Ukraine: Pufferzone statt „Anti-Terror-Einsatz“ und „Kampf gegen Faschisten“
Auch wenn der Ukraine-Konflikt noch weit weg ist von einem Level, der Normalität ermöglicht, haben die jüngsten Entscheidungen der Konfliktparteien bislang zumindest das völlige Ausarten in einen offenen Krieg zwischen der Ukraine und Russland verhindert.
Nach dem Sturz Janukowytschs war zu befürchten, dass Russland alles daran setzen wird, um eine Anbindung der Ukraine an die EU zu verhindern. Spätestens nach der Abspaltung der Krim und der Aufnahme in russisches Staatsgebiet wurde dann auch deutlich, dass eine weitere EU-Annäherung der Ukraine zu heftigen Reaktionen Moskaus führen würde und damit die Einheit der Ukraine auf dem Spiel steht.
Dennoch unterzeichnete die ukrainische Interims-Führung um Jazenjuk im März, noch vor den Präsidentschaftswahlen, den ersten Teil des EU-Assoziierungsabkommen und versuchte den separatistischen Bewegungen, die sich ihrerseits auf einen „Kampf gegen die Faschisten in Kiew“ beriefen, mit einem „Anti-Terror-Einsatz“ zu begegnen. Um allerdings den Verlust genau jener Kontroller zu verhindern, welche die Kiewer Führung im Osten des Landes zu gewinnen versuchte, wurden die Separatisten von russischer Seite verstärkt unterstützt. In der Folge entwickelte sich eine kriegsartige Situation, in der in kurzer Zeit die Opferzahlen in die Höhe schnellten und die in einen offenen Krieg zwischen Russland und der Ukraine auszuarten drohte.
Das momentane Zwischenergebnis nach einer ersten Annäherung in Minsk zwischen den Konfliktparteien in Kiew, Donezk, Moskau, Brüssel und Washington ist nun eine kilometerlange Trenn- oder Frontlinie, die sich quer durch den Osten der Ukraine zieht. Sofern sich beide Seiten an die Verabredung halten, was zahlreiche Kämpfe in den vergangenen Tagen zweifelhaft erscheinen lassen, dann sollen die Konfliktparteien in nächster Zeit mit einer 30 Kilometer breiten Pufferzone auf Abstand gehalten werden, so dass dann hoffentlich zumindest das Blutvergießen ein Ende findet. Aber auch wenn ich begrüße, dass durch diese Vereinbarung wenigstens ein Weg eröffnet wird, um die humanitäre Situation zu stabilisieren und die Gewaltspirale zurückzudrehen, kann dieser Schritt nur helfen, den Konflikt vorerst einzufrieren, aber nicht ihn zu lösen.
Denn ebenso bedeutet diese Trennlinie, die de facto nicht nur den Süd-Osten des Landes von seinem Rest trennt, sondern auch die Machtbereiche von Brüssel und Moskau markiert, dass sich die Gegensätze zwischen den Konfliktparteien weiter manifestieren können. Auf der einen Seite ist Kiew, auf der anderen Seite ist Donezk und während sich der eine Teil der EU zuwendet, nähert sich der andere Teil an Russland an. Die momentane Trennlinie ist damit der Preis, den Kiew dafür zahlt, dass es mit EU-Assoziation und „Anti-Terror-Einsatz“, statt frühzeitiger Verhandlungsbereitschaft, auf Konfrontation und nicht auf Ausgleich setzte.
Aber selbst wenn die Konfliktparteien die Vereinbarungen nun umsetzen, muss allen Beteiligten klar sein, dass ein solcher Zustand nur ein Provisorium sein kann, das nicht dazu geeignet ist, dieser Region dauerhafte Stabilität zu verschaffen.
Weiterhin gilt, Kiew hat nur die Wahl zwischen Chaos und Verhandlungen, während Moskau durch ein Anziehen der Daumenschraube gegenüber Kiew vor allem sein internationales Ansehen aufs Spiel setzt, was kurzfristig nur ein vergleichsweise geringer Preis ist. Die Separatistin können daher mit Putin im Rücken weiterhin hoffen, dass ihnen Poroschenko in vielen Bereichen entgegenkommen muss, genauso wie auch Moskau dies selbst erwarten kann, z.B. beim Umgang mit der Krim oder bei Fragen der Altschulden oder des Gashandels. Scheitern die Verhandlungen oder werden die getroffenen Verabredungen nicht eingehalten, drohen weitere kämpferische Auseinandersetzung und ein Wiederkehren der Gewaltspirale und kommen die Verhandlungen zum erliegen droht eine chronische Krise, die die Ukraine auf Dauer zermürbt. Daher wird auch weiterhin nur eine Einigung der Konfliktparteien erlauben, diesen Konflikt nachhaltig zu lösen.
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Kiew hat die Wahl zwischen Chaos und Verhandlungen mit Russland (www.mister-ede.de – 14.04.2014)