Wahl stellt Parteien vor Probleme: SPD trumpft mit Mitgliederentscheid auf

Das Ergebnis der Bundestagswahl bringt alle vier im Bundestag vertretenen Parteien in eine gewisse Bredouille. Merkel ist bei der Wahl der Koalitionspartner FDP abhanden gekommen, so dass eine Fortsetzung der bisherigen Politik nicht mehr möglich ist. Allerdings konnten SPD und Grüne, die beide ihrerseits gegen die Unionspolitik Wahlkampf geführt hatten, genauso wenig die Mehrheit im Bundestag erringen.
Zwar gibt es die Möglichkeit einer rot-rot-grünen Regierung, doch eine Zusammenarbeit zwischen SPD, Grünen und Linken hatte rot-grün im Wahlkampf mehrfach ausgeschlossen.
Aber selbst wenn diese Option nicht ausgeschlossene worden wäre, muss man feststellen, dass es neben einigen Hürden zwischen SPD und Linken auch erhebliche inhaltliche Differenzen von der Rente, über die Europa- hin zur Bündnispolitik zwischen rot-grün und der Linken gibt.

Damit ergibt sich nach dieser Wahl auch für die Linke ein gewisses Problem. Sie muss sich entscheiden ob sie eine Art Protestpartei mit teilweise extremen Forderungen bleiben will, oder ob sie irgendwann auch mitgestalten möchte. Bislang wurde diese innerparteiliche Auseinandersetzung über Programmatik und Ausrichtung der Linken immer wieder verschoben, aber das Wahlergebnis macht deutlich wie akut die Frage ist.
Sofern sie weiter die Rolle einer Protestpartei spielen will, wird die Linke dem Wähler erklären müssen, was für einen dauerhaften Sinn eine Partei auf der bundespolitischen Bühne haben soll, die keinerlei Optionen zum mitgestalten hat.

Die drei restlichen Parteien werden derweil einige Schwierigkeiten haben einen koalitionsfähigen Kompromiss zwischen den Parteien zu erarbeiten. Betrachtet man Union und SPD bzw. Grüne, dann lassen sich doch deutliche Unterschiede im gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Modell erkennen. So unterscheiden sich z.B. Familien-, Gleichstellungs- oder Integrationspolitik erheblich und insbesondere bei den Grünen kommen zusätzlich massive Unterschiede bei der gesellschaftlichen Ausrichtung auf Natur und Umwelt hinzu. Auch wirtschaftspolitisch hat rot-grün von Bankenregulierung und Finanzmarktsteuer über Mietpreisbremse und Mindestlohn bis zu einer Begrenzung der prekären Beschäftigungsverhältnisse teilweise völlig entgegengesetzte Positionen zur Union.

In dieser Situation muss sich, wer eine Regierung bilden will, bewegen. Allerdings wer sich zu sehr bewegt, wird sicherlich bei der nächsten Wahl von den Wählern abgestraft. Das gilt für die Union, die dann vermutlich der FDP wieder Stimmen zurückgeben würde oder vielleicht auch einige an die AfD verlieren könnte. Das gilt aber auch für SPD oder Grüne, denen bei zu vielen Zugeständnissen wohl am linken Flügel die Wähler weglaufen würden.

Man könnte es als Notlösung betrachten, dass Sigmar Gabriel jetzt die Parteimitglieder über eine mögliche Große Koalition entscheiden lassen wird. Aus meiner Sicht ist es aber viel eher das Ass im Koalitionspoker, das Angela Merkel, Prozente hin und knapp verfehlte Mehrheit her, zu erheblichen Zugeständnissen zwingen wird. Ein Ass im Ärmel, welches die SPD in dieser verfahrenen Situation ausspielt.
Alle Spekulation über mögliche Parteistrategien oder mögliche vorgeschobene Gründe für eine Ablehnung der Großen Koalition sind durch diese Entscheidung hinfällig. Sollte es zu Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD kommen, dann wird es durch die Mitgliederentscheidung wohl die transparenteste Bildung einer Koalition werden, die es in Deutschland jemals gab.
Die Union muss sich hingegen darauf einstellen, dass sie sich bei Koalitionsverhandlungen am Ende nicht nur mit der SPD-Führung einigen, sondern auch mit einem inhaltlich konkreten und ausgeglichenen Angebot die Vorbehalte der SPD-Mitglieder beseitigen muss. Damit hat die SPD die Hürde für eine Koalitionsbildung insgesamt relativ hoch gehängt und übt mit ihrem Trumpf ordentlich Druck auf die Union aus.
Allerdings dürfte neben einer besseren Verhandlungsposition dieser Weg auch wichtig für den innerparteilichen Zusammenhalt in der SPD selbst sein. Deren Mitglieder sind nun in eine Entscheidung über die, in der Basis ungeliebte, Große Koalition eingebunden und können somit selbst den Kurs ihrer Partei festlegen.

Ob es allerdings überhaupt soweit kommt, hängt jetzt erst einmal von den am Freitag von der SPD beschlossenen Sondierungsgesprächen mit der Union ab. Vielleicht hat ja Angela Merkel bei genauerem Hinsehen doch mehr Lust mit den Grünen über eine Koalition zu verhandeln.


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