Eine angepasste Anreizgestaltung

Im wesentlich bestimmt sich der Wert einer Währung über die Menge des umlaufenden Geldes. Belässt man die geldmengenbestimmenden Faktoren, wie z.B. Mindesteinlagen, auf dem gleichen Niveau und verändert lediglich den Zinssatz, dann wird durch diesen Zins der Wert einer Währung maßgeblich bestimmt. Er sagt aus, wie viel für jetzt Geliehenes später zu bezahlen ist. Je niedriger der Zins, desto billiger wird das Geld, je höher der Zins desto teurer ist es. Je billiger das Geld wird, desto schwächer wird eine Währung, weil es nun günstiger ist, dieses Geld zu leihen. Je höher der Zins desto stärker wird eine Währung. Mit einer Niedrigzinspolitik versucht zurzeit auch die EZB die Währung möglichst billig zu machen, um Investitionen auszulösen.
Das Problem des „Euro“ ist nun aber, dass es genau diese Anpassungsmöglichkeiten zwischen den Mitgliedsländern nicht mehr gibt. Während Aufwertungen und Abwertungen einer Währung üblich sind um die Wirtschaft zu stimulieren, müssen in der Eurozone neue Wege gefunden werden um dies zu erreichen.

Das einheitliche Zinsniveau (www.mister-ede.de – 11.04.2012)

Wirtschaft und Währung müssen zueinander passen!

Es gibt zwei Wege um dieses Problem zu beseitigen. Die erste Alternative ist die Anpassung der Wirtschaftskraft an die Währung. Die zweite Alternative ist die Anpassung der Währung bzw. der Anreize an die jeweilige Wirtschafskraft.
Wie wesentlich die Leistungsfähigkeit eines Volkes ist, zeigt der Wiederaufbau Europas nach dem zweiten Weltkrieg. Umgekehrt ist es allerdings dafür kaum möglich in kurzer Zeit die Wirtschaftskraft eines Landes zu erhöhen. Deshalb sollte eine Anpassung der Währung bzw. der Anreize erfolgen.
Gelingt es den realen Zinssatz in den einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedlich zu gestalten, wäre dies eine Möglichkeit um die Währungen in den schwächeren Ländern etwas billiger zu machen. Eine Idee, wie dies zu trotz einheitlicher Währung zu erreichen ist, beschreibe ich mit Zinsaufschlägen für Banken mit gutem Rating.

Gelingt es innerhalb der Eurozone nicht die Zinsen unterschiedlich zu gestalten, dann kann man mit Regelungen versuchen, die Fehlanreize durch eine zu starke oder schwache Währung auszugleichen. Eine Idee ist hier eine angepasste Steuer- und Subventionsgestaltung.
Gelingt es aber auch nicht die Fehlanreize auszugleichen, dann wird der Euro auf Dauer eine Währung sein, die für manche Länder zu schwach und für andere zu stark ist. Dann können nur die Folgen der Fehlanreize ausgeglichen werden, oder es muss ein Wohlstandsgefälle akzeptiert werden. Möglich wäre ein solcher Ausgleich mit einem Finanztransfers, wie dies in Deutschland zwischen den Bundesländern der Fall ist.

Zinsaufschläge für Banken:

Eine Idee um, zumindest in einer Krise, unterschiedliche Zinsniveaus zu erreichen, wären Zinsaufschläge für gutbewertete Banken. So sollte hauptsächlich das Zinsniveau in den wirtschaftlich starken Ländern steigen, weil hier vermutlich die Mehrzahl der soliden Banken sitzt. In Spanien oder Griechenland könnte so ein niedrigerer Zins erreicht werden als in Deutschland. Dies funktioniert aber nur in einer Krise als linderndes Mittel. Im Regelfall sollten wir von guten Ratings der Banken in allen Ländern und damit wiederum einem gleichen Zinsniveau in allen Euro-Staaten ausgehen.

Maßnahmen zur Bekämpfung der Eurokrise – Teil 1 (www.mister-ede.de – 20.06.2012)

Vielleicht gibt es aber auch noch andere Möglichkeiten den Zins trotzt Währungsunion zu differenzieren.

Eine angepasste Anreizgestaltung:

Sofern keine Differenzierung des Zinses gelingt, ist es notwendig zumindest die Fehlanreize abzustellen. Eine solche Möglichkeit liegt in der unterschiedlichen Besteuerung von Konsum und Produktion in den verschiedenen Euro-Ländern. Mitgliedsstaaten, die ein niedriges BIP pro Kopf haben, sollten auch entsprechend hohe Konsumsteuern (MwSt.) und niedrige Produktionssteuern (Lohn, Energie, Gewinn) haben. So würde der Konsum in diesen Ländern gedrosselt, während Arbeitsplätze entstehen und die Wirtschaft wächst. In den wirtschaftlich starken Ländern sollte vor allem der Konsum günstig sein, die Besteuerung von Einkommen und Gewinn allerdings erhöht.
Es wäre also wünschenswert, in der Slowakei eine MwSt. von 25% und in Österreich lediglich 15% zu haben. Umgekehrt sollte aber in Österreich die Besteuerung von Energie oder Unternehmensgewinnen erhöht sein.

Auch die Kosten der Arbeit sollten in den wirtschaftlich starken Ländern erhöht sein. Betrachtet man 100 Euro, die ein Arbeitgeber an seinen Arbeitnehmer, bzw. die Sozialkassen entrichtet, dann sollte in Österreich ein vergleichbarer Arbeitnehmer prozentual weniger von diesen 100 Euro übrig haben, als in Portugal. Nachdem der Steuersatz mit der Einkommenshöhe steigt, ist es aber notwendig in verschiedenen Stufen vorzugehen. Man könnte z.B. Einkommen bis zu 25% des durchschnittlichen Lohnes (Deutschland 10.000 Euro / Portugal 5.250 Euro) aus der Betrachtung ausschließen. Genauso könnte man natürlich festlegen, dass an Einkommen über dem zehnfachen des Durchschnittslohnes andere Maßstäbe angelegt werden. Betrachtet man den Durchschnittslohn, so sollte dieser in Griechenland z.B. zu einer 10% niedrigeren Steuer- und Abgabenlast führen, als etwa in Österreich. Hierfür wäre der Konsum in Griechenland für die Verbraucher dann aber höher besteuert.

Aber nicht nur die Steuergestaltung, sondern umgekehrt auch die Subventionen setzen Anreize und Fehlanreize. Daher muss auch die Subvention von Produktion und Konsum überdacht werden. Hohe Sozialleistungen stellen eine Förderung von Konsum dar. Umgekehrt stellen Subventionsleistungen für die Wirtschaft eine Förderung der Produktion dar. Würden wir in Deutschland nicht die Landwirtschaft fördern, sondern den Konsum fördern, z.B. durch höhere Hartz IV Sätze, dann würde sich ein Teil der landwirtschaftlichen Produktion in andere Länder verlagern.

Egal ob Steuer- oder Subventionsanreize, beides muss so gestaltet werden, dass sich Konsum und Produktion eines Landes in einem wirtschaftlich gesunden Verhältnis entwickeln. Durch eine angepasste Besteuerung können Anreize so gesetzt werden, dass diese dann zu den jeweiligen Mitgliedsländern passen.
Eine solche Konstruktion darf allerdings nicht permanent sein, sondern muss alle Jahre wieder an die jeweilige Entwicklung entsprechend angepasst werden. So bietet sich dann aber die Möglichkeit innerhalb einer starren Währung eine flexible Wirtschaftszone zu generieren. Stets nur das Fehlen von Wechselkursanpassungen zu beklagen hilft hingegen nicht die Probleme zu lösen.

Probleme einer angepassten Anreizgestaltung:

Das größte Problem besteht in Anpassungsverlusten. Es ist nicht einfach mal eben möglich die Umsatzsteuer (MwSt.) in einem Land, z.B. in Spanien auf 25% anzuheben, ohne gleichzeitig ein Abfallen der Binnenwirtschaft zu erleben. Das hätte dann negative Auswirkungen, auch wenn ein MwSt.-Satz von 25% sicher sinnvoll für Spanien ist. Auch in anderen Ländern (Dänemark, Schweden) gibt es einen so hohen Satz, dennoch geht es den Volkswirtschaften gut. Auch in der Eurozone gibt es mit Finnland ein Land mit einer Umsatzsteuer von 23%. Gerade die starken Länder sollten aber umgekehrt eigentlich eine deutlich niedrigere Konsumbesteuerung haben.
Daher sollte Deutschland die MwSt. in einem ersten Schritt etwas absenken, und dafür evtl. andere Steuern z.B. auf Energie oder Spitzeneinkommen erhöhen. Hierdurch könnte sich die gesamte Binnennachfrage erhöhen, was ebenfalls den Krisenstaaten nutzen würde.
Insgesamt können solche Anpassungen aber nur langsam erreicht werden. Dennoch wäre es ein erster Schritt in die richtige Richtung, wenn Spanien die MwSt. auf 21% anheben würde. In Kombination mit EU-Investitionen in dieses Land könnte sogar eine schnellere Erhöhung möglich sein, ohne dass die spanische Binnenwirtschaft einbricht. Hierbei käme es auf die Höhe der Investitionen an. In einem Unternehmen würde man diese dann als „einmalige Restrukturierungskosten“ bezeichnen.

Ein weiteres Problem ist die Verbindung von Entscheidung und Verantwortung. Es wäre durchaus wünschenswert, wenn zwar in Deutschland 500.000 Arbeitsplätze verloren gehen, aber dafür dann in Spanien 500.000 Arbeitsplätze entstehen. Nur welcher deutsche Politiker wollte dies bei den Wahlen in Deutschland vertreten? Genauso müssten bei den Wahlen nationale Politiker dafür einstehen, wenn auf Brüsseler Anweisung hin, die MwSt. um 3% angehoben wird. Bei beidem erscheint es schwierig, ohne eine direkte Legitimation durch Wahl des Entscheidungsträger, sowohl Entscheidung als auch Verantwortung überein zu bringen.
Doch selbst wenn eine zukünftige europäische Regierung, von einer gemeinsamen Basis gewählt würde, z.B. durch das EU-Parlament, fehlt es noch an einem Verständnis für die Notwendigkeit eines steuerlichen Ausbalancierens. Es ist zwar sinnvoll die MwSt. in Deutschland abzusenken, aber die Auswirkungen auf die Haushalte aller Ebenen wären erheblich. Ein hundertprozentiger Ausgleich von negativen Auswirkungen, wie zum Beispiel bei den Einbußen in den Bundesländern, ist daher kaum möglich, weshalb nur dann ein Weg gefunden werden kann, wenn ein gemeinsamer Wille dominiert.

Ein drittes Problem ist die Unsicherheit bei solchen Prozessen. Dieses Problem ist bei Veränderungen jeder Art stets gegeben, weil diese immer die Zukunft betreffen und die Zukunft ist bekanntlich stets unsicher ist. Je weniger die zukünftigen Erfolge greifbar sind, desto größer das Akzeptanzproblem. Keiner garantiert, dass ein verlorener Arbeitsplatz in Deutschland tatsächlich einen Arbeitsplatz in einem anderen Euro-Land schafft. Hilfreich wären z.B. konkrete Umsiedlungshilfen oder Investitionshilfen für Produktionserweiterungen in bestimmten Ländern, um die Akzeptanz bei der Bevölkerung zu erhöhen. Aber auch der Erfolg solcher Maßnahmen ist im Gegensatz zum zurzeit vorhanden Arbeitsplatz in Deutschland eben unsicher.
Es will mir aber nicht begreiflich sein, wieso bei Fachkräftemangel stets versucht wird Fachkräfte nach Deutschland zu bringen, statt deutsche Unternehmen zu ermutigen in Spanien und Portugal mit den dortigen Fachkräften zu produzieren. Hierbei würde auch kein Arbeitsplatz in Deutschland verloren gehen. Statt Arbeitnehmer aus ihrer Umgebung und Kultur zu nehmen, könnten die Unternehmen Gewinn erwirtschaften und gleichzeitig die dortigen Volkswirtschaften stärken.

Trotz diverser Probleme sehe ich eine solche koordinierte Anreizgestaltung als Grundlage einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik. Erst wenn die Anreize für Produktion und Konsum in den Euro-Ländern neuausgerichtet sind, lassen sich die wirtschaftlichen Ungleichgewichte, trotz Einheitswährung, abmildern. Leider bräuchte es dafür einen gemeinsamen Willen, den ich momentan nicht nur bei vielen Politikern, sondern auch in der breiten Masse des Volkes nicht sehe. Es müsste sich erst die Erkenntnis durchsetzen, dass Hilfszahlungen, Schuldenpakt, ESM oder Niedrigzinspolitik nicht die Ursache von Fehlanreizen beheben.

Finanzausgleich:

Ist es weder möglich, die Wirtschaftskraft in den Ländern zu erhöhen, noch die Währungsanreize durch unterschiedliche reale Zinsen oder durch eine angepasste Steuer- und Subventionspolitik richtig zu setzen, dann wird es bei Ungleichgewichten in der Eurozone bleiben.

Aber auch mit Ungleichgewichten innerhalb der Eurozone wäre es möglich durch Finanztransfers die Leistungsfähigkeit der einzelnen Mitgliedsstaaten anzugleichen. In Deutschland wird dies mit dem Länderfinanzausgleich erreicht. Dessen Hauptfunktion ist es, die Unterschiede in der Wirtschaftskraft der einzelnen Bundesländer auszugleichen.
Nebenbei soll dies aber auch dazu führen, dass sich die Wirtschaftskraft der Länder angleicht. Auf der einen Seite haben die Nehmerländer zusätzliche Spielräume, auf der anderen Seite haben die Geberländer eine finanzielle Beschränkung. So gleicht dieses Instrument die Folgen einer aktuell fehlenden Wirtschaftskraft aus, aber hilft auch die Wirtschaftkraft selbst zu stärken.
Aber dennoch handelt es sich weniger um ein Instrument, welches die richtigen Anreize setzt, mehr um einen Solidarausgleich zur Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Dies kann man auch in Ostdeutschland sehen, wo sich die Wirtschaftskraft auch nach jahrelanger Förderung kaum an Westdeutschland angeglichen hat.
Zu dieser fehlenden Ursachenbekämpfung kommt auf europäischer Ebene noch der Widerstand der Geberstaaten hinzu.

Fazit:

Aus meiner Sicht hat ein einheitlicher Währungsraum große Vorteile, aber auch eine Reihe von Problemen. Im Idealfall gelingt es, die Wirtschaftskraft aller Mitgliedsländer auf das der starken Mitgliedsländer zu heben.
In diesem Fall wäre der Euro ohne Anpassungsmaßnahmen eine ideale Währung für unseren Währungsraum. Bis dies aber erreicht ist, sollten die Anreize durch unterschiedliche Steuern auf Konsum und Produktion richtig gesetzt werden.

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