzmarkt abgekoppelt wurde.
Spanien:
In Spanien, das ähnlich wie Portugal das Zinsniveau bis 2010 einigermaßen stabil halten konnte, ist der Effekt ähnlich zu beobachten. So stieg auch hier die durchschnittliche Schuldenlast des Jahres 2011 um 14% gegenüber dem Vorjahr, während sich die Zinslast um 30% erhöhte.
Deutschland:
Deutschland hingegen profitiert im Rahmen der Währungsunion deutlich von seiner relativen Stärke. Obwohl auch hierzulande die Staatsverschuldung in nicht unerheblichem Maße angestiegen ist, konnte sich Deutschland als sicherer Hafen in der Eurozone profilieren und musste deutlich niedrigerer Zinsen als vor der Krise zahlen. Während sich die Schuldenquote von 64,9% Ende 2008 auf 76,9% Ende 2013 erhöhte, reduzierte sich die Zinslastquote von 2,7% des BIP (2008) auf mittlerweile 2,0% des BIP (2013).
Glossar: Die Zinslastquote (von Staaten) (www.mister-ede.de – 25.10.2014)